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2. LITERATURÜBERSICHT

2.4 Zelluläre Abwehr der bovinen Milchdrüse

Als Phagozytose wird das Erkennen und Aufnehmen fremder Partikel durch Zellen bezeichnet. Phagozytose und anschließendes Abtöten der Bakterien stellen einen wichtigen Schutzmechanismus des Euters gegen eindringende Mikroorganismen dar. Ihre Ausprägung zeigt neben tierindividuellen Einflüssen eine Abhängigkeit von Laktationsstadium und –nummer (VECHT 1985, GUIDRY et al. 1985).

Die Phagozytose wird durch die sogenannte Opsonisierung der Bakterien mit Antikörpern, v.a. IgG und IgM, oder Komplementfaktoren, v.a. C3b, verbessert. Die Phagozyten wiederum tragen auf ihrer Zelloberfläche Komplement- sowie Fc-Rezeptoren für die Antikörper. Es wird jedoch vermutet, daß diese Fc-Rezeptoren durch Milchbestandteile blockiert und dadurch inaktiviert werden. Komplement kommt in der Milch nur in sehr niedrigen Konzentrationen vor. Die Menge von IgG1, IgG2, IgM und IgA, die in normaler Milch gering ist, steigt im Rahmen einer Mastitis an. Die Fähigkeit der Phagozyten in der Milch zu Phagozytose und intrazellulärem Abtöten von Bakterien ist auch durch die Aufnahme von Fett, Eiweiß und anderen Milchbestandteilen sowie die in der Milch geringen Konzentrationen von Sauerstoff und Glucose im Vergleich zum Blut reduziert (JAIN 1976, PAAPE u. WERGIN 1977, PAAPE et al. 1981, TARGOWSKI 1983, HOLMBERG u. CONCHA 1985, VECHT 1985, CONCHA 1986, BURVENICH et al. 1994, SORDILLO et al. 1997).

2.4.2 Makrophagen

Die Phagozyten in der Milch sind Makrophagen und PMN. Die Makrophagen, die in normaler Milch die größte Zellfraktion bilden, begegnen als erste Phagozyten den ins Euter eingedrungenen Bakterien (THOMAS et al. 1994). Sie bauen phagozytierte Mikroorganismen ab und präsentieren sie auf ihrer Zelloberfläche in MHC II-Molekülen. Aktivierte Makrophagen setzten zusätzlich verschiedenen Mediatoren frei, durch die PMN angelockt und stimuliert werden. Durch Antigenpräsentation

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stimulieren sie auch Lymphozyten, die ebenfalls PMN-anlockende Lymphokine freisetzen (TARGOWSKI 1983, HOLMBERG u. CONCHA 1985, VECHT 1985, BURVENICH et al. 1994, SORDILLO et al. 1997).

2.4.3 PMN

2.4.3.1 Lebenszyklus

PMN werden als der wichtigste Schutz vor Mastitiden eingestuft. Neben den im Blut zirkulierenden PMN gibt es noch Reserven, die marginal der Wand der Blutgefäße angelagert sind, sowie einen weiteren Pool im Knochenmark. Aus diesen Reserven wandern sie, angelockt durch Signale, die u.a. von Makrophagen ausgesandt werden, als Barriere gegen das Eindringen von Mikroorganismen in Körperhöhlen und Gewebe (JAIN 1976). Die Lebensspanne der PMN, nachdem sie nach einer Reifungszeit von zehn bis zwölf Tagen das Knochenmark verlassen haben, beträgt nur wenige Tage. Nach Ablauf dieser Frist werden sie apoptotisch und von Makrophagen phagozytiert, so daß keine toxischen Substanzen ins Gewebe gelangen können. Die PMN in der Milch werden gemeinsam mit den anderen Zellen regelmäßig beim Melken aus dem Euter gespült und in der Blutbahn neu rekrutiert.

Die kontinuierliche Migration der PMN in die Milchdrüse stellt nach Ansicht vieler Autoren die erste immunologische Barriere gegen eindringende Bakterien dar (BURVENICH et al. 1994, 1995, PAAPE et al. 2000).

2.4.3.2 Migration

Verschiedene Mediatoren führen zu einer direkten und gerichteten Migration der PMN zum Entzündungsort. Dies geschieht, indem die PMN dem Konzentrationsgradienten der Chemoattraktinen wie z.B. C5a, Interleukin (IL) 8 oder LPS zur höchsten Konzentration folgen, was Chemotaxis genannt wird (TARGOWSKI 1983, BURVENICH et al. 1995, PAAPE et al. 2000). Andere

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Mediatoren wie CD11/CD18 lagern sich an die Zellmembran an und führen zu einer Adhäsion der PMN an die Gefäßwand, bevor sie das Gefäß verlassen und durch die Tight Junctions ins Gewebe gelangen.

