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Zivilprozessrecht – Kein Widerruf der Ermächtigung zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung

Im Dokument Rheinische Notar-Zeitschrift (Seite 52-56)

Versorgungsleistungen bei Vermögensübergabe in Vorwegnahme der Erbfolge – Anmerkungen zu den Beschlüssen des Großen Senates des BFH

10. Zivilprozessrecht – Kein Widerruf der Ermächtigung zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung

nach Erteilung einer einfachen Ausfertigung (BayObLG, Beschluss vom 6. 8. 2003 – 3Z BR 137/ 03 – mitgeteilt von Richter am BayObLG Johann Demharter, München)

BeurkG § 51 Abs. 2 BGB § 183 S. 1

Hat der Schuldner eine Zahlungsverpflichtung mit Un-terwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung no-tariell beurkunden lassen und den Notar ermächtigt, dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, kann er diese Ermächtigung nicht mehr widerrufen, so-bald der Gläubiger eine Ausfertigung der Urkunde er-halten hat. Das gilt auch im Verfahren auf Anweisung an den Notar, dem Gläubiger eine zweite vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen.

Zum Sachverhalt:

I. Die Schuldner übernahmen im Rahmen der Bestellung einer Grundschuld als Gesamtschuldner zu Urkunde des Notars B die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 250 000,– DM nebst Nebenleistungen an die Gläubi-gerin und unterwarfen sich insoweit der sofortigen Zwangsvoll-streckung aus der genannten Urkunde in ihr gesamtes Ver-mögen. In Ziff. 8 der notariellen Urkunde baten die Schuldner den Notar u. a., der Gläubigerin eine vollständige Ausfertigung der Urkunde zu erteilen.

Das belastete Anwesen wurde versteigert, wobei die Ansprüche der Gläubigerin nur teilweise befriedigt wurden. 1984 erwirkte die Gläubigerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die Schuldner über einen Teilbetrag von 50 000,– DM, auf den zuletzt 1989 ein Teilbetrag von 5 000,– DM bezahlt wurde.

Danach erklärte die Gläubigerin den Beschluss für erledigt. Mit Schreiben vom 18. 5. 2001 beantragte sie bei dem Notar A als Nachfolger des Notars B die Erteilung einer zweiten voll-streckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde hinsichtlich eines Teilbetrags von 114 000,– DM. Zur Begründung führte sie aus, dass der ursprüngliche Titel nicht mehr auffindbar sei und sie einen weiteren Titel zur Realisierung von Vollstreckungs-maßnahmen benötige. Nach ihren Angaben beläuft sich die Restforderung ohne Zinsen auf 102 816,61 DM.

Mit Schreiben an das zuständige AG bat der Notar A um An-weisung, der Gläubigerin eine zweite vollstreckbare Aus-fertigung der Urkunde des Notars B vom 20. 10. 1980 hinsicht-lich eines Teilbetrages von 114 000,– DM erteilen zu können.

Mit Beschluss wies das AG nach einer Beweisaufnahme den Antrag mit der Begründung zurück, der Zahlungsanspruch der Gläubigerin gegen die Schuldner sei verwirkt.

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Gläubigerin hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und den Notar ange-wiesen, der Gläubigerin eine weitere vollstreckbare Ausfertigung der in Rede stehenden Urkunde hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 58 287,27 Euro (= 114 000,– DM) zu erteilen.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Schuldner.

Aus den Gründen:

II. Das Rechtsmittel ist als weitere Beschwerde gegen eine auf § 54 BeurkG gestützte Entscheidung zulässig.

Hierfür gelten die Vorschriften des FGG (§ 54 Abs. 2 S. 1 BeurkG). Insbesondere wurde die Form der Rechts-mitteleinlegung gem. § 29 Abs. 1 S. 2 FGG gewahrt.

Die weitere Beschwerde ist aber nicht begründet.

