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4. Diskussion

4.2. Diskussion der Ergebnisse

4.2.2. Vergleich der Qualitätskategorien

Die resultierenden acht Cochlea-Modelle liefern eine exzellente Möglichkeit die Anatomie an der basalen Windung zu untersuchen und damit manuell eine chirurgische Eröffnungsposition zur Cochleostomie zu planen. Die Datensätze wurden anhand der Bildgüte in zwei unterschiedliche Kategorien eingeteilt (s. S. 38), sodass drei Datensätze erster Güte (Kategorie I) und 5 Datensätze zweiter Güte (Kategorie II) resultierten. Wie unter 2.2.2. beschrieben,

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wurde aufgrund von Luftblaseneinschlüssen die Zahl der segmentierten Strukturen für Kategorie-II-Datensätze reduziert. Letztlich lagen daher in dieser Kategorie nur anatomische Strukturen vor, die für den chirurgischen Zugangsweg (Chorda tympani, Nervus facialis), die Cochleostomie (Rundfenstermembran, Scala tympani), sowie für das Verständnis zur räumlichen Lage (Stapes, Bogengänge) unentbehrlich waren. Diese Strukturen stellen das Minimum dar, welches erforderlich ist, um realistische Messungen in diesem Bereich durchführen zu können. Weitere Reduzierungen hätten aufgrund der fehlenden anatomischen Landmarken zu größeren Schwankungen bei Einstellung der Blickrichtung geführt und damit höhere benutzerindividuelle Standardabweichungen, sowie keine reproduzierbaren Messergebnisse geliefert. Wie bereits oben erwähnt weisen die Ergebnisse der benutzerindividuellen Standardabweichung bei Wiederholung der Messungen am gleichen Präparat und die persönliche Arbeitsexpertise darauf hin, dass ein äquivalentes Arbeiten mit Kategorie II Datensätzen zu Daten erster Bildgüte möglich war.

Mittelwerte der acht verschiedenen Cochleamodelle: Die Gegenüberstellung der Werte der beiden Gütekategorien I und II (s. S. 38) bei Anwendung des jeweils gleichen Winkels in den Tabelle 4 und Tabelle 5 zeigt zwar voneinander differierende Mittelwerte, dies liegt letztlich wohlmöglich an der geringen Stichprobenanzahl für Kategorie I von nur 3 Datensätzen. So zeigte sich für Zugangsrichtung 1 ein durchschnittlicher Sicherheitsradius bei Verwendung von 0,6-mm-Elektroden von 0,53 mm (± 0,04 mm) für Kategorie I gegenüber 0,45 mm (± 0,04 mm) für Kategorie II. Insertionswinkel 2 hatte einen durchschnittlichen Sicherheitsradius von 0,45 mm (± 0,03 mm) in Kategorie I, 0,41 mm (± 0,04 mm) in Kategorie II für 0,6-mm-Implantate.

Bedeutung der Messergebnisse: Um wirklich ein aussagekräftiges Ergebnis darüber zu erhalten, ob die höhere Anzahl an segmentierten Strukturen gleichzeitig auch zu größeren Messergebnissen führt bzw. umgekehrt die geringere Anzahl an segmentierten Strukturen kleinere Messergebnisse liefert, sollte eine größere Stichprobenanzahl beider Kategorien miteinander verglichen werden. Dies war allerdings im Rahmen der durchgeführten Studie aufgrund des enormen Zeit- und Arbeitsaufwandes nicht möglich, da die Segmentierung eines einzelnen Datensatzes circa 100 Stunden in Anspruch nahm. Die Berechnung des Mittelwertes von Kategorie I auf Basis der drei zugehörigen Präparate, liefert nur eine Annäherung an den

„wahren Wert“, sodass eine größere Stichprobenanzahl zu Veränderungen dieses Ergebnisses führen würde und genauere Aussagen hinsichtlich der Unterschiede zu Kategorie II Messergebnissen möglich wären.

