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Einleitung:

Heutzutage gilt die Cochlea-Implantat-Versorgung als Standardverfahren zur Behandlung angeborener und erworbener Taubheit. Da sich mittlerweile die Indikationskriterien auch auf Patienten mit erhaltenem Resthörvermögen ausgeweitet haben, gilt es ein weniger traumatisches und optimiertes chirurgisches Procedere zur Insertion der Implantatelektroden zu entwickeln. Ziel ist sowohl der Resthörerhalt, als auch das risikoarme Arbeiten ohne Verletzung umliegender Ohrstrukturen wie Basilarmembran, Chorda tympani, Nervus facialis und weiterer Strukturen. Dafür bieten sich Verfahren der computer-assistierten Chirurgie an, um einen minimal-invasiven Zugang zum Innenohr zu realisieren. Dieser sieht eine gezielte Bohrung eines einzigen Kanals von der Schädelkalotte bis zur Innenohrzielstruktur, der Scala tympani, vor. Daher war es Ziel dieser Studie anhand neuartiger Messmethoden den in der Literatur vielfach zitierte Genauigkeitswert von 0,5 mm kritisch zu hinterfragen, um daraus Rückschlüsse an die Anforderungen an mechatronische Assistenzsysteme stellen zu können und gegebenenfalls die Genauigkeitsanforderungen auf Basis der heutigen Technik modifizieren zu können.

Material und Methoden:

Die bereitgestellten Humanfelsenbeinpräparaten und die dadurch gewonnenen hochdetaillierten, histologische Bilddatensätzen wurden im Vorfeld der Arbeit durch das in Rau et al.97 und Hügl et al.58 beschriebene Verfahren erstellt.

Es resultierten für die Arbeit zehn geeignete Datensätze anonymer Spender, die in der Software Amira® 5.6 bearbeitet wurden. Die Software erlaubt mit Hilfe von Software-Bausteinen Applikationen zusammenzustellen, die der Darstellung und Bearbeitung von Bilddaten in ein 3D-Modell dienen. Zum Transfer zweidimensionaler Bilddaten in ein Volumenmodell stehen in der Software verschiedene Zeichenwerkzeuge, sowie Einstellungen zu Pinselgrößen, Vergrößerungen und Verkleinerungen von Bildausschnitten, sowie Ein- und Ausblendung einzelner Strukturen zur Verfügung, mit deren Hilfe die einzelnen Abschnitte des Hörorgans markiert, einer Struktur zugeordnet und anschließend in ein 3D-Modell überführt werden können.

Bei den zehn ausgewählten Felsenbeinen handelte es sich um sechs linke, sowie vier rechte Schliffpräparate mit Schichtdicken von 100 µm. Die Datensätze wurden je nach Bildgüte in die

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Kategorien I und II eingeteilt. Die als Kategorie II eingestuften Präparate enthielten durch die Materialvorbereitung eingeschlossene Luftblasen innerhalb der Scala vestibuli, weshalb die Anzahl der zu segmentierten Strukturen auf Scala tympani, Rundfenstermembran, Nervus facialis, Chorda tympani, Stapes und die Bogengänge reduziert wurde. Für Kategorie I erfolgte zusätzlich eine Segmentation von Scala vestibuli, Lamina spiralis ossea, Basilarmembran, Ovalfenstermembran, Modiolus und Helicotrema.

Die benannten Innen- und Mittelohrstrukturen wurden für jeden Datensatz in der Software Amira® manuell mit einem Zeichenstift in den zweidimensionalen, axialen Bildansichten segmentiert, woraus ein dreidimensionales Volumenmodell resultierte. Zur Segmentation diente lediglich die axiale Bildansicht, da dies der ursprünglichen Schnittebene der Präparate entsprach, koronare und sagittale Einstellung nachträglich von Amira® erstellt worden waren.

