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2.1 Gesundheitsförderung im Sportunterricht im Kontext der aktuellen Kompetenzdebatte 8

2.2.1 Steuerungskompetenz im Lichte des Modells der bewegungsbezogenen

Das Modell der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz (Pfeifer et al., 2013; Sudeck &

Pfeifer, 2016) basiert auf dem Gesundheitskompetenzmodell von Soellner et al. (2010) und Lenartz (2012), welches auf der Basis einer Literaturanalyse zu Gesundheitskompetenz bzw.

health literacy sowie einer Expertenbefragung entstanden ist. Darin wurden jene Fähigkeiten und Fertigkeiten gesammelt und kategorisiert, über die eine Person verfügen soll, um im Alltag so zu handeln, dass dies sich positiv auf die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden auswirkt (Soellner et al., 2010). Anschließend wurde das Modell systematisch und in verschiedenen empirischen Untersuchungen mit Jugendlichen und Erwachsenen weiterentwickelt, operationalisiert und im Hinblick auf die Modellstruktur geprüft (Lenartz, 2012). Das Modell der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz stellt eine bewegungs- und sportspezifische Anpassung des Modells von Lenartz (2012) für den Bereich der Gesundheitsförderung und Rehabilitation dar (Pfeifer et al., 2013) und fußt auf einem funktional-pragmatischen Verständnis von Kompetenz. Kompetenzen werden dabei als erlernbare Fähigkeit einer Person verstanden, kontextspezifische Anforderungen zu

bewältigen (Klieme & Hartig, 2007). Es orientiert sich an der in den Bildungswissenschaften einflussreichen Definition von Weinert (2001a). Danach werden Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen [verstanden], sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2001a, S. 27–28). Die bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz umfasst nach Pfeifer et al. (2013, S. 12–13) jene „kognitiven sowie motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nötig sind, um gesundheitsförderliche körperliche Aktivität ausführen zu können, sowie ( … ) [die] damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften bzw. Fähigkeiten zur erfolgreichen und verantwortungsvollen Einbettung gesundheitsförderlicher körperlicher bzw.

sportlicher Aktivität in variablen Situationen des Lebensalltags“. Damit ist das Kompetenzverständnis im Gegensatz zu Weinert (2001a) nicht allein durch kognitive, motivational-volitionale und soziale Elemente bestimmt, sondern schließt ebenfalls körperlich-motorische Aspekte mit ein.

Konkret werden im Modell der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz (siehe Abbildung 1) insgesamt drei Teilkompetenzen, die Bewegungskompetenz, die Steuerungskompetenz und die bewegungsspezifische Selbstregulationskompetenz unterschieden, welche zur Bewältigung von Anforderungen, die sich mit Blick auf die Initiierung, Ausrichtung und Aufrechterhaltung eines gesundheitswirksamen körperlich aktiven Lebensstils ergeben, bedeutsam sind. Die drei Teilkompetenzen setzen sich jeweils mit unterschiedlicher Gewichtung aus einer Koppelung von bewegungsbezogenen Grundfähigkeiten und -fertigkeiten (z. B. motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten, Körperwahrnehmung), körper- und bewegungsbezogenem Grundwissen in Form von Handlungs- und Effektwissen (Tiemann et al., 2006) sowie förderlichen personalen Handlungseigenschaften (z. B. Einstellung zum Gesundheitswert sportlicher Aktivität) zusammen (Pfeifer et al., 2013; Sudeck & Pfeifer, 2016). Zentrale Aspekte dieser sogenannten

„Basiselemente“ finden sich mit Ausnahme der körperlich-motorischen Merkmale auch in der

Psychologie verankerten Theorien und -modellen zum Verhalten (wie z. B. information-motivation behavioral skill model [Wissen; Fisher & Fisher, 2002], Theorie des geplanten Verhaltens [Einstellung gegenüber dem Verhalten; Ajzen, 1985], sozial-kognitive Theorie [Selbstwirksamkeit; Bandura, 1997]) wieder. Diese werden zur Erklärung des Aktivitätsverhaltens in gesundheitspsychologischen Studien genutzt (z. B. Kelly et al., 2012;

McEachen et al., 2011).

Abb. 1: Modell der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz (Sudeck & Pfeifer, 2016).

