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Validierung des Modells zur Vorhersage der Regioselektivität von CYP3A4 und CYP2D6

selektivität von P450 BM-3 gegenüber β-Ionon

5.2 Isoformspezifische Regioselektivität der humanen Leber-CYPs 3A4 und 2D6

5.2.4 Heuristisches Modell der isoformspezifischen Regioselektivität von CYP3A4 und CYP2D6

5.2.4.4 Validierung des Modells zur Vorhersage der Regioselektivität von CYP3A4 und CYP2D6

Zur Validierung des Modells wurde ein größerer Datensatz chemisch diverser Substrate ausgewählt. Ausgangspunkt für den Datensatz war die von Rendic publizierte Übersicht über humane P450-Enzyme und deren Substrate.61 Dort sind für über 3000 Reaktionen Informationen über das Substrat, das beteiligte CYP-Isoenzym, die katalysierte Reaktion und Referenzen zur experimentellen Originalliteratur angegeben. In dem Rendic-Datensatz finden sich 578 Substrate, an deren Metabolismus CYP3A4 beteiligt ist. CYP2D6 ist an der Umsetzung von 301 Substraten beteiligt. Eine Analyse der Daten ergab eine Schnittmenge von 31 Substraten, an deren Umsetzung sowohl CYP3A4 als auch CYP2D6 beteiligt ist.

Beim Metabolismus eines Substrates können neben den hauptsächlich gebildeten Metaboliten weitere Metabolite entstehen, die nur zu einem geringen Anteil als Nebenprodukte auftreten.

Bei der Auswahl des Datensatzes wurde darauf geachtet, dass die von den beiden CYPs 3A4 und 2D6 gebildeten Metabolite zu den Hauptmetaboliten des entsprechenden Substrates zählen. Nach genauerer Überprüfung des Datensatzes anhand der Originalliteratur wurden zwölf Substrate aus dem Datensatz entfernt, die zum Teil keine Substrate sondern Inhibitoren sind oder für deren Metabolismus die Enzyme CYP3A4 oder CYP2D6 keine oder nur eine geringe Relevanz haben. Diese Substrate werden hauptsächlich von anderen P450-Enzymen metabolisiert. Es verblieb also ein Datensatz von 19 Substraten zur Validierung des Regioselektivitätsmodells (Tabelle 13). Die strukturelle und chemische Diversität des verwendeten Datensatzes ist in Abbildung 52 dargestellt.

Tabelle 13: Auflistung der 31 Substrate aus dem Rendic-Datensatz,61 an deren Metabolismus CYP3A4 und CYP2D6 beteiligt sind. Der für die Validierung verwendete Datensatz bestand aus den 19 fett gedruckten Substraten.

Substrate für CYP3A4 und CYP2D6

Bisoprolol Halofantrin (Ritonavir) Tolterodin (Bufuralol) (Haloperidol) Ropivacain Tramadol (Coffein) (Imipramin) (Saquinavir) Tropisetron

Celecoxib (Indinavir) Sildenafil Valdecoxib Codein (Lidocain) Tamsulosin Venlafaxin Dextromethorphan Loratadin (Terfenadin) Warfarin

Diltiazem (Omeprazol) Tergurid (Zotepin) Fluoxetin Propafenon (Theophyllin)

