• Keine Ergebnisse gefunden

Die systematische Übersichtsarbeit von Demetriou et al. (2015) zeigt, dass das gesundheitsbezogene Fitness-Wissen (Zhu et al., 1999) im Rahmen von Interventionsstudien zur Gesundheitsförderung in der Schule, die eine sportpraktische Interventionskomponente beinhalteten, bei Kindern und Jugendlichen kurzfristig gefördert werden kann. Bei der Mehrzahl (79,4%) der Studien zeigten sich positive Effekte direkt im Anschluss an die Intervention, wobei diese Effekte – insofern dokumentiert – mit Blick auf ihre Höhe extrem variierten (Cohens d = 0.97–2.21). Langfristige Effekte auf das gesundheitsbezogene Fitness-Wissen konnten in den zusammengefassten Studien jedoch nicht berichtet werden.

Demgegenüber steht eine aktuelle Studie von Wang und Chen (2020), bei der 14 Monate nach der Intervention ein höheres Wissen bei Achtklässlerinnen und Achtklässlern nachweisbar war, die am Interventionsprogramm mit theoretischen und sportpraktischen Inhalten als Sechstklässlerinnen und Sechstklässler teilgenommen hatten. Darüber hinaus zeigte sich in einer Übersichtsarbeit von Demetriou und Höner (2012), dass bei einem Großteil der zusammengefassten Studien (70%), welche die körperliche Fitness in Interventionsstudien mit sportpraktischer Komponente im Setting Schule untersuchten, die körperliche Fitness gesteigert werden konnte. Blickt man jedoch auf Ergebnisse von Studien, die neben dem gesundheitsbezogenen Fitness-Wissen auch noch auf die Verbesserung der körperlichen Fitness abzielten, waren die Ergebnisse, dem Review von Demetriou et al. (2015) folgend, unterschiedlich. Nur selten konnten beide Merkmale in Studien positiv beeinflusst werden.

Hinsichtlich motivationaler Merkmale (z. B. die Einstellung gegenüber sportlicher Aktivität) zeigen sich in Interventionsstudien zur Gesundheitsförderung in der Schule generell sehr unterschiedliche Ergebnisse (Demetriou & Höner, 2012). Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit der insgesamt geringen Evidenzlage bezüglich der Effekte von Interventionsstudien mit sportpraktischen Inhalten auf motivationale Merkmale in der Schule (Kelso et al., 2020).

Betrachtet man die Interventionsstudien aus den Reviews von Demetriou und Höner (2012) und Demetriou et al. (2015) genauer, zeigt sich ein erkennbarer Mangel an Interventionsstudien zur Gesundheitsförderung, die gleichzeitig auf einem theoretischen Modell fußen, theoretische und sportpraktische Interventionskomponenten umfassen und Wissen, körperliche Fitness sowie motivationale Merkmale gemeinsam untersuchen. Darüber hinaus ergibt sich bei der Analyse dieser Interventionsmaßnahmen, dass sich die Studien in der Art und Weise, wo und wie theoretische und sportpraktische Inhalte vermittelt wurden unterscheiden. Beispielsweise wird die Theorie getrennt von der Sportpraxis im Klassenzimmer unterrichtet, ein kurzer Input zu Beginn oder am Ende des Sportunterrichts gegeben oder aber direkt im Sportunterricht/in Verbindung mit der Sportpraxis selbst vermittelt (z. B. Demetriou, 2013; Mott et al., 1991; Stock et al., 2007). Welche Form mit Blick auf die Zielvariablen am effektivsten ist, lässt sich anhand der vorliegenden Interventionsstudien nicht

direkt ableiten. Außerdem wird ersichtlich, dass die sportpraktischen Interventionsinhalte in diesen Studien eher klassische Gesundheits- und Fitnesssportarten beinhalten (z. B. Joggen, Zirkeltraining, Seilspringen; Demetriou, 2013; Mott et al., 1991), weniger jedoch Spielsportarten. In einer Studie von Demetriou (2013) wurde aber gerade das Fehlen von Ballsportarten im Anschluss an die Intervention, in der vor allem Laufspiele und Kräftigungsübungen im Vordergrund standen, von den Schülern beklagt. Es bleibt daher unklar, inwieweit die Art der sportlichen Aktivität einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen zur Gesundheitsförderung hat, die nicht nur sportpraktische, sondern auch theoretischen Inhalte umfassen.

