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1. Einleitung

1.1. Anatomie

1.1.4. Innenohr

Das Innenohr liegt in der Pars petrosa des Schläfenbeins und besteht aus dem Labyrinthus osseus (knöchernes Labyrinth) und dem Labyrinthus membranaceus (häutiges Labyrinth). Das knöcherne Labyrinth ist ein Gangsystem innerhalb des Felsenbeins und wird aus Periost gebildet. Teile dieses Labyrinths sind das Vestibulum labyrinthi, die Canales semicirculares ossei (Bogengänge) und die Cochlea (siehe Abbildung 1). Zwischen dem knöchernen und dem häutigen Labyrinth befindet sich Perilymphe, wobei das häutige Labyrinth in den knöchernen Teil eingebettet und mit Endolymphe gefüllt ist. Anatomisch gehören zum häutigen Abschnitt der Ductus cochlearis, Sacculus, Utriculus, die Bogengänge und einige Kanäle, welche die Strukturen untereinander verbinden (Ductus utriculosaccularis, Ductus reuniens, Ductus endolymphaticus, Saccus endolymphaticus).96 Die äußere Wand der Cochlea hat entrollt eine Länge von 32 –43,5 mm.128 Sie windet sich im Mittel 2¾-mal um ihre eigene Achse, die vom Modiolus gebildet wird.37, 51, 95

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Abbildung 1: Anatomie des Innenohres

Der Querschnitt durch die Cochlea in Abbildung 2 zeigt, dass sie aus drei membranösen Kompartimenten aufgebaut ist. Der obere Teil wird als Scala vestibuli (SV) bezeichnet und ist ebenfalls wie der untere Teil, die Scala tympani (ST), mit Perilymphe gefüllt. Scala tympani und Scala vestibuli gehen am Helicotrema (Schneckenspitze) ineinander über. Über zwei membranös verschlossene Knochenöffnungen stehen sie mit der Paukenhöhle in Verbindung, die Scala vestibuli über das Fenestra ovalis (ovale Fenster), die Scala tympani über das Fenestra cochleae (runde Fenster). Ebenfalls besteht ein Bezug über den Aquaeductus cochleae mit dem Liquor cerebrospinalis, wodurch Infektionen des Gehirns in das Innenohr aufsteigen können.

Zwischen Scala tympani und Scala vestibuli liegt im lateralen Bereich der Cochlea die Scala media (Ductus cochlearis), welche mit Endolymphe gefüllt ist. Dieser Schlauch endet blind am Helicotrema und steht mit den beiden anderen nicht in direkter Verbindung. Die Scala media wird von der SV durch die Reissner-Membran abgegrenzt, von der ST durch die Basilarmembran (BM). Diese Membran entspringt einem knöchernen Vorsprung (Lamina spiralis ossea, OSL) des Modiolus und wird in Richtung Helicotrema dünner und breiter. Im

Knöchernes

Labyrinth Häutiges Labyrinth Cochlea Scala tympani Scala media Scala vestibuli anterior

posterior lateral Bogengänge

Ampullen Urticulus

Sacculus

Nervus vestibulocochlearis

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Inneren der Cochlea liegen Scala tympani und Scala vestibuli direkt übereinander und werden durch die OSL voneinander abgegrenzt.104

Abbildung 2: Querschnitt durch die Cochlea

Das basale Ende der Cochlea windet sich in drei Dimensionen (anterior – posterior, lateral – medial, inferior – superior) und ähnelt in seiner Form einem Fischhaken, weshalb diese Region häufig auch als `hook` (deutsch: Haken) beschrieben wird (siehe Abbildung 3). Die Anatomie des Hook variiert sehr stark innerhalb der einzelnen Individuen, woraus sich hohe Anforderungen an die Bildgebung und die optimale Positionierung der Cochleostomie ergeben.96, 110 Ursächlich dafür sind eine Vielzahl von Strukturen, die in dieser Region zusammentreffen, wie das Ende der Scala tympani am runden Fenster, der Ursprung der Scala media und deren Verbindung über den Ductus reuniens mit dem Sacculus, das Ende der Scala vestibuli am ovalen Fenster, sowie der Aquaeductus cochlearis und die infracochleäre Vene.45,

