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Molekulare Ursache des kompletten Funktionsverlustes der natürlichen CYP2D6.62-Variante R441C

Beziehungen von Varianten des murinen CYP21-Enzyms

5.3.3 Molekulare Ursache des kompletten Funktionsverlustes der natürlichen CYP2D6.62-Variante R441C

Die Arbeitsgruppe U. Zanger (Stuttgart)[3] konnte in einer Genotyp- / Phänotyp-Korrelations-studie279 eine neue genetische Variante von CYP2D6 beobachten, die in einer Person mit unerklärter, niedriger CYP2D6-Aktivität gefunden wurde. Durch Sequenzierung und Haplotypanalyse konnte gezeigt werden, dass es sich um ein neues Allel *62 handelt, das zu einer neuen Variante mit dem Aminosäureaustausch R441C führt. Die Variante zeigt eine geringe Häufigkeit in der weißen Bevölkerung (< 0,1 %). Zur Analyse der funktionellen Auswirkungen wurde das CYP2D6.62-Protein in vitro exprimiert. Die Menge an exprimiertem Protein entspricht in etwa der Menge des Wildtyp-Enzyms, das CO-Differenzspektrum zeigt jedoch keine Absorption bei 450 nm. Des Weiteren konnten durch Messung der Enzymaktivität mit Propafenon keine hydroxylierten Metabolite nachgewiesen werden. Im Folgenden sollen die molekularen Grundlagen des kompletten Funktionsverlustes der Variante untersucht werden.

Die Analyse der CYP2D6-Kristallstruktur (PDB-Eintrag 2F9Q)280 und der Aminosäure-sequenzvergleich mit anderen P450-Monooxygenasen zeigte, dass die Aminosäure 441 in einem loop terminal der Helix L liegt. Die Position 441 ist die zweite Aminosäure N-terminal des absolut konservierten Cys443 und liegt innerhalb des konservierten Sequenzmotivs der P450Signatur: [FW] [SGNH] – x [GD] – {F} [RKHPT] – {P} C [LIVMFAP] - [GAD] (PROSITE-pattern PS00086: P450 cysteine heme-iron ligand signature).

Das Hämeisen ist durch Cys443 gebunden (Abbildung 66a) und die Hämgruppe ist in der Hämbindetasche durch Wasserstoffbrücken zwischen den Carboxylatgruppen der beiden Hämpropionate und den Seitenketten der Aminosäuren Arg101, Trp128, Arg132, His376, Ser437 und Arg441 verankert. (Abbildung 66b)

[3] Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für klinische Pharmakologie, Stuttgart

Abbildung 66: Struktur der Häm-Binderegion von CYP2D6 (PDB-Eintrag 2F9Q). Die Hämgruppe wird durch Cys443 gebunden (a) und über Wasserstoffbrücken in der Bindetasche verankert (b). Die Seitenkette von Arg441 interagiert mit der Carboxylatgruppe des D-Ring-Propionats der Hämgruppe.

Die Tatsache, dass es sich bei R441C um ein Nullallel handelt, deutet auf eine essentielle Rolle der Aminosäure R441 innerhalb der Signatur hin. Alle Enzyme der P450-Superfamile verfügen über das konservierte Sequenzmotiv der P450-Signatur und die Mutation von Arg441 zu Cystein in CYP2D6 widerspricht dem konservierten PROSITE-pattern [RKHPT] an dieser Position. Obwohl alle P450-Enzyme über den gleichen Reaktionszyklus der Hämaktivierung und der Substratoxidation verfügen, ist Position Cys443 (CYP2D6) die einzige Position in der P450-Signatur, an der nur eine Aminosäure vorgefunden wird. An allen anderen Positionen werden mehrere Aminosäuren beobachtet, teilweise mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften wie Arg, Lys, His, Pro, Thr an Position 441. Diese niedrige Konservierung in einer funktionell bedeutenden Region ist überraschend.

Zur Untersuchung der Konservierung der P450-Signatur in der CYP2D-Subfamilie wurde ein alignment der 22 homologen Sequenzen der CYP2D-Subfamilie durchgeführt und anschließend die Sequenzkonservierungswerte berechnet (Tabelle 25). Es zeigt sich, dass nicht nur die Position Cys443 hoch konserviert ist, sondern auch weitere Aminosäuren des Motivs (Tabelle 25). Durch Analyse des alignments konnte eine familienspezifische CYP2D-P450-Signatur erstellt werden: F - S – A – G - [RHP] – R - [ASVI] – C – L - G (Tabelle 25).

In der Subfamilie CYP2D ist das Motiv höher konserviert als in der kompletten Superfamilie.

Es wird erwartet, dass die Mutation irgendeiner dieser konservierten Positionen nicht toleriert wird, und zu einem inaktiven Protein führt.

