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Der Wohnungsbau bis zum Ende des 2. Weltkriegs (1918-1945)

3.1 Entwicklung des Mietwohnungsbestands bis 1990

3.1.2 Der Wohnungsbau bis zum Ende des 2. Weltkriegs (1918-1945)

Mit Ende des Ersten Weltkriegs und der folgenden Gründung der Weimarer Republik änderte sich die passive Rolle der öffentlichen Hand im Wohnungsbau schlagartig. Zum einen kam es in der privat finanzierten Wohnungswirtschaft größtenteils zum Stillstand der Bautätigkeit (vgl. SENSTADT 2007, S. 70), zum anderen verschärfte sich die Wohnungsnot als Folge des Kriegs. Dies veranlasste die sozialdemokratische Regierung zu massiven Investitionen sowie Förderungen der Wohnungswirtschaft und der zunehmenden Gründung öffentlicher Woh-nungsunternehmen83 (vgl. GRANIKI 2016,S.75). Somit wurde die „wohnungspolitisch

80 Die erste Wohnungsgenossenschaft („Häuserbaugenossenschaft zu Hamburg“) wurde in Deutschland zwar schon 1862 gegründet, doch durch die Novellierung des Genossenschaftsgesetzes 1889 nahmen Genossen-schaftsgründungen rasant zu. Ab nun hafteten die Mitglieder nicht mehr mit ihrer gesamten Existenz, sondern nur noch mit ihrem eingebrachten Kapital (vgl. CROME 2007, S. 212).

81 Durch die Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs finden sich in Berlin nur noch selten Quartiere, welche über die komplette ursprüngliche Bausubstanz verfügen. Durch den Wohnungsbau der Nachkriegszeit wurden Quartiere zum Teil komplett abgerissen oder durch Lückenschluss mit neuerer Bausubstanz ergänzt.

82 Zwar wurde die Gebäudesubstanz zum Teil entkernt, also die ursprüngliche Bausubstanz durch Entfernen von Quergebäuden aufgelockert, sodass die Wohnblöcke nun über größere Innenhöfe verfügen, jedoch ist die Bebau-ung im Vergleich zu den in der Folge entstandenen Wohnanlagen durch eine höhere Dichte geprägt.

83 Zwar erfolgte die Gründung öffentlicher Wohnungsunternehmen insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg, jedoch existierten öffentliche Wohnungsunternehmen auch schon früher. Das älteste kommunale Wohnungs-unternehmen Deutschlands - die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH - wurde bereits 1856 gegründet (vgl.

LIEBERKNECHT 2016,S.78f.).

tivste Phase“ (SCHMITT 2003, S. 57) der deutschen Geschichte eingeleitet. Der Großteil des Wohnungsbaus wurde in dieser Zeit durch gemeinnützige Wohnungsgesellschaften durchge-führt (vgl. BERNHARDT 1999, S. 59). Diese waren zum einen die schon vorhandenen oder neu entstehenden Genossenschaften sowie die neu entstehenden öffentlichen Wohnungsunterneh-men des Reiches und der Kommunen84. Seit den 1920er Jahren versuchten die Kommunen durch einen neugeschaffenen eigenen Wohnungsbestand dazu beizutragen, dass eine „Entkop-pelung der Schicksale auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt für mehr Haushalte möglich wird“ (HÄUßERMANN 2006,S. 162). Durch staatliche und kommunale Förderung war es den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen im Vergleich zu den früheren Kleinunternehmern möglich, größere geschlossene Wohnsiedlungen zu bauen (vgl. BERNHARDT 1999, S. 59f.).

Somit konnte das Ziel, erschwinglichen Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zu bauen, schneller erreicht werden. Von 1918 bis 1930 konnten so ca. 135.000 Wohneinheiten in Berlin errichtet werden, ca. 60% davon durch gemeinnützige Wohnungsunternehmen (vgl.

