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Das Ziel dieser Studie war die Identifizierung physiologischer Bewegungsvorgänge im Kolon und Jejunum des Pferdes, sowie die Differenzierung zwischen nerval und myogen vermittelter Aktivität mit Hilfe von in vitro Messungen an isolierten Zirkulär- und Längsmuskelpräparaten im Organbad.

Die an der Motilität beteiligten erregenden und hemmenden Neurotransmitter sollten identifiziert werden. Des weiteren sollte die nerval und myogen vermittelte Motilität an pathologischem Gewebe von an Kolik erkrankten Pferden untersucht und mit der Motilität der gesunden Pferde verglichen werden. Jejunum und Kolon zeigten unterschiedliche basale Motilitätsmuster, die myogen vermittelt waren. In Zirkulär- und Längsmuskelpräparaten des Kolons traten Kontraktionsgruppen auf, die von unterschiedlich ausgeprägten Phasen geringer Motilität flankiert wurden und die mit einer

Tonuserhöhung einhergingen. Das Motilitätmuster des Jejunums war, im Vergleich zum

Motilitätsmuster des Kolons, regelmäßiger und zeigte keine Schwankungen im Muskeltonus. Mit Hilfe bipolarer Platinelektroden konnte elektrische Feldstimulation (EFS, 10s mit 20Hz, 0.5ms Einzelpulsdauer) an den Muskelpräparaten durchgeführt werden. Die Stimuli induzierten rein nerval vermittelte Antworten. Während der EFS werden sowohl hemmende als auch erregende Transmitter ausgeschüttet, so daß die Antwort der Muskulatur aus verschiedenen Komponenten besteht. Je nach Transmitterbeteiligung überwiegen hemmende oder erregende Antworten. Während elektrischer Feldstimulation antworteten Zirkulär- und Längsmuskulatur im Kolon des Pferdes mit einer Hemmung der Motilität. Im Gegensatz zum Kolon zeigten die verschiedenen Jejunumpräparate unterschiedliche Antworten während der EFS. In Längsmuskelpräparaten dominierten kontraktile Antworten (9 von 12 Präparaten); in drei Präparaten wurde eine Hemmung der Motilität beobachtet. In Zirkulärmuskelpräparten des Jejunums induzierte die EFS bei 7 Präparaten eine kontraktile und bei 6 Präparaten eine hemmende Antwort. Das Auftreten einer kontraktilen oder einer hemmenden Antwort war hierbei abhängig vom Grundtonus der Muskelpräparate. Präparate mit einem niedrigen

Muskeltonus zeigten eine Hemmung, während Präparate mit einer kontraktilen Antwort einen höherern Grundtonus aufwiesen. Aus den Befunden geht hervor, daß eine nervale Aktivierung im Kolon des Pferdes ausschließlich zu einer Hemmung der Motilität führt. Hemmende Einflüsse spielen bei nerval vermittelten Antworten in der Zirkulärmuskulatur des Jejunums eine geringere Rolle als im Kolon. In der Längsmuskulatur des Jejunums überwiegen dagegen erregende Einflüsse.

Verschiedene neuropharmakologische Untersuchungen wurden durchgeführt, um die an der nervalen Hemmung beteiligten Neurotransmitter zu identifizieren. Dazu wurden die Transmitter direkt appliziert, um zu klären, ob sie eine Hemmung der Motilität induzieren. Darüber hinaus wurden spezifische Antagonisten verabreicht, mit dem Ziel, die durch EFS induzierte Hemmung zu blockieren. Die Badapplikation der Neurotransmitter Stickoxid (NO) in Form des NO-Donors

Nitroprussid (SNP), Adenosin 5'-Triphosphat (ATP), Vasoaktives Intestinales Peptid (VIP) und Adenylatzyklase Aktivierendes Polypeptid (1-27) (PACAP „Pituitary Adenylat Cyclase Activating Polypeptide“) führte im Kolon und in der Zirkulärmuskulatur des Jejunums zu einer Hemmung der Motilität. In der Längsmuskulatur des Jejunums wirkten nur SNP (NO) und ATP hemmend. Während ATP meistens eine transiente Hemmung auslöste, führten SNP (NO), PACAP und VIP zu einer langandauernde Hemmung, die während der gesamten Applikationszeit anhielt. Die stärkste

Hemmung wurde nach SNP- (NO-) Applikation beobachtet. Die durch PACAP bzw. VIP induzierte Hemmung der Motilität war zwischen Längsmuskelpräparaten des Kolons und