Nach vollständiger Modellrekonstruktion wurde diese durch die Erstellung von Dreiecksoberflächen visualisiert. Durch das aufgelagerte Dreieckmodell standen Koordinaten zur Verfügung, die durch andere Computerprogramme erkannt und so eine Bearbeitung möglich machen konnten.

Im Fortgang der Arbeit schieden zwei der zehn Schliffbilddatensätze aus. In einem der beiden Datensätze war kein Auffinden der Rundfenstermembran möglich, da es innerhalb der Vorbereitungsschritte zu einem Abbruch bei dem Zuschneiden der Bilddaten gekommen war.

Im zweiten Datensatz war kein Auffinden der Chorda tympani möglich, ebenso lag keine zuvor angefertigte fpVCT-Bildgebung vor, um den Fazialisast aufzufinden. In den übrig gebliebenen acht Datensätzen gelang innerhalb von zwei Schliffpräparaten ein Auffinden der Chorda tympani. Für die restlichen sechs Datensätze war ein Einlesen der ursprünglich angefertigten fpVCT-Daten in Amira® nötig. Da dieses Bildmaterial noch nicht mit Beschränkung auf die Innenohrstrukturen zugeschnitten worden war, gelang hier in allen restlichen Datensätzen die Segmentation der Chorda tympani und dementsprechend die Erstellung eines 3D-Modells des Fazialisastes. Es verblieben daher acht der ursprünglichen zehn Datensätze für weitere Untersuchungen.

Zur Glättung, Bildregistrierung und Durchführung von Messungen am 3D-Modell wurden die dafür notwendigen Softwares von Jakob Lexow (Forschungsgruppe CAS, HNO, Medizinische Hochschule Hannover) eigens zur weiteren Datenbearbeitung entwickelt.

Nach Erstellung des Dreieckmodells erfolgte eine Glättung der Daten zur Reduktion der Dreieckknotenpunkte, um eine weitere Bearbeitung innerhalb anderer Programme zu erleichtern.

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Des Weiteren war eine Verknüpfung der in Amira® segmentierten Strukturen mit der im fpVCT segmentierten Chorda tympani nötig. Dazu diente die Software DicomSTLAlign, welche eine Registrierung zweier Datensätze erlaubt. Mit Hilfe der Software erfolgte ein manuelles, individuelles Verschieben und Rotieren der beiden Bilddaten (Schliffpräparat und fpVCT), bis diese deckungsgleich vorlagen, sodass eine Registrierung erfolgen konnte.

Anschließend waren die 3D-Modelle (Chorda tympani aus dem fpVCT und übrige Strukturen aus dem Schliffpräparat) zusammengeführt, sodass alle Datensätze die Chorda tympani enthielten.

Genauigkeitsmessungen wurden mit dem Programm Rascal 0.2-55 durchgeführt. Dort erfolgte zunächst ein manuelles Einstellen der intraoperativen Blickrichtung durch den Recessus facialis auf die basale Windung der Cochlea. Nach Festlegung der chirurgischen Sicht und Einfrieren des Modells, konnten manuell Punkte auf der Oberfläche der Cochlea gesetzt werden, die das mögliche Cochleostomiegebiet bei Anwendung des erweiterten Rundfensterzugangs definierten. Innerhalb dieser gesetzten Punkte wurde automatisch durch das Programm Rascal der größtmögliche Kreis erstellt, der in diesem Zielgebiet eingeschlossen werden konnte. Der Durchmesser dieses Kreises war in einer Tabelle abzulesen. Innerhalb des Kreises war eine Erstellung einer Trajektorie aus direkter Blickrichtung des Nutzers möglich. Die Trajektorie konnte sowohl in Richtung des Anwenders, als auch in Richtung Cochlea verlängert werden, sodass dadurch sowohl eine Simulation des navigiert kontrollierten Bohrweges, als auch eines intracochleären Implantats möglich war. Zur optimierten Darstellung des Cochlea-Implantates konnte die Dicke der Trajektorie auf Größen eines herkömmlichen Implantats (0,6 mm bzw.