1. Zu Recht hat das LG über das Rechtsmittel gegen den amtsgerichtlichen Beschluss im Verfahren der frei-willigen Gerichtsbarkeit entschieden. Gegen die Ent-scheidung des AG, mit der die Erteilung einer weiteren Ausfertigung einer notariellen Urkunde abgelehnt wird, ist für die Gläubigerin die Beschwerde nach § 54 BeurkG gegeben (BayObLGZ 1999, 343 = DNotZ 2000, 370 = MittRhNotK 1999, 393; Zöller/ Stöber, 23. Aufl., § 797 ZPO Rn. 9 a). Dass die Entscheidung des Ausgangsge-richts durch den Richter, nicht durch den Rechtspfleger getroffen wurde (vgl. aber § 20 Nr. 13 RPflG), ist ohne Bedeutung (§ 8 Abs. 1 RPflG).

2. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausferti-gung einer notariellen Urkunde sei nach §§ 797, 795, 724, 733 ZPO lediglich davon abhängig, dass ein vollstre-ckungsreifer, wirksamer Titel mit einem vollstreckungs-fähigen Inhalt vorliege, der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung glaubhaft mache und dieser keine berech-tigten Interessen des Schuldners entgegenstünden. Die genannten Voraussetzungen seien hier erfüllt.

Die Schuldner hätten in der notariellen Urkunde der Er-teilung einer vollstreckbaren Ausfertigung an die Gläu-bigerin zugestimmt und damit eine Bestimmung i. S. von

§ 51 Abs. 2 BeurkG getroffen. Die Gläubigerin habe glaubhaft vorgetragen, dass die ihr erteilte erste voll-streckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde nicht mehr auffindbar sei. Ein derartiger Verlust begründe re-gelmäßig ein Interesse des Gläubigers an der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung. Hierdurch würden berechtigte Interessen der Schuldner nicht unzu-mutbar beeinträchtigt.

Soweit sich die Schuldner auf das Erlöschen des Zah-lungsanspruchs durch teilweise Erfüllung bzw. Verzicht beriefen sowie Verwirkung durch Untätigkeit der Gläu-bigerin über einen Zeitraum von zwölf Jahren geltend machten, handle es sich um Einwendungen gegen den materiellen Bestand des Titelanspruchs. Diese könnten im Verfahren auf Erteilung einer weiteren voll-streckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde nicht berücksichtigt werden, sondern seien im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 797 Abs. 4 i. V. m.

§ 767 ZPO geltend zu machen. Der Ausnahmefall, dass der Wirksamkeit des Titelanspruchs entgegenstehende Umstände durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden oder offenkundig sind, liege hier nicht vor.

Auch eine prozessuale Verwirkung des Anspruchs der Gläubigerin auf Anweisung des Notars zur Erteilung ei-ner weiteren Ausfertigung der in Rede stehenden nota-riellen Urkunde liege nicht vor. Allein aus dem Ver-streichen eines Zeitraumes von zwölf Jahren könne der Schuldner nicht schließen, der Gläubiger werde aus dem Titel nicht mehr gegen ihn vorgehen. Darüber hinaus fehle es auch an besonderen Umständen, aus denen die Schuldner hätten ableiten können, dass die Gläubigerin ihre Restforderung gegen sie nicht mehr geltend machen

werde. Dies gelte nicht zuletzt im Hinblick auf die Höhe der Restforderung und auf den Wortlaut zweier Schrei-ben der Gläubigerin aus dem Jahr 1989 über die Ein-stellung einer Lohnpfändung.

