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Kapitel 3 – Epidemiologie der Rückenproblematik

3.2 Ausgewählte Krankheitsbilder der Wirbelsäule

3.2.9 Wirbelbruch

Kapitel 3

Lernorientierung

Nach Bearbeitung dieses Kapitels werden Sie in der Lage sein:

 Vielfältige mögliche Ursachen und Risikofaktoren von Rückenbeschwerden wiederzugeben;

 den möglichen Einfluss psychosozialer Faktoren im Zusam-menhang mit Rückenschmerzen zu verstehen;

 die Theorie von muskulären Dysbalancen und deren Auswir-kungen auf die Wirbelsäule bewerten und beschreiben kön-nen;

 die Bedeutung der Fußstatik für eine aufrechte Haltung zu verstehen;

 die Auswirkungen von Beinlängendifferenzen und einem Be-ckenschiefstand auf die Wirbelsäule kennen und wiederge-ben können;

 die Beschwerde- bzw. Krankheitsbilder der häufigsten Rückenbeschwerden zu verstehen.

In Deutschland haben statistisch gesehen zurzeit 27-40 Prozent aller Menschen Rückenschmerzen. Etwa 70 Prozent haben die Schmer-zen mindestens einmal im Jahr und etwa 80 ProSchmer-zent klagen mindes-tens einmal im Leben über Rückenschmerzen. Damit erkranken Deutsche im internationalen Vergleich eher häufig. Dabei ist von den Abschnitten der Wirbelsäule die Brustwirbelsäule prozentual am we-nigsten für Rückenschmerzen verantwortlich.

Genauso weit verbreitet wie schmerzhafte Verspannungen oder eine Ischiasnervreizung sind falsche Vorstellungen über die Ursachen von Rückenbeschwerden und den richtigen Umgang damit. Viele Rü-ckenschmerzpatienten glauben, dass sie sich schonen und die Wir-belsäule immer schön gerade halten müssten und sie vor allem keine falsche Bewegung machen dürften, um ihren Rücken nicht zu schä-digen. Auch glauben die meisten Menschen, ein Bandscheibenvorfall sei gefährlich, und dass Personen, die im Beruf schwer heben müs-sen, sich fast unausweichlich ein Rückenleiden einhandeln.

Mittlerweile weiß man jedoch, dass es keine falschen Bewegungen gibt. Ob eine Bewegung schmerzhafte Folgen hat, hängt davon ab, wie belastbar der Körper ist. Statt sich zu schonen, sollte man sich daher möglichst vielfältig bewegen, die persönliche Belastungs-grenze herausfinden und behutsam erweitern.

Bevor wir jedoch körperlich aktiv werden, machen wir uns zunächst auf die Suche nach den Ursachen von Rückenproblemen- und Schmerzen.

3.1 Ursachen und Risikofaktoren von Rückenbe-schwerden

Rückenbeschwerden ist ein weiter Begriff, welcher die für uns bedeu-tenden Rückenschmerzen beinhaltet, jedoch nicht als solche syno-nym verstanden werden darf. Wie Sie weiter lesen werden ist die Thematik äußerst komplex und kompliziert. Die nachfolgenden Aus-führungen gelten primär der Suche nach der Ursache von Rücken-schmerzen. Da - wie Sie gleich sehen werden - eine genaue Defini-tion von Rückenschmerzen nicht möglich ist - gelten die gewonnenen Informationen zwar den Rückenschmerzen, schließen den großen Überbegriff der Rückenbeschwerden jedoch mit ein.

3.1.1 Rückenschmerzen

Wie immer zu Beginn einer Thematik gilt die Suche nach einer Defi-nition. Dies gestaltet sich beim Begriff der Rückenschmerzen durch-aus schwierig. So ist das Schmerzverständnis interindividuell und muss bezüglich sozialer und ethnischer Gruppen unterschiedlich be-trachtet werden. (vgl. Raspe, 2012, S. 7). Unterm Strich erhalten Sie von zwei Personen beim gleichen Schmerz - vorausgesetzt man könnte diesen objektiv messen - auf einer Schmerzskala zwar den-selben Wert, doch wird dieser Schmerz unterschiedlich wahrgenom-men und kann somit nicht verglichen werden. Genaugenomwahrgenom-men müssen Sie weiter differenzieren und die Begrifflichkeiten Noch-Nicht-Schmerz, Steifigkeitsgefühle und andere Unbehaglichkeiten im Bereich des Rückens mit einbeziehen (vgl. Raspe, 2012, S. 7). Auch der Begriff der Verspannung muss genau analysiert werden.