0,8 mm) verändert werden. Nach Erstellung der Trajektorie wurde das Einfrieren des Modells aufgehoben, sodass dieses durch Verschieben, Drehen, sowie Vergrößern und Verkleinern aus allen Blickrichtungen betrachtet werden konnte. Durch ein transparent machen der Scala tympani war es möglich, den Verlauf der Trajektorie innerhalb der Cochlea nachvollziehen zu können und eine Verletzung von Nachbarstrukturen auszuschließen.

Die Erstellung des größtmöglichen sicheren Zielgebietes zur Insertion des Implantates, sowie der Trajektorie wurden für jedes Präparat zweifach durchgeführt. Da innerhalb einer Ansicht nur das Einfrieren eines einzigen Blickwinkels und die Erstellung einer Trajektorie nur aus direkter Blickrichtung des Anwenders möglich waren, wurden aufgrund des vorhandenen intraoperativen Spielraums durch den Recessus facialis, mit einer Weite zwischen 1,0 – 3,5 mm85, zur Insertion des Implantats Messungen mit zwei Blickwinkeln durchgeführt.

Blickwinkel 1 tritt tangential in die basale Windung der Cochlea ein, im Bereich der Rundfenstermembran, sowie der Scala tympani. Die Trajektorie ahmt den Verlauf der Scala

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tympani bis zur ersten Schneckenwindung nach. Eine Begrenzung der Punkte bestand nach posterior durch den Nervus facialis, nach kranial durch die Scala vestibuli. Blickwinkel 2 trifft steil von antero-lateral kommend auf die basale Windung auf, wodurch die Trajektorie an die Chorda tympani angenährt und ein größerer Sicherheitsabstand zum Nervus facialis gewonnen wird. Das Setzen der Punkte wurde nach anterior durch die Chorda tympani, nach posterior durch das Ende der Rundfenstermembran und nach kranial durch die Scala vestibuli begrenzt.

Ergebnisse:

Es wurden Mittelwerte, Standardabweichung, sowie die Genauigkeitsanforderungen bei Verwendung von 0,6-mm- und 0,8-mm-Implantaten berechnet. Des Weiteren wurden die Werte der beiden Bildgüte Kategorien I und II, sowie die Werte bei Nutzung der verschiedenen Insertionswinkel miteinander verglichen. Die individuelle Benutzervariabilität wurde durch mehrmalige Messungen des gleichen Datensatzes sowohl für Kategorie I und II, als auch für die beiden Winkel ermittelt.

(1) Insertionswinkel 1: Der Durchmesser des sicheren Cochleostomiegebietes lag durchschnittlich bei 1,56mm (±0,11mm). Daraus folgt ein mittlerer Sicherheitsradius bei Verwendung von 0,6mm dicken Elektrodenträgern von 0,48mm (±0,05mm), der als Abweichung in alle Richtungen möglich ist. Bei Nutzung des größeren 0,8 mm-Implantats verkleinert sich die mögliche Abweichung auf 0,38mm (±0,05mm).

(2) Insertionswinkel 2: Der Durchmesser des sicheren Cochleostomiegebietes kann mit 1,45mm (±0,08mm) angegeben werden. Schlussfolgernd sind Abweichungen bei 0,6mm-Implantaten von durchschnittlich 0,43mm (±0,04mm), bei 0,8 mm-Implantaten von 0,33mm (±0,04mm) möglich, ohne andere Innenohrstrukturen zu tangieren.

(3) Vergleich Messergebnisse der beiden Insertionswinkel: Die mittleren Sicherheitsradien waren bei Insertionswinkel 1 um den Faktor 1,12 größer als für Winkel 2. Wie bereits oben angeführt lag der durchschnittliche Sicherheitsradius bei 0,6 mm-Implantaten für Winkel 1 bei 0,48mm (±0,05mm) gegenüber 0,43mm (±0,04mm) für Winkel 2. Die durchgeführte einfaktorielle Anova-Signifikanzanalyse zeigt, dass es sich hierbei um einen signfikanten Größenunterschied handelt. Hinsichtlich der Standardabweichung zeigten sich für beide Winkel ähnliche Ergebnisse.

