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Klonierung der Konstrukte PTPN11-WT , -N308D und -T468M

4.5 Wirkung der Überaktivität des mutierten SHP2

In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, welche Auswirkungen die Mutationen in PTPN11 auf die Aktivität von SHP2 ausüben. SHP2 beeinflusst je nach Bindungspartner und Interaktionen verschiedene Signalnetzwerke. Es hat eine positive Wirkung auf die Ras/MAPK-Kaskade [Saxton et al., 1997; Maroun et al., 2000; Shi et al., 2000; Cunnick et al., 2002], auf Kinasen der Src-Familie (SFK) [Zhang et al., 2004] sowie auf die IL-1/TNF-abhängige NF-kB-Aktivierung [You M. et al., 2001]. Eine inhibierende Rolle spielt SHP2 beim Jak/STAT-Signalweg. SHP2 kann sowohl eine positive als auch eine negative Rolle in PI3K-Signalwegen nach der Aktivierung von Wachstumsfaktor-Rezeptoren [Wu et al., 2001;

Zhang et al., 2002] spielen.

Der negativ regulierende Einfluß von SHP2 beim Jak/STAT-Signalweg wurde verwendet, um die Auswirkungen der PTPN11-Mutationen auf die Aktivität von SHP2 in vitro zu untersuchen. Ein Zielgen des Jak/STAT-Signalwegs ist SOCS-1.

Bei einer erhöhten SHP2-Aktivität sollte die SOCS-1-Transkription gedrosselt werden. Mit Hilfe eines SOCS-1-Promotor-Luciferase-Reporterkonstrukts wurde die Aktivität von WT-SHP2 und WT-SHP2-Varianten nach Transfektion in NIH/3T3 gemessen. Untersucht wurden die Mutationen Y279C, S285F, N308D, T468M, T52I undP491L, von denen die ersten vier bekannte Mutationen sind, während die letzten beiden (T52I und P491L) neue Mutationen darstellen, die in der Göttinger Diagnostik für NS gefunden wurden. Für alle mutierten SHP2-Konstrukte wurde eine Abnahme der SOCS-1-Expression gezeigt und dadurch die Überaktivität der mutierten SHP2-Varianten nachgewiesen.

Der STAT-Signalweg wird nach einer Bindung von vielen Wachstumsfaktoren, Zytokinen oder Hormonen an die jeweiligen Rezeptoren aktiviert. Durch die Verwendung von IL-haltigem Medium wurde dieser stimuliert. Dies lässt sich z.B. durch eine Zunahme der SOCS-1-Promoter gesteuerten Luciferase-Expression zeigen. Da SHP2 die Expression von SOCS-1 negativ reguliert, wurde eine Abnahme der Luciferase-Aktivität durch die Kotransfektion mit WT-, N308D- und T468M-SHP2 auch unter stimulierenden Bedingungen beobachtet. Die Zunahme der Aktivität der SHP2-Varianten (wt. vs. mutiert) folgte demselben Schema, sowohl mit als auch ohne IL-haltigem Medium

4.5.1 Allelspezifische Repression von mutierten PTPN11-Allelen

Da die Mutationen in PTPN11 dominant über einen gain of function-Mechanismus wirken, wurde versucht, eine allelspezifische Inhibition einer N308D-Mutation, der häufigsten NS-Mutation, mit Hilfe von siRNA durchzuführen. Dazu wurden siRNA-Vektoren spezifisch für die WT-PTPN11-Sequenz als auch für die N308D-Mutation generiert. Zur Messung des Einflusses der siRNAs auf die Aktivität von SHP2 wurde wiederum der SOCS-1-Luciferase-Assay verwendet. Dabei konnte eine geringe Herunterregulierung der Überaktivität von N308D-SHP2 beobachtet werden (die Luciferase-Expression zeigt eine Zunahme). Jedoch ist diese Herunterregulierung nicht sequenzspezifisch, da sowohl die N308D-siRNA als auch die WT-siRNA die Überaktivität von N308D-SHP2 herunterregulieren. Eine Analyse der Sequenzumgebung durch siRNA-Suchprogramme zeigt, dass keine weiteren Optionen zur Platzierung einer siRNA bestehen

Um die Überaktivität der mutierten SHP2-Allele auf einem anderen Weg zu beeinflussen, ist es denkbar, einen spezifischen chemischen Inhibitor für mutiertes SHP2 zu entwickeln.

