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Thermodynamische (s. Kapitel 5) und dynamische Prozesse beein°ussen die Eisbedeckung des Ozeans. Die Thermodynamik beschreibt Eisbildung und Schmelze, die Dynamik die Drift des Eises. Die Eisdrift wird forciert durch verschiedene KrÄafte, wie die AntriebskrÄafte des Ozeans und der AtmosphÄare, der Corioliskraft und so genannter interner KrÄafte. "Unter winterlichen Be-dingungen, wenn eine dicke, kompakte Eisdecke den polaren Ozean bedeckt, kÄonnen die internen KrÄafte die Eisdrift nahezu zum Erliegen bringen und stellen dann einen der wichtigsten Terme in der Impulsbilanz des Meereises dar." (s. Harder [Har96] p.35). Auch wenn dieses Zitat das VerhÄaltnis der auf die Eisdrift wirkenden KrÄafte in arktischen GewÄassern beschreibt, so gilt doch, dass der Ein°uss der internen KrÄafte auf die Eisbewegung auch in an-deren GewÄassern, wie beispielsweise der Ostsee, von entscheidendem Ausma¼ sein kann. Nach einem Satz von Cauchy kann die interne Kraft immer als Divergenz eines Spannungstensors dargestellt werden, der interne Spannung hei¼t und der durch die Rheologie mit der Deformationsrate - dem sym-metrischen Teil des Gradienten der Eisdriftgeschwindigkeit - verknÄupft wird.

Seit den 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts wurden verschiedene Rheolo-gien - viskos, plastisch, elasto-plastisch, viskos-plastisch etc. - getestet. Die bekannteste und am weitesten verbreitete Rheologie ist die viskos-plastische Spannungs-Dehnungsraten-Relation in dem Hibler'schen Eismodell. Dieses Modell ist numerisch einfach handhabbar und zeigt in polaren Gebieten sehr gute Ergebnisse. Wie andere bekannte Eismodelle ist es speziell fÄur die Si-mulation der arktischen Eisbedeckung auf gro¼en Skalen entworfen worden.

3 Das Materialmodell

In diesem Kapitel wird der Ansatz eines neuen Mehr-Klassen-Eismodells be-schrieben, welches als Vorhersagemodell der Eisstruktur fÄur den Schi®sverkehr dienen soll.

Der Modellzweck (hier: die Darstellung des Eises in schi®fahrtsrelevanten Parametern) ist die Grundlage jeden Modells. Er wird daher zu Beginn des Kapitels genau formuliert und mit den Zielsetzungen anderer Meereismodelle verglichen.

Danach werden die relevanten Prozesse beschrieben und die daraus resul-tierenden Parameter diskutiert. Das Modell muss zum einen in der Lage sein, diese Parameter und ihre Entwicklung darzustellen. Zum anderen sollen die internen KrÄafte des Eises direkt mit diesen Parametern verknÄupft sein.

Vier Eisklassen verkÄorpern die unterschiedlichen Zusammensetzungen der Parameter, die zur Beschreibung der Struktur gewÄahlt wurden. FÄur das Eis jeder Klasse einzeln wird eine Materialbeschreibung de¯niert. Das Gesamt-modell entsteht aus der Kombination der vier MaterialGesamt-modelle.

3.1 Zielsetzung

"Ein Systemmodell ist [...] durch seinen Modellzweck bestimmt. Es ist wichtig, da¼ dieser Modellzweck zu Anfang jeder Systemstudie niederge-schrieben wird, um (1) die Bedingungen klar darzulegen, unter denen das Modell entwickelt wird und (2) zu vermeiden, da¼ ein Modell entwickelt wird, das die Aufgabe nicht lÄosen kann, fÄur die es ursprÄunglich gedacht wurde" (Zi-tat s. Bossel [Bos89], p.12).

Die De¯nition des Modellzwecks zu Beginn der Modellerstellung sollte fÄur Modelliererinnen und Modellierer selbstverstÄandlich sein. Durch den Zweck werden verschiedene AnsprÄuche oder Zielvorgaben festgelegt. Der Modell-zweck unterscheidet das hier vorliegende Eismaterialmodell von den in Kapi-tel 2.3 beschriebenen Meereismodellen.