3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nach-prüfung stand (§ 27 FGG, § 546 ZPO).

a) Das LG hat zutreffend dargelegt, dass die all-gemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer wei-teren vollstreckbaren Ausfertigung nach §§ 797, 795, 724, 733 ZPO vorliegen (vgl. hierzu Zöller/ Stöber, § 797 ZPO Rn. 2, § 733 ZPO Rn. 4 ff., 12). Auch die Schuldner wen-den sich nicht hiergegen.

b) Auch soweit sich die Schuldner nunmehr darauf be-rufen, sie hätten gegenüber dem Notar die in Ziff. 8 der notariellen Urkunde erklärte Ermächtigung zur Er-teilung einer vollstreckbaren Ausfertigung an die Gläu-bigerin widerrufen, steht dies der Erteilung einer weite-ren vollstreckbaweite-ren Ausfertigung nicht entgegen. Das entsprechende Widerrufsrecht des Schuldners wird dar-aus abgeleitet, dass nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu der bloßen Beurkundung ein vom Willen des Schuld-ners getragener Publikationsakt hinzutreten muss, um die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung wirk-sam werden zu lassen (OLG Hamm MDR 1987, 943 m. w. N.). Das Widerrufsrecht besteht deshalb allenfalls bis zur erstmaligen Erteilung einer Ausfertigung an den Gläubiger. Das entspricht im Übrigen der in § 183 S. 1 BGB festgelegten Regel, wonach eine Ermächtigung als Einwilligung grundsätzlich bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts (bzw. hier der bewilligten Rechts-handlung) widerruflich ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein nach Vornahme des Rechtsgeschäfts oder der Rechtshandlung zugegangener Widerruf unbeacht-lich ist (vgl. Staudinger/ Gursky, 13. Aufl., § 183 BGB Rn. 8, 10). Nachdem hier der Gläubigerin bereits eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden war, steht es nicht im Belieben der Schuldner, nachträglich die mächtigung zu widerrufen und allein hierdurch die Er-teilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung an die Gläubigerin unter den sonst gegebenen Voraus-setzungen der §§ 797, 795, 724, 733 ZPO zu vereiteln.

c) Die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Aus-fertigung kann auch nicht mit Einwendungen angegriffen werden, die gegen das Bestehen des Anspruchs gerichtet sind, weil hierfür die Klage nach § 767 ZPO vorgesehen ist (Zöller/ Stöber, a. a. O., § 733 ZPO Rn. 12; Baum-bach / Hartmann, 61. Aufl., § 732 ZPO Rn. 4; Münch-Komm / Wolfsteiner, 2. Aufl., § 733 ZPO Rn. 19; Tho-mas / Putzo, 25. Aufl., § 732 ZPO Rn. 7). Deshalb sind, wie das LG zutreffend auch unter Würdigung eventueller Ausnahmen dargelegt hat, insbesondere die Einrede der Verjährung oder der Einwand der Verwirkung nicht zu berücksichtigen.

d) Im vorliegenden Fall kann eine Berücksichtigung des materiell-rechtlichen Einwands der Verwirkung auch nicht über den Gedanken einer „prozessualen Ver-wirkung“ erreicht werden. Das LG hat unter diesem Gesichtspunkt letztlich nochmals geprüft, ob die Voll-streckung aus dem Titel unter den hier vorliegenden Gegebenheiten, insbesondere Zeitablauf und sonstige Umstände der Beziehungen zwischen Gläubigerin und

Schuldnern, treuwidrig wäre. Das läuft aber auf eine erneute Prüfung der materiell-rechtlichen Verwirkung hinaus und kann deshalb nicht unter den Begriff der prozessualen Verwirkung gefasst werden. Dieser kann sich nur auf den konkreten Gegenstand des jeweiligen Verfahrens beziehen. Eine prozessuale Verwirkung kann z. B. bei einer unredlichen, Treu und Glauben zu-widerlaufenden Verzögerung der Klageerhebung ange-nommen werden (BVerwG DVBl 2000, 1862). Über-tragen auf den vorliegenden Fall würde dies die Fest-stellung voraussetzen, dass die Gläubigerin, nachdem sie

den Verlust der vollstreckbaren Ausfertigung bemerkt hatte und hiervon auch die Schuldner Kenntnis erlangt hatten, einen unangemessen langen Zeitraum zuge-wartet hätte, bevor sie den Notar um Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ersuchte, und dass die Schuldner aus diesem Verhalten schließen konnten, die Gläubigerin werde sich nicht mehr um Er-teilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung als Voraussetzung künftiger Zwangsvollstreckung bemühen.