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Ob nun daraus schlussfolgernd die Resultate hinsichtlich der Genauigkeitsanforderungen an mechatronische Assistenzsysteme geringer wären, sobald mehr Ohrstrukturen dreidimensional rekonstruiert würden, kann auf Basis dieser Studie nicht bestätigt werden. Die Messergebnisse erscheinen kontrovers, da sich hier bei höherer Anzahl an segmentierten Ohrstrukturen eine geringere Genauigkeitsanforderung ergab, obwohl die jeweilige Cochlea exakter reproduziert wurde und damit eigentlich zu höheren Anforderungen an die Assistenzsysteme hätte führen müssen. Dieser Umstand kann nur als Zufallsfehler aufgrund der geringen Stichprobengröße angesehen werden bzw. auf anatomische, individuelle Gegebenheiten128 der Präparate zurückgeführt werden. Des Weiteren handelt es sich bei den Kategorie-I-Daten nur um linke Innenohre, wohingegen in Messungen mit Kategorie II rechte und linke Präparaten einflossen, sodass es sich dahingehend auch um einen Fehler aufgrund der ungleichmäßigen Verteilung der Stichprobe handeln könnte. Um zu untersuchen, inwiefern tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Segmentationsstrukturen und der Größe der Messergebnisse besteht, wäre die Durchführung einer Studie mit größerer Stichprobenanzahl, sowie gleichmäßiger Verteilung linker und rechter Felsenbeinpräparate vonnöten. Zu erwarten wäre, dass es entweder keine Unterschiede bei Messungen mit den beiden unterschiedlichen Gütekategorien gibt oder dass eine reellere und aufwendiger segmentierte Cochlea zu höheren Anforderungen an die CAS führen würde.

In zukünftigen Studien wäre es auch denkbar, eine zusätzliche Segmentierung von Mittelohrstrukturen (wie Incus, Malleolus, Trommelfell), sowie von Teilen des Schädelknochens und des Meatus acusticus externus durchzuführen, um sowohl die intraoperative Sicht des Ohrchirurgen noch exakter imitieren zu können, als auch dadurch gewonnene Mittelwerte mit Kategorie-II-Ergebnissen zu vergleichen. Dies wurde in der hier vorliegenden Studie nicht als notwendig angesehen, da die Hauptaufgabe darin bestand, die Genauigkeit an der Cochleostomiestelle und deren Anatomie zu untersuchen. Da sich jedoch nach Abschluss der Ergebnisauswertung dieser scheinbar kausale Zusammenhang zeigte, könnte es von Interesse sein, inwiefern wirklich eine Kohärenz zwischen Strukturanzahl und Messresultat besteht. Eventuell könnten sich dabei signifikante Unterschiede aufzeigen, indem die beiden Untersuchungsgruppen noch stärker voneinander differieren würden, beispielsweise durch die oben genannte zusätzliche Segmentierung von Mittel- und Schädelstrukturen.

Würden sich keine Unterschiede hinsichtlich der Mittelwerte und benutzerindividuellen Standardabweichung zeigen, könnte die Dauer des zeitaufwendigen Erstellens der 3D-Modelle von circa 100 Stunden pro Datensatz (für Bildgüte I) reduziert werden, indem Kategorie-II-Modelle als ausreichend angesehen werden.

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Des Weiteren wäre auch ein Vergleich von manuell segmentierten Modellen mit der basierten, automatischen Segmentierung sinnvoll. Diese erstellt automatisch auf Basis der CT-Schichtbilder mithilfe atlasbasierter Verfahren ein dreidimensionales Modell der Cochlea, bestehend aus SV und ST. Nachteil dieser Verfahren ist, dass weiterhin die feinen Strukturen, wie vor allem die RWM zur Zielpunktplanung, nicht darstellbar sind, sowie dass es sich bei dem Verfahren um modellgestützte Abschätzungen der Lage der intracochleären Scalae handelt. Dabei greift das automatische Segmentierungsprogramm auf ein mittleres Standardmodell der Cochlea zurück, welches verformt werden kann, bis es der individuellen Cochlea weitestgehend entspricht. Dadurch gehen anatomische Details an der Cochleostomiestelle verloren, wie beispielsweise das basale Ende der Cochlea, sowie die exakte Lage der RWM. Allerdings waren diese Details in der durchgeführten Studie essentiell, um die Genauigkeitsanforderungen an navigationsgestützte Robotersysteme und die Anatomie an der basalen Windung genauestens untersuchen zu können. Die Vorteile der CT-basierten Segmentierung gegenüber dem manuellen Vorgehen sind, dass dieses Verfahren eine deutliche Zeitersparnis darstellt und am Patienten praktikabel ist.