Tabelle 25: P450-Signatur (P450 cyteine heme-iron ligand signature; PROSITE: PS00086) der P450-Superfamilie und die familienspezifischen pattern der CYP-Subfamilien. x: beliebige Aminosäure (AS); eckige Klammern: erlaubte AS an dieser Position; geschweifte Klammern: verbotene AS an dieser Position.

Abbildung 67 zeigt eine Übersicht über natürlich vorkommende P450-Varianten, bei denen ein Aminosäureaustausch an der zu Arg441 (CYP2D6) homologen Position beobachtet wurde.

Unter diesen zeigen sowohl die Variante R433W von CYP2C19 (*5 Allel)281 als auch die Variante R448H von CYP11B1282 einen kompletten Verlust der in vivo-Enzymaktivität gegenüber S-Mephenytoin und Cortisol. Für die Mutation zu Tryptophan in CYP2C19 wird ein Verlust der Aktivität vorhergesagt, da Tryptophan nicht in dem PROSITE-pattern an dieser Position [RKHPT] enthalten ist. Histidin hingegen ist in dem pattern enthalten, was folglich darauf hindeutet, dass dieses pattern nicht zuverlässig prädiktiv ist.

CYP1A2.8 (R456H) 451…FGMGKHRCIG inaktiv

CYP2C19.5 (R433W) 428…FSAGKWICVG inaktiv

CYP2D6.1 (R441) 436…FSAGRRACLG aktiv

CYP2D6 (R441C) 436…FSAGRCACLG inaktiv

CYP7A1 (T442) 437…FGSGATICPG aktiv

CYP11B1 (R448H) 443…FGFGMHQCLG inaktiv

CYP19 (R435C) 430…FGFGPCGCAG inaktiv

Abbildung 67: Sequenz-alignment natürlicher humaner Cytochrom P450-Monooxygenase-Varianten. Es ist die Region um die Aminosäure R441 (rot markiert) von CYP2D6.1 dargestellt. Neben den Sequenzen ist die experimentelle Enzymaktivität angegeben. Die Aminosäuren (AS) sind folgendermaßen markiert: identische AS: weiße Buchstaben auf schwarzem Hintergrund;

Block identischer AS: weiße Buchstaben auf dunkelgrauem Hintergrund; ähnliche AS:

schwarze Buchstaben auf grauem Hintergrund.

Zur Untersuchung der Aktivität dieser Varianten wurde die Konservierung der Aminosäuren in verschiedenen P450-Familien analysiert und es wurden für die Subfamilien CYP1A, 2C, 3A, 7A, 11A+B und 19A familienspezifische P450-Signaturen erstellt (Tabelle 25). Ein Vergleich der Signaturen zeigt offensichtliche Unterschiede der familienspezifischen pattern der verschiedenen homologen Subfamilien. Im Allgemeinen scheint in Säugetier-Subfamilien die Aminosäure Arginin an der Position, die Arg441 in CYP2D6 entspricht, hoch konserviert zu sein. Die Subfamilie CYP7A enthält an dieser Position jedoch ein konserviertes Threonin.283 Das familienspezifische pattern der Familie CYP11 zeigt nur ein Arginin an dieser Position und erklärt dadurch den Verlust der Aktivität, wenn Arg448 in CYP11B1 durch ein Histidin ersetzt wird.

Eine andere natürlich vorkommende humane Variante, CYP1A2.8 (R456H), lässt sich ebenfalls besser durch das familienspezifische pattern beschreiben. Dem PROSITE-pattern zufolge kommen an Position 456 in CYP1A2.8 sowohl die Aminosäure Arg als auch His vor.

In dem familienspezifischen pattern der Subfamilie CYP1A findet sich an der Position 456 ein hochkonserviertes Arginin. Dies erklärt die experimentell beobachtete Aktivität der Variante CYP1A2.8. Die Variante zeigt normale Proteinmengen, ist jedoch funktionell inaktiv, hauptsächlich aufgrund des fehlenden Hämeinbaus.284

Übereinstimmend mit der Tatsache, dass Cystein weder Teil des CYP19-Familien- noch des PROSITE-pattern ist, zeigt die CYP19-Variante R435C nur eine sehr geringe Restaktivität (1 % des Wildtyp).285 Durch die Verwendung familienspezifischer pattern ist es möglich, den Effekt einer Mutation auf die Enzymaktivität richtig vorherzusagen.

Die Untersuchung der natürlich vorkommenden P450-Varianten der Abbildung 67 zeigte, dass eine erfolgreiche Vorhersage des Einflusses der Mutationen nur aufgrund familienspezifischer Analysen möglich ist. Anhand des PROSITE-pattern der Superfamilie können die Effekte der Mutationen nicht erkärt werden.

5.3.4 Systematische Analyse der Hämbindung in den bekannten