Zirkulärmuskelpräparaten des Jejunums vergleichbar. Zirkulärmuskelpräparate des Kolons reagierten signifikant empfindlicher auf PACAP als auf VIP, während VIP die stärkste hemmende Wirkung an Zirkulärmuskelpräparaten des Jejunums hatte. Im Kolon wurde die Dauer der EFS-induzierten Hemmung nach Blockade der NO-Synthese durch L-NAME verkürzt. L-NAME hatte jedoch keinen Einfluß auf die EFS-induzierte Hemmung im Jejunum. Apamin, ein Blocker calciumabhängiger Kalium-Kanäle, blockierte vollständig die Hemmung im Kolon und Jejunum. Demnach wird die nerval vermittelte Hemmung der Motilität im Jejunum ausschließlich über Apamin-sensitive

Mechanismen vermittelt, während im Kolon sowohl Apamin-sensitive als auch nitrerge Mechanismen an der EFS-induzierten Hemmung beteiligt sind. Nach Blockade hemmender Mechanismen durch die kombinierte Gabe von Apamin und L-NAME konnte in allen Geweben eine EFS-induzierte Zunahme der Motilität, die Atropin sensitiv waren, registriert werden. Diese Motilitätssteigerung wurde

demnach über eine Aktivierung cholinerger Muskelmotorneurone vermittelt, die während der EFS Acetylcholin ausschütten. Dieser Befund zeigte, daß die nach EFS registrierte Antwort aus einer hemmenden und erregenden Komponente besteht, wobei beim Pferdedarm, mit Ausnahme des Jejunum-Längsmuskels, die Hemmung so stark dominiert, daß unter Kontrollbedingungen die kontraktile Komponente vollständig überlagert ist.

Apamin blockte unspezifisch einen der Wirkmechanismen, über den mehrere Transmitter

Muskelkontraktion hemmen können. Die unterschiedliche Apamin-Sensitivität der verschiedenen hemmenden Neurotransmitter zeigte, daß an den Apamin-sensitiven Hemmungen regionen-spezifisch unterschiedliche Neurotransmitter beteiligt sein müssen. Im Kolon-Zirkulärmuskel und im Jejunum-Längsmuskel blockierte Apamin die ATP-induzierten Hemmungen, während im Kolon-Jejunum-Längsmuskel sowie im Jejunum-Zirkulärmuskel neben den ATP- auch die PACAP- induzierten Hemmungen Apamin-sensitiv waren. Daraus läßt sich schließen, daß die PACAP-induzierte Hemmung über den PACAP-spezifischen, Apamin-sensitiven Rezeptor vermittelt war. Die ATP-induzierte Hemmung konnte durch Suramin nicht aufgehoben werden, so daß an der ATP-Wirkung offensichtlich weder P2X

noch P2Y - Rezeptoren beteiligt sind.

Der alpha-adrenerge Rezeptorantagonist Phentolamin beeinflußte in keinem Gewebe das basale Motilitätsmuster. Phentolamin reduzierte nur im Jejunum-Längsmuskel die EFS-induzierte

Kontraktion. Dies bedeutet, daß unter in vitro Bedingungen sympathische Nervenfasern im Jejunum-Längsmuskel an der nerval vermittelten Kontraktion beteiligt sind; in den anderen untersuchten Regionen scheinen sie keine Rolle bei der Motilität zu spielen. Die nerval vermittelte Hemmung im Jejunum und Kolon des Pferdes ist demnach fast ausschließlich auf die Aktivierung nicht cholinerger, nicht adrenerger (NANC) Nervenzellen des enterischen Nervensystems zurückzuführen.

Durch immunhistochemische Anfärbungen konnten Stickoxid-Synthase- (NOS-),

Cholin-Azetyltransferase- (ChAT-) und Vasoaktives-intestinales-Polypeptid- (VIP-) positive Nervenzellen im myenterischen Plexus von Kolon und Jejunum nachgewiesen werden. Dies belegt, daß die Transmitter, deren Beteiligung an der nerval vermittelten Hemmung durch die neuropharmakologischen Untersuchungen aufgezeigt wurden, im enterischen Nervensystem des Pferdedarms synthetisiert werden.

Im Vergleich zu Kontrollpräparten zeigten die Muskelstreifen von an Kolik erkrankten Pferden keine signifikanten Unterschiede weder in der basalen noch in der nerval vermittelten Motilität. Es konnte aber eine signifikant erhöhte Carbachol-Ansprechbarkeit der Jejunum-Längsmuskulatur von an Kolik erkrankten Pferden nachgewiesen werden.

Die in dieser Arbeit identifizierten Regulationsmechanismen der basalen und nerval vermittelten Motilitätsmuster im Jejunum und Kolon des Pferdes könnten die Basis für neue Therapiekonzepte bei Dysfunktionen des Magendarmtrakts sein. Der Einsatz spezifischer Agonisten bzw. Antagonisten nitrerger und purinerger Hemmechanismen wäre ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung von Motilitätsstörungen beim Pferd.