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2 Literaturübersicht

2.3 Allgemeine Grundlagen des Strahlenschutzes_____________________ 22

Unter dem Begriff „Strahlenrisiko“ versteht man die Wahrscheinlichkeit für das Eintre-ten einer durch eine Strahlenexposition hervorgerufenen nachteiligen Wirkung bei einem Individuum innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Strahlenschäden umfassen alle krankhaften Reaktionen des menschlichen Körpers sowie genetische Verände-rungen nach Einwirkung ionisierender Strahlung. Als Strahlenexposition wird jeder Vorgang bezeichnet, bei dem eine Person eine Körperdosis erhält. Dabei wird zwi-schen natürlicher und zivilisatorischer Strahlenexposition unterschieden. Die natürli-che Strahlenexposition des Mensnatürli-chen setzt sich aus einem äußeren und einem

inne-Temperatur

Lichtintensität

1 2 3

1

2

3

VB LB

ren Anteil zusammen. Von außen wirken auf das Individuum die kosmische und ter-restrische Strahlung ein. Setzt man eine homogene Ganzkörperbestrahlung durch die kosmische Strahlung voraus, so kann man rechnerisch eine mittlere Dosis von etwa 0,3 mSv / a (Parlamentsbericht BfS 2004) für die Bundesrepublik Deutschland ermitteln. Zu beachten ist, dass die Strahlenexposition, verursacht durch die kosmi-sche Strahlung, von der Höhe über NN und der geographikosmi-schen Breite abhängt. Die terrestrische Strahlenexposition wird durch die kosmogenen und primordialen Radio-nuklide verursacht, wobei der Dosisbeitrag infolge primordialer RadioRadio-nuklide (z. B.

40K, Nuklide der Uran-Radiumreihe) überwiegt. Die daraus resultierende mittlere Ef-fektive Dosis beträgt etwa 0,4 mSv / a (Parlamentsbericht BfS 2004).

Der innere Anteil der Strahlenexposition entstammt den durch Ingestion und Inhalati-on in den menschlichen Körper aufgenommenen natürlichen RadiInhalati-onukliden. Es han-delt sich dabei um die gleichen Radionuklide, die auch für die terrestrische Strahlen-exposition verantwortlich sind. Die größte Relevanz hat auch hier das 40K. Die Be-rechnung des Anteils dieser internen Strahlenexposition wird für die einzelnen Ra-dionuklide in komplexen Inkorporations- und Inhalationsberechnungen durchgeführt.

Durch die Aufnahme natürlich radioaktiver Stoffe mit der Nahrung werden zur Ge-samtexposition 0,3 mSv / a beigetragen, zuzüglich eines Anteils von etwa 0,2 mSv / a durch die radioaktiven Edelgase Radon und Thoron einschließlich ihrer kurzlebigen Folgeprodukte (Parlamentsbericht BfS 2004). Den Hauptbeitrag zum zivi-lisatorisch erhöhten Teil der natürlichen Strahlenexposition liefern Radon- und Tho-ronzerfallsprodukte in Wohnungen mit einer durchschnittlichen effektiven Dosis von etwa 0,9 mSv / a (Parlamentsbericht BfS 2004).

Die zivilisatorische Strahlenexposition wird durch vom Menschen künstlich erzeugte oder verbreitete Strahlung hervorgerufen und wirkt sich auf Individuum und Populati-on unterschiedlich aus. Verursacht wird diese vor allem durch die Anwendung medi-zinisch-radiologischer Maßnahmen, der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen und Kernbrennstoffen sowie früheren Kernwaffentests. Für die Personen, die wäh-rend ihrer Berufsausübung ionisiewäh-render Strahlung ausgesetzt sind, kommt noch die berufliche Strahlenexposition hinzu. Im Jahr 2004 gehörten etwa 313 400 Personen zu dieser Gruppe, von denen etwa 16 % eine von Null verschiedene Jahresdosis

aufwiesen. Dieser Wert lag im Mittel bei 0,82 mSv / a. Als effektive Dosis aus zivilisa-torisch bedingter Strahlenexposition kommen etwa 1,9 mSv / a zusammen, wobei fast der gesamte Betrag aus der Anwendung ionisierender Strahlen in der Medizin resultiert. Nur ein kleiner Teil kommt durch die Anwendung radioaktiver Stoffe hinzu (Parlamentsbericht BfS 2004).

