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2 Literaturübersicht

2.1 Strahlenphysikalische und –biologische Grundlagen _________________ 3

2.1.3 Wirkung von Röntgenstrahlung auf Zellen und Gewebe

Röntgenstrahlung ist eine indirekt ionisierende Strahlungsart und verliert beim Durch-tritt durch Materie einen Teil ihrer Energie durch Absorption. Nur diese absorbierte Energie wird im biologischen Gewebe wirksam und kann zu Zellschäden führen (LAUBENBERGER u. LAUBENBERGER 1999).

Jede Strahlenwirkung nimmt ihren Ausgang von der einzelnen veränderten Zelle. Die Strahlenempfindlichkeit der einzelnen Zelle hängt stark von ihrem Organisationsgrad und dem zellulären DNS-Gehalt ab (KIEFER u. KIEFER 2003). Da die DNS als Zell-anteil in einfacher Ausprägung vorliegt, ist eine Schädigung derselben gerade auf Grund ihrer Steuerfunktion folgenschwer. Im Gegensatz dazu liegen die anderen Zellorganellen mehrfach vor, und eine auftretende Schädigung findet erst bei hohen Dosen statt. Der strahlensensibelste Bereich einer Zelle ist der Zellkern.

Der Vorgang der Energieabsorption lässt sich in vier Phasen unterteilen. Nach der primären physikalischen Wechselwirkung, der eigentlichen Energieabsorption, folgen in der Zelle eine physikalisch-chemische, eine biochemische und eine biologische Wechselwirkungsphase. Da die einzelne Zelle zu ungefähr 80 % aus Wasser be-steht, werden in der ersten (physikalischen) Phase vor allem Wasserradikale gebil-det. Nach Ausbildung und Diffusion dieser Radikale kommt es zu Wechselwirkungen mit Biomolekülen (u. a. Nukleinsäuren, Aminosäuren, Proteine, Enzyme), welche diese strukturell und funktionell verändern können (physikalisch-chemische Phase).

Während der biochemischen Phase laufen die zelleigenen Reparaturmechanismen ab. Abschließend umfasst die biologische Phase einen Zeitraum von wenigen hun-dertstel Sekunden bis zu mehreren Jahren und bezeichnet die Phase, in der die Ver-änderungen an den Biomolekülen zum Tragen kommen. In diese letzte Phase fallen auch der Zelltod und der eventuelle Tod des betroffenen Gesamtorganismus.

Schäden, die sich unmittelbar auf den betroffenen Organismus beziehen, zählen zu den somatischen Schäden. Darunter fallen Veränderungen, die den Zellstoffwechsel beeinflussen, Veränderungen in der Proteinsynthese und auch die strahlenbedingte Krebsentstehung. Durch Strahlenwirkung verursachte Mutationen am Erbgut, die sich auf die Nachkommenschaft auswirken können, werden unter dem Begriff genetische Schäden zusammengefasst.

Weiterhin wird zwischen direkter und indirekter Strahlenwirkung unterschieden. Bei der ersten wird eine unmittelbare einstufige Wechselwirkung der ionisierenden Strah-lung mit den organischen Molekülen in einer Zelle vorausgesetzt. Die Wahrschein-lichkeit für das Eintreten ist dabei unabhängig von der Konzentration des betroffenen Moleküls, ebenso von der Anwesenheit anderer Stoffe oder der vorliegenden Tempe-ratur. Direkte Wechselwirkungen mit der DNS sind auf Grund ihres geringen relativen Massen- und Volumenanteils daher vergleichsweise selten (KRIEGER 2002). Eine Schädigung der Organellen findet vielmehr auf dem Umweg über chemische Sekun-därprozesse mit dem Zellplasma und dem Zellwasser statt (indirekte Strahlenwir-kung). Dieser als Radiolyse des Zellwassers bezeichnete Prozess findet in der physi-kalischen Phase statt, wobei die Anzahl der gebildeten Radikale bei einem Energie-übertrag von 100 eV als G-Wert bezeichnet wird. Dieser ist vom LET (Lineare

Ener-gietransfer) der Strahlung abhängig. Der LET ist eine Eigenschaft geladener Teilchen in einem Medium. Er ist definiert als Quotient aus dem mittleren Energieverlust dE, den das Teilchen durch Stöße erleidet, bei denen der Energieverlust kleiner ist als

L hat die SI-Einheit (Joule/m), wird aber auch in der Einheit (keV / µm) angegeben.