Ebenfalls von Bedeutung im Zusammenhang mit Rückenschmerzen ist die genaue Lokalisation. So reicht der Rücken anatomisch vom Hinterhaupt bis zur Gesäßfalte, während umgangssprachlich zwi-schen Nacken (C0-C7) und Rücken unterschieden wird (vgl. Raspe, 2012, S. 7). Der Begriff des sogenannten Low Back Pain (LBP) im amerikanischen Sprachraum beispielsweise gibt bereits eine relativ genaue Beschreibung.

Ärzte können in etwa 85 Prozent der Fälle keine eindeutige Ursache für Rückenschmerzen finden. Patienten mit andauernden starken Be-schwerden haben nicht immer einen Wirbelsäulenschaden. Andere, bei denen zufällig ein solcher festgestellt wurde, verspüren nicht un-bedingt Schmerzen. Man unterscheidet daher spezifische von unspe-zifischen Rückenschmerzen:

Hinweis

Spezifische Rückenschmerzen haben einen bestimmten körperli-chen (somatiskörperli-chen) Auslöser - dabei kann es sich um Abnut-zungserscheinungen, Verletzungen, Entzündungen oder be-stimmte Erkrankungen handeln.

Unspezifische Rückenschmerzen lassen sich dagegen nicht auf eindeutig krankhafte körperliche Veränderungen als Ursache der Beschwerden zurückführen. Man kann diese auch als idiopathisch bezeichnen.

Übertriebenes und unangemessenes Dramatisieren von unklaren Beschwerden können die Genesung beeinträchtigen. So verschwin-det gelegentlicher Rückenschmerz meist von allein. Es handelt sich um ein Warnsignal des Körpers, eine Aufforderung, das eigene

Wohl-befinden wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dauern die Schmer-zen allerdings an oder kehren häufig wieder, können sie chronisch werden.

Definition

Chronische und chronisch rezidivierende Rückenschmerzen hal-ten länger als 12 Wochen an.

Subakute Rückenschmerzen verlaufen über mehr als sechs Wo-chen.

Akute Rückenschmerzen dauern über maximal 6 Wochen an

„…wenn sie erstmals oder nach mindestens sechs schmerzfreien Monaten und über einen Zeitraum von höchstens sechs Wochen auftreten“.

Raspe, 2012, S. 12

Rückenschmerzen (Dorsopathien) können weiter differenziert wer-den. Ein kurzer Blick in die Schmerzphysiologie erklärt die wichtigen Begriffe Somatische Schmerzen, Ausstrahlende Schmerzen, Ra-dikulopathie und Radikuläre Schmerzen.

Somatische Schmerzen entstehen „…durch einen Reiz von Nerven-endigungen in einem Knochen, Ligament oder Muskel“ (muskuloske-lettale Bestandteile des Körpers) (Bogduk, 2000, S. 274). In diesem Zusammenhang muss der Viszerale Schmerz (Organschmerz) und Neurogene Schmerz (Irritation / Schädigung an Axonen / Zellkörpern peripherer Nerven) aufgeführt werden (vgl. Bogduk, 2000, S. 274 f).

Ausstrahlende Schmerzen „…werden in einer Region wahrgenom-men, die von anderen Nerven innerviert wird als diejenige, die die eigentliche Schmerzquelle versorgt“ (Bogduk, 2000, S. 275).

Demhingegen entstehen Radikuläre Schmerzen „…durch Irritation eines Spinalnerven oder seiner Wurzel“ (Merskey & Bogduk, 1994, S. 277). Der radikuläre Schmerz „…kann zusammen mit einer Radi-kulopathie einhergehen, muss aber nicht unbedingt“. (Bogduk, 2000, S. 277). Die Radikulopathie „…ist ein neurologischer Zustand, bei dem die Leitung in den Axonen eines Spinalnerven oder seiner Wur-zeln blockiert wird“ (Merskey & Bogduk, 1994, S. 276). Diese ruft we-der in Rücken noch in Beinen Schmerzen hervor, sonwe-dern neurologi-sche Ausfälle (vgl. Bogduk, 2000, S. 276).

