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Kapitel 1 – Anatomie der Wirbelsäule

1.3 Muskulatur der Wirbelsäule

1.3.2 Muskulatur der Halswirbelsäule

Die Halswirbelsäule ist durch die Vielzahl der Muskeln in den drei Hauptbeweglichkeitsebenen sehr beweglich. Zusätzlich ermöglichen die gelenkigen Verbindungen der HWS nahezu alle Kombinationsbe-wegungen. Dies macht sie zu einer besonders sensiblen Region.

Neben der Bewegungsfunktion besitzen die Muskeln der HWS eine weitere wichtige Aufgabe - die Stabilisierung bzw. die Stoßdämpfung.

Die Hauptbelastung für die HWS entsteht durch die Muskelkraft und Gewichtskraft des Kopfes. Je nach Haltung des Kopfes wirken hier verschiedene Drehmomente, Scherkräfte sowie Beschleunigungs- und Trägheitskräfte. Eine zu schwache Muskulatur bringt verschie-dene Gefahren mit sich: Zum einen kann die Muskulatur bei Belas-tungsspitzen (wie zum Beispiel bei einem Auffahrunfall) keinen Schutz bieten, zum anderen kann es leichter zu Wirbelverschiebungen und damit zu einer Wirbelkanalverengung kommen. In manchen Sportar-ten ist die Hals- und Nackenmuskulatur sogar leistungsentscheidend (zum Beispiel Boxen und Formel 1).

Beschwerden im Hals- und Nackenbereich sind im Alltag häufig vor-zufinden. Meist entstehen die Beschwerden durch zu schnelle Bewe-gungen bzw. äußere Krafteinwirkung oder durch Bewegungsmangel.

Sitzende Tätigkeiten (zum Beispiel am PC) können langfristig, ohne regelmäßiges Training, zu massiven Beschwerden in der HWS (und

auch der Schulter-Nacken-Region) führen, da die Blickrichtung stets vorgegeben ist und eine zu geringe Wechselbelastung (Be- und Ent-lastung) vorkommt. Dies führt zu einer Unterernährung in den Knor-peln und den Faserringen der Bandscheiben. Weiter kann es durch Stützhaltungen der Arme auf dem Schreibtisch oder nach oben gezo-gener Schultern zu muskulären Veränderungen kommen.

Die Folge ist eine Bewegungseinschränkung, eine erhöhte Abnutzung der passiven Strukturen und ein zu geringer Schutzmechanismus.

Diesen Problemen kann man mit einem gezielten Training entgegen-wirken.

Nachfolgend ein kurzer Überblick zu den einzelnen Muskeln (in Anleh-nung an Valerius et al., 2012 und Platzer, 1991).

1.3.2.1 Dorsale Muskulatur der Halswirbelsäule

Die zervikalen Anteile folgender autochtoner Muskeln wurden bereits im vorangehenden Kapitel aufgeführt:

 M. iliocostalis

 M. longissimus

 M. splenius

 M. spinalis

 M. rotatores

 M. multifidus

 M. semispinalis

Weiter finden sich folgende Muskeln:

 M. rectus capitis posterior major (Extension und Rotation)

 M. rectus capitis posterior minor (Extension)

 M. obliquus capitis superior (Extension und Lateralflexion)

 M. obliquus capitis inferior (Rotation)

1.3.2.2 Ventrale Muskulatur der Halswirbelsäule

 M. sternocleidomastoideus (Rotation, Lateralflexion, Flexion)

 M. longus capitis (Flexion)

 M. rectus capitis anterior (Flexion)

 M. longus colli (Flexion)

 M. scalenius anterior (Lateralflexion, Rotation, Flexion)

 M. scalenius medius (Lateralflexion)

 M. scalenius posterior (Lateralflexion)

Weiter existieren indirekte Flexoren:

 M. sternohyoideus

 M. omohyoideus

 M. sternothyroideus

 M. thyrothyoideus

Abbildung 7 - Vordere Halsmuskulatur (Quelle: Huch / Bauer, S. 128)

Abbildung 8 - Hals im Querschnitt unterhalb des Kehlkopfes (Quelle: Huch / Bauer, S. 128)

1.3.3 Bauchmuskulatur (Abdominalmuskulatur)

Neben rein optischen Merkmalen wie Taillenformung oder Sixpack er-geben sich aufgrund der anatomischen Lage der Bauchmuskulatur (Abdominalmuskulatur) wichtige Funktionen für die Stabilisierung der Wirbelsäule (kräftige, stabile Körpermitte; vgl. Abbildung 9). Zudem übernimmt die Bauchmuskulatur durch die vollständige Umhüllung der inneren Organe eine bedeutende Schutzfunktion und spielt eine wich-tige Rolle bei der Atmung. Mithilfe der unterschiedlichen Faserverläufe und Sehnenstrukturen kann die Bauchmuskulatur eine extreme Bewe-gungsvielfalt hervorbringen. So ist die Bauchmuskulatur, zusammen mit der Rückenstreckmuskulatur, an jeder Rumpfbewegung beteiligt (entweder agonistisch-antagonistisch oder synergistisch). Werden alle Bauchmuskeln (bei angehaltener Luft) angespannt, entsteht ein enor-mer Bauchrauminnendruck („Bauchpresse“), der unter anderem bei der Darm- und Blasenentleerung oder bei der Geburt sehr wichtig ist.