110

Scala vestibuli

Reissner Membran Tektorialmembran

Stria vascularis Corti-Organ

Nervenfasern der äußeren Haarzellen

Basilarmembran Scala tympani

Scala media

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Abbildung 3: Basales Ende der Cochlea mit hakenähnlicher Hook-Region (umrandet) – Zusammentreffen ST, RWM, SV, OWM und Sacculus; Datensatz TB5L, Amira®

Im Bereich der basalen Windung kommt es in der fetalen Entwicklung zu einem Wachstum von Knochenwänden, die eine trichterförmige Vertiefung von der Cavitas tympani hin zur Cochlea bilden. Diese als Rundfensternische bezeichnete Struktur ist von der gleichnamigen Rundfenstermembran (RWM) überdeckt, die an der postero-medialen Biegung der Hook-Region der Cochlea liegt und sattelähnlich geformt ist.116 Die Scala tympani endet am posterioren Rand des runden Fensters, was eine Insertion des Elektrodenträgers in diesem Bereich in die Cochlea gewährleistet.110 Die Membran besteht aus einem infero-anterior verlaufenden vertikalen Anteil und einem supero-posterior horizontalen Anteil.86 Die vier Wände der Rundfensternische (posterior, anterior, superior, inferior) sind aus unterschiedlichen Anteilen an membranösem, sowie chondralem Knochen gebildet. Da membranöser Knochen reicher an Blutgefäßen ist und eine größere Wachstumsneigung besitzt als chondraler Knochen, zeigen sich hier breite anatomische Variationen. Betroffen davon sind die vorwiegend membranöse anteriore und superiore Wand der Rundfensternische, welche sowohl verlängert, als auch verkürzt vorliegen können. Daraus ergeben sich unterschiedliche Eindringwinkel für Cochlea-Implantate bei Nutzung des Rundfensterzugangs abhängig von der Länge dieser Wände, sowie deren Form. Häufigste anatomische Veränderung hinsichtlich der Form der Rundfensterregion gilt für die Postis anterior (anteriore Wand der Rundfensternische), welche als kontinuierliche Platte oder trabekelartig geformt vorliegen kann. Nachbarstrukturen der Nische können ebenfalls an einer variablen Gestaltung des Rundfenstereingangs beteiligt sein, wie beispielsweise eine prominente Jugularis-Kuppel, Exostosen oder Trabekel, welche die Membran ganz oder teilweise überdecken, sowie das Promontorium, welches zwischen ovalem

SV OWM

ST

RWM Sacculus

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und rundem Fenster liegt. Es ist möglich, dass eine zweite dünne Pseudomembran adhärent mit der RWM ist, die verknöchert oder bei intraoperativer Entfernung zur Zerreißung der RWM führen kann.96, 116

Im posterioren Abschnitt der Hook-Region liegt die RWM sehr nahe an der OSL mit einem mittleren Abstand von 0,1 mm.96 Die Dicke der RWM variiert zwischen 50-100 µm.42 Die Größe der Membran wird bei Proctor et al.94 mit 2,3 mm * 1,87 mm beschrieben, bei Su et al.113 mit einem minimalen Durchmesser von 1,08 mm und maximalen Durchmesser von 2,28 mm. Braun et al.22 konnten Dimensionen der RWM von 1,69 mm * 1,37 mm ermitteln.

Cervera-Paz et al.26 bemaßen den mittleren Durchmesser auf 0,92 mm. Coordes et al.32 ermittelten die Größe der RWM zwischen 0,4 – 1,5 mm, mit einer durchschnittlichen Größe von 1,05 mm. Diese Messergebnisse machen die breite anatomische Variabilität in diesem Bereich deutlich und die damit verbundene Wichtigkeit der Kenntnisse über die patientenindividuelle Anatomie.

