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Zusammenfassung und Ausblick

Analyse der Hämbindung in den P450-Strukturen

7 Zusammenfassung und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit wurden computergestützte Modelle zur Selektivität und Aktivität von P450-Monooxygenasen und dem Einfluss von Mutationen auf diese entwickelt. Die Arbeit konzentrierte sich auf zwei Monooxygenase-Systeme, die bakterielle P450-Monooxygenase P450 BM-3 (CYP102A1) und die humanen P450-Enzyme des xenobiotischen Metabolismus.

Cytochrom P450 BM-3 ist ein interessantes Enzym für biotechnologische Anwendungen.

Aufgrund der Fähigkeit zur selektiven Oxidation von chemischen Verbindungen ermöglicht P450 BM-3 interessante Anwendungen in der Enzymkatalyse im Bereich der „weißen Biotechnologie“.423-425 Darüber hinaus gewinnt P450 BM-3 als Modellsystem für humane P450-Monooxygenasen im Bereich der „roten Biotechnologie“ zunehmend an Bedeutung.426,427 Einige aktuelle Arbeiten zeigen, dass P450 BM-3 durch Mutationen Aktivitäten gegenüber typischen humanen P450-Substraten aufweist.428-430 Das Verständnis von Aktivität und Selektivität von P450-Monooxygenasen auf molekularer Ebene ist eine wichtige Voraussetzung für das rationale Proteindesign und die Verbesserung der Enzyme in Hinblick auf Aktivität, Spezifität und Selektivität. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass durch Kombination von MD-Simulationen mit den intrinsischen Reaktivitäten der möglichen Hydroxylierungspositionen der Substrate die Aktivität, Regio- und Stereoselektivität der Hydroxylierungsreaktion vorhergesagt werden kann. Die Untersuchung der molekularen Grundlagen der Aktivität und Regioselektivität ergab zwei wesentliche Einflüsse: die intrinsische Reaktivität der einzelnen Positionen des Substrates und die Zugänglichkeit der reaktiven Hämgruppe in der Bindetasche des P450-Enzyms. Dieses Ergebnis war der Ausgangspunkt für die Untersuchungen zur isoformspezifischen Regioselektivität von humanen P450-Monooxygenasen.

Humane P450-Monooxygenasen spielen eine zentrale Rolle im Metabolismus der Xenobiotika und der Metabolismus ist ein zentraler Schritt im ADME-Ablauf eines Wirkstoffes und zugleich eine der kompliziertesten pharmakokinetischen Eigenschaften. Die Vorhersage des bei Reaktion mit einem bestimmten Isoenzym zu erwartenden Metaboliten

wäre eine große Hilfe für die Wirkstoffentwicklung. Wie für P450 BM-3 gezeigt werden konnte, ist es möglich, die Regioselektivität von P450-katalysierten Reaktionen mittels molekulardynamischer Simulationen zu untersuchen. Derartige Untersuchungen sind jedoch zu rechen- und zeitaufwändig, um sie für eine große Anzahl von Substraten durchzuführen.

Deshalb war es das Ziel dieser Arbeit, die molekularen Grundlagen der Regioselektivität zu analysieren und daraus einfache Regeln zu entwickeln, mit deren Hilfe dann der Metabolismus beliebiger Substrate vorhergesagt werden kann. Es konnte ein einfaches, generelles und prädiktives Modell zur Regioselektivität der beiden bedeutendsten P450-Enzyme CYP3A4 und CYP2D6 erstellt werden und erfolgreich an einem Datensatz aus Literaturdaten validiert werden. Unter Berücksichtigung der intrinsischen Reaktivität und Zugänglichkeit der einzelnen Substratpositionen und der Zugänglichkeit der Isoenzyme ist es möglich, die Metabolisierungsposition von CYP2D6- und CYP3A4-Substraten vorherzusagen. Das Modell beschäftigt sich ausschließlich mit der Fragestellung der Regioselektivität des Metabolismus. Die Frage der Isoformspezifität (von welchem CYP wird ein Substrat umgesetzt?) wird dabei nicht betrachtet. Es handelt sich um verschiedene Fragestellungen, die unterschiedliche Herangehensweisen verlangen.180 Das Regioselektivitätsmodell wird aktuell auf die beiden Isoenzyme CYP2C9 und CYP2B6 erweitert und in einer Zusammenarbeit mit der Firma Molecular Networks GmbH[ 4 ] mit einem dort entwickelten Modell der Isoformspezifität302 zu einem gemeinsamen Gesamtmodell zur Vorhersage der Isoformspezifität und der Regioselektivität kombiniert.

