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Zusammenfassung der Forschungsdefizite und Konsequenzen für die Konzeption der

Aus den dargestellten Ergebnissen ergibt sich, dass ein Mangel an Interventionsstudien besteht, die das Ziel verfolgen, Kompetenzen zu fördern, die im Zusammenhang mit gesundheitswirksamer sportlicher Aktivität stehen. Zwar liegen eine Reihe von Interventionsstudien zur Gesundheitsförderung in der Schule/im Sportunterricht vor, die auf einzelne Kernelemente von Kompetenz abzielen und diese teilweise auch effektiv beeinflussen konnten, es mangelt jedoch an qualitativ hochwertigen, theoriebasierten Interventionsstudien mit adäquaten Messinstrumenten (insbesondere zur Erfassung des

Wissens), die mehrere Bereiche adressieren und gleichzeitig die Nachhaltigkeit der Effekte geprüft haben.

Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekts „Förderung der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz im Sportunterricht – eine cluster-randomisiert kontrollierte Feldstudie“, zwei sechs Doppelstunden umfassende Unterrichtsvorhaben zum Thema „Gesundheit und Fitness“ für den Sportunterricht der Klassenstufe 9 entwickelt und evaluiert. Die Unterrichtsvorhaben verfolgten das primäre Ziel, die Steuerungskompetenz für körperliches Training – als zentrale Teilkompetenz der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz – sowie das gesundheitsbezogene Fitness-Wissen zu fördern. Diese Merkmale bilden den Kern dieses Dissertationsvorhabens. Darüber hinaus war beabsichtigt positive Effekte auf die körperliche Fitness (körperlich-motorisches Merkmal), das Interesse am Thema Fitness und Gesundheit sowie die Einstellung zum Gesundheitswert des Sports (motivationale Merkmale) zu erzielen. Diese Merkmale sind sowohl theoretisch als auch – teilweise – empirisch mit der Steuerungskompetenz für körperliches Training assoziiert (Haible et al., 2020; siehe Kapitel 2.2.1). In Anlehnung an die Erwartungs-Wert-Theorie (Eccles &

Wigfield, 2002; Wigfield & Cambria; 2010) und unter Berücksichtigung der Bedeutung von Interesse am Lernen (Renninger & Hidi, 2011) wurden weiterhin das Interesse am Thema Fitness und Gesundheit sowie die Einstellung zum Gesundheitswert des Sports als motivierende Merkmale für die Auseinandersetzung mit dem Thema Fitness und Gesundheit angenommen.

Die Festlegung der Häufigkeit und Dauer der gekos-Unterrichtsvorhaben erfolgte in Anlehnung an die Vorgängerstudie HealthyPEP (Demetriou, 2013) sowie im Austausch mit Lehrkräften, da sich aus den vorliegenden Interventionsstudien (Kapitel 2.3) keine gesicherten Erkenntnisse bezüglich der Dauer und Häufigkeit der Unterrichtsvorhaben gewinnen ließen.

Da bisherige Interventionsstudien vor allem klassische Gesundheitssportarten beinhalteten, wurde das gekos-Unterrichtsvorhaben in Anlehnung an diese Studien mit sportlichen

Aktivitäten, die curricular dem Bewegungsfeld „Laufen, Springen, Werfen“ zugeordnet werden können, konzipiert. Kontrastiv wurde das gekos-Unterrichtsvorhaben ebenfalls für das Bewegungsfeld „Spielen“ entwickelt. Die Entscheidung für das Bewegungsfeld „Spielen“

resultierte aus den Ergebnissen der Studie von Demetriou (2013) sowie der Erkenntnis, dass sich insbesondere small-sided ball games (z. B. 3 gg. 3 Fußball) in der Schule in Interventionsstudien als effektiv zur Steigerung der körperlichen Fitness erwiesen haben (Krustrup et al., 2016). Die Lernziele, theoretischen Inhalte zum Thema „Gesundheit und Fitness“ sowie die Vermittlungsmethoden der gekos-Unterrichtsvorhaben blieben unabhängig von der ausgewählten sportlichen Aktivität identisch.

Die Ziele (in Form von Kompetenzerwartungen) und theoretischen Inhalte der Unterrichtsvorhaben wurden auf der Grundlage des Modells der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz (im Speziellen der Steuerungskompetenz für körperliches Training) sowie den Kompetenzerwartungen im Bereich „Gesundheit und Fitness“ der Curricula des Fachs Sport in der Bundesrepublik Deutschland abgeleitet. Die Ziele der Studie waren daher schwerpunktmäßig auf die Förderung des gesundheitsbezogenen Fitness-Wissens und der Steuerungskompetenz für körperliches Training ausgerichtet.