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(4) Individuelle Benutzervariabilität: Jeweils ein Datensatz der Kategorie I, sowie der Kategorie II wurde an acht Tagen vom gleichen Nutzer mit jeweils beiden Winkeln in der Software Rascal erneut vermessen, zur Ermittlung der intraindividuellen Benutzervariabilität. Die Abweichung der Kategorie-I-Präparate konnte für Winkel 1 mit ±0,03mm, für Winkel 2 mit ±0,02mm ermittelt werden. Standardabweichungen der Kategorie-II-Datensätze belaufen sich für Winkel 1 auf ±0,04mm, für Winkel 2 auf

±0,02mm. Somit zeigte sich bei diesem Vorgehen eine etwas geringere Standardabweichung bei Verwendung des Insertionswinkels 2.

Diskussion:

Die angeführten Messergebnisse zeigen um den Faktor 1,12 größere Resultate für Winkel 1 als für Winkel 2. Ursächlich dafür ist die größere Einschränkung der manuell zu setzenden Punkte zur Definition des Cochleostomiezielgebietes für Winkel 2 aufgrund des Verlaufs der Chorda tympani. Durch den antero-lateralen Anwenderblick verhindert der Fazialisast ein Setzen der Punkte auf weiteren Teilen der Scala tympani, wodurch kleinere Messergebnisse bei gleichzeitig geringerer benutzerindividuellen Standardabweichung und größerem Abstand zum Nervus facialis resultieren. Es zeigte sich, dass der steile Eintritt zu einem ungünstigen Verlauf innerhalb der Cochlea führt und die starre Simulationstrajektorie nach postero-medial im Bereich des Modiolus austrat. Dies würde weitreichende Verletzungen benachbarter Cochleastrukturen nach sich ziehen können. Der Insertionswinkel 1 stellte sich aufgrund seines tangentialen Eintretens in die basale Windung als optimale Zugangsrichtung heraus, da die geplante Trajektorie erst am distalen Pol der unteren Schneckenwindung austritt, sowie ein größerer durchschnittlicher Sicherheitsradius vorliegt, wodurch das Verletzungsrisiko benachbarter Strukturen minimiert wird.

Im Vergleich der beiden Gütekategorien zeigten sich sowohl in Messungen mit Winkel 1, als auch Winkel 2, dass die durchschnittlichen Sicherheitsradien für Kategorie I Präparate größer waren als für Kategorie II Präparate. Schlussfolgerungen, ob die größere Anzahl an segmentierten Strukturen gleichzeitig auch zu geringeren Anforderungen an mechatronische Assistenzsysteme führt, können daraus nicht gezogen werden. Vermutlich handelt es sich um einen Fehler aufgrund der geringen Stichprobenanzahl von nur 3 Präparaten in Kategorie I und 5 Präparaten in Kategorie II, sodass nach Auswertung weiterer Datensätze sich die Werte noch modifizieren würden. Der Vergleich der Messergebnisse der beiden Gütekategorien ist daher nicht möglich. Des Weiteren erscheint es kontrovers, dass mehr Strukturen zu geringeren Anforderungen führen. Es ist anzunehmen, dass nach Auswertung einer größeren Stichprobe

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mit gleicher Verteilung linker und rechter Felsenbeine, sich entweder Unterschiede zwischen Kategorie I und II ergeben oder Kategorie I zu höheren Anforderungen an automatische Bohrsysteme und damit kleineren Ergebnissen führt.