Aus diesen Gründen ist für die Zukunft auch eine Hybrid-Untersuchung denkbar, bei welcher die Erstellung des dreidimensionalen Cochleamodells sowohl auf Schliffpräparaten, als auch einer Computertomographie beruht. Feine Strukturen wie beispielsweise die Rundfenstermembran könnten so mithilfe der Schliffbilddaten in ein Volumenmodel überführt werden, wohingegen die restlichen Ohrstrukturen anhand der CT-Daten segmentiert würden.

Anschließend würde durch ein Kombinieren beider Modelle eine bessere Kenntnis der individuellen Anatomie an der basalen Windung resultieren.

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Kategorie I Kategorie II Ansicht

a): Winkel1, Datensatz TB5L d): Winkel1, Datensatz TB6L

Intraoperative Sicht

b):Ansicht 2, Winkel 1, Datensatz TB5L e): Winkel 1, Datensatz TB6L

Ansicht von kaudal

c): Winkel 1, Datensatz TB5L f): Winkel 1, Datensatz TB6L

Ansicht von posterior

Abbildung 22: Gegenüberstellung der Messwinkeleinstellung bei unterschiedlichen Gütekategorien, Rascal

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4.3.Vergleich mit dem Literaturwert

Der in der Literatur angegebene Genauigkeitswert von 0,5 mm basiert auf einer von Schipper et al.102, 103 publizierten Studie aus dem Jahr 2004. Inhalt der Studie war die Untersuchung der Genauigkeitsanforderungen an navigationsgestütze Assistenzsysteme anhand eines einzelnen Humanpräparates. Schipper et al.102 fertigten dazu eine hochauflösende Computertomographie mit Schichtdicken von 1 mm an, welche in ein Navigationssystem eingelesen wurde. Das anschließende chirurgische Einbringen des Implantates (Nucleus®24 Contour™) wurde unter CAS-Kontrolle durchgeführt. Die einzelnen chirurgischen Schritte bestanden aus einer Mastoidektomie mit posteriorer Tympanotomie und Cochleostomie antero-inferior der Rundfensternische. Der geplante Bohrkanal verlief von schräg basal oberhalb der kranialen knöchernen Lippe des runden Fensters und mündete direkt kaudal der BM in der ST. Es stellte sich heraus, dass mit zunehmender Dauer der Operation und Eindringtiefe des Bohrers größere Ungenauigkeiten des Robotersystems resultierten, sodass letztlich am Zielpunkt eine reelle Abweichung von 1,6 mm in alle Richtung durch das Bohrsystem vorlag. Dieses Ergebnis ist insuffizient für die erforderliche Genauigkeit im Operationsgebiet und wie bereits oben erwähnt, liegt die Genauigkeit dieser Robotersysteme mittlerweile in deutlich kleineren Dimensionen.

Des Weiteren definierten Schipper et al.102 die lokale Genauigkeitsanforderung mit 0,5 mm.

Interpretiert man diesen Wert als zulässige Abweichung vom Zielpunkt, ergäbe sich daraus ein Durchmesser von 1,0 mm. Da Schipper et al.102 von einem 0,4 mm dicken Implantat ausgehen, würde daraus ein zulässiges Zielgebiet von 1,4 mm an der Cochleostomiestelle resultieren, in welchem ein atraumatisches Einführen des Elektrodenträgers möglich wäre.