Von den Autoren des Modells wird der Steuerungskompetenz eine besondere Bedeutung im Hinblick auf das Zielverhalten „gesundheitswirksame körperliche bzw. sportliche Aktivität“ zugeschrieben, da sie im Wesentlichen die Qualität bestimmt, mit der eine Person die sportliche Aktivität auf Gesundheitseffekte hin ausrichten kann (Pfeifer et al., 2013). Im Detail beschreibt die Steuerungskompetenz die Fähigkeit eines Individuums, seine sportliche Aktivität so zu gestalten, dass diese für die körperliche Gesundheit und das eigene psychische Wohlbefinden gewinnbringend ist. Dabei steht explizit die Qualität – nicht primär die Quantität (mehr an sportlicher Aktivität) – der sportlichen Aktivität im Vordergrund, also das Ziel, optimale Effekte auf die Gesundheit und das Befinden zu erzielen. Steuerungskompetente Personen

verfügen über Wissen über gesundheits- und wohlbefindensförderliche Effekte sportlicher Aktivität sowie über die Gestaltung und Steuerung von sportlicher Aktivität und können dieses Wissen anwenden. Gleichzeitig können steuerungskompetente Personen Körpersignale wahrnehmen und diese zur Belastungssteuerung und -kontrolle verwenden, um z. B.

Fehlbelastungen zu vermeiden oder das eigene Befinden zu regulieren. Weiterhin besitzen sie das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, eine sportliche Aktivität selbständig gestalten und steuern zu können (aufgabenspezifische Selbstwirksamkeit; Pfeifer et al., 2013; Sudeck &

Pfeifer, 2016). Schließlich wird eine positive Einstellung gegenüber dem gesundheitlichen Nutzen der sportlichen Aktivität sowie dem Interesse am Thema Fitness und Gesundheit als relevant für die Entwicklung der Steuerungskompetenz erachtet (Haible et al., 2020). Es werden zwei Bereiche der Steuerungskompetenz unterschieden, welche sich bei Erwachsenen in ersten empirischen Studien als voneinander trennbare Faktoren erwiesen haben (Sudeck & Pfeifer, 2016): Die Steuerungskompetenz für körperliches Training, welche sich auf die körperliche Gesundheit bezieht, sowie die Bewegungsspezifische Befindensregulation, die das psychische Wohlbefinden adressiert.

Charakteristisch für die Bewegungskompetenz ist, dass bewegungskompetente Personen in der Lage sind, bewegungsspezifische Anforderungen, die im Kontext von sportlichen Aktivitäten an sie gestellt werden, zu meistern und damit an verschiedenen sportlichen Aktivitäten zu partizipieren (z. B. Joggen, Krafttraining). Sie besitzen gut ausgeprägte motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten, können ihren Körper und ihre Bewegungen wahrnehmen und haben das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, die jeweilige Bewegungsaufgabe ausführen zu können (Carl, Sudeck & Pfeifer, 2020; Pfeifer et al., 2013;

Sudeck & Pfeifer, 2016). Die bewegungsspezifische Selbstregulationskompetenz beschreibt schließlich die Bereitschaft und Fähigkeit, regelmäßig sportlich aktiv zu sein. Diese Subfacette integriert verschiedene motivationale und volitionale Fähigkeiten zur Planung und Durchführung von sportlicher Aktivität. Eine positive Einstellung gegenüber dem gesundheitlichen Nutzen von sportlicher Aktivität (kognitiv-rationale Einstellungskomponente) sowie eine hohe aufgaben- und verhaltensbezogene Selbstwirksamkeit kennzeichnen

Personen mit einer gut ausgeprägten bewegungsspezifischen Selbstregulationskompetenz (Carl, Sudeck & Pfeifer, 2020; Pfeifer et al., 2013; Sudeck & Pfeifer, 2016).

Das Modell der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz war in vergangenen Jahren Gegenstand verschiedener Studien mit Erwachsenen, in denen sich erste Hinweise auf die Konstruktvalidität einzelner Teilkompetenzen gezeigt haben, indem die faktorielle Struktur und die Zusammenhänge zum Aktivitätsverhalten und dem motorischen Funktionszustand als Zielvariable untersucht wurden (Carl, Sudeck, Geidl, et al., 2020; Sudeck & Pfeifer, 2016). In diesem Kontext wurden auch Selbsteinschätzungsverfahren für die Teilkompetenzen (so auch der Steuerungskompetenz) entwickelt (Carl, Sudeck, Geidl, et al., 2020; Sudeck & Pfeifer, 2016). Im Vergleich zum Erwachsenenalter steht die Nutzung und empirische Prüfung des Modells für das Kindes- und Jugendalter jedoch bisher aus. Entsprechend sind die Messinstrumente zur Erfassung der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz auch auf der Ebene der Teilkompetenzen wie der Steuerungskompetenz nicht im Hinblick auf ihre Übertragbarkeit für das Kindes- und Jugendalter geprüft. Darüber hinaus stehen für die

„Basiselemente“ des Modells der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz, auf denen die Teilkompetenzen basieren, wie die Körperwahrnehmung sowie das körper- und bewegungsbezogene Grundwissen, bisher (unabhängig vom Altersbereich) keine Messinstrumente zur Erfassung der Konstrukte zur Verfügung.