Die Bauchwand setzt sich aus mehreren Muskelschichten und Seh-nenplatten zusammen und begrenzt den Bauchraum nach vorne, zur Seite und nach hinten zur Wirbelsäule. Die Begrenzung nach oben wird durch das Zwerchfell gebildet, die Begrenzung nach unten durch die Beckenbodenmuskulatur. Die wesentlichen Bauchmuskeln erstre-cken sich vom unteren Rippenbogen (Brustkorb) bis zum Beerstre-cken und können bei einer Verkürzung die Flexion der WS (Rundrücken) be-günstigen. Die Bauchmuskeln sind, wie die Eigenmuskeln des Rü-ckens auch, an der Wirbelsäulenbewegung beteiligt und nehmen da-her eine wichtige Rolle im Rückentraining ein.

Abbildung 9 - Seitliche Bauchmuskeln - vielfältige hori- zontale, vertikale und schräge Muskelschlingenbildung (Quelle: Gottlob, S. 242)

Die innerste Muskelschicht („Gürtelschicht“) wird vom nahezu horizon-tal verlaufenden M. transversus abdominis (querer Bauchmuskel) gebildet (vgl. Abbildung 10). Dieser zieht von der Fascia thoracolum-balis und den unteren 6 Rippenbögen, dem inneren Beckenkamm und dem lateralen Leistenband nach vorne und endet in einer flächigen Sehnenplatte (Aponeurose). Seine Aufgaben sind das Zusammen-pressen des Bauches und das Absenken der Rippen sowie die Unter-stützung bei der Ausatmung.

Über dem M. transversus abdominis liegt der M. obliquus internus abdominis (innerer schräger Bauchmuskel), der sich von der Fascia thoracolumbalis, vom Beckenkamm und dem Leistenband kommend schräg nach oben zu den unteren drei Rippenbögen zieht und in der vorderen Aponeurose endet (vgl. Abbildung 12). Dort formt er den zentralen Anteil der Rectusscheide, in die der gerade Bauchmuskel (m. rectus abdominis) eingelagert ist. Aufgrund der festen Verbindung mit der Fascia thoracolumbalis, können die Muskeln Transversus ab-dominis und Obliquus internus abab-dominis, bei ausreichender Kraft, ei-nen horizontalen Zug auf die Fascia thoracolumbalis ausüben, der die WS bei Spitzenbelastungen stark entlasten kann.

Der größte Bauchmuskel ist der M. obliquus externus abdominis (vgl. Abbildung 10). Er stellt die oberste Schicht der Bauchmuskeln dar und ist daher auch optisch gut sichtbar. Seinen Ursprung hat der Mus-kel zwischen der 5. und 12. Rippe. Von hier aus zieht er schräg nach unten zum Beckenkamm, zum Leistenband und zur vorderen Aponeu-rose und bildet dort das oberflächliche Blatt der Rectusscheide.

Abbildung 10 - M. transverus Abbildung 11 - M. obliquus externus abdominis abdominis (Quelle: Gottlob, S. 242) (Quelle : Gottlob, S. 242)

Die MM. obliquii sind neben der Bauchpresse an der Flexion, Late-ralflexion und Rotation von Thorax und Wirbelsäule beteiligt. Die Fle-xion geschieht jeweils durch die gleichzeitige Kontraktion der beiden Seiten. Im Rahmen der Lateralflexion arbeiten die Muskeln der glei-chen Seite (ipsilateral) gemeinsam. Die Rotation geschieht gegensei-tig. So arbeitet jeweils ein M. obliquus mit. Bei der Rotation nach rechts beispielsweise durch Kontraktion des kontralateralen (auf der anderen Seite liegenden) linken M. obliquus externus abdominis und ipsilate-ralen rechten M. obliquus internus abdominis.

Abbildung 12 - Muskulatur der vorderen Rumpfwand (Quelle: Huch / Bauer, S. 136)

Der gerade Bauchmuskel, M. rectus abdominis (vgl. Abbildung 13), hat seinen Ursprung an der 5. bis 7. Rippe und zieht innerhalb der Rektusscheide senkrecht zum Becken und setzt jeweils links und rechts am Schambein an. Durch seine anatomische Lage ist er in der Lage eine Flexion des Rumpfes durchzuführen und das Becken anzu-heben.

Die Besonderheit dieses Muskels sind die drei bis vier Zwischenseh-nen (SchaltsehZwischenseh-nen / Intersectiones tendineae), die den Verlauf der Muskelfasern des M. rectus abdominis unterbrechen und den Muskel an der Rectusscheide befestigen. Hierdurch ergeben sich vier bis fünf

paarige Muskelabschnitte (Kompartimente), die von den Interkostal-nerven separat angesteuert werden. Dies ermöglicht nicht nur die ganzheitliche Beugung des Rumpfes, sondern auch das Abrollen ein-zelner Wirbel. Aus diesem Grund sollte dieser Muskel auch über meh-rere Drehachsen trainiert werden.