Zweck dieses Mehrklassenmodells ist es, eine Prognose der EisverhÄaltnisse auf der Ostsee zu erstellen und die fÄur die Schi®fahrt relevanten Parameter zu simulieren. Dabei sind die wichtigen GrÄo¼en fÄur den maritimen Dienst diejenigen, die die Struktur des Eises im mesoskalen Bereich (GrÄ o¼enordnun-gen von 102 bis 103 Meter) gut beschreiben.

Die Intention hinter diesem Modell unterscheidet sich somit stark von der Vorgabe fÄur die gro¼skaligen Modelle. Diese sind konzipiert worden, um die gro¼rÄaumige Drift des Eises im arktischen Becken oder der Antarktis zu simulieren und den Ein°uss des Eises auf die klimarelevanten Parameter zu untersuchen. Insbesondere das heute viel benutzte Hiblermodell ist gedacht

"fÄur die saisonale Simulation Äuber gro¼e Regionen, und daher brauchbar fÄur die numerische Berechnung des Klimas"7. Der von Hibler entworfene Ansatz liefert Daten fÄur die Eisdrift und die thermodynamischen GrÄo¼en , die als

Abbildung 7: Eisschollen und o®enes Wasser (Quelle: www.noaa.gov)

rÄaumliche (Gitterzellen von mehreren hundert Kilometern) oder zeitliche (einige Tage) Mittelungen zu verstehen sind.

Die Struktur des Eises fÄallt bei der Mittelung uberÄ derartige Distanzen oder ZeitrÄaume nicht ins Gewicht und wird daher nur sehr grob durch eine mittlere Eis-dicke und den Bedeckungsgrad widergespiegelt.

Gerade die Darstellung der Eisstruktur ist es jedoch, die das Wesentliche dieses hier vor-liegenden Mehrklassenmodells ausmacht.

Eine weitere Zielvorgabe - neben der Wahl der GrÄo¼enskala und der Orientierung an schi®fahrts-relevanten Strukturen - ist die di-rekte Kopplung von Eisstruktur und interner Spannung.

Dieses ist in einfacher Form im hiblerschen Modell enthalten durch die

De-¯nition der EisstÄarke, die direkt in die Spannungs-Dehnungsraten-Relation

7Ubers. d. Verf. Zitat s. Hibler [Hib79], p.815f: "In this work, emphasis has beenÄ placed on developing a model suitable for seasonal simulations over large regions, and hence usable in numerical investigations of climate"

eingeht (vgl. Gleichung. 2.18): "The essential idea in the model is to couple the dynamics to the ice thickness characteristics by allowing the ice interac-tion to become stronger as the ice becomes thicker and / or contains a lower areal percentage of thin ice"8 (Zitat s. Hibler [Hib79] p.815). Die Vorgabe fÄur das vorliegende Modell ist es, nicht nur die Eisparameter, sondern auch die physikalischen Prozesse im Eis direkt in der Materialgleichung widerzu-spiegeln.

Da das Mehrklassenmodell nach einer Testphase als Prognosemodell im ope-rationellen Betrieb, also in tÄaglicher Routine, laufen soll, muss es numerisch einfach handhabbar sein. Eine Äau¼ere Randbedingung ist es, die Rechenzeit zu begrenzen. Dies sollte bei der De¯nition der physikalischen Modellglei-chungen im Hinterkopf behalten werden.

Wie fÄur die in Kapitel 2.3 beschriebenen Modelle wird fÄur das hier vorliegende Modell vorausgesetzt, dass das Eis ein kontinuierliches zweidimensionales isotropes Material darstellt, was schon in Kapitel 2.1 begrÄundet wurde.

Die Darstellung der Eisstruktur beein°usst sowohl die thermodynamischen, als auch die dynamischen Gleichungen des Modells. Die Thermodynamik wird in Kapitel 5 ausfÄuhrlich erlÄautert. Der dynamische Teil beschreibt die Eisdrift und besteht vor allem aus der LÄosung der Impulsbilanzgleichung

mDv

Dt =¿a+¿w+FC +FN +FI

wie in Kapitel 2.1 beschrieben. Dabei sind die Schubspannungen des Ozeans und der AtmosphÄare abhÄangig von der Ober°Äachenrauhigkeit des Eises und somit auch von der Struktur. Dies soll jedoch vorerst vernachlÄassigt werden.

Stattdessen wird die Hauptintention auf die Darstellung der internen Kraft FI =r ¢¾ gerichtet, die durch¾ =¾( _") die Materialeigenschaften des Eises beschreibt.