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2. Der Wesenstest für Hunde, herausgegeben vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner 1

2.3 Ziel, Aufbau und Durchführung des Tests mit dem Schwerpunkt Hund- Hund-Hund-Kontakt

Ziel des Wesenstestes ist das „Erkennen von Individuen mit gestörter aggressiver Kommunikation“. Darunter sind Hunde mit „unakzeptablem Aggressionsverhalten“ zu verstehen, bei denen die Eskalationsstufen 1 - 6 nach FEDDERSEN-PETERSEN (1999) fehlen und Indikatoren für inadäquates Aggressionsverhalten/ Sozialverhalten auftreten (vgl. Kap. II.4.2.4). Hierbei liegt ein Fehler in der Beschreibung des Wesenstests vor, da es sich um die Eskalationsstufen 1-5 handelt (FEDDERSEN-PETERSEN 2000 a).

Die im Anhang II des Wesenstestes beschriebenen Eskalationsstufen sind nachfolgend dargestellt (Abbildung 1).

Abbildung 1: Eskalationsstufen von der Drohung bis zur ungehemmten Beschädigung nach FEDDERSEN-PETERSEN (1999)

Stufe I: Drohungen ohne Körperkontakt

U.Stufe 1: Distanzdrohung (Fixieren, Zähneblecken, Maulaufreißen)

U.Stufe 2: Distanzunterschreitung mit gelegentlichem Körperkontakt (gehemmte Beißerei, intentionales Beißen, Abwehrschnappen)

Stufe II: Drohungen mit Körperkontakt

U.Stufe 3: Drohungen mit Körperkontakt ohne Bewegungseinschränkung

(Über-die-Schnauze-Beißen oder Beißen mit ausgeprägter Hemmung, Ringkampf)

U.Stufe 4: Körperkontakt mit Einschränkung der Bewegungsfreiheit

(Queraufreiten, Über-dem-Gegner-Stehen, Runterdrücken, Schieben, Abwehr auf dem Rücken, Abwehrstoßen)

Stufe III: Beschädigung

U.Stufe 5: Gehemmte Beschädigung (Anrempeln, Vorstoßen, Anspringen, gehemmtes Abwehrbeißen)

U.Stufe 6: UNGEHEMMTE BESCHÄDIGUNG – ERNSTKAMPF (WAR OF NERVES!)

Fallen die Hunde durch ein unakzeptables Aggressionsverhalten auf, so tritt Aggressionsverhalten „nicht mehr als Form einer Anpassung auf, erscheint vielmehr biologisch und in seiner Genese als nicht nachvollziehbar, unvermittelt, plötzlich.

Hunde mit gestörter aggressiver Kommunikation leiden (Tierschutzrelevanz: § 11 b TierSchG) und sind für ihre Umwelt aufgrund ihrer Verhaltensstörung ein erhöhtes Gefährdungspotential.“

Der Aufbau des Wesenstests ist insgesamt dreigeteilt und besteht aus einem Hund-Mensch-Kontakt, einem Hund-Umwelt-Teil und dem Hund-Hund-Kontakt. Für diese Studie ist ausschließlich der innerartliche Kontakt von Bedeutung.

Teil der Vorgaben ist der Katalog der Beurteilungsmethoden1. Der für den Hund-Hund-Kontakt im Wesenstest für Hunde nach § 1 (1) GefTVO und § 2 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage 1 GefTVO geltende Abschnitt ist in Tabelle 1 wiedergegeben und enthält die vorgeschriebenen Begegnungssituationen zwischen Testhunden und Prüfling. Eine bestimmte Reihenfolge der Testsituationen ist nicht vorgeschrieben.

Für die Durchführung des Wesenstestes werden in den Vorgaben verschiedene notwendige Requisiten benannt; für den Hund-Hund-Kontakt sollen drei weitere Hunde, männlichen und weiblichen Geschlechts, sowie diese Hunde führende Personen vorhanden sein. Der zu testende Hund sollte im Bedarfsfall angeleint sein.

Der Hundehalter führt den Hund, welcher von den testenden Personen (einem Tierarzt und einem Helfer) beobachtet und gefilmt wird. Eine Videoaufzeichnung über den Test wird ausdrücklich empfohlen.

Ort des Wesenstest soll auf keinen Fall der dem Hund vom Training bekannte Ort sein. Weiter wird vorgeschlagen, den Hund auf eigenem Territorium zusätzlich zum fremden Gebiet zu evaluieren, was besonders bei nicht eindeutig zu beurteilenden Hunden hilfreich sein kann. Die einzelnen Testsituationen werden vom Helfer vorbereitet, wobei der Spaziergang mit dem Hund einen möglichst gewöhnlichen, alltäglichen Charakter haben soll: „Keine Übertreibungen! Der Hund soll keine

`Abenteuerstrecke´ ablaufen.“ Bei diesem Spaziergang wird auf Sozialverhalten und

1 modifiziert nach NETTO und PLANTA (1997), WILSON und SUNDGREN (1997)

Kommunikationsverhalten geprüft, indem der Hund optischen, akustischen und olfaktorischen Reizen ausgesetzt wird, die in diesem Fall vom Sozialpartner Hund ausgehen.