HÄUßERMANN & KAPPHAN 2000, S. 49). Dieser hohe Anteil war möglich, da die gemeinnützi-gen Wohnungsunternehmen bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel gegemeinnützi-genüber anderen Bauherren bevorzugt wurden (vgl. HANAUSKE 1999, S. 99). Somit konnte erstmals ein mas-senhafter Bau von Wohneinheiten realisiert werden (vgl. SENSTADT 2007, S. 4). In dieser Zeit nahmen auch vier der heutigen sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften Berlins ihre Tä-tigkeit auf85.

1930 wurde dann die Wohnungsgemeinnützigkeit erstmals durch eine Rechtsverordnung ge-setzlich festgehalten (vgl. HANAUSKE 1995, S. 228). Neben den Bauträgern und späteren Ei-gentümern änderte sich auch der Baustil maßgeblich. Im Vergleich zur dichten

84 Gemeinnützige Wohnungsunternehmen waren nicht auf bestimmte Rechtsformen festgelegt. Neben Genossen-schaften und KörperGenossen-schaften öffentlichen Rechts agierten auch AktiengesellGenossen-schaften sowie GmbHs als gemein-nützige Wohnungsunternehmen (vgl. JENKIS 2000,S.17). Entscheidender als die Rechtsform war die Satzung der Wohnungsunternehmen. Sie befassten sich mit dem Bau von Kleinwohnungen, das Unternehmensvermögen war prinzipiell an wohnungswirtschaftliche Zwecke gebunden und die Gewinnausschüttung an die jeweiligen Mitglieder betrug maximal vier Prozent der Kapitaleinlagen. Die Mietpreisgestaltung hatte hierbei lediglich zur Deckung laufender Ausgaben der Wohnungsbewirtschaftung einschließlich einer angemessenen Verzinsung des Fremd- und Eigenkapitals zu erfolgen. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen hatten sich einer jährlichen Prü-fung zu unterziehen, bei der die Gemeinnützigkeit der Geschäftstätigkeit der Unternehmen entsprechend des Ge-meinnützigkeitsgesetzes festgestellt wurde (vgl. HANAUSKE 1995, S. 229).

85 1919 wurde die „Heimstätten AG Groß-Berlin“ (HEIMAG) gegründet und änderte ihren Namen 1931 in „Ge-meinnützige Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Groß Berlin“ (GEWOBAG) (vgl. GEWOBAG 2016). 1922/23 be-gann die 1900 gegründete „Aktiengesellschaft für Bahnen und Tiefbauten“ mit ihrem Engagement auf dem Ber-liner Wohnungsmarkt - ab 1949 „Gesellschaft für sozialen Wohnungsbau gemeinnützige Aktiengesellschaft“

(GESOBAU) (vgl. GESOBAU 2016). 1924 wurden die STADT UND LAND unter dem Namen „Märkische Scholle“ (vgl. STADT UND LAND 2016) sowie die „Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaus ge-meinnützige Aktiengesellschaft“ (DEGEWO)(vgl. DEGEWO 2016c) gegründet.

lichen Blockrandbebauung der Vorkriegszeit war der Wohnungsbau der 1920er und 1930er vermehrt durch lockere Zeilenbebauung geprägt. Die ab 1925 neu in Kraft getretene Bauord-nung ließ darüber hinaus keine Hinterhausbebauung mehr zu (vgl. JACOB 1999, S. 191). Die neuen Wohnanlagen waren durch einen großen Grünflächenanteil, einer zu jener Zeit moder-nen Architektur sowie qualitativ höherwertiger Ausstattung (u. a. Küche, Bad, Warmwasser und Zentralheizung) gekennzeichnet. Architekten wie Bruno Taut, Ludwig Mies van der Rohe oder Walter Gropius erlangten internationale Aufmerksamkeit und die Architektur wurde als „Berlin Modern style“ (SENSTADT 2007, S. 9) bekannt.