Aufgrund der bisherigen Untersuchungen können die Substrate des Validierungsdatensatzes in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die Substrate der Gruppe I (Codein, Dextromethorphan, Diltiazem, Fluoxetin, Propafenon, Ropivacain, Tamsulosin, Tolterodin, Tramadol, Tropisetron, Venlafaxin, Warfarin) werden von CYP3A4 und CYP2D6 an verschiedenen Positionen im Molekül metabolisiert. Ein Beispiel ist das Dextromethorphan-Molekül, das eine schlechter zugängliche, reaktivere Position aufweist, die bevorzugt von CYP3A4 metabolisiert wird und eine besser zugängliche, weniger reaktive, die bevorzugt von CYP2D6 metabolisiert wird. Die Substrate der Gruppe II (Bisoprolol, Celecoxib, Halofantrin, Loratadin, Sildenafil, Tergurid, Valdecoxib) werden von beiden Isoformen an der gleichen Position umgesetzt. Ein Beispiel ist das Substrat Sildenafil, in dem die möglichen Reaktionsstellen gleich gut zugänglich sind und das folglich von beiden P450-Isoenzymen bevorzugt an der reaktivsten Position metabolisiert wird. Die Auswertung der 19 Substrate des Validierungsdatensatzes ist für die Substrate der Gruppe I in Tabelle 14 und für die Substrate der Gruppe II in Tabelle 15 zusammengefasst. Bei den Dealkylierungsreaktionen sind die Positionen des Moleküls markiert, an denen die Hydroxylierung erfolgt, die dann zu der nachfolgenden Dealkylierung führt.

Abbildung 52: Strukturen der Verbindungen des Validierungsdatensatzes.

Zur Gruppe I des Validierungsdatensatzes gehören zwölf Substrate. Die Substrate Codein, Dextromethorphan, Diltiazem, Tolterodin, Tramadol, Tropisetron und Venlafaxin beinhalten alle eine reaktive Position (N-Demethylierung), die sterisch nicht so gut zugänglich ist, und bevorzugt von CYP3A4 umgesetzt wird, und eine weniger reaktive Position (O-Demethylierung (5x), allylische (1x) oder aromatische Hydroxylierung (1x)), die besser zugänglich ist und bevorzugt von CYP2D6 umgesetzt wird.

Das Substrat Fluoxetin enthält an Position 17 ein Kohlenstoffatom in Nachbarstellung zu einem Stickstoffatom. Dieses Kohlenstoffatom weist eine hohe Reaktivität auf, zudem ist die Position gut zugänglich und wird deshalb von beiden Isoenzymen umgesetzt. Durch Wasserstoffabstraktion an dem Kohlenstoffatom der Position 1 entsteht ein tertiäres Radikal in benzylischer Position, das zusätzlich durch das benachbarte O-Atom stabilisiert wird. An dieser Position kommt es zur Addition mehrerer stabilisierender Effekte und es ergibt sich eine erhöhte Reaktivität dieser Position. Experimentell wird eine Hydroxylierung an Position 1 beobachtet, die zu einer anschließenden Dealkylierung führt. Allerdings ist die Position deutlich schlechter zugänglich als das terminale Kohlenstoffatom 17 und die Reaktion wird deshalb bevorzugt von CYP3A4 katalysiert.

Die bevorzugten Reaktionen im Propafenon-Molekül sind die N-Dealkylierung in Position 2 und die aromatische Hydroxylierung in Position 12. Die Reaktivität der Position 12 im Benzolring ist durch den paraständigen Alkoxysubstituenten erhöht. Die Position 12 wird aufgrund der besseren Zugänglichkeit bevorzugt von CYP2D6 hydroxyliert. CYP3A4 hingegen katalysiert bevorzugt die N-Demethylierung an Position 22, welche die höhere Reaktivität aufweist, aber schlechter zugänglich ist.

Bei der Vorhersage des Warfarin-Metabolismus konnte gezeigt werden, dass es bei identischem lokalem RDF3,5 zweier Positionen möglich ist durch Berechnung des RDF6,0

Unterschiede in der Form des Moleküls zu berücksichtigen (Kapitel 5.2.4.2).

