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Im Weiteren soll es nun darum gehen, das Konzept des Quartiers zu erläutern, dessen ver-schiedene Sichtweisen und Definitionen gegenüberzustellen und insbesondere dessen Abgren-zung zu anderen Begrifflichkeiten hinsichtlich der räumlichen Einteilung der Stadt zu disku-tieren. Wenngleich der Quartiersbegriff im Alltagsverständnis vieler Menschen fest verankert ist, so ergeben sich doch hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Fundierung oftmals Probleme, welche sich in der Vielzahl von Ansätzen und der Vernachlässigung von allgemeingültigen

29 Für diese aus der Psychologie entstammende Verbindung zwischen Resilienz und Quartier siehe u. a. NASH &

BOWEN 1999, SHUMOW et al. 1999, HASKETT et al. 2006, DUMOND et al. 2007 sowie JAFFEE et al. 2007.

Definitionen begründen (vgl. SCHNUR 2014, S. 37). Auch GRZESIOK & HILL weisen darauf hin, dass „eine disziplinübergreifende Definition von Quartieren nach wie vor schwer fällt“

(GRZESIOK & HILL 2014a,S.6). Darüber hinaus wird in der Quartiersforschung oft auf „Vor-ab-Definitionen, was unter einem Quartier, unter Stadtviertel oder ähnlichen Begriffen zu verstehen sei (…) verzichtet“ (SCHNUR & MARKUS 2010,S. 182). Trotz der seit Jahrzehnten zum Teil recht großen Schwierigkeiten hinsichtlich Greifbarkeit sowie Definition und Ab-grenzbarkeit des Quartiersbegriffes, soll im Folgenden dem Vorwurf der Definitionsverges-senheit in der Quartiersforschung begegnet werden, in dem zuerst kurz auf verschiedene defi-nitorische Ansätze eingegangen wird, um anschließend ein eigenes Verständnis von Quartier herauszuarbeiten.

Der Begriff Quartier findet sich schon über mehrere Jahrhunderte in der deutschen Sprache30. Doch auch innerhalb der Stadtforschung, in dessen Schatten sich die Quartiersforschung noch immer bewegt (vgl. SCHNUR 2014,S.45), hat das Quartier als Untersuchungsgegenstand eine lange Tradition. Die enge Verbindung zur Stadtforschung ergab sich unter anderem aus den Arbeiten der Chicagoer Schule. Erkannte PARK bereits 1915, dass „[p]roximity and neighborly contact are the basis for the simplest and most elementary form of association with which we have to do in the organization of city life“ (PARK 1915,S.580),konstatierte er zeitgleich, dass

„the neighborhood tends to lose much of the significance which it possessed in simpler and more primitive forms of society“ (ebd.,S. 582).Trotz dieser durchaus ambivalenten Einstel-lung zum Quartier entwickelte sich in der Folge eine zunehmend intensivere Auseinanderset-zung mit kleinräumigeren Systemen der Stadt. Zwar hatten die Modelle und Theorien der Chicagoer Schule eher Bedeutung in einer gesamtstädtischen Perspektive, jedoch wurde mit Bezug auf ethnische sowie soziale Segregation auch die neighborhood31 diskutiert (vgl.

MCKENZIE 1921, S. 155ff.; BURGESS 1925,S.54ff.),wenngleich präzise Konzeptualisierungen noch ausblieben. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde das Quartier als Forschungsgegenstand aus einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven (u. a. Soziogeographie, neoklassische Öko-nomie, poststrukturalistische Ansätze, Governance-Forschung)32 beleuchtet. Trotz, oder

30 Das Wort Quartier leitet sich vom lateinischen Wort „quarterium“ ab und bedeutet „Viertel“ oder „abgeteilter Raum“ und wurde sowohl für ein Stadtviertel bzw. verallgemeinert auch für Bezirk sowie auch für ein Viertel eines Soldatenlagers genutzt (vgl. GRIMM & GRIMM 1889, S. 2322f.).

31 In Anlehnung an SCHNUR soll im Folgenden das im englischen gebräuchliche Wort „neighborhood“ dem deut-schen „Quartier“ gleichgesetzt werden (vgl. SCHNUR 2012,S.453).

