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5. Der Einfluss des Halters auf die Verhaltensontogenese am Beispiel des aggressiven Verhaltens gegen Artgenossen

5.1 Haltereinfluss auf die frühe Ontogenese bei Hunden

SCOTT und FULLER (1965) teilen die Verhaltensentwicklung des Hundes in verschiedene Phasen ein. Nach ihren Ergebnissen und nachfolgenden Untersuchungen beginnt die Sozialisationsphase etwa in der 3. bis 4. Lebenswoche

. (20.) Lebenswoche . a. SCOTT und FULLER 1965, SCOTT et al. 1974, O´FARRELL 1991, FEDDERSEN-PETERSEN 1992 a). Höhepunkt der Sozialisationsphase ist mit

Phase in die juvenile Phase ist fließend, da ab der 7. Woche ein langsamer

(SCOTT und FULLER 1965).

gelernten Außenreize gelten dem Hund im späteren Leben als Vergleichswert. Je en ihm bekannte Elemente entdecken und seine anfängliche Angst überwinden (QUANDT 2001). APPLEBY et al. (2002) bestätigen in

Fehlen während der Sozialisationsphase Kontakte zu Artgenossen, Menschen und/

(FEDDERSEN-PETERSEN 1992 a) genannt. In einem solchen Fall werden fremde rtgenossen, Menschen und Umweltreize im späteren Leben schnell als bedrohlich empfunden. Ferner können soziale Gesten nicht entschlüsselt und auch selbst nicht und endet rasseverschieden zwischen der 12. und 14. bis 18

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Rasseunterschieden grob die 7. Lebenswoche (SCOTT 1968, FEDDERSEN-PETERSEN 1997 a). Der Übergang der so genannten kritischen oder sensiblen Rückgang der Sozialisierungsfähigkeit einsetzt. Optimal ist die Abgabe eines Hundewelpen in den neuen Haushalt zwischen der 6. und 8. Lebenswoche, um eine adäquate Sozialisation sowohl an Hunde wie auch an Menschen zu gewährleisten Welpen lernen in der Sozialisationsphase, Außenreize als normal und ungefährlich zu betrachten. Die während dieser sensiblen Phase als ungefährlich kennen mehr frühe positive Erfahrungen ein Welpe macht, desto eher kann er während einer Konfrontation mit neuen Reiz

ihren Untersuchungen den von SERPELL und JAGOE (1995) vermuteten Zusammenhang zwischen der frühen Umwelt eines Hundes und der Entwicklung von Angst bezogenen Verhaltensproblemen. Das Lernen in der Zeit zwischen 3. und 12.-20. Woche stellt auch die Weichen für die Lernappetenz und das Lernvermögen des erwachsenen Hundes (FEDDERSEN-PETERSEN 2000 c).

oder Umweltreizen, so kommt es zu so genannten „Deprivationsschäden“

(FEDDERSEN-PETERSEN 1991 c, 1991 b, 1992 b), auch „Deprivationssyndrom“

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situationsangemessen eingesetzt werden (QUANDT 2001). Mit Näherkommen der empfundenen Gefahr setzt der Hund mit Deprivationsschäden individuell unterschiedlich eine der vier Optionen „Fight“, „Flight“, „Freeze“ oder „Flirt“ ein (vgl.

Kap. II.4.1.2) (SCHALKE 2002). Bei Unterschreiten der kritischen Distanz kann so auch nach anfänglichem Meideverhalten ein Angriff resultieren. Durch Lernen am Erfolg (z. B. Vergrößerung der Distanz zur Bedrohung bei Einsatz aggressiven Verhaltens) entsteht ein Teufelskreis, der zu immer heftigeren Reaktionen des sozial deprivierten Hundes führt. Als besondere Erschwernis kommt hinzu, dass bei Hunden mit Deprivationsschäden das endogene Angstsystem21 und das endogene Belohnungssystem22 fehlerhaft ausgebildet wurden. Die Hunde sind übererregbar, haben eine mangelhafte Angsthemmung und sind zusätzlich in ihrem Lernverhalten behindert (LINDSAY 2001). Die Auseinandersetzung mit der Umgebung ist vielfach begrenzt und durch Fehlverknüpfungen gekennzeichnet. Hunde mit Deprivationsschäden können neue Erfahrungen in der Regel schlechter bewerten, und Trainingsfehler können gerade bei diesen Hunden schwere Folgen23 haben (FEDDERSEN-PETERSEN 2000 c). „Der allgemein erhöhte Erregungslevel führt auch zu einer Erniedrigung des Schwellenwertes für Aggression“ (QUANDT 2001).

FEDDERSEN-PETERSEN (1999, 2001 b) benennt als mögliche Ursache einen häufigen Mangel in der Hundezucht, welcher soziales Lernen verhindert: Hunde werden – nach Beobachtungen der Autorin - über vier bis acht Stunden einzeln in kleinen Drahtkäfigen, die nur einen Sichtkontakt zulassen und jede Interaktion verhindern, gehalten. Auch werden die Welpen viel zu früh voneinander und von der Mutterhündin bei Beginn von Auseinandersetzungen getrennt. Auch Hunde der Gebrauchshunderassen werden oft im Zwinger oder hinter festen Zäunen aufgezogen und gehalten, müssen in der Nähe von anderen Hunden und Menschen stets an der Leine gehen und bekommen so nicht den notwendigen Kontakt zu anderen Hunden und Menschen (FEDDERSEN-PETERSEN 1991 a). Das Tierheim als Ort der räumlich beengten und häufig reizarmen Haltung ist eine weitere möglicher Ursache für Deprivationsschäden (FEDDERSEN-PETERSEN 1991 b).