Im Rahmen der Schmerzanamnese anhand sogenannter Schmerz-fragebögen (und FunktionsSchmerz-fragebögen) werden oftmals die Differen-zierung nach der Schmerzart vorgenommen, wie beispielsweise flach, tief, stechend, dumpf, pulsierend oder ziehend. Diese Begriffe geben wiederum weitere Informationen, werden jedoch hauptsäch-lich im therapeutischen Bereich abgefragt und hier nicht genauer be-schrieben.

Hinweis

Als Warnhinweise bei Rückenschmerzen gibt es ein sogenanntes Flaggenmodell, welches Sie im Hinterkopf haben sollten (verglei-che Raspe, 2012, S. 9)

Die Roten Flaggen (red flags) weisen auf einen dringlichen Be-handlungsbedarf hin. Hintergründe sind Begleitsymptome und Vorerkrankungen mit spezifischer Ursache. Beispiel: Tumor (zum Beispiel starker nächtlicher Schmerz) oder Radikulopathie / Neu-ropathie (zum Beispiel zunehmende Lähmung oder Sensibilitäts-störung der Unteren Extremitäten).

Die Gelben Flaggen (yellow flags) drehen sich um psychosoziale Risikofaktoren, wobei ein Übergang von akuten zu chronischen Verläufen wahrscheinlicher wird. Beispiel: Konflikte am Arbeits-platz oder Neigung zu Depressionen.

3.1.2 Mögliche Ursachen von Rückenschmerzen

Machen wir uns weiter auf die Suche nach den Hintergründen dieses Phänomens. Nachfolgend eine Übersicht möglicher - weitläufig be-kannter - Ursachen. Sie können sich selbstverständlich gegenseitig beeinflussen.

Bewegungsmangel

Übergewicht bzw. falsche Ernährung

Langzeitsitzen

Einseitige körperliche Belastungen

Fehl- bzw. Zwangshaltungen am Arbeitsplatz

Genetische Disposition

Muskuläre Dysbalancen

Psychosoziale Belastungen

Stress

Schwere körperliche Arbeit

Unzufriedenheit am Arbeitsplatz

Organische Erkrankungen von Wirbelsäule / Bandscheiben

Übung - Ursachen von Rückenschmerzen

Überlegen Sie, wie sich oben aufgeführte Ursachen genau auswir-ken und Rücauswir-kenschmerzen hervorrufen können.

Veröffentlichen Sie Ihre Ergebnisse im Forum in der Lerngruppe dieses Lehrgangs und diskutieren Sie diese mit Ihren Lehrgangs-kollegen.

Scannen Sie diesen QR-Code ab und sehen Sie sich das Lehrvideo zu dem Thema Ursachen und Risiko-faktoren für Rückenschmerzen an.

Alternativ finden Sie das Lehrvideo im Online Campus in der Lerngruppe dieses Lehrgangs.

3.1.2.1 Teilelemente des Bewegungsapparates als Ursache von Rückenschmerzen

Auf der Suche nach der Quelle von Rückenschmerzen wird im Rah-men der klassischen medizinischen Versorgung in unserem Gesund-heitssystem zunächst der Bewegungsapparat untersucht. Nachfol-gende Strukturen kommen für die Lendenwirbelsäule als mögliche Schmerzursache in Betracht (vgl. Bogduk, 2000).

Im Rahmen des passiven Bewegungsapparates Betrachten wir zu-nächst die Wirbel. Als mögliche Schmerzursache kann das Periost in Betracht kommen, da es entsprechend innerviert ist (S. 281). Es kann sein dass auch der Knochen selbst Schmerzen verursacht, allerdings gibt es hierzu keine Untersuchungen (S. 281). Das Iliosakralgelenk kann ebenfalls Schmerzen hervorrufen (S. 298). Bei 15 % der Pati-enten mit chronischen Rückenschmerzen sind ISG - Schmerzen vor-handen (vgl. Maigne et al., 1996 & Schwarzer et al., 1995, S.294).

