• Keine Ergebnisse gefunden

4. DISKUSSION

4.4. Zerebraler Blutfluss

Phelps et al. (50, 51) vermuteten, dass Unterschiede in der regionalen zerebralen Ammoniakaufnahme mehrheitlich auf regionalen Veränderungen der zerebralen Durchblutung durch Eröffnung von Kapillaren und unterschiedliche Blutfluss-geschwindigkeiten beruhen. Innerhalb der hier beschriebenen Studienpopulation gab es keine Unterschiede bezüglich der zerebralen Durchblutung, weder global noch regional, zwischen Patienten und Gesunden oder zwischen den drei Patientengruppen. Auffällig war, dass die CBF Werte in dieser Studie niedriger lagen

als die in vorausgegangenen Untersuchungen an ähnlichen Gruppen erhobenen (s. Tab. 9). Lockwood et al. (42) bestimmten zunächst in einer Gruppe aus fünf Gesunden CBF im Bereich der grauen Substanz (0,59 ± 0,11 ml/ml/min) und in der weißen Substanz (0,35 ± 0,06 ml/ml/min). Bei Keiding et al. (11) lagen die Werte ihrer Kontrollgruppe (n = 5) bei 0,47 ± 0,03 ml/ml/min im Bereich des Kortex, 0,62 ± 0,05 ml/ml/min in den Basalganglien und 0,64 ± 0,04 ml/ml/min im Cerebellum. Der globale Blutfluss in der Gruppe der nicht-enzephalopathischen Patienten mit Leberzirrhose (n = 3) bei Ahl et al. (14) lag bei 0,53 ± 0,11 ml/ml/min.

Für die vergleichbare Gruppe (n = 7) bei Keiding et al. (11) fanden sich ein CBF von 0,44 ± 0,06 ml/ml/min im Kortex, 0,59 ± 0,05 ml/ml/min in den Basalganglien und 0,59 ± 0,07 im Kleinhirn. Vergleichbare regionale Werte in dieser Studie waren CBF im Cerebellum von 0,34 ± 0,04 ml/ml/min in der Kontrollgruppe und 0,37 ± 0,13 ml/ml/min in der Gruppe der Patienten mit Leberzirrhose und im Bereich des Nucleus caudatus 0,27 ± 0,09 ml/ml/min bzw. 0,30 ± 0,12 ml/ml/min. Worauf beruhen nun diese Unterschiede? Einen allenfalls geringen Einfluss dürften die unterschiedlichen Altersdurchschnitte der untersuchten Gruppen haben, da im untersuchten Altersbereich der Abfall der zerebralen Durchblutung pro Lebensjahr relativ gering ist (52). Das „Flow & Dispersion“-Modell, welches für die kinetische Analyse der 15O-Wasser-Blut-Aktivitätskurven verwandt wurde, geht von einem Diffusionsgleichgewicht zwischen Blut und Gewebe aus. Eigentlich ist 15O-Wasser jedoch ein nur eingeschränkt diffusionsfähiger Tracer mit einer first pass-Extraktion von etwa 0,9, d.h. der tatsächliche Blutfluss wird um etwa 10 % unterschätzt. Keiding et al. berücksichtigten dies und führten eine Korrektur durch, bei dem in dieser Studie angewandten Auswertemodus war dies nicht der Fall. Des Weiteren hat die Definition der VOIs einen Einfluss auf die Quantifizierung des Blutflusses. Bei dieser

Studie wurden ausgedehnte VOIs mit einem größeren Anteil weißer Substanz und der Liquorräume festgelegt. Da der Blutfluss in der weißen Substanz nur etwa ein Viertel dessen in der grauen Substanz beträgt, führt ein größerer Anteil weißer Substanz in der VOI zu einer Unterschätzung des CBF verglichen mit kleineren VOIs mit einem geringen Anteil an weißer Substanz. Als Vorteil der VOI-Definition mit dem AAL-Atlas (36) ist jedoch zu werten, dass er allgemein zur Verfügung steht und die Methodik damit auch von anderen Gruppen leicht aufgegriffen werden kann. Zudem ist die Verwendung größerer VOIs weniger empfindlich gegenüber Varianzen zwischen den verschiedenen Probanden.

4.5. Zerebraler Ammoniak-Stoffwechsel

Die Ergebnisse der bisherigen 13N-Ammoniak-Studien an Menschen sind in Tabelle 9 zusammengefasst.

[ml/ml/min] [ml/ml/min] [ml/ml/min] [ml/ml/min] [ml/ml/min] [µmol/l/min]

Lockwood et al., 1984

5 Gesunde 1-Kompartiment-Modell ROIs (region of interest) wurden auf Blutfluss-Bild festgelegt

5 Patienten mit Leberzirrhose und (minimaler) HE 5 Kontrollen

1-Kompartiment-Modell ROIs wurden auf Blutfluss-Bild festgelegt.