32 Für eine Zusammenfassung verschiedener Blickweisen auf das Quartier siehe SCHNUR 2014,S.23ff. sowie

SCHNUR 2012,S. 452ff.

leicht gerade wegen, dieser Vielschichtigkeit der Quartiersforschung ist es bis heute nicht ge-lungen33, eine einheitliche Definition herauszuarbeiten, sodass der Begriff Quartier zum Teil mit Bezug auf die inhaltliche Abgrenzung (z. B. zum Stadtteil) und die soziale Dimension noch immer unscharf genutzt wird (vgl. NIERMANN et al. 2014, S. 13).

Der Vielschichtigkeit der Forschungsperspektiven, welche sich mit dem Quartier und Quar-tiersforschung auseinandersetzen, folgt ebenfalls eine große definitorische Diversität. Da Quartiere subjektiv wahrgenommen werden, kann es keinen „one precise way to delineate a

‚neighborhood‘“ (WEISS et al. 2007, S. 158) geben. Laut HUNTER ist ein wesentlicher Konsens, welcher den meisten Forschungsansätzen gemein ist, dass sich das Quartier von seiner räumli-chen Ausdehnung und Größe zwisräumli-chen den Einheiten Haushalt und Stadt einordnen lässt (vgl.

HUNTER 1979, S. 270). Für GALSTER ist diese Einigkeit jedoch „where consensus ends“

(GALSTER 1986,S.243). Wenngleich es hinsichtlich der präzisen Begriffsdefinition des Quar-tiers große Uneinigkeit gibt, so lassen sich doch gewisse generelle Sichtweisen ausmachen.

Hierbei gerät das Quartier insbesondere in ein Spannungsfeld zwischen „‘Behälterräume‘ ver-sus ‚Alltagsräume vor Ort‘“ (FRANKE 2011a, S. 21). Zum Teil soll der Begriff des Quartiers hierbei dienen, um administrative Raumeinheiten wie Stadtteil oder Bezirk zu vermeiden und somit dem Containerverständnis von Raum aus dem Weg zu gehen (vgl. SCHNUR 2014, S. 37).

Doch auch wenn CAMPBELL et al. konstatieren, dass „most contemporary neighborhood ef-fects research uses geographic units available through administrative data (…) to locate the boundaries of a neighborhood“ (CAMPBELL et al. 2009, S. 464), findet in vielen Arbeiten zu-mindest definitorisch eine Abkehr vom Containerverständnis und damit von den rein adminis-trativen Abgrenzungen eines Quartiers statt. Solche Abgrenzungen sind im Sinne von Ansätzen, welche den Raum und somit auch das Quartier wie LEFEBVRE als sozial konstruiert ansehen (vgl. LEFEBVRE 2012, S. 333ff.), kaum möglich. Jene Definitionsversuche wenden sich direkt vom Containerverständnis des Quartiers ab bzw. halten dessen räumliche Ausdeh-nung bewusst offen. So definiert ALISCH das Quartier als einen „sozialen Raum, der kleiner als ein (administrativ abgegrenzter) Stadtteil [ist], aber durchaus vielfältiger sein kann als ein Wohngebiet“ (ALISCH 2002, S. 60). Wichtiger als die äußere Abgrenzung des Raumes sind hierbei eher die rauminhärenten Beziehungen sowie die Aktivitätsmuster, welche ein Quartier konstituieren. In diesem Sinne definierte SCHWIRIAN bereits in den 1980ern ein Quartier „as a

33 Bereits in den 1970ern wurde darauf hingewiesen, dass „[a]cademicians may easily bypass this definitional problem by invoking a consensual faith in common language and shared experience - which is to say, we cannot define neighborhoods precisely, but we all know what they are and what they mean when we talk about them“

(HUNTER 1979, S. 270).

population residing in an identifiable section of a city whose members are organized into a general interaction network of formal and informal ties“ (SCHWIRIAN 1983, S. 84). Die In-teraktion im Quartier geht hierbei von den Bewohnern des selbigen aus. Auch GROOS &