Bislang wurden die Protein-Tyrosinkinase (PTK)- Inhibitoren, wie ZD1839 (Iressa), STI571 (Gleevec) und Erlotinib (Tarceva) [Traxler, 1997; Bishop et al., 2002; Wollina et al., 2003]

als Krebstherapeutika entwickelt. Chemische Substanzen als PTP-Inhibitoren hatten bisher jedoch kaum Erfolg. Während PTKs eine hydrophobe Tasche in der ATP-Bindungsstelle aufweisen, die für die Entwicklung oraler Medikamente geeignet ist, besitzen die PTPs eine polare Phosphotyrosin-Bindungsstelle neben einer oberflächlichen Peptidsubstrat-Bindungsstelle. Die bisherigen potenten und kompetitiven PTP-Inhibitoren haben daher verschiedene geladene Phosphotyrosin-Mimen inkorporiert, die zwar eine starke Bindung an die Phosphotyrosin-Bindungsstelle in den PTPs, jedoch nur eine begrenzte Zellpermeabilität zeigen und sich daher schlecht für die in vivo Anwendung eignen.

PTP1B (protein tyrosine phosphatase 1B) ist eine Nichtrezeptor Protein-Tyrosin Phosphatase (NRPTP) (4.2), die als Ziel für Medikamente gegen Diabetes II und Fettsucht verwendet wurde, da die PTP1B Knock-out-Maus einen niedrigen Zuckerspiegel zeigte und gegen eine durch fettreiche Ernährung bedingte Fettsucht geschützt wurde [Klaman et al., 2000; Zinker et al., 2002]. Die ersten entwickelten Inhibitoren gegen PTP1B waren aufgrund der Oxidation des aktiven Zentrums oder aufgrund von Aggregationseffekten wirkungslos [Bleasdale et al., 2001; McGovern et al., 2002]. Combs et al. [2005] konnten jedoch einen (S)-isothiazolidinone ((S)-IZD) heterozyklischen Phosphotyrosin-nachahmenden Inhibitor entwickeln. Nach der Analyse von kristallographischen Daten der PTP1B/Inhibitor-Komplexe, die in der Protein Data Bank (PDB) zur Verfügung stehen, wurden Isothiazodinone (IZD) als potenteste, kompetitive und reversible Inhibitoren getestet (Abb.

4.9). Dieser Inhibitor wurde ebenfalls gegen andere Phosphatasen, wie TCPTP (T cell protein tyrosine phosphatase), SHP1 und SHP2 verwendet, jedoch zeigte er nur bei TCPTP eine equipotente Wirkung mit PTP1B, da TCPTP eine 74%ige Homologie zu PTP1B zeigt.

TCPTP und PTP1B gehören zu der NT1-Subgruppe (4.1), wohingegen SHP1 und SHP2 zur NT2-Subgruppe gehören, sie werden daher nicht von diesem Inhibitor beeinflusst. Die Entwicklung der IZD für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ II bietet eine neue Möglichkeit zur Entwicklung von neuen Tyrosin Phosphatase-Inhibitoren. Daher ist es sinnvoll, eine genaue kristallographische Analyse von SHP2 mit bzw. ohne Mutationen durchzuführen und dadurch die Entwicklung eines Inhibitors, der die Überaktivität von mutiertem SHP2 hemmen könnte, wie die Behandlung von NS zu fördern.

A. B.

C.

Abb. 4.9: Übersichtsdarstellung der kristallographischen Struktur von PTP1B (A.) und SHP2 (B.) [Andersen et al., 2004]. C.: kristallographische Struktur von PTP1B mit dem (S)-IZD Inhibitor, der in der Phosphatbindungsstelle von PTP1B gebunden ist [Combs et al., 2005].