Die analysierten Interventionsstudien zur Gesundheitsförderung lassen keine direkten Rückschlüsse darüber zu, mit welchen Methoden insbesondere die Steuerungskompetenz für körperliches Training und das gesundheitsbezogene Fitness-Wissen am effektivsten gefördert werden können. Auch wenn bisher kaum empirisch evaluierte Unterrichtsvorhaben zur Kompetenzförderung im Bereich „Gesundheit und Fitness“ für den Sportunterricht vorliegen, gibt es in der Sportdidaktik Überlegungen zur Gestaltung eines kompetenzorientierten Unterrichts, die sich entweder an den jeweiligen eigenen sportspezifischen Modellkonzeptionen (z. B. Gogoll, 2014) oder aber – in Ermangelung eines allgemein akzeptierten Kompetenzmodells für den Sportunterricht – an Erkenntnisse aus anderen Fachdidaktiken (Pfitzner, 2018) orientieren. Im Falle der gekos-Unterrichtsvorhaben wurde auf das Konzept der Lernaufgabe nach Leisen (2010) aus der Physikdidaktik zurückgegriffen und

mit fachspezifischen Methoden, aus dem Kontext der Wissensvermittlung/Kompetenz-förderung in der Sportdidaktik ergänzt: Im kompetenzorientierten Unterricht wird Lernen als

„aktiver, selbstgesteuerter, situativer und konstruktiver Prozess betrachtet, in dem Lernende unter Einbezug ihrer eigenen Vorerfahrungen anwendbare[s] [Wissen], Fertigkeiten und Fähigkeiten erwerben“ (Aschebrock et al., 2010, S. 13) sollen. Kompetenzen müssen demnach aktiv erworben werden, indem beispielsweise Schülerinnen und Schüler aufgefordert werden, fachspezifische Anforderungssituationen/Probleme möglichst selbständig zu lösen (Baumberger, 2018). Zur Inszenierung eines solchen Unterrichts wird in den naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken (z. B. Leisen, 2010), der Mathematik (z. B. Kleinecht, 2010) und mittlerweile auch in der Sportdidaktik (z. B. Pfitzner, 2018) das Potential von Lernaufgaben diskutiert. Im Zentrum von Lernaufgaben steht die kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler, d.h. dass diese „aktiv über Lösungen [der Aufgabe] nachdenken, diese ausprobieren“ (Pfitzner & Aschebrock, 2013) und auf Erlerntes zurückgreifen müssen.

In Anlehnung an den Ansatz von Leisen (2010) wurden insgesamt fünf Lernaufgaben für die sechs Doppelstunden Sportunterricht konzipiert, welche „den individuellen Lernprozess durch eine Folge von gestuften Aufgabenstellungen mit entsprechenden Lernmaterialien so [steuern sollten], dass die Lerner [1] möglichst eigentätig die Problemstellung entdecken, [2] individuelle Vorstellungen zur Problemstellung entwickeln und [3] Informationen (z. B. Lernmaterialien) auswerten, [4] ein Lernprodukt diskutieren, den Lernzugewinn definieren [5] und [6]

abschließend das Gelernte üben“ (Leisen, 2010, S. 60). Bei der Gestaltung der Lernaufgaben wurden dabei weitere, als zentral erachtete Merkmale von Lernaufgaben berücksichtigt. Diese lassen sich aus Ergebnissen der empirischen Unterrichtsforschung und Annahmen zu gutem Unterricht (Pfitzner, 2018; Pfitzner & Aschbrock, 2013) ableiten, wie etwa das Merkmal der Subjektorientierung (Lernende erschließen sich eigenständig neues Wissen), der Möglichkeit der sozialen Interaktion der Lernenden (z. B. über Gruppendiskussionen) oder der Differenzierung (z. B. nach dem Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler). Da die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Unterrichtsvorhabens nicht nur rein kognitiv, sondern auch motorisch aktiviert werden sollten, wurden auch fachspezifische

Aufgabenformate wie die Bewegungsanweisung und Bewegungsaufgabe bzw.