Ähnliches gilt für das Molekül Ropivacain (Abbildung 53). Die reaktivste Position ist das Kohlenstoffatom 2 in Nachbarstellung zum Stickstoffatom. Diese Position ist sterisch schlechter zugänglich (RDF3,5 2,4) und wird bevorzugt von CYP3A4 umgesetzt. Das aromatische Kohlenstoffatom 5 ist besser zugänglich (RDF3,5 0,9) und wird folglich bevorzugt von CYP2D6 umgesetzt. Daneben gibt es noch zwei benzylische Kohlenstoffatome in Position 4 und 6. Die Zugänglichkeit dieser beiden Positionen hängt von der Konformation des Piperidinderivat-Substituenten ab und der RDF3,5 liegt zwischen 1,0 und 1,7. Damit sind die Substituenten in etwa gleich gut zugänglich wie die aromatische Position 5. Die Form des Substrates erlaubt eine Hydroxylierung in Position 5 durch CYP2D6, aber die Positionen 4

und 6 sind für einen Angriff durch CYP2D6 kaum erreichbar. Unter Berücksichtigung des RDF-Deskriptors bei einem Radius von 6 Å ist dies gut zu erkennen (RDF6,0 3,0 (5) 4,5/5,9 (6,4)). Auch für das Molekül Ropivacain können drei Positionen (4, 5 und 6), ähnlicher lokaler Zugänglichkeit in ihrer globalen Zugänglichkeit durch Berechnen des RDF6,0 -Deskriptors für einen Kugelradius von 6 Å unterschieden werden.

Abbildung 53: Zugänglichkeiten der reaktivsten Positionen im Ropivacain-Molekül.

Bei der Metabolisierung von Tamsulosin werden experimentell vier Reaktionen beobachtet (Abbildung 54).264 CYP3A4 katalysiert die O-Deethylierung an der o-Ethoxyphenoxy-Gruppe (Position 19) und die N-Dealkylierung an Position 9, CYP2D6 katalysiert die O-Demethylierung an der Benzolsulfonamid-Gruppe (Position 25) und die aromatische Hydroxylierung am o-Ethoxyphenoxy-Ring (Position 14).

Abbildung 54: Sterische Zugänglichkeit im Tamsulosin-Molekül.

Die N-Dealkylierung weist die höchste Reaktivität auf, das Kohlenstoffatom 9 ist jedoch sterisch nur schlecht zugänglich (RDF3,5 1,7), folglich wird die Reaktion bevorzugt von CYP3A4 metabolisiert. Das Kohlenstoffatom an Position 25 ist am leichtesten zugänglich (RDF3,5 0,6) und die entsprechende O-Demethylierung wird bevorzugt von CYP2D6 katalysiert. Dies stimmt mit dem aufgestellten Regioselektivitätsmodell überein. Die Reaktion an Position 14 (aromatische Hydroxylierung) wird bevorzugt von CYP2D6 und die Reaktion an Position 19 (O-Deethylierung) wird bevorzugt von CYP3A4 umgesetzt. Die beiden Positionen 14 und 19 zeigen jedoch dieselbe lokale Zugänglichkeit (RDF3,5 1,1 bzw. 1,2).

Auch bei Berechnung des RDF6,0 zeigt sich kein Unterschied in der Zugänglichkeit zwischen den beiden Positionen (Abbildung 54). Die beiden Positionen 14 und 19 lassen sich mit den aufgestellten Regeln des Regioselektivitätsmodells nicht unterscheiden.

Zur Gruppe II des Validierungsdatensatzes (Tabelle 15) gehören sieben Substrate. In den Substraten Celecoxib, Halofantrin, Sildenafil, Tergurid und Valdecoxib ist die reaktivste Position auch gut zugänglich, es wird demzufolge von beiden Isoenzymen bevorzugt an der reaktivsten Position hydroxyliert. Es entsteht jeweils ein gemeinsamer Metabolit beider Isoformen.

Das Bisoprolol-Molekül wird sowohl von CYP3A4 als auch von CYP2D6 umgesetzt. Dabei entsteht jeweils der Metabolit der Deisopropylierung am Sauerstoffatom265-268 obwohl aufgrund der ähnlichen Zugänglichkeit der beiden Positionen die Reaktion an der reaktiveren Isopropylgruppe am Stickstoff zu erwarten wäre. Das in der Arbeit entwickelte Regioselektivitätsmodell führt zu einer falschen Vorhersage.

