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2. Patienten und Methoden

3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse

Zusammenfassend lässt sich im Hinblick auf die mittlere Überlebenszeit sagen, dass Patienten die einen geringeren Metastasierungsgrad, sowohl was spinale, als auch extraspinale Wirbelsäulenmetastasen betrifft, eine längere mittlere Überlebenszeit zeigten. Eine hochgradige komplette Querschnittlähmung zeigte ebenfalls die kürzeste mittlere Überlebenszeit, wenn auch die Patienten mit inkompletter Querschnittlähmung in diesem Kollektiv eine längere mittlere Überlebenszeit zeigten als Patienten ohne neurologischen Ausfall.

Der modifizierte Tokuhashi-Score aus dem Jahre 2005 zeigte von allen untersuchten Varianten des Tokuhashi-Scores den höchsten Übereinstimmungsanteil von

prognostizierter und tatsächlicher Überlebenszeit. Der Übereinstimmungsanteil des 95%

Konfidenzintervalls betrug dabei 0,74 [0,56-0,92]. Signifikante Ergebnisse mittels Log-Rank-konnten dennoch nicht erreicht werden.

Der Tomita-Score selbst zeigte ebenfalls keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die vertretenen Prognosegruppen des Kollektivs. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass lediglich zwei Prognosegruppen, die beiden ersten mit der besten Prognose, vertreten waren. Der modifizierte Tomita-Score konnte lediglich einer Gruppe zugeordnet werden.

Hier hatte er jedoch einen hohen Übereinstimmungsanteil. Der Übereinstimmungsanteil des 95% Konfidenzintervalls betrug dabei 0,87 [0,73-1,00].

Zur besseren Übersicht wurden die wichtigsten Patientendaten tabellarisch im Anhang aufgeführt (Tabelle 22.1-22.3).

4. Diskussion

Durch neue chemotherapeutische Therapieansätze und verbesserte

Strahlentherapiekonzepte konnte die Prognose von Patienten mit Plasmozytombefall signifikant verlängert werden [35]. Im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie zeigt sich ebenfalls eine ständige Weiterentwicklung bis hin zu minimalinvasiven Verfahren wie Vertebroplastie und Kyphoplastie [16, 57].

Trotz des Fortschritts müssen bei jeder Operation nach wie vor das individuelle Komplikationsrisiko sowie die jeweilig benötigte Rekonvaleszenz nach erfolgtem operativem Eingriff betrachtet werden. Es bedarf eines kritischen Blickes, ob die Lebensqualität des Patienten, gerade bei palliativen chirurgischen Ansätzen, gesteigert oder ggf., trotz möglicher Lebensverlängerung, insgesamt gesenkt wird. Gerade bei Patienten mit Prognosen bis 6 Monaten ist eine Therapieentscheidung schwierig und bedarf einer individuellen Betrachtungsweise was die Gesamtkonstitution des Patienten betrifft [62]. Scores sollen dabei als objektive Therapieentscheidungshilfe dienen und als Ergänzung verstanden werden [22, 67, 45, 89, 94]. Letztendlich wird immer eine

individuelle Entscheidung von Nöten sein, die der Chirurg aufgrund seiner Erfahrung gemeinsam mit dem Patienten treffen sollte [12, 25, 30, 45, 52, 67, 89, 94].

Gerade bei Tumorerkrankungen mit geringer Inzidenz und großer Variabilität bezüglich Morbidität und Mortalität ist es schwierig individuell gute Entscheidungen zu treffen. In mehreren Studien konnte ein gutes postoperatives Outcome bei malignem

Wirbelkörperbefall, gerade bei mittlerer oder guter Prognose der Überlebenszeit, gezeigt werden [3, 7, 55]. Bei Patienten mit schlechter Überlebensprognose sollte hingegen auf eine operative Intervention verzichtet werden [3, 7, 55, 103].

Tokuhashi et al. [99, 100, 101] wie auch Tomita et al. [103] schätzt die prognostizierten Überlebenszeiten explizit in Monaten. Tomita et al. [103] betrachtet dabei vorrangig das biologische Verhalten des Tumors, während Tokuhashi et al. [99, 100, 101] vermehrt Ausprägungen der Tumorerkrankung und den aktuellen Zustand des Patienten miteinbezieht [77].

In dieser retrospektiven Analyse verbleiben 23 vollständig untersuchte Patienten mit komplettem erfolgtem Follow-up über die Prognosezeit der Scores hinweg (>24 Monate).