Abweichend davon publizieren Schipper et al.103 im deutschsprachig erschienen Paper, ein zulässiges Zielgebiet im Bereich der Cochlea von 1,0 mm. Bei Verwendung von im Mittel 0,5-mm-Elektrodendurchmessern ergibt sich daraus ein Toleranzintervall von 0,5 mm. Wie dieser Werte von 1,0 mm zustande kommt ist aus der Publikation von Schipper et al.103 nicht ersichtlich. Durch die Angabe des Toleranzintervalls von 0,5 mm zeigt sich, dass im angegebenen Durchmesser von 1,0 mm die Implantatgröße noch nicht einbezogen wurde, sodass diese zunächst subtrahiert werden muss, um den zulässigen Sicherheitsradius zu erhalten. Schlussfolgernd handelt es sich bei dem angegebenen Toleranzintervall von 0,5 mm um einen Wert, der als maximale Abweichung in eine Richtung möglich ist, sobald die Abweichung in die entgegengesetzte Richtung gleich null ist. Der häufig fehlzitierte Wert von 0,5 mm bezieht sich daher nicht auf den Radius, sondern auf den verbleibenden

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Sicherheitsdurchmesser an der Cochleostomiestelle, sodass der reelle Sicherheitsradius bei 0,25 mm liegt, der als Abweichung vom Zielpunkt in jede Richtung möglich ist. Dieser Wert des Radius resultiert bei Verwendung eines 0,5-mm-Elektrodenträgers. Allerdings beziehen sich Schipper et al.102, 103 in Textpassagen ausschließlich auf eine Implantatgröße von 0,4 mm, was wiederum den Sicherheitsradius auf 0,3 mm abweichend in alle Richtungen vergrößern würde. Anzumerken ist hierbei, dass jedoch das von Schipper et al.102 zitierte Nucleus®24 Contour™ Implantat (Sydney, Australien) einen apikalen Durchmesser von 0,5 mm und einen proximalen Durchmesser von 0,8 mm aufweist. Durch die Größe des proximalen Anteils würde sich daher der Sicherheitsradius und damit die zulässige Ungenauigkeit auf 0,1 mm verringern.

Da Schipper et al.102 mit Schichtdicken von 1 mm in der Standardcomputertomographie arbeiteten, war für sie die Festlegung eines Bohrwinkels nicht möglich. Daher kann nicht eindeutig geklärt werden, welcher der hier untersuchten Zugangsrichtungen am ehesten dem Bohrverlauf von Schipper et al.103 entspricht. Nichtsdestotrotz zeigen sich im Vergleich mit den erhobenen Messergebnissen durchweg größere Sicherheitsradien als bei Schipper et al.103. Da sich deren Messungen auf eine Elektrodengröße von 0,5 mm beziehen, die Messungen der hier durchgeführten Studie allerdings mit 0,6-mm- bzw. 0,8-mm-Implantaten durchgeführt wurden, ist ein direkter Vergleich der Ergebnisse schwierig. Hätten Schipper et al.102 0,6-mm-Elektroden verwendet, so muss ausgehend von der oben erwähnten Rechnung mit einem Radius von 0,2 mm gerechnet werden, bei 0,8-mm-Implantaten von 0,1 mm. Der ermittelte durchschnittliche Sicherheitsradius, der hier vorliegenden Studie, ist für Insertionswinkel 1 mit einem Wert von 0,48 mm (± 0,05 mm) (Umfang 0,42 mm – 0,56 mm, 0,6-mm-Implantat) anzugeben und ist damit mehr als doppelt so groß wie der von Schipper et al.103 publizierte Wert. Auch für Zugangsrichtung 2 wird deren Sicherheitsradius mehr als verdoppelt, bei einem mittleren Radius von 0,43 mm (± 0,04 mm) (Umfang 0,36 mm – 0,48 mm, 0,6-mm-Implantat).