Die aus den einzelnen Dosen berechnete Strahlenexposition beträgt in der BRD ca.

4,0 mSv / a. Die typische Zusammensetzung der effektiven Dosis aus den verschie-denen Quellen für die BRD zeigt die graphische Darstellung in Abbildung 4.

Mittlere jährliche Effektive Dosis in mSv (nach BfS, 2004)

terrestrisch 0,4

kosmisch 0,3

Intern 1,4

zivilisa-torisch 1,9

Abb. 4: Beiträge zur mittleren jährlichen effektiven Dosis in der BRD.

Auf die oben beschriebenen Strahlenexpositionen wird zurückgegriffen, um daraus akzeptable Dosisgrenzwerte abzuleiten. Risikoabschätzungen erfolgen in Relation zu den jährlichen Strahlenexpositionen. Die Abschätzung des Strahlenrisikos erfolgt für die stochastischen Strahlenschäden, also für die Karzinogenese und genetische Veränderungen. Bei stochastischen Strahlenschäden nimmt die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts mit der Dosis zu. Nach heutiger Lehrmeinung führen auch schon sehr geringe Dosen zu Schäden und es existiert keine Schwellendosis. Die Dosisschwellen für deterministische Strahlenschäden sind hingegen so hoch, dass

sie bei Einhaltung der Grenzwerte der Strahlenschutzgesetze (s. Kap. 2.3.3, Tab. 3) nicht erreicht werden sollten (KRIEGER 2002).

Als Grundlage für die Abschätzung des Risikos strahlenbedingter Krebs- und Leu-kämieerkrankungen werden zahlreiche epidemiologische Studien bei Personengrup-pen herangezogen, die einer erhöhten Exposition durch ionisierende Strahlung aus-gesetzt waren, wie z. B. die Überlebenden der Atombombenexplosionen in Hiroshi-ma und Nagasaki. Die Ergebnisse dieser Studien aus dem Hochdosisbereich werden u. a. auf den Niedrigdosisbereich extrapoliert. Dabei wird überwiegend eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellendosis für die Häufigkeit strahlenbedingter Krebs- und Leukämieerkrankungen, sowie das Auftreten genetischer Schäden vor-ausgesetzt.

Zwei Risikomodelle werden zu solchen Berechnungen herangezogen, das absolute und das relative Risikomodell. Das absolute Risikomodell beschreibt eine zusätzliche Zahl strahleninduzierter Krebsfälle in Abhängigkeit von der Dosis ausgelöst durch die Strahlung. Dagegen wird beim relativen Risikomodell angenommen, dass der Strah-lungseffekt darin besteht, dass sich die natürliche Krebshäufigkeit bei allen Alters-gruppen um einen dosisabhängigen Faktor erhöht. Bei Risikoabschätzungen wird auf Grund der Krankheitshäufigkeit das entsprechende Modell gewählt.

Grundsätzlich wird eher das Risiko überschätzt, da eine solche Überschätzung im Interesse des internationalen Strahlenschutzes liegt. Verantwortlich für solche Ab-schätzungen sind u. a. die japanische Radiation Effects Research Foundation (RERF), das wissenschaftliche Komitee über die Effekte der atomaren Strahlung der Vereinten Nationen (UNSCEAR) und die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK).

2.3.2 Prinzipien des Strahlenschutzes

Der Begriff „Strahlenschutz“ kann in zweifacher Hinsicht verstanden werden. Zum einen soll er Grundlage für die Erarbeitung und gesetzliche Durchführung von Be-stimmungen sein, die dazu dienen ein potentielles Strahlenrisiko zu begrenzen und zu minimieren. Zum anderen sind darunter verschiedene Maßnahmen (z. B. bauli-cher Art) zu verstehen, die eine mögliche Strahlenexposition reduzieren sollen.

Die internationale Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiolo-gical Protection, ICRP) erarbeitet die Empfehlungen, die die Grundlage für die ge-setzlichen Regelungen, u. a. auch in der EU, bilden. Drei Kernsätze der ICRP-Empfehlung Nr. 26 (1977) sind von grundsätzlicher Bedeutung und wurden sinnge-mäß auch in das deutsche Recht (StrlSchV §6 2002; RöV §2a 2003) umgesetzt:

• Es darf keine Tätigkeit gestattet werden, deren Einführung nicht zu einem po-sitiven Nettonutzen führt (Rechtfertigungsprinzip).