Prinzipiell mag dies als geringes Kollektiv erscheinen, betrachtet man jedoch andere Studien, die sich bereits mit dem Tokuhashi- und Tomita-Score befassten [48, 77, 105]

oder die Arbeit durch Tokuhashi et al. [99, 100, 101] selbst, so haben diese zwar größere Stichproben in Bezug auf das untersuchte Gesamt-Patientenkollektiv, bezogen auf die jeweilige Tumorentität sind die Stichproben jedoch geringer. Zwar wurden beide Scores über die Gesamtheit aller Tumorentitäten getestet, jedoch nicht in dem gleichen Maße für jede jeweilige Tumorentität selbst, gerade dann nicht wenn sie unter die Kategorie

„andere“ fallen. Letztendlich treffen beide Scores daher keine Aussage darüber in wie weit sie auf die Tumorentität Plasmozytom zutreffen. In manchen Studien konnte belegt werden, dass die Tumorentität keine eindeutige Rolle spielt [63],jedoch zeigen die Ergebnisse, dass Patienten mit Plasmozytombefall eine längere Überlebensprognose haben als die Hauptentitäten wie Prostata-, Mammakarzinom und andere

Tumorentitäten. Dies konnte durch die Ergebnisse von Papastefanou et al. [58] gestützt werden, der nachweisen konnte, dass die jeweilige Tumorentität einen nicht zu

unterschätzenden Einfluss auf die Gesamtprognose des Patienten hat.

Luksanapruksa et al. [65] kritisiert, dass sowohl der Tokuhashi-Score als auch der Tomita-Score lediglich einen Teil aller möglichen prognostischen tumorspezifischen und

unspezifischen Prognosefaktoren miteinbeziehen. Er empfiehlt zusätzlich unspezifische Faktoren wie beispielsweise ASA-Klassifikation und Komorbiditäten sowie spezifische Tumorparameter wie spezifische Laborerwerte oder immunhistologische Ausprägungen zu ergänzen [65]. Haynes und Lawler [42] konnten in ihrer Arbeit zeigen, dass die

Bestimmung der ASA-Klassifikation jedoch einer großen Variabilität unterliegt. Ob diese daher in einen Score einfließen sollte ist fraglich. Ragel et al. [83] fordert generell tumorspezifische Scores, um eine gute Vorhersage über die Überlebensprognose der Patienten tätigen zu können.

Avanzi et al. [5] untersuchte die Signifikanz bei 30 Patienten mit multiplem Myelombefall.

Er konnte keine signifikanten Werte weder für den Tokuhashi- noch für den Tomita-Score nachweisen.Im Unterschied zeigten sich hier aufgrund des multiplen Befalls viele

viszerale Metastasen. Im vorliegenden Kollektiv dieser Arbeit zeigten sich im Gegensatz

hierzu jedoch keinerlei viszerale Metastasen. Amelot et al. [2] konnte bei einer Population von 51 Patienten ebenfalls keine signifikanten Ergebnisse nachweisen. Interessanterweise wurden, wie auch in dieser Arbeit, ein hoher Anteil, nämlich 98% der Patienten im

Hinblick auf die Überlebenszeit unterschätzt [2]. Lediglich zwei Prozent lebten kürzer als prognostiziert [2].

Aoude et al. [3] fand in seiner Untersuchung bei über 126 Patienten heraus, hierunter waren 38 Patienten mit einem Plasmozytom, dass sowohl der Tomita-, als auch der Tokuhashi-Score sehr gut Patienten mit schlechter Prognose abgrenzen konnte. Zudem zeigte er, dass der Tokuhashi-Score besser zwischen mittlerer und guter Prognose

unterscheiden konnte, vor allem in seiner revidierten Form aus dem Jahre 2005 [3]. Sieht man sich die tatsächliche mittlere Überlebenszeit der Patienten mit Multiplem Myelom von Aoude et al. [3] im Vergleich mit der vorliegenden retrospektiven Studie an, hier 102 Monate im Vergleich zu einer mittleren Überlebenszeit von 19 Monaten bei Aoude et al.

[3], so wird deutlich, dass ein bedeutend größerer Anteil eine bessere Prognose im aktuell vorliegenden Patientenkollektiv bot. Somit die Entscheidung zur Operation der

untersuchten Patienten retrospektiv richtig gefällt worden.

Die Hauptindikation der Operationen lag dabei aufgrund von Schmerzen vor, welche wiederum mit der Tumorgröße korrelieren [24]. Diese Tatsache wurde von keinem der beiden Scores und deren Modifikationen abgefragt.