21 Im endogenen Angstsystem wirken die Neurotransmitter GABA, der Angst hemmt, und Glutamat, das Erregbarkeit fördert.

22 Das endogene Belohnungssystem wirkt über den Neurotransmitter Dopamin.

23 Chronischer Stress und vegetative Störungen, Stereotypien, Apathie etc. (FEDDERSEN-PETERSEN 2000 c)

Hunde als domestizierte Tiere benötigen den Menschenkontakt als Teil ihrer normalen sozialen Umgebung (SCOTT 1964). In ihren Untersuchungen belegt FEDDERSEN-PETERSEN (1991 a) die besondere Bedeutung der Hund-Mensch-Beziehung in der frühen Ontogenese. Schlecht an Menschen sozialisierte Hunde zeigen auch Verhaltensprobleme mit Artgenossen, da die Kontaktaufnahme mit weitgehend den gleichen sozialen Verhaltensformen vonstatten geht. Die

es elpen und Junghundes eine soziale Isolation mit der Folge der Deprivation des

eigenes Beißen ervorgerufene Reaktion eines Geschwisters in Form von Zurückbeißen und Drohen Sozialisation und die Bindung an Menschen ist für den Haushund aus diesem Grund unverzichtbarer Bestandteil seiner Individualentwicklung. FEDDERSEN-PETERSEN (1993 a, 1994) postuliert zwei Phasenspezifitäten innerhalb der Sozialisationsphase.

Demnach findet die Sozialisation an Menschen vor der Sozialisation an Artgenossen statt und beeinflusst diese. ROLL (1994) stellt fest, dass ca. ein Viertel aller in eine Beißerei verwickelt gewesenen Hunde zuvor bereits selbst einen Menschen gebissen hatte; ihr Aggressionsproblem ist nicht nur auf Artgenossen beschränkt.

Besondere Probleme bereitet eine nicht hundgerechte Kommunikation von Seiten des Menschen, die das hundliche Ausdrucksverhalten nicht zu lesen und adäquat zu beantworten vermag. So kann trotz der Anwesenheit von Menschen z. B. bei Bestrafung beschwichtigender Ausdrucksformen, bei abwechselndem Loben und Strafen von zielorientiertem Verhalten oder bei Ignorieren der Kontaktaufnahme d W

Tieres entstehen (FEDDERSEN-PETERSEN 1991 a). Hundebesitzer müssen Mimik und Körperhaltung ihres Hundes verstehen, also quasi eine Fremdsprache lernen, um richtig reagieren und erziehen zu können (SCHÖNING 2001 b).

Eine wichtige Funktion bei der Einübung sozialer Rollen im Verlauf der Sozialisation von Hunden erfüllt nach FEDDERSEN-PETERSEN (1999, 2001 b) das Sozialspiel:

Welpen müssen die Bedeutung der Signale der aggressiven Kommunikation unter Artgenossen erst lernen. Die Funktion von Drohgesichtern wird durch Folgen der Missachtung empfangener Drohsignale, wie auch durch die durch

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erlernt. Im Prozess der Sozialisation kommt es so zur Entwicklung und Verbesserung der sozialen Kommunikation, zur Kontrolle der eigenen Aggression und zu der Entwicklung sozialer Bindungen. Spezielle Signale kündigen metakommunikativ

einen spielerischen Kontext an (BEKOFF 1984). Auch der im richtigen sozialen Kontext erfolgende Einsatz aggressiven Verhaltens gegenüber dem Menschen als Sozialpartner wird in der Sozialisationsphase geübt (BERNAUER-MÜNZ 2000). Die so genannte Beißhemmung wird spielerisch erlernt (SCHÖNING 2001 a).

WEIDT (1993) beschreibt organisierte „Prägungsspieltage“ als eine Möglichkeit, die durch die Trennung von den Wurfgeschwistern erfolgte abgebrochene innerartliche Spielentwicklung fortzusetzen. Er empfiehlt ein entspanntes, ein- bis zweimaliges Welpenspielen pro Woche für die Zeitdauer von ca. 2 Stunden über einen Zeitraum von 8 Wochen nach der Abgabe vom Züchter (8. bis 10. Lebenswoche). Dabei sollten „grobe Alters- und Rasseunterschiede“ (WEIDT 1993) zwischen den Welpen

acke: Stress, Angst, Frustration. Wenn dann der Halter uch noch unbewusst oder sogar bewusst verstärkend auf die einer Gruppe vermieden werden, die Umweltgegebenheiten und auch die spielenden Menschen oft gewechselt werden. Heute wissen wir, dass gerade die Sozialisation auch an Hunde anderer Rassezugehörigkeit wichtig ist, da sich die „soziale Identität“

(FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995) von Hunden durch Lernen in der sensiblen Phase herausbildet. „Hunde, die zusammen aufwuchsen, bevorzugen auch später und lange, nachdem sie dem Welpenverband entnommen wurden, Hunde mit ihren äußeren Merkmalen, Angehörige der eigenen Rasse oder beispielsweise Individuen, die ihnen ähnlich sind in der Färbung oder in Gestaltmerkmalen“ (ebd.).

SCHÖNING (2001 b) fasst zusammen: „Mangelnde Sozialisation ist ein Hauptgrund für eine Verstärkung der Aggressionsbereitschaft eines Hundes, da sie u. a. zu erhöhter Ängstlichkeit, mangelnder Kommunikationsfähigkeit, Stress- und Frustrationsintoleranz führt. Genau diese Punkte beeinflussen die Motivation des Hundes zur offensiven Att

a

Aggressionsbereitschaft des Hundes einwirkt, steigt die Gefährlichkeit.“