Abbildung 13 - M. rectus abdominis (Quelle: Gottlob, S. 243)

Definition - Rectusscheide

„Die Rectusscheide ist eine von Aponeurosen (flächenhafte Seh-nen) gebildete Hülle, in welcher der M. rectus abdominis verläuft.

Dabei handelt es sich um die Aponeurosen des M. obliquus externus abdominis (vorderes Blatt) und M. transversus abdominis (hinteres Blatt sowie M. obliquus internus abdominis (anteilig am vorderen und hinteren Blatt). Die Fasern um die einzelnen Bäuche des M.

rectus abdominis kreuzen sich auf Höhe der linea alba und verflech-ten sich teilweise.“

vgl. Platzer, 1991, S. 89

Neben den bereits beschriebenen Bauchmuskeln existieren noch wei-tere, welche nachfolgend dargestellt werden (in Anlehnung an Platzer, 1991 und Valerius et al., 2012).

Der M. quadratus lumborum verläuft zwischen dem Beckenkamm und der zwölften Rippe sowie processus costales L1-L4. Interessant für das Rückentraining ist sowohl seine Beteiligung an einer Lateralfle-xion, als auch bei der Verhinderung eines Abkippens des Beckens zur Schwungbeinseite im Einbeinstand.

Der M. iliopsoas, bestehend aus M. psoas major und M. iliacus ist primär ein Hüftflexor. Aufgrund der Befestigung des M. psoas major an den Seitenflächen der Wirbel Th12-L4 und deren Bandscheiben ist dieser Muskel im Zusammenhang mit einem Rückentraining natürlich interessant. Weiter weist er eine lordosierende Wirkung auf und wurde im Kontext des Bauchtrainings über die Jahre regelrecht verteufelt.

Der Vollständigkeit halber sei noch der M. pyramidalis erwähnt. Er ist ein kleiner Muskel, welcher sich beidseitig am unteren Ende der Linea alba ausspannt und zu deren Spannung beiträgt.

1.3.4 Sonstige Muskeln

Neben den wichtigsten, bereits beschriebenen Muskeln, existieren eine Reihe weiterer, welche es noch zu berücksichtigen gilt. (In Anleh-nung an Platzer, 1991 und Valerius et al., 2012).

Da wären zunächst der M. serratus posterior superior mit Ursprung an den processus spinosi C6-Th2 und der M. levatores costarum mit Ursprung an den processus transversi C7-Th12 zu nennen. Ersterer steht zwar in Kontakt zur Wirbelsäule, fungiert jedoch nur als Rippen-heber. Letzterer steht ebenfalls in Kontakt und leistet seinen Beitrag zur Rotation der Wirbelsäule. Nach Streubl, 1969, S.78) wird er zur autochtonen Rückenmuskulatur gezählt.

Betrachten wir die gesamte Rückenfläche des Menschen, so nehmen die autochtonen Rückenmuskeln und Ausläufer der seitlich-schrägen Bauchmuskulatur bei weitem nicht die größte Fläche ein. Vielmehr überspannt der M. latissimus dorsi (und M. teres major mit Über-schneidung der rückwärtigen Rotatorenmanschette) inklusive Fascia thorakolumbalis einen großen Bereich. Die genaue Funktion wird an späterer Stelle noch durchleuchtet. Für ein Rückentraining ist er auf jeden Fall mit zu berücksichtigen.

Im Bereich des Oberen Rückens, respektive der Schultergürtelregion existieren die M. rhomboideii mit Ursprung an den processus spinosi C6-Th4, sowie der M. trapezius mit all seinen Anteilen. Insbesondere der obere Anteil (pars descendens) hat direkten Einfluss auf die Hals-wirbelsäule im Sinne einer Extension und Lateralflexion. Aber auch im Zusammenhang mit Nackenproblemen, welche zur Rückenproblema-tik zählen, sind sowohl der pars descendens, als auch die pars trans-versa und ascendens von großer Bedeutung. Ein weiterer Muskel ist der M. levator scapulae mit Ursprung an den processus transversi

C1-C4. Auch er kann die Halswirbelsäule extendieren und lateralflek-tieren.

Die sogenannten beckenstellenden Muskeln werden an anderer Stelle berücksichtigt.

Wie Sie sehen ist der Rücken ein anatomisch komplexes Gebiet. Für ein Rückentraining müssen Sie viele Muskeln samt deren Funktionen im Hinterkopf abspeichern und im Rahmen Ihres Trainingsplanes ent-sprechend berücksichtigen.

Hinweis

Vertiefen Sie Ihr Wissen durch die Sichtung adäquater Anatomieat-lanten. Beachten Sie hierzu z. B. die plastischen Darstellungen aus dem Bereich der Körperwelten von Gunther von Hagens.