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5 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

5.1 Zusammenfassung und Einordnung der Ergebnisse

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, welche Indikatoren auf Individualebene die Bürgerbeteiligung der Bevölkerungsgruppe mit geringem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau, die als ressourcenarme Bevölkerung definiert wurde, bei Open Government Bürgerbeteiligungsmechanismen limitieren und wie deren Partizipation optimiert werden kann. Anhand von zehn qualitativen Interviews mit Experten aus der öffentlichen Verwaltung, NGOs und dem akademischen Bereich wurde die Forschungsfrage am Fallbeispiel der Dominikanischen Republik untersucht. Die Analyse der gesetzlichen Grundlagen und die Aussagen der Experten haben gezeigt, dass die Dominikanische Republik im normativen Bereich bereits grosse Fortschritte in Richtung partizipativer Demokratie und im Bereich Open Government gemacht hat. Aus den Interviews wurde ersichtlich, dass die Ausgangslage in der Dominikanischen Republik den bisher oft gefundenen Erkenntnissen entspricht und die ressourcenarme Bevölkerung bei den untersuchten Bürgerbeteiligungsmechanismen nur ungenügend bis gar nicht partizipiert. Entgegen der vorliegenden Analyse und den meisten anderen Studien haben Wijnhoven et al. (2015) in ihrer Untersuchung der Partizipation bei Open Government Mechanismen keinen Zusammenhang der sozioökonomischen Situation einer Person und ihrer Teilnahmebereitschaft gefunden und sehen aus diesem Grund grosses Potential in dieser neuen Form der politischen Partizipation. Ein Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse könnte die Methodik und der Untersuchungsraum der Studie sein, die anhand einer quantitativen Onlineumfrage in Deutschland durchgeführt wurde und somit auf eine unterschiedliche Stichprobe zurückgreift. Zudem haben sie nicht die tatsächliche Partizipation, sondern die Bereitschaft zur Partizipation untersucht. Die Diskrepanz der Ergebnisse könnte zudem darauf hinweisen, dass die Beteiligung im Rahmen von Open Government in westlichen Demokratien und den neuen Demokratien Lateinamerikas unterschiedliche Dynamiken aufweist.

Ausgehend vom Befund der Nicht-Partizipation der ressourcenarmen Bevölkerung in der Dominikanischen Republik wurden vier aus bisherigen Forschungsergebnissen abgeleitete Hypothesen zur Analyse der Limitationen der Partizipation generiert. Die im vorherigen Kapitel dargelegten Ergebnisse haben gezeigt, dass das fehlende Vertrauen in das politische System, das niedrige Informationsniveau und der fehlende technologische Zugang einen limitierenden Einfluss ausüben. Die Ergebnisse weisen auf eine Annahme der Hypothesen H1, H3 und H4 hin.

Das Vertrauen in das politische System wurde als notwendige Voraussetzung für die Bürgerbeteiligung deklariert, die die Beteiligung der ressourcenarmen Bevölkerung stark limitiert. Analog den Ergebnissen von anderen Autoren (Milbrath & Goel, 1977; Barnes &

Kaase, 1979; Hadjar & Becker, 2007; Wijnhoven et al., 2015) erwähnten mehrere Experten die Relevanz des Vertrauens in die Effektivität der Massnahmen. Wie die Analyse der Partizipation der ressourcenarmen Bevölkerung von Klatt und Walter (2011) zeigen auch die vorliegenden Ergebnisse, dass die perzipierte Beeinflussungsmöglichkeit von Politik die Bürgerbeteiligung limitiert. Wie bereits im Ergebnissteil angesprochen, erwähnten mehrere Experten diesbezüglich den Einfluss der von der Diktatur geprägten Geschichte der Dominikanischen Republik auf das Vertrauen in das politische System und das Bürgerverständnis, das die Bürgerbeteiligung beinahe verunmöglicht. Die Geschichte eines Landes übt demnach einen Einfluss auf die Bürgerbeteiligung aus. Dieser Ansicht stimmte auch Krishna (2002, S. 437) zu, der betonte, dass das Vertrauen in jungen Demokratien wichtiger ist. Die politische Kultur wurde von den Experten sowohl als indirekter Einflussfaktor auf das Vertrauen, wie auch als direkter Indikator für die Bürgerbeteiligung beschrieben. Dies lässt darauf schliessen, dass der Einfluss der politischen Kultur und des damit einhergehenden Bürgerverständnisses als Indikator auf Systemebene untersucht werden sollten.

Analog Bödeker (2012) und Wijnhoven et al. (2015) bestätigte die vorliegende Arbeit den Einfluss des Informationsniveaus auf die Bürgerbeteiligung der ressourcenarmen Bevölkerung. Informationen über die Existenz und Funktionsweise der Open Government Mechanismen werden als Voraussetzungen für die Beteiligung angesehen, wobei der Einfluss der Informationen über die Funktionsweise leicht stärker gewichtet wurde. Darüber hinaus wurde der Einfluss des generellen politischen Informationsniveaus angesprochen, das bei der ressourcenarmen Bevölkerung generell tief ist und ihre Beteiligung limitiert. Der Einfluss der Informationen in der gesamten Bevölkerung wurde von Brady et al. (1995) erwähnt und von Krishna (2006) bestätigt. Die Aussagen der Experten, die oft auch von Kenntnissen und

Wissen sprachen, wirft jedoch die Frage auf, inwiefern der Faktor Information von der Bildung abhängt. Es hat sich gezeigt, dass sich eine klare Abgrenzung des Indikators als schwierig gestaltet und dieser eventuell noch enger definiert werden sollte.