Die Zygapophysealgelenke stellen eine weitere mögliche Schmerz-quelle dar (S. 294 ff). Zu nennen sind hier das Facettensyndrom, die rheumatoide Arthritis der Zygapophysealgelenke oder Meniskusein-klemmungen. Die Bandscheibe kann aufgrund ihrer Innervation ebenfalls (diskogene) Schmerzen erzeugen (S. 300). Die innere Dis-kusruptur ist eine häufige Ursache von Rückenschmerzen (S. 312).

Auch Bandstrukturen können bei gesunden Personen Schmerzen auslösen; so zum Beispiel die Lig. interspinalia (S. 290 f). Klinisch betrachtet sind diese bei chronischen Rückenschmerzpatienten je-doch eher selten (S. 312). Abschließend die Fascia Thorakolumbalis.

Sie kann im Rahmen eines Kompartmentsyndroms ebenfalls mögli-che Schmerzursamögli-che sein (S. 288).

Auch der aktive Bewegungsapparat stellt eine mögliche Ursachen-quelle dar. Die Muskulatur kann aufgrund ihrer Innervation bei Ge-sunden für Schmerzen verantwortlich sein; unklar ist jedoch wie dies bei chronischen Rückenschmerzpatienten aussieht (S. 312). Für Ver-spannungen (auch Schmerzen nach intensiver Muskelarbeit) als Grund gibt es keine adäquaten Literaturhinweise. Einen theoreti-schen Ansatz sieht Bogduk (2000, S. 285 f) in einer Ischämie (Min-derdurchblutung), respektive einem verlangsamten Abtransport von Laktat (nozizeptor-aktivierend) und ADP (schmerzauslösend) sowie durch abgestorbene Muskelzellen entstehende Abfallprodukte (schmerzauslösend). Diese gilt auch für die Thematik eines

soge-nannten Muskelspasmus (Schmerzen durch chronische Muskelakti-vität bei Haltungsabnormitäten (vgl. Roland, 1986, S. 286), was eben-falls nicht gesichert ist. Mögliche Schmerzen durch Muskelläsionen mit anschließender Entzündungsreaktion sind auch denkbar (S. 284).

Ein weiterer Ansatz sind die sogenannten Trigger Points. Hierbei handelt es sich um sensible Bereiche im Muskel, welche Schmerzen verursachen können (S. 287). Nach Simons (1988, S. 287) sind sie

„…die Folge von akut oder chronisch wiederkehrender Spannung des betroffenen Muskels“ oder „…eine reflektorische Reaktion auf ein darunter liegendes, erkranktes Gelenk“ (Schimek & Schimek, 1984, S. 287). Allerdings ist der histologische und biomechanische Beweis dieser Triggerpunkte lückenhaft oder nicht überzeugend (vgl. Si-mons, 1984, S. 287).

3.1.2.2 Muskuläre Dysbalancen

Der Begriff der muskulären Dysbalance (auch arthromuskuläre Dys-balance (vgl. Wiemann, 2001, S.44)) wird in den Bereichen der Or-thopädie, der manuellen Medizin, der Sportmedizin und der Sportwis-senschaft intensiv diskutiert. Muskulären Dysbalancen wird eine große Rolle bei der Entstehung von chronisch-degenerativen Gelen-kerkrankungen zugeschrieben. Ebenso werden sie als Risikofaktor für Sportverletzungen angesehen. Folge dieser Diskussionen war die Entwicklung von vielfältigen Maßnahmen zur Vermeidung bzw. The-rapie solcher Ungleichgewichte. Zahlreiche Publikationen mit Anlei-tungen zur Dehn- und Kräftigungsgymnastik bzw. manuellen Maß-nahmen zur präventiven oder therapeutischen Intervention bei Dys-balancen sind in den letzten Jahren erschienen.

Die Theorie der muskulären Dysbalance ist allerdings bisher noch nicht mit objektiven Methoden überprüft worden. Alle Untersuchun-gen zur Überprüfung oder Feststellung der postulierten Ungleichge-wichte nutzen vornehmlich semiobjektive Methoden wie den Muskel-funktionstest nach Janda (1976) und setzen die Gültigkeit der Theo-rie voraus.