Hierbei wird deutlich, dass die Resultate stark von dem in der Literatur postulierten Wert abweichen. Selbst der jeweilige Minimalwert eines jeden Winkels lag oberhalb des publizierten Wertes. Die Resultate von Schipper et al.103 würden sehr viel höhere Anforderungen an die Genauigkeit der Assistenzsysteme darstellen, die in deren eigenen Studie mit navigationsgestützten Robotersystemen bei weitem nicht erfüllbar waren. Nach intensiver Auseinandersetzung mit den beiden Publikationen zeigt sich, dass der angenommene Genauigkeitswert von 0,5 mm falsch ist und die Genauigkeitsanforderungen deutlich strenger durch Schipper et al.103 definiert worden sind. In der hier durchgeführten Studie konnten diese Anforderungen an die CAS nicht bestätigt werden.

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Da sich Schipper et al.103 nur auf ein einziges Präparat beziehen, war eine Überprüfung dieser Angaben sinnvoll. Vermutlich liegt hier eine ähnliche Fehlerkonstellation vor, wie im oben angeführten Vergleich von Kategorie-I- mit II-Präparaten. Es kann sich bei dem von Schipper et al103. verwendeten Schädel um eine individuelle anatomische Gegebenheit handeln, beziehungsweise sogar um einen Ausreißer in der Allgemeinpopulation. Bei einer größeren Stichprobenanzahl würde eine Annäherung an den wahren Wert erfolgen können, die vermutlich oberhalb des Sicherheitsradius von 0,25 mm liegt.

Eine neuere Forschungsarbeit aus dem Jahr 2014 von Stenin et al.109 untersuchte einen minimal-invasive Zugangmethode bei Operationen an der lateralen Schädelbasis basierend auf drei Stichkanalbohrungen, angelehnt an das Vorgehen bei laparoskopischen Eingriffen. Dadurch könnten bei Cochlea-Implantationen zwei Stichkanäle für Instrumente und ein Stichkanal für das Endoskop genutzt werden, sodass ein besseres Hantieren am Zielpunkt ermöglicht wird.

Zur Bearbeitung erstellten sie 20 dreidimensionale Cochleamodelle anhand Standard-CT-Daten. Stenin et al.109 analysierten den kollisionsfreien, intraoperativen Zugang zur Rundfenstermembran, zur Felsenbeinspitze und zum inneren Gehörgang anhand verschiedener Zugangsrichtungen (suprameatal, superior der Bogengänge, retrolabyrinthär, durch den Recessus facialis, subfacial). Im Gegensatz zu der hier vorliegenden Studie, ermittelten sie nicht den größtmöglichen sicheren Eröffnungsdurchmesser der Cochlea zur sicheren Insertion des Implantats in die Scala tympani, im Sinne einer Cochleostomie mit Rundfensterzugang. Der von Stenin et al.109 untersuchte Bohrkanaldurchmesser lag bei durchschnittlich 2,4 mm für den Rundfenstermembranzielpunkt durch den Recessus facialis. Dies deckt sich mit der in der Literatur angegeben Weite des Recessus facialis von 1,0 – 3,5 mm.85 Da Eindringwinkel in die Scala tympani nicht berücksichtigt wurden, sind die in Rahmen dieser Studie ermittelten Ergebnisse nur eingeschränkt mit dem Wert von 2,4 mm zu vergleichen, da hier nicht die durchschnittliche Weite des Recessus facialis ermittelt wurde. Nichtdestotrotz zeigt der Wert von 2,4 mm im Vergleich mit dem durchschnittlichen Cochleostomieradius von 1,56 mm für Winkel 1 bzw. 1,45 mm für Winkel 2 an, dass die Genauigkeitsanforderungen an chirurgische Assistenzsysteme mit zunehmender Eindringtiefe höher werden.

