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Vorkommen und Funktion in biologischen Systemen

Die Superfamilie der Cytochrom P450-Monooxygenasen ist eine der größten und funktionell diversesten Superfamilien. Cytochrom P450 kommen praktisch ubiquitär in allen Formen des Lebens vor und zeigen eine beeindruckende funktionelle Breite.39 Cytochrom P450-Enzyme unterstützen den oxidativen, peroxidativen und reduktiven Metabolismus von endogenen und xenobiotischen Substraten, wie Umweltgiften, Agrochemikalien, Allelochemikalien, Steroiden, Prostaglandinen und Fettsäuren.

Die Superfamilie ist aufgrund der Genom-Sequenz-Projekte schnell angewachsen.6 Die Hauptquelle für Sequenzinformationen über P450 ist die Webseite Nelson’s Homepage (http://drnelson.utmem.edu/CytochromeP450.html), auf der aktuell über 6700 P450-Sequenzen aus den verschiedenen Reichen verzeichnet sind (Abbildung 15). Die Anzahl von Cytochrom P450 in verschiedenen Spezies ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von drei P450 in Saccharomyces cerevisiae (Bäckerhefe), 38 in Neurospora crassa (Pilz), 74 in Caenorhabditis elegans (Fadenwurm), bis zu 57 bei Menschen, 102 bei Mäusen und mehreren hundert in vielen Pflanzen. In Escherichia coli finden sich interessanterweise keine P450.

Abbildung 15: Aktuelle Verteilung der bekannten P450-Sequenzen (6758) über die biologischen Reiche.

(http://drnelson.utmem.edu/CytochromeP450.html; Stand: April 2007)

Mikrobielle P450 nehmen wichtige natürliche Funktionen ein und spielen eine wichtige Rolle in der biotechnologischen Anwendung.89

In Bakterien (Bacteria) partizipieren CYPs90 an der Biosynthese von Antibiotika wie Erythromycin und Mycinamicin und sie katalysieren Schlüsselreaktionen in der mikrobiologischen Bodensanierung (Bioremediation) durch den Abbau verschiedener Kohlenwasserstoffe.91 Die Möglichkeit, selektive Oxidationsreaktionen zu katalysieren, macht sie interessant für die Anwendung in der synthetischen Chemie.92

Im Reich der Pilze (Fungi) wird z. B. CYP51 zur Synthese von Ergosterol benötigt. Darauf beruht die Entwicklung der ersten therapeutischen CYP-Inhibitoren. Azole (Triazole und Imidazole) werden als Fungizide und Antimykotika eingesetzt und wirken durch Hemmung von CYP51, wodurch das für den Pilz obligate Ergosterol nicht mehr in ausreichendem Maße gebildet werden kann.93 Durch Veränderungen des Biosyntheseweges gelang die Produktion von Hydrocortison in einer Ganzzell-Biotransformation.94

In Pflanzen (Plantae) haben Cytochrom P450-Enzyme einen weiten Funktionsbereich in der Katalyse von Reaktionen des Sekundärstoffwechsels, z. B. bei der Biosynthese von Phytohormonen, Blütenfarbstoffen und Phytoalexinen.95-97 P450 spielen eine Rolle im Lipidstoffwechsel, z. B. bei der Hydroxylierung von Fettsäuren98 und in der Flavonoid-99, Cumarin-100, Alkaloid-101 und Terpenoid-Biosynthese, z. B. bei der Hydroxylierung von Geraniol, Limonen, Pinen und Campher.102-104

In den Arthropoden wie z. B. den Insekten (Insecta) haben Cytochrom P450-Monooxygenasen eine große Bedeutung im Stoffwechsel endogener Substanzen wie Juvenilhormonen, Ecdysteroiden und Pheromonen und damit beim Wachstum, der

Entwicklung und Fortpflanzung der Insekten.105,106 P450 spielen auch eine wichtige Rolle in der Detoxifikation exogener Substrate, beispielsweise natürlicher, pflanzlicher Allelochemikalien (Cumarine, Alkaloide, Nicotin) und synthetischer Insektizide.105-108 P450 haben eine wichtige Bedeutung im Gleichgewicht zwischen Pflanzen und Insekten, da sie von beiden angewandt werden, von den Pflanzen zur Synthese von Toxinen und von den Insekten zur Detoxifikation dieser Stoffe.97

Säugetiere (Mammalia) exprimieren eine Vielzahl von P450-Enzymen. Die Proteine spielen eine zentrale Rolle im xenobiotischen Metabolismus, 109 in der Biosynthese von Steroiden,110 Gallensäuren,111, Cholesterol, 112, dem Fettsäure-Metabolismus113 und der Umwandlung von Procarcinogenen und Promutagenen in schädliche genotoxische Verbindungen.114-119