Einen bedeutenden Einfluss auf den Metabolismus von Arzneimitteln haben Polymorphismen in den Genen der humanen Cytochrom P450-Monooxygenasen. Es sind eine Vielzahl von SNPs bekannt. Für einen Großteil der Allele ist jedoch keine Information über den Einfluss auf die Enzymaktivität verfügbar. Aufgrund der Bedeutung möglicher funktioneller Effekte der Allele für den Arzneimittelmetabolismus besteht ein großes Interesse an der Vorhersage des Einflusses von Mutationen auf die Enzymaktivität. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass für Cytochrom P450-Monooxygenasen der Effekt von SNPs auf die Enzymaktivität mittels einer Konservierungsanalyse von Multisequenz-alignments der Subfamilien vorhergesagt werden kann. Darüber hinaus konnte anhand der beiden Beispiele, des murinen CYP21-Enzyms und eines neuen Allels des humanen CYP2D6, gezeigt werden, dass detaillierte Untersuchungen der molekularen Grundlagen der Effekte von Mutationen auf

4 Prof. Dr. Johann Gasteiger, Molecular Networks GmbH, Henkestraße 91, 91052 Erlangen, Germany

die Enzymaktivität durch die Analyse von Sequenz-Struktur-Funktion-Beziehungen möglich sind. Dabei können strukturelle Effekte auftreten, die Substratbindung, die Redoxpartner-Interaktionsoberfläche oder die Katalyse (z. B. der Elektronenfluss) können durch Mutationen beeinträchtigt werden, oder die Veränderung der Membran-Protein-Grenzfläche kann eine Rolle spielen.

Die Berücksichtigung der verschiedenen P450-Isoformen mit ihren unterschiedlichen Regioselektivitäten einerseits und des Einflusses von Polymorphismen auf den Metabolismus andererseits, führt zu einer hohen kombinatorischen Komplexität des Metabolismus einer Substanz.431 Die beiden in der vorliegenden Arbeit entwickelten Modelle, das isoformspezifische Regioselektivitätsmodell und das Modell zur Vorhersage des Einflusses von SNPs auf die Funktion von P450-Enzymen, können im in silico Wirkstoff-screening eingesetzt werden. In der frühen Phase der Medikamentenentwicklung sind schnelle und einfache Methoden nötig, zur Implementierung als Filter und zur Anreicherung von Bibliotheken, beim screening nach Wirkstoffkandidaten (Abbildung 77).171,432

Abbildung 77: Die in der vorliegenden Arbeit entwickelten Modelle können als Filter zur Anreicherung von virtuellen Substratbibliotheken beim in silico-screening verwendet werden.

Später, wenn einzelne Wirkstoffkandidaten und präzise experimentelle Daten vorhanden sind, können dann auch molekulare Modellierungen auf Basis umfangreicher Struktur-Sequenz-Funktions-Untersuchungen durchgeführt werden, wie es in der vorliegenden Arbeit für ausgewählte Beispiele gezeigt werden konnte. Es können beispielsweise Enzym-Substrat-Wechselwirkungen unter Verwendung molekulardynamischer Simulationen durchgeführt werden, oder der Einfluss von SNPs auf die Struktur und/oder Funktion des Enzyms kann durch molekulare Modellierung untersucht werden.