Für eine derartige Fallgestaltung sind aber keine An-haltspunkte ersichtlich.

Mitteilung

Ausschreibung des Helmut-Schippel-Preises der Deutschen Notarrechtlichen Vereinigung Die Deutsche Notarrechtliche Vereinigung e.V. in

Würz-burg setzt für eine hervorragende praxisbezogene wis-senschaftliche Arbeit auf dem Gebiet des Notarrechts den

Helmut-Schippel-Preis

in Höhe von 5 000,–Eaus. Zum Notarrecht zählen alle Fragen des materiellen oder formellen Rechts, die mit der Notariatspraxis im weitesten Sinne oder der Ver-tragsgestaltung im Zusammenhang stehen (z. B. auch Grundstücksrecht, Erbrecht, Familienrecht, Gesell-schafts- und Unternehmensrecht).

Die Arbeit muss in deutscher Sprache verfasst und sollte in der Regel noch unveröffentlicht sein. Über die

Vergabe entscheidet der Vorstand der Deutschen Notar-rechtlichen Vereinigung e. V. unter Ausschluss des Rechtsweges. Bewerber werden gebeten, ihre For-schungsarbeiten bis spätestens

30. Juni 2004

bei der Deutschen Notarrechtlichen Vereinigung e.V., Gerberstr. 19, 97070 Würzburg, in drei Exemplaren (verbleiben bei der Notarrechtlichen Vereinigung) ein-zureichen. Die endgültige Vergabeentscheidung wird voraussichtlich Anfang 2005 getroffen. Die Deutsche Notarrechtliche Vereinigung behält sich eine Aufteilung des Preises auf mehrere Bewerber vor.

Buchbesprechung

Mayer / Süß/ Tanck / Bittler / Wälzholz, Handbuch Pflicht-teilsrecht, 2003, 999 Seiten, 98,–E(Zerb Verlag GmbH, Angelbachtal)

Das bislang umfangreichste, in fünf Kapitel gegliederte und von fünf Praktikern – Notaren wie Rechtsanwälten – verfasste Werk zum Thema Pflichtteilsrecht wendet sich an Kautelarjuristen und forensisch Tätige gleicher-maßen. Auf rund 1 000 Seiten werden im ersten, knapp 400 Seiten umfassenden Kapitel „Allgemeine Grund-lagen“, welches ganz überwiegend von Notar Dr. Jörg Mayer aus Pottenstein stammt, zunächst systematisch die rechtlichen Grundlagen des Pflichtteilsrechts dargestellt.

Mayer beginnt mit den verfassungsrechtlichen Bezügen, der Diskussion um die Verfassungskonformität des gel-tenden Pflichtteilsrechts und den zwei jüngsten Ent-scheidungen des BVerfG, fährt mit den diversen Re-formansätzen fort und stellt sodann ausführlich die Vo-raussetzungen und Rechtsfolgen von sämtlichen Pflicht-teilsansprüchen dar. Es folgen Ausführungen zur

Nach-lassbewertung, der Berücksichtigung von Vorempfängen sowie zu den Auskunfts- und Wertermittlungsan-sprüchen des Pflichtteilsberechtigten. Schließlich be-handelt Mayer – alles auf dem von ihm gewohnten hohen Niveau – sämtliche Einwendungen gegen den Pflichtteil (Unwürdigkeit, Entziehung, Beschränkung in guter Ab-sicht, Erb- und Pflichtteilsverzichte). Lobenswert ist da-bei das in die Tat umgesetzte Bestreben, wo möglich über die theoretischen Erwägungen hinausgehende Hinweise für den Praktiker zu bieten. Beispielsweise rät Mayer trotz der jüngsten Entscheidung des BVerfG vom 10. 10. 2000 (NJW 2001, 1484), die den Schluss nahe le-gen könnte, die in §§ 2333 ff. BGB le-genannten Pflicht-teilsentziehungsgründe seien in verfassungswidriger Weise zu eng gefasst, davon ab, Pflichtteile derzeit vor-sorglich auch in Konstellationen zu entziehen, die nach dem geltenden Gesetzesrecht noch keine Entziehung rechtfertigen. Derartige optisch besonders hervor-gehobene „Praxishinweise“ oder „Praxistipps“ durch-ziehen erfreulicherweise das gesamte Werk.