• Alle Strahlenexpositionen müssen so niedrig gehalten werden, wie es unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Faktoren vernünftigerweise er-reichbar ist (Optimierungsgebot / Minimierungsgebot).

• Die Äquivalentdosis von Einzelpersonen darf die von der Kommission für die jeweiligen Bedingungen empfohlenen Grenzwerte nicht überschreiten.

Konkrete Maßnahmen zur Minimierung der Strahlenexposition lassen sich aus dem folgenden Zusammenhang ableiten:

Die Ortsdosisleistungen D& und die Expositionszeiten (t) bei allen Expositionen (i) ergeben die Personendosis Dpers entsprechend

=

i i

pers D t

D & . (8)

Je geringer also die Dosisleistungen bzw. Expositionszeiten sind, desto geringer ist auch die Personendosis. Um die Personendosen beruflich strahlenexponierter Per-sonen und der Bevölkerung so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig nach dem ALARA – Prinzip (as low as reasonably achievable) zu handeln, basiert der praktische Strahlenschutz auf drei Leitlinien:

• Verminderung der Aufenthaltsdauer (Expositionszeit) im Strahlenfeld.

• Verminderung der Ortsdosisleistung durch Vergrößerung des Abstandes zwi-schen Strahlenquelle und exponierter Person.

• Verminderung der Ortsdosisleistung durch Abschirmung des Strahlenfeldes.

Zusammenfassend werden diese drei Maßnahmen als die „drei A’s“ (Aufenthalts-dauer, Abstand, Abschirmung) des praktischen Strahlenschutzes bezeichnet.

2.3.3 Gesetze und Richtlinien

Die Anwendung ionisierender Strahlung in der Medizin ist in Deutschland gesetzlich durch das Atomgesetz (AtG 2005), die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV 2002) und die Röntgenverordnung (RöV 2003) geregelt. Als inhaltliche Vorlagen dienten dabei vor allem zwei Richtlinien der Europäischen Union, die 96/29/EURATOM (Grundnormen) und die 97/43/EURATOM (Patientenschutz). In diesen wurden die Empfehlungen der ICRP (International Commission on Radiological Protection), vor allem die Empfehlungen der Publikation 60 (1991), übernommen. Wesentliche Neue-rungen in dieser Publikation waren eine Höherbewertung des Strahlenrisikos, neue Gewebe-Wichtungsfaktoren für die Berechnung der effektiven Dosis und die Empfeh-lung niedrigerer Dosisgrenzwerte für beruflich strahlenexponierte Personen und die Bevölkerung.

Für den praktischen Tierarzt ist vor allem die Verordnung über den Schutz vor Schä-den durch Röntgenstrahlen (RöV 2003) vom 8. Januar 1987 (BGBl. I. S. 114), in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 2003, ausschlaggebend. Ihr Anwen-dungsbereich bezieht sich auf alle Anlagen, die Röntgenstrahlen mit einer Energie zwischen 5 keV und 1000 keV erzeugen können. In allen anderen Bereichen greift die Strahlenschutzverordnung. Strahlenschutzrelevante Bestimmungen sind in bei-den Verordnungen nahezu ibei-dentisch. In der neuen Fassung der RöV (2003) finbei-den sich strahlenschutzrelevante Bestimmungen, die gerade den Tierhalter betreffen. So wird in §25 (5) der Tierhalter mit den helfenden Personen gleichgesetzt und be-stimmt, dass dieser vor dem Betreten des Kontrollbereiches über mögliche Gefahren der Strahlenexposition zu unterrichten ist. Weiterhin sind Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Strahlenexposition zu beschränken. In den §§ 31-36 finden sich die Vor-schriften über die Strahlenexposition. Dabei werden die beruflich strahlenexponierten Personen nach ihrer jährlichen effektiven Dosis in zwei Kategorien unterteilt und von der Einzelperson abgegrenzt. Für den Tierhalter gelten die Grenzwerte der Einzel-person. Neben der Jahresdosis werden auch Grenzwerte für Organdosen fast aller Organe angegeben (s. Tab. 5).

Tab. 5: Jährliche Dosisgrenzwerte für strahlenexponierte Personen der Kategorie A und B, sowie Einzelpersonen (§§ 31a, 32 RöV 2003).