Mit Blick auf die methodische Qualität von Studien zur Gesundheitsförderung in der Schule, die eine sportpraktische Interventionskomponente enthalten, zeigt sich insgesamt, dass die Anzahl an hochwertigen Interventionsstudien eher gering ist: So konnten Demetriou und Höner (2012) sowie Demetriou et al. (2015) erstens feststellen, dass in diesen Studien häufig keine Randomisierung in die Interventions- und Kontrollgruppe vorgenommen und die Nachhaltigkeit der Effekte auf das Wissen, die körperliche Fitness und auch die Motivation generell nur sehr selten untersucht wurde. Eine adäquate Randomisierung, d.h. die zufällige Zuteilung der Versuchspersonen sowie die verdeckte Gruppenzuteilung für das Studienpersonal, welches die Versuchspersonen auswählt („allocation concealment“; Higgins et al., 2011), bilden jedoch zentrale Qualitätsmerkmale einer kontrollierten Interventionsstudie (z. B. WWC, 2020). Nur so kann das Risiko einer Verzerrung der Studieneffekte/-ergebnisse durch Unterschiede in den Studiengruppen hinsichtlich der Charakteristika der Teilnehmer verringert werden („Selection -Bias“; Higgins et al., 2011). Zweitens fand in den Interventionsstudien die Untersuchung der Treatment Integrität/Implementationsqualität, d.h. das Ausmaß, in dem die Interventionsmaßnahme tatsächlich so wie geplant umgesetzt wurde (Gearing et al., 2011), wenig Berücksichtigung. Eine solche Untersuchung kann jedoch relevante Rückschlüsse darüber geben, warum eine Interventionsmaßnahme keine Effekte aufweist und dadurch auch zur Optimierung der Interventionsmaßnahme beitragen (Craig et al., 2013). Drittens ist mit Blick auf die verwendeten Messinstrumente zur Erfassung des gesundheitsbezogenen

Fitness-Wissens zu bedenken, dass die Instrumente häufig für die Inhalte der Intervention entwickelt wurden. Aus diesem Grund muss generell kritisch hinterfragt werden, inwieweit Rückschlüsse gezogen werden können, ob die Schülerinnen und Schüler tatsächlich Wissen, welches sie im Rahmen der Interventionsmaßnahme erworben haben, auf neue Situationen anwenden können oder sie das Erlernte lediglich reproduziert haben. Ajzen et al. (2011) und Demetriou et al. (2015) konstatieren weiterhin, dass ein generelles Problem von Wissenstests darin liegt, dass häufig isolierte Fakten (z. B. Wie viele Knochen hat ein Mensch?) und allgemeine Konzepte abgefragt werden, die keine Nähe zum tatsächlichen Verhalten aufweisen. Hinzu kommt, dass die eingesetzten Messinstrumente zum gesundheitsbezogenen Fitness-Wissen mit Blick auf die Gütekriterien der klassischen Testtheorie (Reliabilität, Validität) oft nicht geprüft wurden. Die meisten Messinstrumente bestehen aus Multiple-Choice-Aufgaben. Insofern ist aus methodischer Sicht kritisch zu ergänzen, dass für die Analyse und Evaluation von Tests, welche dichotome oder auch mehrstufige (polytome) Items/Aufgaben beinhalten, alternative Ansätze zur klassischen Testtheorie vorliegen, da deren Analysen – auch wenn häufig nicht berücksichtigt – eigentlich ein kontinuierliches Skalenniveau voraussetzen (Bühner, 2011). Konkret sind diese Modelle der Item-Response-Theorie zuzuordnen, welche in der empirischen Bildungsforschung (PISA;

OECD, 2017; National Educational Panel Study [NEPS]; Pohl & Carstensen, 2017) häufig in Ergänzung zu Analyseverfahren der klassischen Testtheorie genutzt werden.

2.4 Zusammenfassung der Forschungsdefizite und Konsequenzen für die Konzeption