2.4.3.3 Entzündung

Im Fall einer Mastitis gelangen innerhalb von acht bis zehn Stunden mehrere Millionen Zellen in die Milch, ein erster signifikanter Anstieg des Zellgehaltes ist sogar schon nach vier Stunden meßbar (JAIN 1976, PAAPE et al. 1976, BURVENICH et al. 1994, PRIN-MATHIEU et al. 2002). Das Ausmaß der PMN-Infiltration hängt u.a. von der Erregerspezies ab (CONCHA 1986, LEITNER et al.

1995). Der Erfolg dieser PMN-Rekrutierung steht in direktem Zusammenhang mit der erfolgreichen Bekämpfung einer Euterinfektion. Die kann dadurch erklärt werden, daß, wie unter 2.4.1 beschrieben, die Phagozytosefähigkeit der PMN in der Milch stark eingeschränkt ist und für eine erfolgreiche Abwehr sehr viel PMN notwendig sind. Dennoch konnten Eigenschaften von vor einer Infektion aus Blut isolierten PMN mit der Schwere der anschließenden experimentellen Mastitis in Verbindung gebracht werden (BURVENICH et al. 1994).

In der Milch phagozytieren die PMN die eingedrungenen Erreger und töten sie intrazellulär ab. Dies kann sauerstoffabhängig durch die Bildung radikaler Sauerstoffspezies geschehen oder sauerstoffunabhängig durch Säuren, Lactoferrin, Lysozym oder kationische Proteine. Beide recht unspezifischen Mechanismen stellen auch eine Gefahr für das umgebende körpereigene Gewebe dar, indem sie zu dessen Fibrosierung und damit zum Verlust der Funktionalität führen (TARGOWSKI 1983, THOMAS et al. 1994, BURVENICH et al. 1995, SHUSTER et al. 1996, SORDILLO et al. 1997, PAAPE et al. 2000).

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2.4.4 Lymphozyten

Die Lymphozyten spielen eine wichtige Rolle bei der Modulation der Immunantwort und halten das Immunsystem im Gleichgewicht. Ihre Reaktionsfähigkeit scheint in der Milch jedoch herabgesetzt zu sein. Wie bei den PMN besteht auch die gerichtete Migration der Lymphozyten, die durch Oberflächenstrukturen, den Homing-Rezeptoren, gesteuert wird, aus Adhäsion an und Diapedese durch das Gefäßendothel (PAAPE et al. 2000).

2.4.4.1 T-Lymphozyten

T-Helferzellen (CD4+) werden MHC II-restringiert durch spezifische Antigene angeregt und sezernieren daraufhin stimulierende sowie hemmende Mediatoren, die die Chemotaxis, die Migration und die Phagozytose beeinflussen (HOLMBERG u.

CONCHA 1985, CONCHA 1986, SORDILLO et al. 1997, PAAPE et al. 2000).

Die T-Suppressorzellen (CD8+) haben vermutlich immunmodulierende Aufgaben, indem sie hemmend auf die Immunantwort wirken. Für die CD8+ Zellen aus Milch konnte eine hemmende Wirkung auf die Proliferation von CD4+ Lymphozyten nachgewiesen werden (PARK et al. 1993, PAAPE et al. 2000).

Den zytotoxischen T-Zellen wird eine das Epithel schützende Funktion zugeschrieben, indem sie über MHC I-Vermittlung alte oder beschädigte sekretorische Zellen beseitigen (TARGOWSKI 1983). Bisher wurde im Euter jedoch noch keine Aktivität von zytotoxischen T-Zellen beobachtet (BURVENICH et al.

1995).

Die Funktion der γδ-T-Zellen ist noch nicht abschließend geklärt. Es wird vermutet, daß sie MHC-abhängig und -unabhängig Zytotoxizität und die zytotoxischen T-Zellen modulieren können. Es ist denkbar, daß sie durch Entfernung geschädigter Zellen eine Schutzfunktion für das Epithel ausüben (SORDILLO et al. 1997, PAAPE et al.

2000).

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Die Natural Killer (NK) Zellen sind in ihrer Antigenerkennung nicht an MHC gebunden, sie tragen jedoch Fc-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche. Mit diesen Rezeptoren binden sie an mit Antikörpern opsonisierte Zellen/Bakterien und töten sie ab. Es wird daher vermutet, daß sie an der Beseitigung von Bakterien aus dem Euter beteiligt sein könnten, was bisher aber noch nicht nachgewiesen werden konnte (SORDILLO et al. 1997, PAAPE et al. 2000).

2.4.4.2 B-Lymphozyten

B-Lymphozyten können Antigen aufnehmen und in MHC II-Molekülen den T-Helferzellen präsentieren, die dadurch zur Zytokinausschüttung angeregt werden.

Diese Zytokine führen entweder dazu, daß die B-Lymphozyten sich zu Plasmazellen entwickeln und Antikörper produzieren oder aber zu Gedächtniszellen werden. Die Antikörperproduktion konnte auch für Plasmazellen aus der Milch nachgewiesen werden (CONCHA 1986). Die Antikörper fungieren nicht nur als Opsonine, sondern sie können auch Toxine neutralisieren (TARGOWSKI 1983, CONCHA 1986, SORDILLO et al. 1997).