Der Zustand der muskulären Balance kann nach Wiemann (1993) als ein Gleichgewicht der Drehmomente der an einem Gelenk angreifen-den Muskulatur beschrieben werangreifen-den. Eine muskuläre Dysbalance ist demnach vorhanden, wenn eines der Drehmomente der antagonisti-schen Muskulatur überwiegt. Die dadurch veränderten muskulären Verhältnisse zwingen ein betroffenes Gelenk in eine unphysiologi-sche Stellung.

Die in der Literatur genannten Erklärungsansätze für die Entstehung muskulärer Dysbalancen werden von Klee (1992) zusammengefasst.

Demnach lassen sich vor allem zwei Faktoren nennen:

 Die Darstellung der Dysbalance geht auf klinische Beobachtun-gen von Janda aus dem Jahre 1968 zurück, der die quergestreifte Muskultur in einen posturalen und einen phasischen Anteil mit un-terschiedlichen histologischen Strukturen und physiologischen Ei-genschaften unterteilt. Demnach neigen tonische Muskeln bei einseitigen (Fehl-)Belastungen zur Verkürzung, phasische Mus-keln zur Abschwächung (vgl. Tabelle 5 und Tabelle 6).

 Ohne eine Einteilung in verschiedene Muskeltypen vorzunehmen, führt Dordel (1975) die Entstehung von Verkürzungen bzw. Ab-schwächungen der Muskulatur auf eine ungleichmäßige Vertei-lung eines Kraft- und Dehntrainings auf die Antagonisten eines

Tabelle 5 - Modell zur muskulären Dysbalance (Quelle: Vogt / Neumann, S. 94)

Zur Abschwächung neigende Muskeln

Zur Verkürzung neigende Mus-keln

 Bauchmuskulatur

 Gesäßmuskulatur

 Schulterblattmuskulatur

 Vordere Oberschenkelmus-kulatur

 Hintere Oberschenkelmus-kulatur

 Wadenmuskulatur

 Untere Rückenmuskulatur

 Brustmuskulatur

 Nackenmuskulatur

 Adduktoren

Tabelle 6 - Übersicht typischer Tendenzen der wichtigsten Muskulatur (Quelle: Vogt / Neumann, S. 94)

Rist (2005, S. 18) beschreibt die Entstehung durch eine sogenannte Inaktivitätsinsuffizienz, oder eine funktionelle Verkürzung durch ein-seitiges Training. Weineck (2002, S. 374) beschreibt ein ausschließ-lich sportartspezifisches Training bereits im Kindesalter als Ursache.

Allen theoretischen Konzepten gemeinsam ist der fehlende wissen-schaftliche Nachweis. In der Literatur lassen sich keine Untersuchun-gen zu Validierung der Theorie der muskulären Dysbalance finden.

So ist im Zusammenhang mit Rückenschmerzen unklar, welche Struktur genau die Schmerzen auslösen soll (vgl. Bogduk, 2000, S.

287). Allerdings können die Veränderungen des muskulären Gleich-gewichtes zu einer Veränderung in der Gelenkstatik führen. Dies kann wiederum zu einer höheren Verletzungsanfälligkeit der Musku-latur sowie einer frühzeitigen Gelenkdegeneration führen (vgl. Rist, 2005, S. 18). Weiter kann es bei jungen Sportlern zu einer möglichen Behinderung der späteren Leistungsentwicklung kommen (vgl. Ei-genmann, 1986 und Medler, 1990, S. 375). Muskuläre Verletzungen können ebenfalls verstärkt auftreten (ebd.). Die Betrachtung der arthromuskulären Dysbalance als sogenannter Belastungsmultiplika-tor in Sport und Alltag darf nicht unterschätzt werden. Ziel eines Rückentrainings ist es immer eine muskuläre Balance zu schaffen oder zu erhalten.

3.1.2.3 Fuß, Beinlängendifferenz und Beckenschiefstand

Im Zusammenhang mit Rückenbeschwerden soll auch die Ge-samtstatik des Bewegungsapparates mit berücksichtigt werden. Her-vorzuheben sind hierbei die Füße. So kann es durch Haltungsschwä-chen- und Schäden, respektive Statikveränderungen, in dieser Re-gion zu weiterlaufenden Veränderungen am Bewegungsapparat im Sinne einer Ursache-Folgen-Kette kommen. Unterm Strich wirkt sich eine Stellungsänderung nicht nur im benachbarten Gelenk aus, son-dern kann auch in entfernteren Regionen - beispielsweise dem Rü-cken - noch zu Problemen führen. Der Körper muss in diesem Zu-sammenhang immer ganzheitlich betrachtet werden.