MESSER stellen in ihrer Diskussion über das Quartier die Interaktionen und Beziehungen von Bewohnern in den Mittelpunkt (vgl. GROOS & MESSER 2014,S.9ff.).Im Gegensatz dazu sieht

CHASKIN das Quartier insbesondere als Geflecht von Beziehungen professioneller Akteure, welche das Quartier aufspannen. Hierbei definiert er ein Quartier „as a set of actors, facilities, organizations, and the networks of association among them within a specified activity space“

(CHASKIN 1998, S. 2). Diese beiden Ansätze, welche jeweils die Netzwerke spezifischer Ak-teure betonen, werden von FRANKE in einer eher allgemeineren Form zusammengeführt, indem er Quartiere als „nicht ‚hoheitlich‘ abgegrenzt, sondern (…) von Akteuren bzw. Ak-teursgemeinschaften ‚vor Ort‘ durch deren Handlungsradien und Bedeutungszumessungen konstruiert“ (FRANKE 2011a, S. 15) versteht. Dieses Verständnis von Quartier als vielschichti-gem Akteursraum wird auch von anderen Arbeiten gestützt, welche auf die Überschneidung von verschiedenen Interessen und Perspektiven im Quartier - von Bewohnern bis hin zu pro-fessionellen Akteuren - hinweisen (vgl. u. a. GRZESIOK & HILL 2014a, S. 6; KOEPPINGHOFF

2014,S.18).

Die vorangegangenen Definitionsansätze, welche die Bedeutung der Akteure in Quartieren hervorheben, machen auf eine Schwierigkeit hinsichtlich der sozialen Konstruktion des Quar-tiers aufmerksam: auch wenn in allen drei Definitionen die äußere Abgrenzung des Raumes sehr vage formuliert wird („vor Ort“, „within a specific activity space“, „identifiable section of a city“) und eher als Randnotiz Erwähnung findet, wird deutlich, dass auch solch relationa-le Herangehensweisen an das Quartier nicht komprelationa-lett ohne Raumbezug auskommen können.

Ein mangelnder Raumbezug ist insgesamt auch nicht im LEFEBVREschenSinne, da Stadt (oder hier Quartier) ohne Raum nicht denkbar wäre (vgl. LEFEBVRE 2012, S. 333ff.). In diesem Sinne konnten GUEST & LEE durch eine Befragung unter Bewohnern der Stadt Seattle bereits Mitte der 1980er Jahre nachweisen, dass „[o]ver three fourths of the sample defined neighbor-hoods in physical terms as geographic area or territory“ (GUEST & LEE 1984, S. 40). Hieran zeigt sich, dass die subjektive und konstruierte Raumwahrnehmung stärker an physischen Ge-gebenheiten orientiert ist, als dies vielfach angenommen wird (vgl. SCHNUR 2014,S.43). Dies mag zwar hinsichtlich der subjektiven Wahrnehmung der Bewohner stimmen, hinsichtlich einer wissenschaftlichen Anwendung des Quartierskonzeptes würde durch eine ausschließlich an administrativen Grenzziehungen orientierte Quartiersbetrachtung „der Sozialraumbezug oft

unter den Tisch fallen“ (NIESZERY 2014, S. 137). Um dem Problem der räumlichen Dimensio-nierung des Quartiers entgegenzuwirken, schlägt SCHNUR als vermittelnden Ansatz eine Kon-zeption von Quartier als unscharfem Raum vor. Dieser weist „neben einer kleinen gemeinsa-men Schnittgemeinsa-menge (‚Kern‘) einen Randbereich permanent oszillierender Quartiers-Grenzräu-me auf (‚Saum‘[…])“ (SCHNUR 2014,S.43f.).

Da CHASKIN die Suche nach einer universellen Lösung hinsichtlich einer objektiven Quartiers-abgrenzung als wenig sinnvoll bewertet, schlägt er eine heuristische Herangehensweise vor, indem er das Quartier und dessen Grenzen auf Grundlage von Beschreibungen definiert, welche sich entlang der drei Dimensionen „(1) program goals and strategies; (2) neighbor-hood characteristics; and (3) contextual influences“ (CHASKIN 1998, S. 6ff.) ergeben.