Die in der Literatur angegebenen Genauigkeitsanforderung von 0,5 mm zur Eröffnung der Cochlea wurden von Schipper et al.102 definiert. Im deutschsprachig erschienenen Paper beschreibt die Arbeitsgruppe ein Cochleostomiegebiet von 1,0 mm, welches zu einem Toleranzintervall von 0,5 mm führen würde. Die Größe des Eröffnungsfeldes berücksichtigt noch nicht die Implantatgröße, sodass sich das Toleranzintervall je nach verwendetem Implantat noch verkleinert. Bei dem zitierten Toleranzintervall handelt es sich, wie oft fälschlicherweise angenommen, nicht um eine Radiusangabe, sondern um einen Durchmesser, sodass sich letztlich ein Sicherheitsradius von 0,25 mm daraus ergeben würde. Schipper et al.102, 103 beziehen sich konkret in ihrer Arbeit auf das Nucleus® 24 Contour™ Implantat und geben in Textpassagen den Implantatdurchmesser mit einer Größe von 0,4 mm an. Dies wiederum würde zu einem Sicherheitsradius von 0,3 mm führen. Allerdings stehen aktuell in der Klinik keine derartig dünnen Elektrodenträger zur Verfügung und das speziell genannte Implantat hat eine apikale Durchmessergröße von 0,5 mm und proximale Größe von 0,8 mm.

Daraus ergibt sich abzüglich vom Durchmesser von 1,0 mm, ein Sicherheitsradius von 0,1 mm bei Nutzung dieses Implantats.

Da sich Schipper et al.103 bei der Bildgebung auf eine Standardcomputertomographie mit Schichtdicken von 1mm bezogen, war die Festlegung eines Bohrwinkels nicht möglich. Daher kann nicht eindeutig gesagt werden, welcher der hier untersuchten Winkel am ehesten der publizierten Untersuchung entspricht. Nichtsdestotrotz sind die ermittelten Werte, sowohl für Insertionswinkel 1, als auch Winkel 2, mehr als doppelt so groß als bei Schipper et al.103 angeführt. Für Insertionswinkel 1 konnte im Rahmen der durchgeführten Studie ein durchschnittlicher Sicherheitsradius von durchschnittlich 0,48 mm (± 0,05 mm) für 0,6-mm-Implantate ermittelt werden. Auch im Vergleich mit dem Messumfang aller Präparate mit dem Wert 0,25 mm, liegen alle Ergebnisse deutlich oberhalb. Der durchschnittliche Sicherheitsradius für Zugangsrichtung 2 lag bei 0,6-mm-Implantaten bei 0,43 mm (± 0,04 mm).

Obwohl wie oben beschrieben, Zugangsrichtung 2 gegenüber 1 signifikant kleinere Messergebnisse aufweist, liegen auch hier die Ergebnisse auf dem doppelten Niveau als bei Schipper et al.103.

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Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Publikationen von Schipper et al.102, 103 zeigt sich, dass die häufig angenommene zulässige Ungenauigkeit von 0,5 mm Radius falsch ist. Die Anforderungen an Navigationssysteme sind auf Basis der beiden Veröffentlichungen deutlich strenger und müssen bei einem Wert von 0,25 mm angenommen werden. In der hier durchgeführten Studie konnten sich diese strengen Genauigkeitsanforderungen nicht bestätigen.

Abschließend kann gesagt werden, dass das im Rahmen dieser Studie festgelegte Eröffnungsgebiet der Cochlea zwei Vorteile miteinander vereint. Man kombiniert den reinen Rundfensterzugang mit einer Cochleostomie, sodass ein größeres Zielgebiet zur sicheren Cochleaeröffnung und damit auch ein größerer Sicherheitsabstand zu benachbarten Strukturen resultiert. Des Weiteren wird die RWM weiterhin als Leitstruktur genutzt, sodass eine Insertion der Elektroden orientiert an der RWM, ausschließlich in die ST erfolgen kann. Dadurch können die Genauigkeitsanforderungen gegenüber der reinen Rundfensterinsertion gesenkt werden.

Auch publizierte Studienergebnisse über die topographische Relation von Nervus facialis, Chorda tympani und RWM zeigen, dass der Zugang durch den Recessus facialis nicht zur RWM, sondern zur basalen Windung der Cochlea führt. Dementsprechend, berücksichtigt das durchgeführte Verfahren die anatomischen Gegebenheiten und kann dadurch nachteilige Folgeerscheinungen senken.