Auch das zweite Kapitel des Buches („Kautelarpraxis und Pflichtteilsrecht“) stammt größtenteils von Mayer.

Ausführlich stellt er – gleichsam als Resümee des ersten Kapitels für die gestaltende Beratung – sämtliche denk-baren Maßnahmen zur Reduzierung oder gar Beseiti-gung von Pflichtteilsansprüchen dar. Insbesondere be-trachtet er Rechtsgeschäfte unter Lebenden und dabei sowohl Maßnahmen im Einverständnis mit dem Pflicht-teilsberechtigten (Pflichtteilsverzicht, Anrechnungs-oder Ausgleichungsanordnungen) als auch Gestaltungen ohne dessen Einverständnis:

Gerade bezüglich gesellschaftsrechtlicher Gestaltungs-vorschläge ist seine auch im Übrigen präzise Darstellung und Analyse der Rechtsprechung hervorzuheben: Wäh-rend die dazu ergangenen Entscheidungen des BGH oft-mals pauschal mit den Worten kommentiert werden, die Beteiligung an einer Gesellschaft als persönlich haf-tender Gesellschafter sei eben wegen dieser Haftung und den Gesellschafterpflichten grundsätzlich entgeltlich, ar-beitet Mayer trefflich den durch BGH NJW 1981, 1956 initiierten Rechtsprechungswandel heraus; daher sein Fazit, bei der Aufnahme in eine gesunde Gesellschaft handele es sich ohne besondere Entgelte regelmäßig um eine Schenkung (§ 8 Rn. 58).

Auch die übrigen Ausführungen sind gerade angesichts ihres Praxisbezugs, der sich anhand des ersten Kapitels bei Bedarf ohne weiteres theoretisch vertiefen lässt, sehr empfehlenswert; das Hinzuziehen weiterer Literatur er-übrigt sich weitgehend. Lediglich bezüglich der unbe-nannten Zuwendungen, konkret der vom BGH zuge-lassenen Ausnahme der Entlohnung für langjährige Tä-tigkeiten, scheinen die Ausführungen in § 8 Rn. 45 be-züglich der weiteren Rechtsprechung des BGH, der zu-folge eine Vergütung für Leistungen unter Eheleuten regelmäßig nicht in Betracht kommt, da sie unterhalts-rechtlich geboten seien, missverständlich. Diese Recht-sprechung dürfte sich entgegen Mayer nicht auf Haus-frauentätigkeiten beschränken. In BGH DNotZ 1991, 498 heißt es ausdrücklich, die Unterhaltspflicht nach

§ 1360 BGB könne auch durch eine Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten erfüllt werden.

Inhaltlich bemerkenswert ist, dass Mayer entgegen der ganz herrschenden Literatur einen durch Gütertrennung ermöglichten Zugewinnausgleich nicht als pflichtteilsfest ansieht. Dabei geht er nicht auf § 5 Abs. 2 ErbStG ein, obwohl er hinsichtlich der unbenannten Zuwendungen, die er mit dem BGH, aber entgegen der herrschenden Literatur grundsätzlich ebenfalls nicht für pflichtteilsfest erachtet, gerade auch deren schenkungsteuerliche Be-handlung betont (§ 8 Rn. 41 a. E.).

