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Kapitel 1 – Anatomie der Wirbelsäule

1.4 Die Wirbelsäule und das Becken

Der Schweizer Arzt Alois Brügger hat Rumpfbeschwerden untersucht und festgestellt, dass viele Beschwerden auf eine ungünstige Wirbel-säulenpositionierung zurückzuführen sind. Er hat die Wirbelsäule mit ihren drei Abschnitten Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule und ihre Bewegungszusammenhänge mit einem Zahnradmodell verglichen.

Das schematische Bild des Zahnrades (vgl. Abbildung 14) verdeutlicht die Bewegungszusammenhänge innerhalb der Wirbelsäule und macht die Relation von Beckenposition und Kopfhaltung nachvollziehbar.

Durch die Beckenkippung erfolgt eine Lordosierung der Lendenwirbel-säule und in weiterer Konsequenz eine Aufrichtung des Brustkorbes, die sich in einer Streckung der Halswirbelsäule fortsetzt. Im Umkehr-schluss führt die Beckenaufrichtung zu einer Auflösung der Lenden-lordose und in Folge zu einer Senkung des Brustkorbes, die in weiterer Konsequenz eine Verstärkung der Halslordose nach sich zieht, wenn versucht wird, den Kopf zur Orientierung möglichst weit oben zu posi-tionieren. Mit der Brustkorbsenkung durch eine verstärkte Brustky-phose nähern sich Brustkorb und Becken an, wodurch der gesamte Bauchraum verengt wird. Bewusstes Atmen in dieser Position verdeut-licht, dass die Atmung in dieser Haltung erschwert ist und weniger tief erfolgt, so dass die Lungen nicht optimal belüftet werden können. Ne-ben den Lungen sind aber auch alle weiteren inneren Organe durch die Einengung des Bauchraumes beeinträchtigt.

Das Beugemuster setzt sich meist bis zu den Füßen fort, die innenro-tiert positioniert und über die Fußfläche ungleichmäßig gewichtsbelas-tet sind. Die durch die Beckenaufrichtung verursachte Kyphosierung der Wirbelsäule wirkt auf den Schultergürtel, der sich nach Vorne ver-lagert und auf die Arme, die wie die Beine einen Impuls zur Innenrota-tion bekommen und meist auch hier das Beugemuster bis in die Finger wirkt.

Die Haltung im Beugemuster resultiert aus geringer Muskelaktivität und ist vorrangig durch die Bänder gesichert. Aufgrund der geringen Muskelaktivität ist es eine bequeme und kraftsparende Körperhaltung.

Nach Dr. Brügger ist sie aber verantwortlich für eine Vielzahl von Rückenbeschwerdesymptomen, da die Wirbelsäule mit ihren komple-xen Strukturen durch die ungünstige Form sehr strapaziert wird.

In der Rückenhaltung bei aufgerichtetem Becken gibt die Muskulatur der Wirbelsäule nicht den erforderlichen Halt und die Bandscheiben werden lumbal und thorakal ventral druck- und dorsal zugbelastet; zer-vikal durch die Lordosierung dorsal druck- und ventral zugbelastet. Die Bandscheibenkerne erhalten eine Tendez in Richtung des geringeren Druckes (vgl. Abbildung 15).

Zur Vorbeugung von Rückenerkrankungen sind das Erlernen von rü-ckengerechter Haltung und Bewegungstechniken von entscheidender Bedeutung.

Abbildung 14 - Schematisches Bild des Zahnrades (Brügger) (Quelle: Eigene Darstellung modifiziert nach Froböse und Nellessen*, S. 97)

Abbildung 15 - Korrekte Sitzhaltung (Brügger) (Quelle: Eigene Darstellung modifiziert nach Froböse und Nellessen*, S, 97)

Beispiel - Beckenbewegung

Ziel: Wahrnehmung und Steuerung der Beckenbewegung.

Beschreibung „Wasserschüssel“:

Auf einen Ball, Hocker, oder Stuhl setzen und die Beine leicht ab-spreizen. Die Oberschenkel sind etwa waagerecht oder fallen leicht ab. Mit den Händen jeweils rechts und links an den Becken-kamm fassen. Den Ball leicht nach vorne und nach hinten rollen und dabei mit den Händen die Beckenbewegung nach vorne (mit der Vorstellung ein Wasserbecken auszuschütten) und nach hinten (Wasserbecken volllaufen lassen) unterstützen. Wie bewegt sich hierbei der Oberkörper?

Variation 1: Eine Hand an den Unterbauch, die andere Hand an den unteren Teil der Wirbelsäule legen. Mit der Hand den Bauch nach vorne wegschieben und umgekehrt und dabei Veränderun-gen der Lendenwirbelsäule und Atmung wahrnehmen.

Variation 2: Mit den Händen die Knie umfassen. Den Bauch (Be-cken) zu den Knien ziehen und wieder wegschieben.

Das Prinzip „Rücken-im-Block“

Der rückengerechten Bewegung liegt ein grundsätzliches Prin-zip zugrunde, das PrinPrin-zip des „Rücken-im-Block“ (in der Thera-pie auch „en bloc“). Damit ist gemeint, den Rücken in physiolo-gischer Position, respektive neutraler Kurvatur (umgangs-sprachlich „gerade“) zu fixieren. In dieser Rückenhaltung wer-den die Bandscheiben der jeweiligen Wölbung entsprechend gleichmäßig belastet, was sie gegenüber einwirkenden Belas-tungen schützt. Diese Grundposition sollte in den Bewegungen beim Sport, im Alltag und Beruf möglichst häufig angewendet

werden, im Sitzen, Stehen oder Liegen. Insbesondere dann, wenn der Körper beim Beugen in Vorneige gebracht oder mit schweren Lasten durch Heben und Tragen zusatzbelastet wird, ist die „Rücken-im-Block“ - Haltung zur Rückenschonung be-sonders wichtig. Eine kraftfähige Muskulatur ist erforderlich, um die Fixierung der „Rücken-im-Block“ Position zu leisten.

Übung - Wirbelsäule „en bloc“

Halten Sie einen Stab an die Wirbelsäule Ihres Kunden. Im Idealfall bestehen die drei Kontaktpunkte Hinterkopf, Zwischenschulter-blattregion (Brustwirbelsäule) und obere Kreuzbeinregion. Dazwi-schen sollten die zwei harmoniDazwi-schen Schwingungen von Hals- und Lendenlordose ausgespart sein. Lassen Sie nun Ihren Kunden eine rückengerechte Kniebeuge durchführen und kontrollieren Sie. Bei einer Bewegung „en bloc“ bleiben sowohl Kontaktpunkte als auch Wölbungen erhalten.

Aufgaben zur Selbstüberprüfung – Kapitel 1

Bitte bearbeiten Sie die nachfolgenden Fragen schriftlich und erarbei-ten Sie erst dann die richtige Antwort aus dem Text.

1. Nennen Sie die prävertebrale Halsmuskulatur.

2. In welche Abschnitte wird die Wirbelsäule unterteilt?

3. Welche Besonderheiten hat der 7. Halswirbel?

4. Die einzelnen Elemente eines Wirbels sind?

5. Was besagt das Prinzip „Rücken-im-Block“?

6. Beschreiben Sie das Zahnradmodell nach Alois Brügger.

Die Lösungen der Aufgaben finden Sie am Ende des Lehrskriptes.

Lehrskript