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Thesen

(1) Die Unsicherheit des gewählten Messverfahrens wurde durch Untersuchung der benutzerindividuellen Standardabweichung (Intraobserver-Variabilität) bestimmt.

Diese liegt zwischen 0,02 mm bzw. 0,04 mm, abhängig von der gewählten Zugangsrichtung und der Segmentierungsqualität des 3D-Modells.

a. Für Zugangsrichtung 2 liegt eine höhere Reproduzierbarkeit der Messergebnisse vor als für Winkel 1. Winkel 2 SD 0,02mm in Kategorie I, SD 0,02 mm in Kategorie II gegenüber Winkel 1 SD 0,03mm in Kategorie I, SD 0,04mm in Kategorie II.

b. Die benutzerindividuelle SD der verschiedenen Bildgütekategorien zeigt keine relevanten Unterschiede in den Ergebnissen auf, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Anzahl der segmentierten Strukturen keinen Einfluss auf die Messgenauigkeit hat.

(2) Die Mittelwerte der Sicherheitsradien zeigen im Vergleich der beiden Insertionswinkel signifikante Messunterschiede zugunsten der Zugangsrichtung 1. Durchschnittlicher Radius des Insertionswinkels 1 liegt bei 0,48mm (±0,05mm), mit einem Messumfang von 0,42 – 0,56mm. Durchschnittlicher Radius des Insertionswinkels 2 liegt bei 0,43mm (±0,04mm) mit einem Messumfang von 0,36 – 0,48mm.

(3) Durch Messungen mit Blickwinkel 2 verringert sich die Gefahr der Verletzung des Nervus facialis, aufgrund des größeren Abstandes der Simulationstrajektorie, bei gleichzeitig höherem Risiko für Resthörverlust und Verletzung weiterer Ohrstrukturen (Chorda tympani, ST, OSL, Modiolus). Dies zeigt, dass der häufig genutzte erweiterte Recessus-facialis-Zugang, der eine Opferung der Chorda tympani vorsieht, zwar die Größe des Recessus facialis vergrößert, gleichzeitig aber auch zu einem ungünstigeren Eintreten des Bohrwinkels in die ST führt und letztlich dort zu einer geringeren, sicheren Zielfläche.

(4) Der tangentiale Eintritt in die ST, wie für Winkel 1, wird bereits von zahlreichen weiteren Arbeitsgruppen als günstigster Eintrittswinkel empfohlen, da er den optimalen Verlauf innerhalb der Scala tympani nachahmt und das Verletzungsrisiko cochleärer Strukturen senkt.

(5) Der Sicherheitsradius vergrößert sich durch die Kombination von Rundfensterzugang mit Cochleostomie gegenüber der reinen Rundfensterinsertion, sodass folglich die Genauigkeitsanforderungen an Robotersysteme für den DCA bei kombiniertem

90 Vorgehen geringer sind.

(6) Der häufig in der Literatur postulierte Genauigkeitswert von 0,5mm gilt als Anforderungsmaß an die Navigationssysteme. Im Rahmen dieser Studie zeigte sich, dass die Anforderungen an der Cochleostomiestelle strenger sind. Die Sicherheitsradien von 0,48mm (±0,05mm, Winkel 1) bzw. 0,43mm (±0,04mm, Winkel 2) erfordern eine höhere Genauigkeit. Nach intensiver Auseinandersetzung mit dem von Schipper et al.103 publizierten Wert von 0,5mm zeigte sich jedoch, dass es sich hierbei um eine Durchmesserangabe handelte, sodass nach Implantation der Elektroden ein Radius von 0,25mm verbleibt. Schlussfolgernd stellt der in der Literatur angegebene Wert höhere Anforderungen an die Assistenzsysteme da, die sich im Rahmen der hier durchgeführten Studie nicht bestätigen konnten.

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