Die räumliche Verteilung der neuen Wohnstandorte war zum einen durch die zu dieser Zeit vorherrschende Idee der „funktionalen Stadt“ und deren Ansatz der räumlichen Trennung von Wohnen und Arbeiten (vgl. FÜRST et al. 1999, S. 29ff.), zum anderen durch den größeren Flä-chenverbrauch und die Enge in der Innenstadt geprägt. Einige dieser neuen Standorte konnten noch als Verdichtung vorhandener urbaner Strukturen errichtet werden (Siedlung Schiller-park, Wohnstadt Carl Legien), während größere Wohnanlagen, welche über umfangreichere Grünflächen verfügten, außerhalb des verdichteten Stadtkörpers gebaut wurden (Hufeisen-siedlung Britz, Weiße Stadt, Groß(Hufeisen-siedlung Siemensstadt) (vgl. SENSTADT 2007, S. 3ff.).

Die Gemeinnützigkeitsverordnung wurde 1940 durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz fortgeführt (vgl. HANAUSKE 1995, S. 228) und auch die Wohnbebauung zwischen 1933 und 1940 knüpfte an die Bebauung der Weimarer Republik an86. Jedoch wurde aus städtebau-lichen Überlegungen darüber hinaus auch wieder Geschosswohnungsbau in Blockrand-bebauung durchgeführt. Aufgrund von Kostendruck und der großen Zahl neu zu errichtender Wohnungen wurden die Ausstattungsstandards abgesenkt (vgl. DONATH 2013, S. 236). Der Wohnungsbau orientierte sich weniger an der Schaffung neuer Siedlungen, sondern an der durch Flächenerschließung möglichen Erweiterung bestehender Anlagen (vgl. HÄUßERMANN

& KAPPHAN 2000, S. 53). Bauträger waren weiterhin die großen gemeinnützigen Wohnungs-unternehmen, welche zwischen 1933 und 1940 in Berlin für insgesamt 50% des Bauvolumens aufkamen (vgl. HANAUSKE 1995, S. 1116). Durch Gleichschaltung wurde jedoch die Vielfalt der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen beendet (vgl. JACOB 1999, S. 193), welche zwangsweise von NS-Behörden und Verbänden übernommen wurden87.

86 Als typisches Beispiel für den nationalsozialistischen Wohnungsbau kann die Flusspferdhofsiedlung in Berlin-Hohenschönhausen angesehen werden (vgl. DONATH 2013, S. 235).

87 So wurden 1933 zum Beispiel mit der Gemeinnützigen Heimstätten-Aktiengesellschaft (GEHAG) sowie der Gemeinnützigen Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten (GAGFAH) zwei der größten in Berlin

Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Wohnungsbau, trotz einer sich wieder verschär-fenden Wohnungsnot, der Errichtung von Repräsentationsbauten des NS-Regimes sowie kriegsnotwendiger Projekte untergeordnet (vgl. SCHÄCHE 1999, S. 194). Ausschlaggebend dafür war neben der Ressourcenfrage das im Februar 1940 angeordnete Bauverbot für die Dauer des Kriegs (vgl. DONATH 2013, S. 238). Insgesamt wurden während der Zeit des Natio-nalsozialismus 102.000 Wohneinheiten in Berlin geschaffen (vgl. HÄUßERMANN & KAPPHAN

2000, S. 53)88.

Die zwischen den beiden Weltkriegen entstandenen Quartiere verfügten gegenüber den Quar-tieren der Gründerzeit zwar über eine geringere Bebauungs- und Bevölkerungsdichte, dafür aber über keine funktionale Mischung, da sie vornehmlich als Wohnquartiere errichtet wur-den. Ein weiterer wesentlicher Unterschied war die recht homogene Eigentümerstruktur, da Siedlungen meist von einem bzw. wenigen großen gemeinnützigen Wohnungsbauunterneh-men errichtet wurden. Diese Strukturen lassen sich auch heute noch in den Quartieren erken-nen.