3.2 Cytochrom P450 BM-3 (CYP102A1)

CYP102A1 (P450 BM-3) aus Bacillus megaterium wurde erstmals 1982 beschrieben.120 CYP102A1 ist katalytisch autark, es handelt sich um ein lösliches Fusionsprotein, das aus einer einzigen Polypeptidkette mit einer P450-Hämdomäne mit 54 kDa und einer FAD/FMN-Reduktasedomäne mit 64 kDa besteht.121 Im Jahre 1993 gelang es, die P450-Domäne ohne Substrat8 und im Jahre 1997 mit Substrat122 zu kristallisieren. Aktuell sind in der protein data bank (PDB) 21 Kristallstrukturen von P450 BM-3 veröffentlicht (Tabelle 3). Neben Strukturen des Wildtyp-Enzyms mit123 bzw. ohne8,33,122,124,125 Substrat und Strukturen verschiedener Mutanten mit126 bzw. ohne126-129 Substrat ist eine Kristallstruktur der Hämdomäne im Komplex mit der FMN-Domäne der Reduktase veröffentlicht (Abbildung 16).33 Des Weiteren gibt es in der PDB-Datenbank noch sechs bisher unveröffentlichte Einträge zu P450 BM-3, davon vier Strukturen von P450 BM-3 in Gegenwart von DMSO (PDB-Einträge 2J1M, 2J4S, 2J4V, 2J54).130

Tabelle 3: Übersicht über die veröffentlichten Kristallstrukturen von CYP102A1.

Wildtyp-Protein Protein mit Mutation Häm + FMN ohne Substrat 6 Strukturen

1BU7, 1FAG, 1FAH, 2BMH, 2HPD, 2IJ2

10 Strukturen

1JME, 1P0V, 1P0W, 1P0X, 1SMI, 1YQO, 1YQP, 1ZO4, 2IJ3, 2IJ4

1 Struktur 1BVY mit Substrat 2 Strukturen

1JPZ, 1ZO9

2 Strukturen 1SMJ, 1ZOA

In der mittels Röntgenstrukturanalyse bestimmten Struktur des Komplexes aus der P450 BM-3-Hämdomäne und der Reduktasedomäne konnte nur ein Teil der Reduktase-domäne aufgelöst werden. Nur die Struktur der FMN-BindeReduktase-domäne konnte bestimmt werden, die Struktur der restlichen Reduktasedomäne (der FAD-Bindedomäne) konnte nicht aufgelöst werden. Bis jetzt ist es nicht gelungen, das gesamte Protein zu kristallisieren. Allerdings wurde die Cytochrom-P450-Reduktase (CPR) der Ratte131 (PDB-Eintrag 1AMO), die ebenfalls FAD und FMN enthält, strukturell charakterisiert. Aufgrund der hohen Homologie beider Reduktasen lässt sich annehmen, dass die Strukturen und damit auch der katalytische

Mechanismus beider Enzyme äußerst ähnlich sind. Die beiden Domänen der CPR, die FMN-Bindedomäne und die FAD-FMN-Bindedomäne, sind durch einen flexiblen Linker miteinander verbunden. Eine Überlagerung der FMN-Domäne der CPR mit der FMN-Domäne von P450 BM-3 führt zu einer Überlappung der CPR-FAD-Domäne mit der P450 BM-3-Hämdomäne. In der Struktur von P450 BM-3 liegt also offensichtlich eine andere Konformation der FAD-Domäne vor.

Abbildung 16: Kristallstruktur des Komplexes aus der Hämdomäne und der FMN-Bindedomäne von P450 BM-3 (PDB-Eintrag 1BVY).33 Die P450-Domäne ist von blau (N-Terminus) nach rot (C-Terminus) eingefärbt. Die proximale FMN-Domäne ist beige gefärbt.

Als natürliche Substrate von CYP102A1 gelten Fettsäuren. Das Enzym katalysiert die subterminale Oxidation gesättigter und ungesättigter Fettsäuren mit einer Kettenlänge von zwölf bis 20 Kohlenstoffatomen. Im Vergleich zu P450-Fettsäurehydroxylasen eukaryotischen

Ursprungs ist CYP102A1 um den Faktor 100 bis 1000 aktiver. Außerdem ist Cytochrom P450 BM-3 wasserlöslich und besitzt eine relative hohe Stabilität. Dies alles macht das Enzym für technische Anwendungen der Enzymkatalyse in der pharmazeutischen und chemischen Industrie interessant.

Es wurden verschiedene Methoden des protein-engineering verwendet, um Eigenschaften wie Stabilität, Aktivität, Selektivität oder Spezifität der CYP102A1 durch Mutagenese zu verändern.132 Durch rationales Proteindesign und gerichtete Evolution konnte die Substratspezifität von P450 BM-3 verändert werden. Es gelang, die Spezifität gegenüber Fettsäuren hin zu kürzeren Kettenlängen der Fettsäuren zu verändern76,77 und das Substratspektrum auf die nicht natürlichen Substrate Naphthalin, n-Oktan, 8-Methylchinolin79 und verschiedene polycyclische Aromaten133 zu erweitern. Durch gerichtete Evolution mit Methoden wie Zufallsmutagenese (error-prone PCR) oder Rekombination von Genfragmenten (gene shuffling) konnte die Enzymaktivität78,134 und -stabilität135 von P450 BM-3 erfolgreich erhöht werden. Des Weiteren konnte die Stabilität und Aktivität von P450 BM-3 in polaren organischen Lösungsmitteln gesteigert werden.136 Durch Kombination von error-prone PCR and ortsgerichteter Mutagenese konnten P450 BM-3-Varianten erzielt werden, die unverzweigte Alkane der Kettenlänge C3 bis C10 regio- and enantioselektiv hydroxylieren können.73