20 Patienten erhielten 13 N-Ammoniak-PET, nur 8 (early HE 5, HE0 3) davon 15

Manuelle ROI Definition auf koregistrierter MRT

early HE:

8 Patienten mit Zirrhose und manifester HE

7 Patienten mit Zirrhose ohne HE MRT und standardisierter Atlanten.

Lockwood et al. (42) gehörten zu den ersten, die die zerebrale metabolische Rate für Ammoniak bei Menschen untersuchten. Die Werte in der Gruppe von fünf gesunden Probanden lagen bei 18 ± 9 nmol/g/min in der grauen Substanz und 14 ± 8 nmol/g/min in der weißen Substanz. In einer weiteren Studie (12) wurden neben Gesunden (n = 5) Patienten (n = 5) mit Leberzirrhose und minimaler hepatischer Enzephalopathie eingeschlossen. Allerdings definierten Lockwood et al.

die minimale hepatische Enzephalopathie als Vorliegen von Lethargie und mindestens einem weiteren Symptom wie Dysarthrie, gesteigerte Muskeleigenreflexe oder Tonuserhöhung. Dies entspricht nach den aktuellen West Haven-Kriterien einer Enzephalopathie ersten Grades. Ferner ist zu erwähnen, dass sich Ammoniak-Konzentration und pH-Wert zwischen Gesunden und der Patientengruppe signifikant unterschieden. Die Messungen erbrachten eine globale CMRA von 3,4 ± 1,5 nmol/g/min in der Kontrollgruppe und von 9,1 ± 3,6 nmol/g/min in der Patientengruppe.

Als Modell ging die Arbeitsgruppe um Lockwood von einem Einstrom Ammoniaks ins Hirngewebe und seiner dortigen Bindung ohne Wiederfreisetzung im Untersuchungs-zeitraum aus, so dass nach der später durch Keiding et al. (11) verwandten Definition PSmet bestimmt wurde. In der oben erwähnten ersten Studie aus dem Jahre 1984 an Gesunden wurde PSmet in der grauen Substanz mit 0,32 ± 0,19 ml/ml/min und in der weißen Substanz mit 0,24 ± 0,16 ml/ml/min ermittelt. In der zweiten Studie lagen die Werte für das globale PSmet bei 0,22 ± 0,07 ml/ml/min in der Patientengruppe und damit signifikant höher als in der Kontrollgruppe (0,13 ± 0,03 ml/ml/min). Der globale PSmet Wert der Patientengruppe dieser aktuellen Studie ist mit 0,21 ± 0,02 ml/ml/min ähnlich, die Ergebnisse für Gesunde (0,19 ± 0,04 ml/ml/min) liegen zwischen den

beiden von Lockwood et al. publizierten Werten, wobei bei der ersten Studie die deutliche Standardabweichung zu beachten ist. In beiden Studien wurden allerdings auch unterschiedliche „regions of interest“ (ROI) verwandt.

Die Modellvoraussetzungen der aktuellen Studie und der von Ahl et al. (14) waren insofern ähnlich, da in beiden keine individuellen Metabolite bestimmt wurden, sondern die selbe populationsbasierte Metabolitenkorrektur vorgenommen wurde.

Dagegen ist einzuwenden, dass Formeln für eine populationsbasierte Metabolitenkorrektur entweder an Gesunden erhoben wurden (38) oder nicht im Hinblick auf den Grad der Einschränkung der Leberfunktion differenziert wurden (3).

Auch die Berechnung von PSbbb erfolgte auf vergleichbare Weise. Eine Kontrollgruppe wurde von Ahl et al. nicht untersucht. Die globale PSbbb der Patienten mit Leberzirrhose ohne hepatische Enzephalopathie (n = 3) lag bei 0,276 ± 0,063 ml/ml/min, k1 global (n = 8) bei 0,268 ± 0,117 ml/ml/min und damit beide über den in dieser Studie bei Patienten mit Leberzirrhose erhobenen Werten (PSbbb 0,226 ± 0,029 ml/ml/min, k1 0,166 ± 0,027 ml/ml/min). Unter Berücksichtigung der Standardabweichungen überlappen sich die Bereiche jedoch. Die Vergleichbarkeit ist eingeschränkt, da Ahl et al. die VOIs manuell definierten, im Gegensatz zu dem in dieser Studie zur Anwendung kommenden standardisierten Atlas. Ferner ist zur berücksichtigen, dass wegen Fehlern bei der Datenakquisition in der aktuellen Gruppe der Patienten mit Leberzirrhose nur für 3 der 6 Teilnehmer eine PET-Auswertung erfolgen konnte. Bei Ahl et al. ist die Gruppe der Patienten, bei denen neben k1 auch PSbbb bestimmt wurde, ebenfalls klein (insgesamt 8, nicht enzephalopatisch 3), da nur wenige Studienteilnehmer ein 15O-Wasser-PET erhielten.