Mittels der unbeschränkten LET erfolgt eine Einteilung direkt ionisierender Strahlung und der Sekundärteilchen indirekt ionisierender Strahlung in locker ionisierende (L < 3,5 keV / µm) und dicht ionisierende Strahlung (L > 3,5 keV / µm).

Die biologischen Wirkungen von Röntgenstrahlen können in Früh- und Spätschäden unterteilt werden. Akute oder frühe Wirkungen treten unmittelbar oder innerhalb we-niger Stunden nach der Strahlenexposition auf und klingen, wenn sie nicht zum Tode führen, wieder ab. Solche Schäden zeigen sich als Funktionsstörungen von Orga-nen, in der Ausprägung von Missbildungen sowie als Krankheitsbild des akuten Strahlensyndroms. Von akuten Strahlenschäden sind vor allem die teilungsaktiven Gewebe betroffen, da es dort zu einer Reduzierung der Zellerneuerung kommt. Be-schrieben wurde dies bereits im „Gesetz“ von BERGONIE‘ und TRIBONDEAU (1906), wonach ein Gewebe umso strahlenempfindlicher sei, je größer seine Tei-lungsaktivität ist. Daher sind die Erneuerungsgewebe als besonders strahlenempfind-lich anzusehen. Zu diesen Geweben gehören die Haut, das Auge, das blutbildende System und der Magen-Darm-Trakt (KIEFER 1989).

Bei Strahleneffekten, die sich mittelbar oder unmittelbar auf die Nachkommenschaft auswirken, kann es sich um Früh- oder Spätschäden handeln. Zu diesen Effekten zählen Veränderungen, die Auswirkungen auf die Fertilität, die embryonale Sterblich-keit und die Teratogenese haben oder die genetische Veränderungen verursachen.

Von Spätschäden spricht man, wenn sich die Strahlenwirkung auf den Organismus nicht als unmittelbare Folge der Strahlenexposition manifestiert. Darunter fallen die Entstehung strahlenbedingter Augenkatarakte und auch die strahleninduzierte Kreb-sentstehung (KIEFER 1989).

Die Gesamtheit der Strahlenwirkungen wird aus administrativen und strahlenbiologi-schen Gründen in deterministische und stochastische Wirkungen eingeteilt. Grund-sätzlich unterscheiden sie sich in der jeweiligen Dosiswirkungsbeziehung. Bei deter-ministischen Strahlenwirkungen ist die Schwere der Erkrankung von der Dosis ab-hängig. Der Schaden selbst beruht auf der Abtötung von Zellen. Es existiert eine Schwellendosis, unterhalb derer keine deterministische Wirkung zu verzeichnen ist.

Hierzu gehören die Frühschäden, nichtkanzeröse Spätschäden und bei in utero Be-strahlung entstandene Schäden teratogener Art. Nicht letale Schädigungen des Erb-gutes einzelner Zellen können stochastische Schäden verursachen. Eine Proportio-nalität besteht hier zwischen der Auftrittswahrscheinlichkeit und der Dosis. Dabei können Erbgutveränderungen zum Ausgangspunkt maligner Entartung bei Körper-zellen (Kanzerogenese) oder zu einer Mutation in der Keimbahn werden (genetische Schäden). Für das Auftreten solcher Strahleneffekte besteht nach heutiger Kenntnis keine Dosisschwelle (KRIEGER 2002).

2.1.4 Dosisgrößen zur Charakterisierung der Strahlenexposition