Hinweis

Die Bedeutung der Füße für die Körperstatik und auch als mögliche Ursache für Wirbelsäulenbeschwerden wird oft vernachlässigt.

Als gute und einfache Methode den rückengerechten Stand zu üben und die Fußmuskulatur zu kräftigen hat sich der kurze Fuß nach Janda bewährt.

Übung - Kurzer Fuß

Erarbeiten Sie an sich selbst und an Freunden und Bekannten den sogenannten kurzen Fuß nach Janda. Hierbei wird versucht eine Spannung der Fußgewölbe zwischen Groß- und Kleinzehenballen, sowie Ferse aufzubauen, ohne zu krallen. Es kommt zu einer ent-sprechenden Aufrichtung der Gewölbe. Beobachten Sie hierzu die weiterlaufenden Bewegungen und die damit verbundenen Verän-derungen auf die Statik.

Einen direkteren Einfluss auf die Wirbelsäule hat das Becken. Dies kann durch eine Beinlängendifferenz schief stehen und weiterlau-fende Auswirkungen auf die Wirbelsäule haben. Bezüglich der Bein-längendifferenz lassen sich zwei Gruppen unterscheiden (vgl. Gröbli, 1998): Die anatomisch bedingte und die funktionelle Beinlängendif-ferenz.

Anatomisch bedingte Unterschiede sind die Folge von Wachstums-störungen wie Defektmissbildungen, nicht voll entwickelten Hüftge-lenken (Dysplasien), Klumpfüßen, Schädigungen der Wachstumsfu-gen bei Kindern nach Infektionen oder Unfällen, Kinderlähmung oder Knochenbrüchen. Ebenso kann eine übermäßige Wachstumsstimu-lation, z. B. teilweiser Riesenwuchs nach einer Operation, die Ursa-che für eine Beinlängendifferenz sein. Wachstumsunabhängige Ur-sachen sind Becken- oder Beinbrüche, Arthrosen in Fußgelenk, Knie oder Hüfte sowie Gelenkoperationen. Beinlängenunterschiede kön-nen sich auch bei Instabilitäten im Kniegelenk bilden, etwa bei ein-seitigen X- oder O-Beinen.

Den anatomisch bedingten Unterschieden stehen die funktionellen Beinlängendifferenzen gegenüber. Sie werden von Haltungs-schä-den verursacht, von Muskelverkürzungen- oder Über-dehnungen, von Muskelverhärtungen oder Muskelschwäche im Oberschenkel, im Becken- und Kreuzbereich oder in der Brust- und Halswirbelsäule.

Weitere Ursachen sind Beckenverwringungen, Blockierungen der Wirbel oder der Iliosakralgelenke.

Wenn die Beine unterschiedlich lang sind, steht das Becken nicht ge-rade. Der Beckenschiefstand wiederum beeinflusst Lenden-, Brust und Halswirbelsäule, die Wirbelsäule wird aus dem Lot gebracht. Nun haben aber viele Menschen unterschiedlich lange Beine - folglich ein schiefes Becken - und trotzdem leiden sie nicht an Schmerzen im unteren Rücken, Hals-Nacken-Bereich und an den Rippen. Andere haben typische Beschwerden, aber weder eine Beinlängendifferenz noch einen Beckenschiefstand, oder die genaue Diagnose zeigt, dass die ungleichen Beine für die Beschwerden ohne Belang sind.

Die Ursachen sind laut Gröbli (1998) vielfältig und die Zusammen-hänge nicht immer leicht zu erfassen. Doch eines ist völlig sicher: Bei einer Beinlängendifferenz müssen qualifizierte Fachleute (unter an-derem Orthopäden oder Chiropraktiker) zuerst die Ursache finden.

Auf keinen Fall dürfen ungleich lange Beine korrigiert werden, bevor man sich über ihre Ursache im Klaren ist.

Unterm Strich führen die dargestellten Faktoren zu Veränderungen an der Gelenkstatik und können - müssen aber nicht - zu Problemen am Bewegungsapparat (zum Beispiel starke Verspannungen oder Schmerzen - welche es zu differenzieren gilt) führen.

