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Stephan Hungerbühler

Pharmakokinetik von unfraktioniertem Heparin bei Hunden mit einer verminderten glomerulären Filtrationsrate infolge chronischer Niereninsuffizienz

Ziel dieser Studie war es, den Einfluss einer verminderten Nierenfunktion infolge chronischer Niereninsuffizienz (CNI) auf die Pharmakokinetik von unfraktioniertem Heparin (UFH) beim Hund zu untersuchen. In die Studie wurden 32 Hunde mit einer verminderten glomerulären Filtrationsrate (GFR: <1,25 ml/kg/min) infolge CNI und 20 Hunde mit einer GFR im Normbereich (3–6 ml/kg/min) aufgenommen. Vier Gruppen von Hunden erhielten entweder 500 Internationale Einheiten (I.E.)UFH/Kilogramm Körpermasse (kg KM) subkutan (Kontrolle [Gruppe 1]: n=10; CNI [Gruppe 2]: n=10) oder 50 I.E.(UFH)/kg KM intravenös (Kontrolle [Gruppe 3]: n=10; CNI [Gruppe 4]: n=22) injiziert. Die GFR sowie die Harnstoff- und Kreatinin-Konzentration wurden am Tag vor Untersuchung der UFH-Kinetik bestimmt.

Bei Hunden mit subkutaner Heparinapplikation (Gruppen 1 und 2) wurden Blutentnahmen vor der Injektion und dann 15 und 30 Minuten, sowie 1, 2, 3, 4, 6, 8, 10, 12 und 24 Stunden nach der Injektion durchgeführt. Bei Hunden mit intravenöser Heparinapplikation (Gruppe 3 und 4) erfolgten Blutentnahmen vor der Injektion und dann 2, 5, 10, 15 und 30 Minuten, sowie 1, 2, 3, 4, 6 und 8 Stunden nach der Injektion. Als UFH-Präparat wurde ein kommerzielles, aus Schweinedarmmukosa gewonnenes Natrium-Heparin (Liquemin®, Hoffman La Roche) benutzt. Für alle Versuchszeitpunkte wurde die Plasmaheparinaktivität, die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT), die Thrombinzeit (TZ), die Antithrombin-(AT)-Aktivität, die Plasmaalbuminkonzentration, die Thrombozytenzahl und der Hämatokrit bestimmt. Die Messung der Plasmaheparinaktivität erfolgte anhand eines Faktor-Xa abhängigen chromogenen Substrattestes, die gemessenen Werte wurden hinsichtlich der Verdünnung durch das Antikoagulanz (Citrat) korrigiert. Die Bestimmung der aPTT und TZ erfolgte anhand koagulometrischer Methoden, der AT-Aktivität anhand eines chromogenen Substrattests, der Albumin-, Kreatinin- und Harnstoffkonzentration anhand photometrischer

Testverfahren und die Messung der Thrombozytenzahl sowie des Hämatokrits mit Hilfe eines automatischen Blutzellzählgerätes.

Nach subkutaner Injektion von 500 I.E.(UFH)/kg KM zeigten die Hunde mit CNI eine signifikant niedigere maximale Plasmaheparinaktivität ([Cmax]; CNI:0,54 I.E./ml; 0,34–1,25 I.E./ml [Median; Minimum–Maximum]; Kontrolle: 0,96 I.E./ml; 0,41–1,65 I.E./ml; Mann-Whitney-Test: p=0,0481) und eine signifikant höhere totale Clearance ([Cltot]; CNI: 1,27 ml/min/kg; 0,48–1,91 ml/min/kg; Kontrolle: 0,65 ml/min/kg; 0,48–1,78 ml/min/kg; Mann-Whitney-Test: p=0,0444) im Vergleich zur nierengesunden Kontrolle. Der Zeitpunkt der maximalen Plasmaheparinaktivität ([Tmax]; CNI: 274 min; 209–423 min; Kontrolle: 293 min;

206–435 min; Mann-Whitney-Test: p=0,3812) sowie die Halbwertszeit ([T50]; CNI: 190 min;

146–295 min; Kontrolle: 203 min; 144–304 min; Mann-Whitney-Test: p=0,3251) zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen.

Nach intravenöser Injektion von 50 I.E.(UFH)/kg KM zeigten die Hunde mit CNI eine signifikant niedrigere Cmax (CNI: 0,34 I.E./ml; 0,23–0,67 I.E./ml; Kontrolle: 0,71 I.E./ml;

0,54–0,85 I.E./ml; Mann-Whitney-Test: p<0,0001), eine deutlich höhere Cltot (CNI: 4,1 ml/min/kg; 0,94–13,5 ml/min/kg; Kontrolle: 1,50 ml/min/kg; 1,11–2,41 ml/min/kg; Mann-Whitney-Test: p=0,0002) sowie eine signifikant kürzere T50 (CNI: 23,4 min; 8,5–62,0 min;

Kontrolle: 32,8 min; 21,1–40,2 min; p=0,0092).