Der limitierende Einfluss des technologischen Zugangs auf die Bürgerbeteiligung wurde klar bestätigt. Insbesondere die hohen Kosten des Internets hemmen den Zugang und somit die Bürgerbeteiligung der ressourcenarmen Bevölkerung. Jedoch muss dieses Ergebnis relativiert werden, da nicht alle Open Government Bürgerbeteiligungsmechanismen einen technologischen Zugang voraussetzen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen die Annahme Perlots (2009, S. 109-110), der von einem sich erhöhenden Digital Divide zwischen Arm und Reich spricht. Obwohl nicht explizit definiert, wurde der technologische Zugang von beinahe allen Experten als Zugang zum Internet verstanden. Interessant ist der Einwurf Liranzos, der auch im mobiltelefonischen Zugang einen Indikatoren sieht, dem er grosses Potential beimisst.

Der limitierende Einfluss des fehlenden politischen Interesses auf die Bürgerbeteiligung konnte hingegen nicht bestätigt werden. Das Ergebnis widerspricht bisherigen Forschungserkenntnissen. Der Einfluss des politischen Interesses bei der Bürgerbeteiligung der Gesamtbevölkerung wurde bereits von mehreren Forschern bestätigt (Milbrath & Goel, 1977; Barnes & Kaase, 1979; Brady et al., 1995, S. 271; Hadjar & Becker, 2007; Schäfer, 2010, S. 140-143; Hutter et al., 2011). Einige der befragten Experten bestätigten jedoch analog Hutter et al. (2011) die Relevanz des Interesses an den Open Government Plattformen, das die Bürgerbeteiligung der ressourcenarmen Bevölkerung limitiert. Die vorliegenden Ergebnisse weisen grundsätzlich daraufhin, dass das politische Interesse bei der ressourcenarmen Bevölkerung irrelevant ist und keinen Einfluss auf ihre Partizipation ausübt, da diese durch die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse und nicht durch das fehlende politische Interesse verdrängt wird. Die ökonomische Situation der betroffenen Personen hat demnach einen Einfluss darauf, ob das politische Interesse relevant ist für die Bürgerbeteiligung oder nicht. Der Befund kann mit der Annahme von Hadjar und Becker (2006) verglichen werden, die im politischen Interesse eine direkte Auswirkung der Bildung und des sozialen Status sehen. Das Argument der Bedürfnisbefriedigung weist darauf hin, dass jene Personen ihre Zeit für die Beschaffung dringlicherer Bedürfnisse aufwenden und keine freien Kapazitäten für die Bürgerbeteiligung bleiben. Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwiefern die Verbesserung der anderen Indikatoren die Bürgerbeteiligung der ressourcenarmen Bevölkerung optimieren kann, solange diese Limitation vorhanden ist. Die Limitation weist darauf hin, dass die einzige Verbesserungsmöglichkeit eine Veränderung des

Systems und damit verbundene Überwindung der ökonomischen und bildungsabhängigen Unterschiede, wie sie einige Experten und auch Bödeker (2012, S. 41-42) vorschlugen, ist.

Die Bedürfnisbefriedigung kann darüber hinaus mit dem von Bödeker (2012) bei seiner Untersuchung der Bürgerbeteiligung der ressourcenarmen Bevölkerung bestätigten Einfluss der zeitlichen Ressourcen gleichgesetzt werden. Demnach sollte in weiteren Studien der Indikator der zeitlichen Ressourcen anstelle des politischen Interesses berücksichtigt oder das politische Interesse als Mediatorvariable untersucht werden.

Die Hypothesen weisen grösstenteils darauf hin, dass die individuellen Indikatoren, die die Bürgerbeteiligung grundsätzlich beeinflussen, einen limitierenden Effekt auf die Beteiligung der ressourcenarmen Bürger ausüben. Neben den untersuchten und bereits besprochenen Indikatoren wurden in den Experteninterviews zwei weitere zentrale Beeinflussungsfaktoren genannt. Wie bereits erwähnt, wurde die politische Kultur von einem Grossteil der Experten erwähnt, die das Bürgerverständnis der ressourcenarmen Bevölkerung limitieren, indem sie Dienstleistungen als Gefallen und nicht als Verpflichtungen des Staates ansehen. Dieses Ergebnis geht mit der Annahme der politischen Kulturforschung einher, bei der ein Einfluss der politischen Kultur auf das politische Verhalten statuiert wird (Pickel & Pickel, 2006, S.

58). Obwohl das Bildungsniveau in der vorliegenden Studie explizit als gegeben angenommen wurde, ist über die Hälfte der Experten der Meinung, dass die schlechte Bildung die Partizipation enorm erschwert und diese Personen zuerst besser gebildet werden müssen, bevor sie fähig sind, teilzunehmen. Bödeker (2012, S. 41-42) schlug ebenfalls vor, dass die Partizipation der ressourcenarmen Bevölkerung durch die Bekämpfung der asymmetrischen Ursachen erhöht werden soll.

Die Ergebnisse der Hypothesen haben gezeigt, dass das fehlende Vertrauen in das politische System, das niedrige Informationsniveau und der fehlende technologische Zugang die Beteiligung der ressourcenarmen Bevölkerung limitieren und demnach durch die Optimierung der Indikatoren positiv beeinflusst werden können. Die substanziellen Verbesserungsvorschläge sollen im nächsten Kapitel diskutiert werden.