Tabelle 1: Innerartlicher Teil des Kataloges der Beurteilungsmethoden

Skalierung Multiplikator Punktzahl Drei bellende Hunde stehen vor dem

Hundehalter und dem Hund (Abstand 2 m). 3 Zwei Hunde passieren den Prüfling

(gut sozialisierte, spielmotivierte Hündinnen, Abstand etwa 2 m).

3 3 Unmittelbar danach: der Halter stolpert und

berührt dabei den Hund. 3

Eine Testperson mit „Pitbull“-Typus geht an Halter und Hund vorüber.

(Nur für Hunde nach §1 (1) GefTVO)

3

Konfrontation mit einem selbstsicheren Rüden/einer selbstsicheren Hündin hinter einem Zaun.

2

Der zu prüfende Hund wird ca. 2 m vor dem

Zaun angebunden. 2

Zunehmend Hundekontakte schaffen gleichgeschlechtlich,

verschieden geschlechtlich

1 2

2.4 Bewertungsschema

Wie in Tabelle 1 zu sehen ist, enthalten die Vorgaben des Ministeriums für den Hund-Hund-Kontakt die Verwendung von Skalierung, Multiplikator und erreichter Punktzahl. Dieser Unterteilung wird am „Institut für Tierschutz und Verhalten (Heim-, Labortiere und Pferde)“ nicht gefolgt, da sich die Autorinnen des Wesenstestes einig sind, dass das Ausdrucksverhalten des Hundes am besten und aussagekräftigsten beschreibend erfasst wird (vgl. Kap. II.2.6, II.4 und Anhang 1). Eine Skalierung als

solche wird daher nur ergänzend zur Beschreibung verwandt. In der zweiten Auflage des Wesenstestes vom April 2001 wird der beschreibenden Beurteilung in Kombination mit der Skalierung auch offiziell mehr Bedeutung beigemessen.

Das Skalierungssystem, modifiziert nach NETTO und PLANTA (1997), zeigt sich in den Vorgaben des Ministeriums wie in Tabelle 2 aufgeschlüsselt.

Tabelle 2: Skalierungssystem des Wesenstests (NdsMELF 2000 c)

1 Keine aggressiven Signale beobachtet (s. ANLAGE mit Kommentaren zum Ausdrucksverhalten). Hund bleibt neutral oder zeigt Meideverhalten.

2a Akustische Signale (Knurren und/ oder tiefes Bellen/ Fauchen/

Schreifauchen)

2b Optische Signale (Zähneblecken, Drohfixieren u. a. mit oder ohne Knurren und/ oder Bellen u. a.)

3

Schnappen (Beißbewegungen aus einiger Entfernung), mit oder ohne Knurren und/ oder Bellen und/ oder Zähneblecken, Drohfixieren u. a.

Drohsignale mimisch bzw. im Körperbereich. Keine Annäherung.

4 Ebenso aber mit unvollständiger Annäherung (Stehenbleiben in einer gewissen Distanz).

5

Beißen (Beißversuche) oder Angreifen (Angriffsversuche: Annäherung bei hoher Geschwindigkeit und Zustoßen; mit Knurren und/ oder Bellen und/ oder Zähneblecken).

6 Ebenso aber: ohne mimische oder lautliche Signale.

7 Beruhigung des Tieres nach Eskalation ist erst nach über 10 Minuten zu beobachten.

Die Skalierungen Nr. 5, 6 und 7 in Zusammenhang mit dem Multiplikator 3 führen zum Abbruch des Tests, welcher dann als nicht bestanden gilt. Die Multiplikatoren bedeuten, das „Verhalten des Hundes ist...

1 ... nachvollziehbar.

2 ... nachvollziehbar, aber unerwünscht.

3 ... gravierend und nicht mehr akzeptabel.“

Die Punktzahl ergibt sich aus Skalierung und Multiplikator und wird für alle Testsituationen zu einer Gesamtsumme addiert. Sie soll statistischen Zwecken dienen.

2.5 Besitzerfragebogen

Der Beurteilung soll eine Datenerhebung zur sozialen Vergangenheit der Hunde in Form eines entsprechenden Fragebogens, die der Hundebesitzer auszufüllen hat, vorausgehen. Es wird gefordert, dass der Fragebogen nach definierter Gesetzmäßigkeit analysiert werden sollte (Korrelationen mit bestimmten Ereignissen). Der Fragebogen befindet sich in Anhang 2 dieser Arbeit. Er wurde vom

„Institut für Tierschutz und Verhalten (Heim-, Labortiere und Pferde)“ an der Tierärztlichen Hochschule Hannover entwickelt.