Personen der Kategorie Einzelperson

A B

1 Effektive Dosis 20 mSv 6 mSv 1 mSv

2 Organdosis: Keimdrüsen,

Uterus, rotes Knochenmark 50 mSv - -

3 Organdosis: Augenlinse 150 mSv 45 mSv 15 mSv 4 Organdosis: alle nicht

expli-zit aufgeführten Organe 150 mSv - -

5 Organdosis: Haut, Hände,

Unterarme, Füße, Knöchel 500 mSv 150 mSv 50 mSv*

*Organdosis: Haut

In § 35 der RöV (2003) wird festgestellt, wer zu dem zu überwachenden Personen-kreis gehört und wie die Körperdosis zu ermitteln ist. Die Körperdosis ist als Sam-melbegriff für die effektive Dosis und die Organdosis definiert, welche durch Messung der Personendosis zu ermitteln ist. Diese ist mit einem amtlichen Personendosimeter zu messen, welches an einer für die Strahlenexposition als repräsentativ geltenden Stelle der Körperoberfläche getragen werden muss. Betroffen von dieser Maßnahme sind all jene Personen, die sich nicht als Patienten im Kontrollbereich aufhalten, also auch Tierhalter bzw. helfende Personen. In Ausnahmefällen kann auf die Messung der Körperdosis verzichtet werden, wenn sichergestellt ist, dass im Kalenderjahr eine effektive Dosis von 1 mSv oder höhere Organdosen als ein Zehntel der Organdosis-grenzwerte der Personen der Kategorie A nicht erreicht werden. Die Behörde muss einer solchen Ausnahmeregelung zustimmen.

Zum Schutz aller Personen, die den Kontrollbereich betreten, wird eine Unterweisung vom Gesetz gefordert, um auf mögliche Risiken hinzuweisen. Diese Unterweisungen sind zu dokumentieren und von den unterwiesenen Personen zu unterzeichnen. Die Aufbewahrungspflicht für die Unterweisung der Tierhalter beträgt ein Jahr.

Im Zuge der gesetzlichen Neuerungen ist im Jahr 2005 die RL Strahlenschutz in der Tierheilkunde erschienen. Die Strahlenschutzverordnung und die

Röntgenverord-nung bilden die Grundlage dieser Richtlinie, die ausführt, wie die Strahlenschutzrege-lungen im Bereich der Tierheilkunde vollzogen werden sollen. Unter anderem werden die zur Erhaltung und Aktualisierung der Fachkunde notwendigen Kenntnisse festge-legt. Ein ganzes Kapitel (Kap. 4 der RL Strahlenschutz in der Tierheilkunde 2005) ist allein dem Schutz der Tierbetreuungsperson gewidmet. Als Tierbetreuungsperson im Sinne der Richtlinie gelten Personen, die außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeiten freiwillig oder mit Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters Tiere betreuen, an denen in Ausübung der Tierheilkunde radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung ange-wendet werden. Bevor eine Tierbetreuungsperson den Kontrollbereich betritt, müs-sen Hinweise auf Gefahren, deren Vermeidung sowie sonstige Erfordernisse des Strahlenschutzes erfolgen und über diese Unterweisung Aufzeichnungen geführt werden. Die Körperdosis der Tierbetreuungspersonen ist auf Grundlage der Festle-gung der zuständigen Behörde gemäß der Richtlinie für die physikalische schutzkontrolle zur Ermittlung der Körperdosen zu ermitteln (Kap. 4.1 RL Strahlen-schutz in der Tierheilkunde 2005). Die Ergebnisse sind aufzuzeichnen und der Tier-betreuungsperson auf Verlangen mitzuteilen. Die Gesamtstrahlenexposition darf da-bei den Grenzwert für Einzelpersonen (s. Tab. 5) nicht überschreiten. In Kapitel 4.1 der Richtlinie wird besonders darauf hingewiesen, dass der Zutritt zu Kontrollberei-chen der Tierbetreuungsperson nur gestattet wird, wenn ihr Aufenthalt erforderlich ist und der zuständige Tierarzt, Arzt oder Zahnarzt zugestimmt hat. Schwangeren Frau-en ist der Zutritt zu KontrollbereichFrau-en als Tierbetreuungsperson nicht gestattet.