Für die Verknüpfung von Quartiers- und Resilienzkonzept ist die Ablehnung starrer Quar-tiersgrenzen sowie die Betonung von Beziehungen innerhalb des selbigen als hochrelevant anzusehen, da auch im (evolutionären)34 Resilienzverständnis vorab definierte Systemgrenzen abgelehnt werden und Beziehungen von Systemvariablen (z. B. Akteure im Quartier) durch die Dimension der Konnektivität eine zentrale Rolle im adaptiven Zyklus spielen.

Insbesondere die Vielschichtigkeit der beachteten Akteure erscheint auch im Sinne von Quar-tiersforschung, welche sich mit Wohnungseigentümern auseinandersetzt, bedeutend. Denn hierbei sind die Beziehungen zwischen verschiedenen Akteuren bzw. Akteursgruppen rele-vant, insbesondere zwischen Wohnungseigentümern sowie Mietern (vgl. SCHNUR & MARKUS

2010, S. 185ff.). Eine Reduzierung auf Beziehungen zwischen Mietern untereinander oder le-diglich professionellen Akteuren wie Wohnungsunternehmen sowie der lokalen Verwaltung würde zu kurz greifen.

Im Sinne der räumlichen Dimension ergeben sich hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Wohnungseigentümern jedoch durchaus Ambivalenzen. Da sich professionelle Wohnungsei-gentümer zunehmend von einem ausschließlichen Portfolio- und Bestandsdenken lösen, wird das Quartier zunehmend als „Handlungsebene erkannt, die zur erfolgreichen Entwicklung der eigenen Wohnungsbestände in die Planungen mit einbezogen werden muss“ (NIERMANN et al.

2014, S. 15f.). Dies lässt zumindest ansatzweise eine Orientierung der

34 Im Folgenden wird sich, wenn nicht anders benannt, stets auf das evolutionäre Resilienzverständnis bezogen.

men auf das Quartier als Sozial- und Handlungsraum erkennen. Demgegenüber bleibt das Quartier dennoch der (räumlich abgegrenzte und definierte) Raum, in dem die eigenen Woh-nungsbestände lokalisiert sind (Quartier als Container der WohWoh-nungsbestände). Dies zeigt sich daran, dass eine Reihe von Wohnungseigentümern ihre Bestände räumlich abgegrenzten Quartieren zuordnen35.

Über die Diskussion möglicher Quartiersgrenzen hinaus besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Überschaubarkeit ein wesentliches Kriterium für das Quartier darstellt. So wird es als

„überschaubare Wohnumgebung“ (KREMER-PREIß & STOLARZ 2005, S. 11) oder als „räumlich überschaubare[s] (…) Gebiet“ (STEINFÜHRER 2002, S. 3) charakterisiert. Auch für SCHNUR ist die Überschaubarkeit das wichtigste Größenkriterium des Quartiers, wobei die Spannbreite dabei von Großwohnsiedlungen mit mehreren 10.000 Einwohnern bis zum Einfamilienhaus-gebiet mit einigen Hundert Bewohnern reichen kann (vgl. SCHNUR 2014,S.43).

Neben der Abgrenzbarkeit ist ein weiterer zentraler Aspekt für die Definition von Quartieren deren Einbettung in größere räumliche Systeme. Bereits Ende der 1970er verwies HUNTER

darauf, dass „[a] central characteristic of urban neighborhoods is seen to be their embedded-ness in city, metropolitan, and national contexts“ (HUNTER 1979, S. 267). Hierbei knüpfte

HUNTER an BURGESS an, welcher die Einbettung von Quartieren in übergeordnete Strukturen als „the biggest fact about the neighborhood“ (BURGESS 1973, S. 42) bewertete. Arbeiten, welche diesen Aspekt nicht beachten würden, hätten kaum Erklärungskraft, da sie über eine reine Beschreibung nicht hinauskämen (vgl. HUNTER 1979, S. 269). Die Betonung dieses Ge-sichtspunktes, auch im Rahmen dieser Arbeit, ist aus mehreren Gründen äußerst relevant: die zuvor skizzierten Charakteristiken des Resilienzkonzeptes samt dessen Verschachtelungen von Systemen auf verschiedenen räumlichen Ebenen erfordern, dass Forschung, welche den Resilienzgedanken auf das Quartier überträgt, eben dieses als System eingebettet in andere größere räumliche Systeme versteht. Eine Abgrenzung gegenüber anderen räumlichen Hierar-chieebenen in der Stadt könnte sich wie in Abbildung 6 darstellen.