Im Gegensatz zu allen bisher dargestellten Studien und zu der hier beschriebenen maßen Keiding et al. (11) individuelle Ammoniak-Metabolite, um k1, kmet, PSbbb und PSmet zu bestimmen. Globale Werte wurden von der Gruppe nicht veröffentlicht.

Regionale PSmet-Werte der Kontrollgruppe (Kortex 0,20 ± 0,01 ml/ml/min, Basalganglien 0,26 ± 0,02 ml/ml/min, Cerebellum 0,23 ± 0,01 ml/ml/min) waren vergleichbar denen in dieser Studien erhobenen (Motorkortex 0,19 ± 0,03, Nucleus lentiformis 0,20 ± 0,04, Cerebellum 0,22 ± 0,04 ml/ml/min). Dies gilt auch für die regionalen PSmet-Ergebnisse in der Gruppe der Patienten mit Leberzirrhose ohne hepatische Enzephalopathie (Kortex 0,23 ± 0,04, Basalganglien 0,32 ± 0,04, Cerebellum 0,27 ± 0,03 ml/ml/min). Korrespondierende Werte dieser Studie sind im Bereich des Motorkortex 0,21 ± 0,03, des Nucleus lentiformis 0,23 ± 0,03 und für das Cerebellum 0,23 ± 0,05 ml/ml/min. Die kortikalen bzw. globalen Ergebnisse und die für den Bereich des Kleinhirns gleichen sich, im Bereich der Basalganglien erhoben wir jedoch für die Patienten mit Leberzirrhose eine niedrigere PSmet. Bezugnehmend auf den bereits weiter oben aufgeführten Kritikpunkt der in dieser Studie fehlenden individuellen Metabolitenkorrektur, scheint die populationsbasierte Korrektur also nicht zu auffallenden Verzerrungen der Ergebnisse zu führen.

Im Gegensatz zu den vorausgegangenen Studien zum Ammoniak-Stoffwechsel bei Leberkranken, ist die hier beschriebene Studie die erste mit einer bezogen auf die Ätiologie der Leberschädigung einheitlichen Patientenpopulation. Bei allen liegt eine chronische virale Hepatitis zu Grunde. Lockwood et al. (12) machten keine Angaben zu den Grunderkrankungen ihrer Patientengruppe. Ahl et al. (14) schlossen zwar auch mehrheitlich Patienten mit posthepatitischer Zirrhose ein, aber auch einige mit

auto-immunologischer Leberschädigung. Und die Teilnehmer an der Studie von Keiding et al. (11) schließlich hatten mehrheitlich eine alkoholtoxische Leberzirrhose.

Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt, ob die verschiedenen Lebererkrankungen die Blut-Hirn-Schranke beeinflussen und damit einen Teil der oben angeführten Unterschiede erklären.

Ahl et al. (14) fanden bei Patienten mit minimaler und erstgradiger hepatischer Enzephalopathie ein erniedrigtes sk1 verglichen mit den nicht enzephalopathischen, Zirrhose-kranken Patienten im Bereich des Nucleus lentiformis und des Vermis des Kleinhirns. Bei Keiding et al. (11) bestanden ebenfalls signifikante regionale Unterschiede, hier sogar für das absolute kmet, im Bereich des Kortex und der Basalganglien zwischen den Patienten mit Leberzirrhose ohne Enzephalopathie und der Kontrollgruppe. Auch in dieser Studie zeigten sich signifikante regionale Unterschiede der normalisierten Ratenkonstanten, speziell im Bereich der Basalganglien, des supplementär motorischen Kortex und des Cerebellums.

Motorische Symptome wie Asterixis, Dysdiadochokinese und Bradykinesie gehören zu den Frühzeichen der hepatischen Enzephalopathie, mehrere klinische und bildgebende Studien konnten eine bevorzugte Beteiligung der motorischen Systeme bei der hepatischen Enzephalopathie belegen (53, 54, 15). Diese herausgehobene Beeinträchtigung des motorischen Systems könnte auf einem relativ höheren Ammoniak-Angebot und Ammoniakumsatz in diesen Regionen beruhen, wobei diese offenbar nicht auf eine erhöhte Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke zurückzuführen sind, sondern u.a. wohl auf regionale Unterschiede des cerebralen Blutflusses.

Lockwood et al. (55) fanden, allerdings nur für normalisierte CBF-Daten, einen erhöhten Blutfluss im Bereich des Cerebellums, Thalamus und des Ncl. caudatus bei

enzephalopatischen Patienten im Vergleich zu Gesunden. Iversen et al. (44) konnten dies in ihrer letzten Arbeit allerdings nicht bestätigen, sondern wiesen einen global und regional erniedrigten absoluten Blutfluss bei enzephalopatischen Patienten verglichen zu nicht-enzephalopatischen Patienten mit Leberzirrhose und Gesunden nach.