Angesichts der These, eine „Güterstandsschaukel“ oder

„Paketlösung“ (Gütertrennung mit anschließender Rückkehr in die Zugewinngemeinschaft) diene nur der Pflichtteilsreduzierung und sei deshalb nicht pflichtteils-fest (§ 8 Rn. 52), hätte man sich eine Auseinandersetzung mit den Tücken des § 1380 BGB gewünscht, die sich da-durch doch vermeiden lassen. Mayers Fazit, Gestal-tungen dieser Art gehörten nicht zur gestaltenden Bera-tung des Notars, da er den sichersten Weg gehen müsse (§ 8 Rn. 52 a. E.), verwundert: Einen sicheren Weg zur pflichtteilsfesten Vermögensverlagerung zwischen

Ehe-leuten gibt es nicht, wenn diesen nicht umfassende Ge-genleistungen vorschweben.

Hinsichtlich der Gestaltungen im Rahmen von Ver-fügungen von Todes wegen behandelt Mayer neben den Punkten Pflichtteilsentziehung, Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht, Pflichtteilsklauseln, cautela Socini und

„lästiger Enkel“ u. a. auch die so genannten Pflichtteils-strafklauseln: Im Einklang mit seinen Ausführungen im Dittmann/Reimann/Bengel, (Testament und Erbvertrag, 3. Aufl. 2003) hält er eine Jastrow’sche Klausel allenfalls bei größeren Vermögen für sinnvoll. Anders als dort ent-hält er sich im Handbuch Pflichtteilsrecht zu der pro-blematischen Frage, inwieweit es sich um ein betagtes oder befristetes Vermächtnis handeln sollte, aber jegli-chen Kommentars. Im Formulierungsvorschlag (§ 12 Rn. 58) findet sich ein betagtes Vermächtnis. Hinsichtlich der „einfachen“ Strafklauseln stellt er in einem weiteren Formulierungsvorschlag – und das stellt eine über-zeugende Neuerung dar – alternativ auf ein Geltendma-chen in Verzug begründender Weise und das Gel-tendmachen eines Wertermittlungsanspruchs nach § 2314 Abs. 2 HS 2 BGB ab (§ 12 Rn. 49). Derartige Formulie-rungsvorschläge finden sich, soweit sie angebracht sind.

Ein Formularbuch können und sollen sie nicht ersetzen.

Das dritte Kapitel „Geltendmachung des Pflichtteilsan-spruchs durch den Anwalt“ von Rechtsanwalt Manuel Tanck aus Mannheim ist für den Notar nicht in gleicher Weise wie die ersten Kapitel von Bedeutung, da auch Gesichtspunkte wie das anwaltliche Gebühren- und Haf-tungsrecht ausführlich erörtert werden. Abschnitte wie derjenige zu den Auskunfts- und Wertermittlungsan-sprüchen nach § 2314 BGB, den Möglichkeiten zur Grundbucheinsicht durch einen Pflichtteilsberechtigten oder die Ausführungen zur Beweislastverteilung sind aber auch für den Kautelarjuristen interessant, so die Einschätzung, dass ein Pflichtteilsberechtigter nur in den wenigsten Fällen in der Lage sein wird, die Zugehörigkeit eines verschenkten Gegenstands zum Nachlass zu be-weisen, wenn der Beschenkte Auskunft dahingehend er-teilt hat, dass keine unentgeltliche Zuwendung vorliegt (§ 14 Rn. 183).

Das vierte, von Rechtsanwalt Dr. Rembert Süß aus Würz-burg verfasste Kapitel „Internationales Pflichtteilsrecht“

stellt ein Novum dar: Erstmals in der monographischen Literatur werden ausführlich die internationalen Bezüge des Pflichtteilsrechts behandelt. Die Ausführungen be-schränken sich keineswegs auf die Darstellung der Sys-teme einzelnen Länder (wiewohl Süß in einer hilfreichen, rund 150 Seiten langen Länderübersicht das Pflichtteils-und gesetzliche Erbrecht von 38 Staaten ebenfalls dar-stellt). Stattdessen findet sich zunächst Grundlegendes zum Internationalen Privatrecht, zum gesetzlichen Erb-statut bei ausländischen und deutschem Erblasser, zu sämtlichen Vorfragen und sogar der Qualifikation von

§ 1371 Abs. 1 BGB. Diese Ausführungen übertreffen in ihrer Tiefe manches Buch, welches sich auf das Inter-nationale Privatrecht konzentriert. Immer behält Süß dabei das Pflichtteilsrecht im Blick, so mit dem Hinweis, eine Rückverweisung auf das deutsche Recht erfasse nicht zwingend auch das deutsche Pflichtteilsrecht.