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4.4.Vergleich zur reinen Rundfensterinsertion

Wie bereits unter 1.1.4. beschrieben, gibt es zahlreiche Arbeitsgruppen, die in Forschungsarbeiten die Größe der Rundfenstermembran untersuchten. Dazu gehören Braun et al.22, welche die Größe der Membran auf 1,69 mm x 1,37 mm bemaßen. Bei Cervera-Paz et al.26 lag der mittlere Durchmesser der RWM bei 0,92 mm. Coordes et al.32 gaben den Mittelwert des Durchmessers der Membran mit 1,05 mm an und Su et al.113 ermittelten Durchmesser zwischen 1,08 – 2,28 mm. Roland et al.101 konnten variable Flächengrößen der RWM zwischen 0,8 – 1,75 mm² beobachten.

Die sich im Rahmen dieser Studie ergebenden Messwerte des möglichen chirurgischen Zugangs sind allesamt größer als die von diesen Studiengruppen angegeben Werte. Zwar handelt es sich bei deren Messungen ausschließlich um Überprüfungen der Größe der RWM, aber im Vergleich mit den Ergebnissen zur erweiterten Rundfensterinsertion kann so gezeigt werden, dass durch die Kombination mit einer Cochleostomie, sowohl die Fläche und der Durchmesser vergrößert werden können, als auch der daraus resultierende Sicherheitsradius zu umliegenden Strukturen. Daher vereint das im Rahmen dieser Studie durchgeführte Verfahren zwei Vorteile miteinander. Man kombiniert den reinen Rundfensterzugang mit einer Cochleostomie, sodass ein größeres Zielgebiet zur sicheren Cochleaeröffnung und damit auch ein größerer Sicherheitsabstand zu benachbarten Strukturen resultiert. Des Weiteren wird die RWM weiterhin als Leitstruktur genutzt, sodass eine Insertion der Elektroden orientiert an der RWM, ausschließlich in die ST erfolgen kann. Dadurch können die Genauigkeitsanforderungen gegenüber der reinen Rundfensterinsertion gesenkt werden. Hinzu kommt, dass eine Studie von Hamamoto et al.49 über die topographische Relation von Nervus facialis, Chorda tympani und RWM, eindeutig aufzeigen konnte, dass der Zugang durch den Recessus facialis nicht direkt zur RWM führt, sondern zur basalen Windung der Cochlea, sodass es sich bei dem hier angewandten Verfahren, um eine anatomisch günstigere Elektrodeninsertionsstelle handelt.

Die größtmögliche ermittelte Kreisfläche schloss in den hier verwendeten Präparaten nicht die gesamte RWM ein. Daher könnten theoretisch die Elektrodeninsertion über die Restfläche der RWM ausgedehnt werden. Allerdings konnte dieses Vorgehen nicht berücksichtigt werden, da man innerhalb der manuell gesetzten Punkte den größtmöglichen Kreis ermittelte und eine Berücksichtigung der restlichen Abschnitte der RWM eine ellipsenförmige Fläche erfordert hätte. Zwar wären innerhalb dieses Bereiches mit großzügigeren Werten hinsichtlich der Genauigkeitsanforderung zu rechnen, da man mehr Zielpunkte ohne Verletzung benachbarter

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Strukturen platzieren könnte, die Ellipse hat aber den Nachteil, dass keine exakte Aussage über die Richtung der Bohrabweichung für Assistenzsysteme getroffen werden kann. Zwar haben derartige Systeme auch Fehlerabweichungen, da aber deren Richtungsabhängigkeit nicht bekannt ist und durch Einstellungen nicht beeinflussbar, wird von einer isotropen Fehlerverteilung ausgegangen. Eine Ellipse würde eine gezielte Abweichung ausschließlich in bestimmte Richtungen erfordern, die mit einem Robotersystem nicht durchführbar ist.