Das Loratadin-Molekül wird von CYP2D6 und CYP3A4 an der Position 20 hydroxyliert, was zu anschließenden O-Demethylierung führt. Aufgrund des Regioselektivitätsmodells erwartet man, dass Loratadin von CYP3A4 an der Position mit der höchsten Reaktivität (Position 16 bzw. 17; RDF3,5 2,0), benachbart zum Stickstoffatom, hydroxyliert wird. Von CYP2D6 wird die Hydroxylierung an der sterisch besser zugänglichen Position 20 (RDF3,5 1,1), benachbart zum Sauerstoffatom vorhergesagt (Abbildung 55). Das Regio-selektivitätsmodell führt zu einer falschen Vorhersage für die Regioselektivität von CYP3A4.

Abbildung 55: Sterische Zugänglichkeit im Loratadin-Molekül.

Das Modell der Regioselektivität des von CYP3A4 und CYP2D6 katalysierten Metabolismus wurde anhand eines Validierungsdatensatzes überprüft. Von den 19 im Datensatz enthaltenen Substraten konnte für 16 Verbindungen (84 %) die experimentell beobachtete Regio-selektivität anhand des erstellten RegioRegio-selektivitätsmodells richtig erklärt werden. Für das Substrat Tamsulosin lassen sich die beiden Positionen 14 und 19 mit den aufgestellten Regeln des Regioselektivitätsmodells nicht unterscheiden. Für das Substrat Bisoprolol sagt das Modell die falschen Metabolite voraus und für Loratadin wird der Metabolit von CYP3A4 falsch vorausgesagt.

Tabelle 14: Substrate der Gruppe I des Validierungsdatensatzes, die von CYP3A4 und 2D6 an verschiedenen Positionen metabolisiert werden. Neben dem Substrat ist die bevorzugte Metabolisierungsreaktion von CYP3A4 und 2D6 angegeben. Die Zugänglichkeit der entsprechenden Hydroxylierungs-positionen ist durch den RDF3,5 (RDF6.0) angegeben. Die bevorzugten Metabolisierungspositionen sind in der Strukturformel durch Pfeile markiert: CYP3A4 (rot) CYP2D6 (blau).

Substrat CYP3A4 RDF CYP2D6 RDF

Codein

N HO

O

O N-Demethylierung 1,4 O-Demethylierung 0,6

Dextromethorphan

N

O N-Demethylierung 1,4 O-Demethylierung 0,6

Diltiazem

N-Demethylierung 1,4 O-Demethylierung 0,6

Fluoxetin

O N-Dealkylierung 1,9 arom. Hydroxylierung 1,1

Ropivacain

Substrat CYP3A4 RDF CYP2D6 RDF

N-Demethylierung 1,6 O-Demethylierung 0,6

Tropisetron

HN

O O

N N-Demethylierung 1,5 arom. Hydroxylierung 1,0

Venlafaxin

OH N

O

N-Demethylierung 1,6 O-Demethylierung 0,6

Warfarin

arom. Hydroxylierung 1,1 (2,0)

Tabelle 15: Substrate der Gruppe II des Validierungsdatensatzes, die von CYP3A4 und CYP2D6 an der gleichen Position metabolisiert werden. Neben dem Substrat ist die bevorzugte Metabolisierungsreaktion der beiden Isoformen angegeben. Die bevorzugte Metabolisierungsposition ist in der Strukturformel durch einen Pfeil markiert. Für die mit einem * markierten Substrate sagt das Modell eine falsche Regioselektivität voraus. Die Vorhersagen des Modells sind in den entsprechenden Strukturformeln durch farbige Pfeile markiert: CYP3A4 (rot) CYP2D6 (blau).

Substrat CYP3A4 / CYP2D6 Substrat CYP3A4 / CYP2D6

Bisoprolol*

5.3 Untersuchung von genetischen Polymorphismen der