Auch die Erteilung von Fremdrechtserbscheinen bei reits festgestellten oder latenten Noterbrechten

be-handelt Süß, ferner die Frage, inwieweit ein Statuten-wechsel (etwa durch eine Wohnsitzänderung, einen Wechsel der Staatsangehörigkeit oder eine Rechtswahl) eine Umgehung des deutschen Pflichtteilsrechts er-möglicht. Hervorzuheben ist dabei seine Feststellung, ein deutsches Gericht habe noch nie eine Umgehung ange-nommen (§ 15 Rn. 259).

Als besonders diffizil erweisen sich Fälle mit Auslands-berührung, in denen schon nach deutschem Recht die Existenz von Pflichtteilsergänzungsansprüchen fraglich ist, so die Beteiligung an ausländischen Personengesell-schaften. Solche Gestaltungen behandelt Süß ebenso ausführlich und souverän wie güterrechtliche Vereinba-rungen nach ausländischem Recht, die dazu führen kön-nen, dass dem überlebenden Ehegatten umfassend das Gesamtgut zuwächst (etwa eine clause d’attribution in-tégrale nach französischem Recht, Art. 1524 c.c., oder die Vereinbarung einer joint tenancy nach US-Recht).

„Der Pflichtteil im Steuerrecht“ stellt das abschließende fünfte Kapitel dar. Es stammt von Notar Dr. Eckhard Wälzholz aus Füssen. Das knapp 100 Seiten umfassende Kapitel gliedert er entsprechend den Steuerarten Erb-schaftssteuer, Grunderwerbsteuer und Einkommen-steuer in drei Abschnitte, weist dabei aber immer wieder auf Parallelen oder Unterschiede hinsichtlich der drei Steuerarten hin. Diese Einteilung erleichtert das Ver-ständnis. Die Differenzierung zwischen einer Abfindung für den Verzicht auf das Geltendmachen eines Pflicht-teilsanspruchs nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, einer Leis-tung an Erfüllungs Statt für einen bereits entstandenen Pflichtteilsanspruch und einer Abfindung für einen

leb-zeitigen Verzicht durchzieht als roter Faden alle drei Ka-pitel. Wälzholz rät anschaulich davon ab, den Pflichtteil sofort geltend zu machen: Die Frist nach § 14 ErbStG könne bis zu einem späteren Geltendmachen noch ab-laufen, auch zur Erhaltung der Bewertungsvorteile nach dem BewG sei eine solche Abfindung gegenüber einer Leistung an Erfüllungs Statt vorzugswürdig. Sie sei im Übrigen ebenso wie ein lebzeitiger Erb- oder Pflicht-teilsverzicht gegen Abfindung durch einen Geschwister-teil ein probates Gestaltungsmittel, um steuerbegünstigt (Steuerklasse und Freibetrag bestimmen sich nach dem Verhältnis zum Erblasser) unentgeltliche Vermögens-verschiebungen zwischen Geschwistern zu ermöglichen.

Da sich einkommensteuerlich demgegenüber eine ent-geltliche Leistung an Erfüllungs Statt i.S.v. §§ 17, 23 EStG, § 21 UmwStG nicht (risikolos) durch einen Ver-zicht auf den Pflichtteilsanspruch nach dem Erbfall gegen Abfindung umgehen lässt, sucht Wälzholz hier nach

Da sich einkommensteuerlich demgegenüber eine ent-geltliche Leistung an Erfüllungs Statt i.S.v. §§ 17, 23 EStG, § 21 UmwStG nicht (risikolos) durch einen Ver-zicht auf den Pflichtteilsanspruch nach dem Erbfall gegen Abfindung umgehen lässt, sucht Wälzholz hier nach

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