4.5.Ausblick

Für folgende Arbeiten wäre es zur Untersuchung der Thematik empfehlenswert, eine größere Stichprobenanzahl, sowie eine gleichmäßigere Verteilung von linken und rechten Felsenbeinen zu untersuchen. Dadurch kann sehr wahrscheinlich, der sich scheinbar ergebende Zusammenhang zwischen geringerer Genauigkeitsanforderung und höherer Strukturanzahl, wie es für Präparate der Kategorie I vorlag, widerlegt werden. Zu berücksichtigen wäre dabei, dass die verwendeten Schliffpräparate großzügiger zugeschnitten werden, sodass Strukturen wie die Chorda tympani im Schliffpräparat identifiziert werden können und nicht auf eine zuvorige Bildgebung wie das fpVCT zurückgegriffen werden muss. Auch wäre es denkbar, die Festlegung des intraoperativen Blickwinkels durch den Recessus facialis durch weitere Ohrchirurgen zu definieren, sodass individuelle Erfahrungswerte berücksichtigt und miteinander verglichen werden können. Des Weiteren könnte eine Kombination aus einer CT-basierten Segmentierung mit einer manuellen Schliffpräparat-Segmentierung ausschließlich der feinen Ohrmembranen, wie beispielsweise der RWM, ähnlich exakte anatomische Gegebenheiten an der Cochleostomiestelle darstellen wie die hier durchgeführte Segmentierung und würde dabei gleichzeitig zu einer deutlichen Zeitersparnis beitragen.

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5. Zusammenfassung

Einleitung:

Heutzutage gilt die Cochlea-Implantat-Versorgung als Standardverfahren zur Behandlung angeborener und erworbener Taubheit. Da sich mittlerweile die Indikationskriterien auch auf Patienten mit erhaltenem Resthörvermögen ausgeweitet haben, gilt es ein weniger traumatisches und optimiertes chirurgisches Procedere zur Insertion der Implantatelektroden zu entwickeln. Ziel ist sowohl der Resthörerhalt, als auch das risikoarme Arbeiten ohne Verletzung umliegender Ohrstrukturen wie Basilarmembran, Chorda tympani, Nervus facialis und weiterer Strukturen. Dafür bieten sich Verfahren der computer-assistierten Chirurgie an, um einen minimal-invasiven Zugang zum Innenohr zu realisieren. Dieser sieht eine gezielte Bohrung eines einzigen Kanals von der Schädelkalotte bis zur Innenohrzielstruktur, der Scala tympani, vor. Daher war es Ziel dieser Studie anhand neuartiger Messmethoden den in der Literatur vielfach zitierte Genauigkeitswert von 0,5 mm kritisch zu hinterfragen, um daraus Rückschlüsse an die Anforderungen an mechatronische Assistenzsysteme stellen zu können und gegebenenfalls die Genauigkeitsanforderungen auf Basis der heutigen Technik modifizieren zu können.

Material und Methoden:

Die bereitgestellten Humanfelsenbeinpräparaten und die dadurch gewonnenen hochdetaillierten, histologische Bilddatensätzen wurden im Vorfeld der Arbeit durch das in Rau et al.97 und Hügl et al.58 beschriebene Verfahren erstellt.

Es resultierten für die Arbeit zehn geeignete Datensätze anonymer Spender, die in der Software Amira® 5.6 bearbeitet wurden. Die Software erlaubt mit Hilfe von Software-Bausteinen Applikationen zusammenzustellen, die der Darstellung und Bearbeitung von Bilddaten in ein 3D-Modell dienen. Zum Transfer zweidimensionaler Bilddaten in ein Volumenmodell stehen in der Software verschiedene Zeichenwerkzeuge, sowie Einstellungen zu Pinselgrößen, Vergrößerungen und Verkleinerungen von Bildausschnitten, sowie Ein- und Ausblendung einzelner Strukturen zur Verfügung, mit deren Hilfe die einzelnen Abschnitte des Hörorgans markiert, einer Struktur zugeordnet und anschließend in ein 3D-Modell überführt werden können.

Bei den zehn ausgewählten Felsenbeinen handelte es sich um sechs linke, sowie vier rechte

Bei den zehn ausgewählten Felsenbeinen handelte es sich um sechs linke, sowie vier rechte