35 So teilt beispielsweise in Berlin das städtische Wohnungsunternehmen HOWOGE seinen Bestand in 21 Kieze (vgl. HOWOGE 2011, S. 69; HOWOGE 2012, S. 35). Der Begriff Kiez kann hier als Berliner Synonym für das Quartier verstanden werden (vgl. SCHNUR 2014,S.37). Auch das Berliner Wohnungsunternehmen STADT UND LAND weist in Berlin mittlerweile 32 Quartiere aus (vgl. STADT UND LAND 2015, S. 76). Darüber hinaus lassen sich auch bei anderen Wohnungsunternehmen Einteilungen in beispielsweise „Wohnanlagen“ (VORWÄRTS 2016;

SOLIDARITÄT 2016)finden.Auch wenn sich die Begrifflichkeiten hier voneinander unterscheiden, ist der Grund-gedanke dahinter vergleichbar: es handelt sich um konzentrierte Teilwohnungsbestände, welche von anderen Teilbeständen räumlich abgegrenzt sind.

Block

Abb. 6: Das Quartier innerhalb der städtischen Raumhierarchie36 37

Quelle: eigene Darstellung nach MAYER et al. 2011, S. 29.

Es muss darauf verwiesen werden, dass diese Hierarchisierung nach jeweiliger Größe der Stadt variieren kann (vgl. MAYER et al. 2011, S. 29f.). So können in größeren Städten noch räumliche Systeme wie Stadtteil oder Bezirk zur administrativen Gliederung zwischen Quar-tier und Stadt liegen. So würden, wie beispielsweise in Berlin, mehrere QuarQuar-tiere einen Stadt-teil, mehrere Stadtteile einen Bezirk sowie mehrere Bezirke die Stadt selbst bilden. Wie viele Subsysteme jeweils die nächst größere Systemebene bilden, muss im Einzelfall entschieden werden und hängt sowohl von einer Vielzahl inhaltlicher Wirkungszusammenhänge innerhalb einzelner Systeme (ökologisch, baulich, sozial etc.) (vgl. CHASKIN 1998, S. 6) als auch von deren Verschneidung mit anderen Systemen derselben Hierarchieebene ab.

Zwar besteht planungsseitig mittlerweile Konsens hinsichtlich des gesamtstädtischen Einflus-ses auf Quartiere (vgl. u. a. MOSER 2015, S. 309), in denen „die vielfältigen gesellschaftlichen und sozialen Probleme wie unter einer Lupe deutlich sichtbar (…) erscheinen“ (OEHLER &

DRILLING 2010,S.202),jedoch wird dieser Aspekt in vielen Konzeptualisierungen des Quar-tiers vernachlässigt. Des Weiteren muss auch Forschung, welche sich mit (professionellen) Wohnungseigentümern auseinandersetzt, die Einbettung von Quartieren in größere Kontexte berücksichtigen, da Wohnungsbestände größerer Wohnungseigentümer in einzelnen Quartie-ren nur Teilportfolios eines gesamtstädtischen oder sogar nationalen Bestands sind. Selbst wenn speziell auf bestimmte Quartiere zugeschnittene Entwicklungsstrategien einzelner

36 Diese schematische Abgrenzung dient hier lediglich der Darstellbarkeit. Die Anzahl der Häuser pro Block, Blöcke pro Quartier etc. wurde hierbei ebenfalls lediglich aus Darstellungsgründen gewählt. Hieraus ist jedoch keine Regel abzuleiten.