bewegungsfeldspezifische Spiel-/Übungsformen in die Lernaufgabe integriert, die sich hinsichtlich ihrer motorischen Komplexität und auch kognitiven Aktivierung unterscheiden (Pfitzner et al., 2012). Da in der sportpädagogischen Diskussion die explizite Verknüpfung von sportpraktischen und theoretischen Inhalten als eine Möglichkeit zur Gestaltung eines kompetenzförderlichen Unterrichts bzw. mit Blick auf die Vermittlung von anwendbarem Wissen diskutiert wird (Cale et al., 2020; Ennis, 2007; Gogoll, 2010) wurden sportpraktische und theoretische Inhalte in der Lernaufgabe dahingehend miteinander verknüpft, dass theoretische Inhalte – wenn möglich – direkt anhand der Praxis illustriert bzw. erlebbar gemacht wurden (Illustratives Modell der Praxis-Theorie-Verknüpfung; Schulz & Wagner, 2012; Trebels, 1995). Dazu wurde methodisch auf das Prinzip der reflektierten Praxis (Serwe-Pandrick, 2013; Serwe-(Serwe-Pandrick, 2016) zurückgegriffen, in dem, ausgehend von einer Leitfrage, intensiv über das sportliche Handeln – entweder prospektiv, retrospektiv oder introspektiv – nachzudenken war. In Tabelle 1 ist ein Ausschnitt aus einer Lernaufgabe mit den fachspezifischen Merkmalen beispielhaft dargestellt.

Tab. 1: Beispiel einer Lernaufgabe aus dem Bewegungsfeld „Spielen“ und ihr Bezug zu aufgabenspezifischen Merkmalen und Prinzipien (modifiziert nach Volk & Haible, 2020).

Unter Berücksichtigung methodischer Kritikpunkte bestehender Studien wurde die gekos-Interventionsstudie so angelegt, dass sowohl die Programmkonzeption (insbesondere die Akzeptanz und Anwendbarkeit des Unterrichtsvorhabens für die beiden Bewegungsfelder mit Blick auf Ziele, Inhalte und Methoden), Programmdurchführung (v.a.

Implementationsqualität/Treatment Integrität; Gearing et al., 2011) und Programmwirksamkeit in Anlehnung an Mittag und Bieg (2010) evaluiert werden konnten. Darüber hinaus wurden die gekos-Unterrichtsvorhaben für das Bewegungsfeld „Laufen, Springen, Werfen“ sowie

3 Als Ergebnis der Vorstudie wurde der erste Schritt in der Lernaufgabe nach Leisen (2010) dahingehend modifiziert, dass die Problemstellung von der Lehrkraft vorgegeben wurde und nicht von den Schülerinnen und Schülern selbständig entdeckt werden musste (siehe Beitrag 3a; Kapitel 4.1).

Schritte der Lernaufgabe allgemeine

Beim Sporttreiben kommt es im Vergleich zur Ruhe zu verschiedenen Veränderungen in eurem Körper.

2. Vorstellung zum Thema entwickeln

Welche Veränderungen könnt ihr beim Sporttreiben im/am Körper spüren? Nennt eure Vermutungen.

Schülerinnen und Schüler führen Kräftigungs-übungen („Statuen“) und ein 3 gg. 3 Fußballspiel durch, über welche die Veränderungen in der Muskulatur, der Atmung, des Herzschlages und der Körpertemperatur erlebbar gemacht werden. Dabei sollen sie beobachten wo sie etwas an ihrem Körper spüren und was sie dabei an ihrem Körper spüren.

Kognitive Aktivierung,

Was habt ihr beim Nachstellen der Übungen gespürt?

Beschreibt, was ihr gespürt habt.

Welche Vermutungen haben sich bestätigt, welche nicht?

„Spielen“ in einer Interventionsstudie mit einem cluster-randomisiert kontrollierten Design im Vergleich zum regulären Sportunterricht evaluiert. Auf Grund der dargestellten methodischen Probleme bisheriger Messinstrumente zur Erfassung des gesundheitsbezogenen Wissens wurde im Vorfeld der gekos-Interventionsstudie das gesundheitsbezogene Fitness-Wissen in mehreren Schritten definiert und ein Messinstrument für Neuntklässler systematisch entwickelt und in mehreren Studien evaluiert. Dabei war das Ziel, einen Test zu entwickeln, der Wissen abprüft, das eine Nähe zur Handlung/zum Verhalten – der gesundheitswirksamen Ausführung sportlicher Aktivität – aufweist, über das reine Abfragen von Faktenwissen hinausgeht und nicht nur die Reproduktion von Wissen erfordert, sondern auch abbildet inwieweit die getestete Person etwas verstanden hat. Da für die Steuerungskompetenz für körperliches Training lediglich ein validiertes Messinstrument für Erwachsen vorlag (Sudeck &

Pfeifer, 2016), wurde dieses Instrument im Hinblick auf die Anwendbarkeit bei der Zielgruppe ebenfalls im Vorfeld der gekos-Interventionsstudie geprüft.

3 Ziel 1: Entwicklung und Evaluation zentraler Messinstrumente