Die aPTT-Ratio bzw. TZ-Ratio, d. h. das Verhältnis aus aktuellem Messwert und Ausgangswert, erreichte nach subkutaner Injektion von UFH einen bei beiden Gruppen ähnlichen Maximalwert (aPTT: CNI: 2,1x [Median]; Kontrolle: 2,2x; Wilcoxon-Test:

p>0,4500; TZ: CNI: 2,4x; Kontrolle: 3,6x; Wilcoxon-Test: p=0,5708), während nach intravenöser Injektion ein signifikant höherer Maximalwert bei den nierengesunden Hunden im Vergleich zu Hunden mit CNI auftrat (aPTT: CNI: 1,9x; Kontrolle: 2,4x, Wilcoxon-Test:

p= 0,0463; TZ: CNI: 2,9x; Kontrolle: 1,9x; Wilcoxon-Test: p=0,0124). Der Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman (rs) für die Beziehung zwischen Plasmaheparinaktivität und aPTT- bzw. TZ-Ratio lag zwischen 0,77 und 0,85 (p=0,001) ohne wesentliche Unterschiede in Abhängigkeit vom Testverfahren bzw. der Nierenfunktion.

Bei Hunden mit CNI war die AT-Aktivität signifikant niedriger im Vergleich zur nierengesunden Kontrolle (Varianzanalyse: p<0,05). Der deutlichste Abfall der AT-Aktivität zeigte sich nach subkutaner Heparingabe bis zum Ende des Versuchszeitraumes bei der

nierengesunden Kontrollgruppe (um 13,8 % des Ausgangswertes), während bei den anderen Gruppen weniger auffällige Veränderungen vorlagen. Die Thrombozytenzahl von nierengesunden Hunden und Hunden mit CNI zeigte weder nach subkutaner noch nach intravenöser UFH-Applikation Gruppenunterschiede (Varianzanalyse: p>0,05). Deutliche Unterschiede ergaben sich zwischen verschiedenen Zeitpunkten nach subkutaner UFH-Injektion (p=0,0026), die ein geringgradiges zwischenzeitliches Absinken der Thrombozytenzahl widerspiegelten. Der Hämatokrit bei Hunden mit CNI war signifikant niedriger im Vergleich zur nierengesunden Kontrolle (Varianzanalyse: p<0,05). Deutliche Unterschiede der Varianzanalyse zwischen den verschiedenen Zeitpunkten (Varianzanalyse:

p<0,05) spiegelten wider, dass zu einzelnen Zeitpunkten in verschiedenen Gruppen geringgradige Verminderungen im Vergleich zum Ausgangsniveau auftraten.

Mögliche Erklärungen für die überraschenden Ergebnisse der pharmakokinetischen Untersuchung bei Hunden mit CNI, d. h. erhöhte Cltot und verkürzte T50 bei verminderter GFR, sind eine gesteigerte Elimination von UFH durch ein aktiviertes monozytäres Phagozytosesystem (MPS) und Endothelzellen, eine gesteigerte Neutralisierung von UFH durch Plättchenfaktor 4 (PF 4), eine gesteigerte Bindung an Heparin-bindende Proteine wie Fibrinogen oder andere Akute-Phase-Proteine (wie z. B. Vitronektin), sowie eine vermehrte Durchlässigkeit der glomerulären Basalmembran für UFH. Weiterhin führte der niedrigere Hämatokrit bei Hunden mit CNI zu einem Verdünnungseffekt, der die niedrigere Plasmaheparinaktivität bei diesen Hunden erklären kann. Die niedrigeren Ratios von aPTT und TZ bei Hunden mit CNI nach intravenöser Injektion von UFH entsprechen den niedrigeren Plasmaheparinaktivitäten. Die niedrigere AT-Aktivität und der niedrigere Hämatokrit bei den Hunden mit CNI sind gut definierte Folgen der CNI. Das teilweise beobachtete AT-Absinken ist, da anhand der Plasmaalbuminkonzentration für Verlust- und Verdünnungseffekte korrigiert, als Folge der Heparinwirkung anzusehen. Der geringgradige Abfall von Thrombozytenzahl und Hämatokrit während des Versuchszeitraumes ist durch die Vielzahl der Blutentnahmen zu erklären.

Die Ergebnisse dieser Studie deuten die Gefahr von subtherapeutischen Plasmaheparinaktivitäten bei Hunden mit CNI an. Im Hinblick auf die Aufklärung der Ursache der beschleunigten UFH-Elimination bei Hunden mit CNI wäre es von Interesse, die PF-4- und ß-Thromboglobulin Konzentration bei Hunden mit CNI zu bestimmen sowie

Untersuchungen mit wiederholten Injektionen von UFH durchzuführen. Ebenso wäre es interessant, bei diesen Patienten den inflammatorischen Status und damit die Funktion des MPS sowie die Konzentration von Heparin-bindenden Akute-Phase-Proteinen (z. B.

Vitronektin) zu untersuchen.