4.5.2 Biochemische Überaktivität von SHP2: Test für die Diagnostik

Eine weitere Fragestellung war, ob die biochemische Überaktivität von SHP2 für die Diagnostik beim NS genutzt werden kann. Ein solcher Assay könnte sehr viel schneller, billiger und einfacher durchgeführt werden als eine PTPN11-Komplettsequenzierung. Daher wurde die Phosphatase-Aktivität von SHP2 in verschiedenen Zellextrakten von Patienten-Materialien mit Hilfe eines Malachit-Grün-Assays untersucht. Einerseits wurden als Kontrollen die rekombinanten SHP2-Proteine aus der in vitro Transkription/Translation (WT-SHP2 und (WT-SHP2-Mutanten: T52I, Y279C, F285S, N308D, T468M und P491L) und andererseits Gesamtproteinextrakte sowohl aus frischen Lymphozyten-Präparationen als auch aus EBV-transformierten Lymphozyten untersucht. Bevor eine Messung durchgeführt wurde, wurde die Konzentration des Gesamprotein-Gehaltes bestimmt und die mögliche

Kontamination von freiem Phosphat in jeder Probe geprüft, damit die verschiedenen Messungen untereinander verglichen werden können. Die rekombinanten SHP2-Proteine und die Gesamtproteinextrakte aus EBV-transformierten Lymphozyten enthielten jedoch freies Phosphat, was die Reaktionen störte und was nur durch aufwendige Dialyse entfernt werden konnte. Die Gesamtproteinextrakte aus frischen Lymphozyten-Präparationen (aus Blut) zeigten dagegen eine erhebliche Kontamination mit Hämoglobin, die die Bestimmung des Gesamtprotein-Gehalts störte. Daher wurde einerseits ein indirekter ELISA etabliert, um die SHP2-Proteinmenge zu bestimmen, und andererseits ein Enzym-Antigen-Assay erarbeitet, um die Phosphatase-Aktivität des SHP2 aus dem Patienten-Material zu messen. Der Enzym-Antigen-Assay zeigte jedoch keine ausreichende Spezifität, da die Negativkontrolle (Coating mit nicht-SHP2-spezifischen Antikörpern) in etwa denselben Messwert wie das Kontroll-Patienten-Material (Kontroll-EBV-Lymphozyten) ergab. Trotzdem ist eine Tendenz zu erkennen. Die vier verschiedenen Kontroll-EBV-Lymphozyten (Co1, Co2, Co3 und Co4) zeigten in etwa denselben Messwert, wohingegen die mutierten EBV-Lymphozyten (NS+Y279C und NS+N308D) einen höheren, fast doppelt so hohen Messwert zeigten.

Die Messung der Phosphatase-Aktivität von SHP2 kann auch nach Immunpräzipitation von SHP2 durchgeführt werden. Tartaglia et al. [2003] und Fragalle et al. [2004] wiesen mit dieser Methode eine Erhöhung der Phosphatase-Aktivität bei drei NS-Mutationen (A72S, I282V und N308D) und bei zwei NS/JMML-Mutationen (D61G und E76K) in vitro nach. Die Autoren postulierten ein Model, das einen Zusammenhang zwischen Mutationen im PTPN11-Gen und der daraus resultierenden unterschiedlich ausgeprägten Überaktivität von SHP2 und unterschiedlichen Phänotypen sieht. In diesem Modell gibt es drei verschieden abgestufte Ebenen der PTPN11-Mutationen. Mutiertes SHP2 aus NS-Patienten zeigt eine mäßige SHP2-Überaktivität. Diese induziert Herzanomalien, Dysmorphien und Veränderungen der Skelett-Entwicklung durch Wachstumsfaktor-Signale (z.B. EGF und FGF), ruft aber keine Veränderungen bei hämatopoetischen Zellen hervor. Die PTPN11-Mutationen bei JMML, ALL, AML und MDS wurden fast ausschließlich als somatische Mutationen gefunden und bewirken eine höhere SHP2-Überaktivität als NS-Mutationen. Es wird postuliert, dass diese Mutationen als Keimbahnmutationen bereits die Embryonalentwicklung so stark stören, dass sie bei lebend geborenen NS-Patienten nicht zu finden sind. Die Mutationen bei NS/JMML verursachen eine SHP2-Aktivität, die zwischen der von NS-Mutationen und den somatischen Leukämie-Mutationen liegt.