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Die Untersuchung zeigt, dass in den Zweigstellen der Büchereien Wien Menschen mit Bewegungseinschränkungen sehr oft auf Barrieren stoßen. 74 % aller Zweigstellen sind, gemessen an den strengen Richtlinien der einschlägigen ÖNORMEN, für bewegungseingeschränkte Personen nicht barrierefrei (28 von 38)11. Besonders die Eingangsbereiche entpuppten sich als neuralgische Zonen, in 82 % aller nicht barrierefreien Zweigstellen ist die Eingangssituation nicht zufriedenstellend. Stufen, schwer zu betätigende Eingangstüren und beengte Raumverhältnisse im Eingangsbereich erschweren Menschen mit Bewegungseinschränkungen den Zugang in die Büchereiräumlichkeiten. So weisen 42 % aller Zweigstellen im Eingangsbereich Stufen auf, aber keine Möglichkeit, die Büchereiräume über Rampen und Aufzüge zu erreichen (16 von 38)11. In einigen wenigen dieser Zweigstellen ist es möglich, mit Hilfe des Personals über die Benützung stufenloser, benachbarter Hauseingänge, die Stufen im Eingangsbereich zur Bücherei zu umgehen12. Allerdings wissen oft nur Insider von dieser Möglichkeit, entsprechende Beschriftungen fehlen nämlich. Will jemand diese

„Alternativeingänge“ nutzen, muss vorher der Kontakt mit dem Büchereipersonal gesucht werden, um nicht vor verschlossenen Türen zu stehen. 32 % der Zweigstellen verfügen über einen ebenerdigen Zugang, in diesen Fällen sind im Eingangsbereich weder Stufen, noch Rampen oder Aufzüge zu bewältigen, um ins Innere der Bücherei zu gelangen (12 von 38)11. 11 % der Zweigstellen sind über einen Aufzug erreichbar (4 von 38)11. Von diesen sind 75 % weitgehend barrierefrei für bewegungseingeschränkte Personen benutzbar (3 von 4). Nur der Aufzug in die im ersten Stock befindliche Bücherei in der Hormayrgasse weicht deutlich von den in der ÖNORM angegebenen Richtwerten ab. Zur stufenlosen Überwindung kleinerer Höhenunterschiede werden Rampen gebraucht. 16 % der Zweigstellen sind über Rampen erreichbar (6 von 38)11. Von diesen Rampen sind 33 % gemäß den strengen Richtlinien der ÖNORM B 1600 für bewegungseingeschränkte Personen weitgehend barrierefrei gestaltet (2 von 6).

Ein sehr häufig vorkommendes Manko im Eingangsbereich sind schwer zu betätigende Türen.

86 % aller Eingangsbereiche sind mit nicht automatischen, selbstschließenden Türen ausgestattet (32 von 37) 13. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Befahrungen mit einer Rollstuhlfahrerin zeigten ganz deutlich, dass der eingebaute Selbstschließmechanismus von

11 Ohne Bücherei Fasangasse, ohne Berücksichtigung von nicht gekennzeichneten und versperrten Zugangsmöglichkeiten.

12 Büchereien Rosa-Jochmann-Ring und Ada-Christen-Gasse

13 Ohne den Büchereien Fasangasse u. Erzherzog-Karl-Straße, ohne Berücksichtigung von nicht gekennzeichneten und versperrten Zugangsmöglichkeiten.

Türen der Quell einer ordentlichen Barriere sein kann. Türen mit Selbstschließmechanismus lassen sich oft nur mit erheblichem Kraftaufwand öffnen und fallen auch schnell wieder zu.

Oftmals können nur sehr sportliche Personen im Rollstuhl derartig schwergängige Türen überwinden. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, wie wichtig Glocken und Gegensprechanlagen im Eingangsbereich sind, um sich bemerkbar zu machen. Das herbeigerufene Bibliothekspersonal hilft sicherlich bei auftretenden Schwierigkeiten im Eingangsbereich. Allerdings kann es sein, dass die Klingel zu hoch montiert ist und daher für Personen im Rollstuhl oder für Kinder nur schwer erreichbar ist. 65 % aller Zweigstellen sind mit einer Glocke im Eingangsbereich ausgestattet (24 von 37)13, bei 75 % davon ist der Glockentaster zu hoch angeordnet. Nur 11 % der untersuchten Zweigstellen verfügen über Gegensprechanlagen (4 von 37)13.

Ein weiterer häufig anzutreffender Mangel ist ein zu eng angelegter Eingangsbereich. 41 % aller Eingangsbereiche in den Zweigstellen sind für eine Befahrung mit einem Rollstuhl zu eng (15 von 37)13. 24 % aller Zweigstellen verfügen über einen zu kleinen Windfang (9 von 37)13. Bei 22 % aller Zweigstellen sind die Abmessungen von mind. einer Eingangstür deutlich über/unter den in den Normen angegebenen Richtwerten (8 von 37)13.

Aber auch in den öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten der Büchereien warten, wie die Ergebnisse zeigen, noch zahlreiche Hindernisse.