Hinweis

Auch Übergewicht und Schwangerschaft können zu Veränderun-gen der Körperstatik und zu einer Überbeanspruch der entspre-chenden Muskulatur führen. Auch hier können starke Verspannun-gen oder Schmerzen wahrVerspannun-genommen werden.

Übung - Ursachen-Folge-Kette

Beschreiben Sie im Rahmen einer Ursachen-Folgen-Kette mögli-che Rückenprobleme, ausgelöst durch eine Knick-Senkfuß-Stel-lung.

Veröffentlichen Sie Ihre Ergebnisse im Forum in der Lerngruppe dieses Lehrgangs und diskutieren Sie diese mit Ihren Lehrgangs-kollegen.

Scannen Sie diesen QR-Code ab und sehen Sie sich das Lehrvideo zu dem Thema Ursachen-Folge-Kette an.

Alternativ finden Sie das Lehrvideo im Online Campus in der Lerngruppe dieses Lehrgangs.

3.1.2.4 Verspannungen der Rückenmuskulatur

Durch Hektik und Stress, einseitige Belastungen, schwere körperli-che Arbeit und psychiskörperli-che Probleme können Fehlhaltungen bzw.

Überbelastungen auftreten, die eine Verhärtung und Verspannung der Muskulatur zur Folge haben.

In den meisten Fällen kann die richtige Diagnose schon durch eine umfassende Anamnese mit körperlicher Untersuchung gestellt wer-den. Die Behandlung von Muskelverspannungen sollte möglichst frühzeitig begonnen werden. Durch eine konsequente Therapie kön-nen Verspannungen und Muskelhärten normalerweise wieder völlig aufgelöst werden.

Grundlegend ist die Beseitigung der Fehlhaltung und -Belastung im Alltag. Das ist aber oft sehr schwierig, weil die Betroffenen bei einer normalen und gesunden Körperhaltung verstärkt Schmerzen em-pfinden. Aus diesem Grunde sind eine konsequente Therapie zur Muskellockerung und eine ausreichende Behandlung der Schmerzen notwendig:

Wärmeanwendungen und Elektrotherapie lösen die schmerzhaf-ten Verspannungen.

Massagen und Physiotherapie haben eine schmerzlindernde Wir-kung.

Chirotherapie kann zur Entspannung der Muskulatur eingesetzt werden.

Bei sehr starken akuten Schmerzen kann eine Ruhigstellung für Entlastung sorgen.

Das Erlernen von Entspannungstechniken ist ein Bestandteil der Therapie, wenn psychische Belastungen auslösender Bestandteil der Muskelverspannungen sind.

Schmerzlindernde und muskelentspannende Medikamente, in Form von Tabletten oder auch als Infusion bessern die akuten Beschwerden.

Auf lange Sicht können nur das Vermeiden von Fehlbelastungen bzw. -Haltungen und ein ausreichendes Training der Rückenmusku-latur (unter anderem Stoffwechseltraining) zu einer Vermeidung von Muskelverspannungen führen.

3.1.2.5 Psychosoziale Faktoren

Welche psychosozialen Einflüsse veranlassen die Entstehung, Ver-arbeitung und Chronifizierung von Rückenschmerzen? Zur Beant-wortung dieser Frage gibt es kein umfassendes Erklärungsmodell.

Dennoch lassen sich verschiedene Faktoren hervorheben:

Stress bezeichnet allgemein jede erlebte Belastung. Das kön-nen Alltagsbelastungen oder sogenannte kritische Lebenser-eignisse sein, wie zum Beispiel Termindruck, Konflikte mit Kol-legen oder Partner, Ärger mit dem Chef, Trennung von der Fa-milie, Lärm, Stau, Misserfolge oder Todesfälle. Weiter auch

Stress bezeichnet allgemein jede erlebte Belastung. Das kön-nen Alltagsbelastungen oder sogenannte kritische Lebenser-eignisse sein, wie zum Beispiel Termindruck, Konflikte mit Kol-legen oder Partner, Ärger mit dem Chef, Trennung von der Fa-milie, Lärm, Stau, Misserfolge oder Todesfälle. Weiter auch