37 Der Begriff des Blocks darf hierbei nicht verengt im Sinne einer Blockrandbebauung verstanden werden, bei welcher Straßen einen Baublock abgrenzen, da dies beispielsweise für die vielen durch Zeilenbebauung gepräg-ten Wohnsiedlungen der 1920er bis 1950er nicht zutreffend ist. Somit sind Blöcke baulich-räumliche Einheigepräg-ten, welche durch eine Vielzahl von physischen Gegebenheiten, wie beispielsweise Straßen, Bahntrassen, Gewässern oder Parks voneinander abgegrenzt werden (vgl. IT NRW 2009, S. 13ff.; BÖMERMANN 2014,S.21).

Haus Quartier Stadt

nungseigentümer bestehen, ordnen sich diese immer in Unternehmensstrategien ein, welche, je nach Handlungsrahmen des Wohnungseigentümers (z. B. städtisches oder national agieren-des Wohnungsunternehmen), in größere Systeme eingebettet sind.

SCHNUR fasst die bisher diskutierten Punkte in einer recht komplexen Definition von Quartier zusammen: „Ein Quartier ist ein kontextuell eingebetteter, durch externe und interne Hand-lungen sozial konstruierter, jedoch unscharf konturierter Mittelpunkt-Ort alltäglicher Lebens-welten und individueller sozialer Sphären, deren Schnittmengen sich im räumlich-identifika-torischen Zusammenhang eines überschaubaren Wohnumfelds abbilden“ (SCHNUR 2014, S.

43). Hier finden sich die Aspekte der sozialen Konstruiertheit, der Offenheit hinsichtlich der eigenen (Nicht)Grenzen, der Einbettung in andere städtische Hierarchien, der Überschaubar-keit sowie der handelnden Akteure wieder (auch wenn Letzteres durchaus noch expliziter hätte betont werden können38). Trotz der Komplexität der angebotenen Definition sollten im Sinne einer resilienzorientierten Quartiersforschung zwei weitere Aspekte ergänzt werden:

zum einen sollte eine Definition von Quartier explizit herausstellen, dass es sich hierbei um ein sozio-ökologisches System handelt. Dies würde gleichzeitig die Konzeption des Quartiers als abgegrenzte Raumeinheit ausschließen. Der zweite Aspekt, welcher trotz seiner zentralen Bedeutung auch in vielen anderen Quartiersdefinitionen unberücksichtigt bleibt, ist die ständi-ge Veränderung des Quartiers. Die von SCHMIDT & WALLOTH konstatierte permanente Anpas-sungsfähigkeit der Stadt als komplexes System (vgl. SCHMIDT & WALLOTH 2012,S. 17) ist auch auf das Quartier übertragbar (vgl. SCHNUR 2013, S. 341ff.). Die „Anpassung von Stadt-quartieren an sich verändernde Rahmenbedingungen“ (SCHMIDT & VOLLMER 2012, S. 20) sollte hierbei als zentrales Element herausgehoben werden, um somit die enorme Bedeutung der Dynamiken innerhalb eines systemischen Quartiersverständnisses zu betonen und die Anschlussfähigkeit an den Resilienzansatz und den adaptiven Zyklus im Speziellen zu ge-währleisten. Somit sollte dieser Gesichtspunkt ein fundamentaler Bestandteil jeglicher Quar-tierskonzeption sein.

Zusammenfassend ergibt sich aus den vorangegangenen Ausführungen eine eigene, insbeson-dere an der Verknüpfung mit dem Resilienzkonzept orientierte, Definition des Quartiers aus folgenden Aspekten: das Quartier ist ein (1) offenes sozio-ökologisches System, welches (2) von internen und externen Akteuren bzw. deren Beziehungen, Handlungen und

38 Dies ist vor allem im Rahmen dieser Arbeit, welche sich zum einen mit konkreten Akteuren im Quartier, zum anderen im Rahmen der Resilienzdiskussion mit Systemvariablen befasst, relevant.

gen konstruiert wird, von (3) überschaubarer Dimension, (4) in größere Wirkungszusammen-hänge eingebettet sowie (5) durch permanenten Wandel gekennzeichnet ist39.

Im Folgenden soll nun das Konzept der Resilienz auf das Quartier angewendet werden, um zu verdeutlichen, was unter resilienter Quartiersentwicklung zu verstehen ist und welchen Wert das Resilienzkonzept für Quartiersforschung haben kann.