Hinzu kommt, dass beide Scores nicht die Biomechanik der vorliegenden pathologischen Fraktur in Abhängigkeit mit der Tumorlokalisation betrachten. Dies ist jedoch essentiell, um eine mögliche Komplikation durch Instabilität vorhersagen zu können [33, 96]. Denn gerade bei günstiger Prognose sollte laut Tomita eine weit-extraläsionale Tumorresektion, mit dem Therapieziel der Verlängerung der Überlebenszeit, erfolgen. Bei genauerer Datenanalyse führt dies jedoch verglichen mit der intraläsionalen, welche häufiger

vorkommt, nur in bestimmten Fällen zu einer längeren Überlebenszeit und lässt somit ein funktionelles Therapieziel weit wichtiger erscheinen [63].

Afsar et al. [1] wie auch Eap et. al [31] kommen zu der Ansicht, dass das Patientenalter ein relevanter Prognoseparameter sei, der weder im Tokuhashi-Score noch im Tomita-Score Verwendung findt. Wang et al. [108] berichtet sogar, dass in seinem untersuchten

Kollektiv das Alter statistisch, neben einer erfolgten Strahlentherapie der einzig relevante Untersuchungsparameter bei solitärem Plasmozytombefall sei.

Leithner et al. [63] untersuchte in seiner Studie sieben unterschiedliche Scoring-Systeme und konnte dabei zeigen, dass sich lediglich ein signifikanter Vorhersagewert für die Entität des Primärtumors sowie das Vorhandensein von viszeralen Metastasen zeigte.

Beides ist im aktuell vorliegenden Kollektiv gleichgeschaltet, da alle Patienten den

gleichen Primärtumor hatten und jeder Patient frei von viszeralen Metastasen war. Aoude et al. [4] konnte ebenfalls zeigen, dass das Vorliegen von viszeralen Metastasen einen signifikanten Unterschied macht, welches jedoch auch für die Anzahl der ossären Metastasen galt.

Ob Plasmozytompatienten mit Wirbelsäulenbefall generell bei beiden Scores mit einbezogen werden können wird kontrovers diskutiert, da es sich nicht im klassischen Sinn um eine Metastase eines soliden Tumors, sondern um eine hämatologische Erkrankung handelt, mit einer im Vergleich zu anderen Tumorentitäten besseren

Prognose [16, 63]. Lediglich der nach Leithner et. al. [63] modifizierte Bauer-Score ist der einzige Score in dieser Studie, der Patienten mit Multiplem Myelom explizit namentlich miteinschließt. Im Tokuhashi-Score werden sie unter der Kategorie „andere“ geführt [70, 99, 100, 101]. Der Tomita-Score überlässt es dem Anwender selbst zu welcher Kategorie man ihn zählt [103].

Beim Tokuhashi- und Tomita-Score wäre die Frage, ob es prognostisch einen Unterschied macht, dass die Wirbelsäule lediglich befallen ist oder die Tatsache, dass der Primärtumor metastasiert hat und jetzt die Wirbelsäule befallen hat. Dies wäre in dieser Studie bei Patienten mit solitärem Plasmozytombefall nicht zu eruieren, denn würde man den ersten Befall nicht als Metastase werten und somit nicht berücksichtigen, so wäre keine weitere Läsion der Wirbelsäule da, die man verwerten könnte. Beide Scores wären somit nicht mehr anwendbar.

Der Tokuhashi-Score und der Tomita-Score wurden neben dem modifizierten Bauer-Score in der Literatur valide für Patienten mit Tumorbefall der Wirbelsäule getestet, werden jedoch auch in Zukunft in Anbetracht der Weiterentwicklung neuer Therapien stetig angepasst werden müssen [18, 102].

Immer wieder wurde gezeigt, dass der Tokuhashi-Score etwas präzisier zu sein scheint als der Tomita-Score, jedoch wurden auch hier nur marginal Fälle mit Plasmozytompatienten durchgeführt, wie beispielsweise in der Arbeit von Papastefanou et al. [77] und Hibberd und Quan [45].

Da in dieser Studie die Daten retrospektiv erhoben wurden, können nur Aussagen für Patienten getroffen werden, die auch operiert wurden. Eine generelle Aussage über die Prognose kann hierbei nicht getroffen werden, da durch die Einschlusskriterien keine Patienten vorliegen, die nicht operiert wurden. Dennoch konnte die Voraussage der einzelnen Scores mit der tatsächlichen Überlebenszeit verglichen werden. Die

errechneten Konfidenzintervalle sind das Ergebnis von Intervallschätzungen und bieten kein gesichertes Wissen über die Grundgesamtheiten der Stichproben. Mit Hilfe der Statistik konnten immerhin Intervalle angegeben werden, innerhalb derer sich die Parameter der Grundgesamtheit wahrscheinlich bewegen, somit könnten diese zumindest als Anhaltspunkte dienen.