Die OSL biegt sich im Bereich der basalen Windung der Cochlea fast 90° um ihre eigene Achse.115 Im rechten Innenohr dreht sich die OSL im Uhrzeigersinn, im linken Innenohr gegen den Uhrzeigersinn.45 Dabei ist die Drehung nicht gleichmäßig, sondern kann in drei Abschnitte gegliedert werden. Etwa 2,5 mm von der posterioren Wand der Rundfensternische entfernt (Postis posterior) liegt die OSL um 30° gewunden vor, 4,5 mm entfernt hat sie sich um weitere 45° gedreht, bis sie sich schließlich nach 4,5 – 7 mm noch um 15° windet. Dadurch liegt im ersten Abschnitt bis zur 30°-Drehung die OSL in einer nahezu horizontalen Ebene, mit der Scala tympani unter und der Scala vestibuli über ihr. Nach abgeschlossener Drehungen ist die OSL longitudinal ausgerichtet, wodurch die Scala vestibuli lateral, die Scala tympani medial liegt.115 Die OSL ist nahe des Modiolus (midmodiolar) am dicksten, in anderen Bereichen liegen keine signifikanten Unterschiede ihrer Stärke vor.26

An der lateralen Wand der Scala media liegt die Stria vascularis, welche vaskularisiert ist und die Endolymphe produziert. Auf der Basilarmembran sitzt das sogenannte Corti-Organ, welches aus Sinnes- und Stützzellen besteht. Diese Sensorzellen teilen sich in 3.500 innere und 10.000 – 12.000 äußere Haarzellen auf und fungieren als Rezeptoren des Organs.59, 87 Überdacht wird das Corti-Organ von der Tektorialmembran, in welche die langen Zilien äußerer Haarzellen hineinragen. Die kürzen Zilien sind über dünne Proteinfäden (tip links) mit den Längeren verbunden. Die äußeren Haarzellen sind in drei Reihen angelegt, die inneren Haarzellen bilden nur eine Reihe, deren Zilien frei in die Endolymphe des Ductus cochlearis ragen. An der basalen Seite der Haarzellen liegen Synpasen mit Endigungen afferenter und

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efferenter Neurone. Diese Neurone wandeln mechanische Energie in elektrochemische Potentiale um und leiten diese über den Nervus cochlearis an das Gehirn weiter.78, 98 Das zentrale Nervensystem (ZNS) analysiert die Aktivität des Nerven entlang der aufsteigenden zentralen Hörbahn und vermittelt nach Erreichen des primären auditorischen Kortex Höreindrücke.59, 87

Das Vestibularorgan (Gleichgewichtsorgan), welches aus den Ductus semicirculares, Sacculus und Utriculus besteht, ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des Innenohres. Die drei Bogengänge sind mit Endolymphe gefüllt und in den drei räumlichen Ebenen ausgerichtet. Sie enthalten jeweils Erweiterungen (Ampullae), in welchen die Cristae ampullares (Sinnesleisten) enthalten sind. Diese Leisten ragen in das Lumen der Ampullen und sind von der gallertartigen Cupula überdeckt, die mit den Ampullen fixiert ist. Die Cristae ampullares besitzen Stereozilien, welche in die Cupula hineinragen und bei Drehbewegungen des Kopfes abgeschert werden. Im Sacculus und Utriculus liegen Makulaorgane (Macula sacculi, Macula utriculi), die senkrecht bzw. horizontal zur Standebene ausgerichtet und aus Sensorzellen aufgebaut sind.

Sowohl die Zilien der Makulaorgane, als auch der Cristae ampullares sind in unterschiedlichen räumlichen Ebenen ausgerichtet, damit bei jeder Bewegung oder Drehung des Kopfes bestimmte Sinneszellen erregt oder gehemmt werden.104