67 % aller Zweigstellen befinden sich im Parterre (26 von 39), 33 % befinden sich in einem anderen Stockwerk oder sind über mehr als eine Etage verteilt (13 von 39). Letztere, immerhin 6 Zweigstellen, müssen, abgesehen von der Hauptbücherei, ohne Aufzug auskommen. Die Etagen sind in derartigen Fällen nur über Stufen miteinander verbunden. Insgesamt sind in 22 % der Zweigstellen Stufen im Inneren der Ausleihräumlichkeiten zu überwinden (8 von 36) 14. Ein besonders schwer zu lösendes Problem stellt die Diskrepanz zwischen den in Freihand-Büchereien üblichen Regalhöhen und der Greifhöhe von Personen im Rollstuhl dar. In allen untersuchten Zweigstellen liegen die Einstellhöhen von Medien auch über 130 cm und unter 40 cm, viele Medien befinden sich also außerhalb der für Rollstuhlfahrer erreichbaren Zone und sind deshalb nur mit fremder Hilfe verfügbar. Hohe Regale erlauben zwar das Einstellen einer größeren Anzahl an Medien, sind aber genauso wenig der Barrierefreiheit förderlich wie zu geringe Regalabstände. 50 % aller Zweigstellen stellen Personen im Rollstuhl zu wenig Platz zur Verfügung (18 von 36)14. Diese Büchereien verfügen über zu wenig Wendeplätze bei sehr geringem Regalabstand. Schwierigkeiten kann auch das Verbuchen der Medien bereiten, denn in 92 % der Zweigstellen sind die Ausleihtheken für bewegungseingeschränkte Menschen nicht barrierefrei (33 von 36)14. Die geschlossene Bauweise erlaubt kein Unterfahren mit dem Rollstuhl. 5 Zweigstellen sind mit Selbstverbuchern ausgestattet. In 4 Zweigstellen ist zumindest

14 Ohne den Büchereien Schüttaustraße, Fasangasse, Erzherzog-Karl-Straße

einer der Selbstverbucher barrierefrei aufgebaut (mitunter allerdings mit etwas hoch liegenden Bedienungselementen, so wie in der Bücherei Erdbergstraße). Die Bücherei in der Bernoullistraße verfügt über keine barrierefreien Geräte.

Büchereien sind heutzutage mehr als nur Orte zum Bücherausleihen. Menschen halten sich gerne länger in einer Bücherei auf. Mit der längeren Verweildauer steigt auch die Wahrscheinlichkeit, die Toilette benutzen zu müssen. In 53 % aller Zweigstellen finden aber bewegungseingeschränkte Personen kein Behinderten-WC vor (19 von 36)14.

Grob zusammenfassend lässt sich folgendes sagen:

• 74 % aller Zweigstellen sind gemessen an den strengen Richtlinien der einschlägigen ÖNORMEN für bewegungseingeschränkte Personen nicht barrierefrei (28 von 38)11. In diese Gruppe fallen all jene Büchereien,

o deren Eingangssituation unbefriedigend ist (in 85 % der Fälle) und/oder o die Stufen innerhalb der Büchereiräumlichkeiten aufweisen und/oder o die über zu wenig Platz in den Büchereiräumlichkeiten verfügen und/oder o in denen kein Behinderten-WC vorhanden ist.

Macht man den Status „nicht barrierefrei“ nicht davon abhängig, ob ein Behinderten-WC vorhanden ist, dann bleiben 66% aller Zweigstellen nicht barrierefrei.

• 24 % aller Zweigstellen sind für bewegungseingeschränkte Personen eingeschränkt barrierefrei (9 von 38)11. In diese Gruppe fallen all jene Büchereien, deren wesentlichste Barriere nicht automatische und selbstschließende Türen im Eingangsbereich sind, die aber sonst nur kleinere Mängel aufweisen.

• Einzig die Hauptbücherei (3 % aller Zweigstellen)11 war, zumindest bis zur Umstellung auf Kassenautomaten, für bewegungseingeschränkte Personen weitgehend barrierefrei. Sie wies nur kleinere Mängel auf. Mit der Inbetriebnahme der Kassenautomaten und der Einstellung jeglichen Zahlungsverkehrs an der Theke hat sich die Barrierefrei-Lage für diese Personengruppe signifikant verschlechtert.

4 AUSBLICK

Eine Bücherei sollte für alle Menschen zugänglich und benützbar sein. Die Ergebnisse der vorliegende Arbeit zeigen auf, dass hinsichtlich Barrierefreiheit für bewegungseingeschränkte Menschen bei den Büchereien Wien Handlungsbedarf besteht. Ein Großteil der neueren bzw.

sanierten Zweigstellen erfüllen schon viele der in den ÖNORMEN angeführten Richtlinien. Die Wiener Bauordnung tut das Ihrige dazu. Viele, nicht alle, der in der ÖNORM B 1600 erwähnten Anforderungen wurden in die Wiener Bauordnung aufgenommen, zuletzt mit der Bauordnungsnovelle 2004. Auch in Zukunft wird sich im Zuge von Sanierungen alter Zweigstellen die Situation hinsichtlich Barrierefreiheit immer weiter verbessern. In welchem Tempo das geschieht, hängt nicht zuletzt von den für Renovierungen zur Verfügung stehenden Geldmitteln ab. Die für Verbesserungen notwendigen Aufwendungen müssen finanziell zumutbar sein. Wie die folgenden Beispiele zeigen, lassen sich Verbesserungen auch mit geringem oder gar keinem Geldaufwand erzielen.