sei speziell auf die Feenpalastversammlungen zuge-schnitten. In der Tat kann
man
sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie eine Beschreibung jener Ver-hältnisse ist. Auf den Börsenbegriff, den sie treffen will, angewendet, ist sie nach unserer vorstehenden Darlegung einerseits zu eng, während sie andererseits eine genügend scharfe Abgrenzung gegen verwandte Begriffe vermissen läßt.§ 11. Definitionen von
Gamp,
Schmoller, v.Rönne und
in der Berliner Börsenordnungvom
Jahr 1806.In den Beratungen derBörsenenquetekommission schlug der stellvertretende Vorsitzende
Gamp
alsDefinition von Börse vor: „Die Börse ist eine Ver-anstaltung des Staates zu
dem
Zwecke, denHandels-—
32—
verkehr zu erleichtern und die allgemeinen wirtschaft-lichen Interessen zu fördern." Das ist historisch unrichtig. Die Mehrzahl der ursprünglichen Börsen
ist aus der freien Initiative der Kaufleute selber her-vorgegangen, wie wir es an
dem
Beispiel der alten italienischen Börsen gesehen haben.Auch
späterhinist eine beträchtliche Reihe von Börsen aus 'dem Zusammenschluß von Kaufleuten oder kaufmännischen Vereinigungen unbeeinflußt
vom
Staatehervorgegangen, wie die Londoner,Hamburger
und Berliner Börse, so daßman
keineswegsimmer
von Veranstaltungen des Staates reden kann. Aber nicht allein darin gehtGamp
fehl, daß der Staat der notwendige Errichter und Pfleger der Börse sei, sondern auch in seinem Zusatz „zudem
Zwecke den Handelsverkehr zu er-leichtern,und
die allgemeinen wirtschaftlichen Inter-essen zu fördern". Vielfach ist da,wo
der Staat Begründer ist, ein anderer weniger idealerZweck
erkennbar. So greift z. B. in Frankreich königliche Gewalt ein im unleugbaren
Zusammenhang
mit den Kreditbedürfnissen des Staates und des Königlichen Hauses.Übrigens leidet die
Gampsche
Begriffbestimmung auch andem
Mangel, daß sie zu weit ist. Gesetzt, sie träfe sonst zu, so würde sie nicht abgrenzen gegen Markt und Messe etc. etc. Es gibt auch Märkte und Messen und andere Institutionen, die Veranstaltungen des Staates mitdem
bezeichnetenZwecke
sind oder sein können. Hierunter würde z. B. auch Post und Eisenbahn fallen.Schmoll
er schlug vor: „Die Börse ist eine durch den Staat genehmigte und unter Staatsaufsicht stehende Veranstaltung vojiGemeinden
oderHandels-—
33-korporationen, zu
dem
Zwecke, den Handelsverkehr zu erleichtern und die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen zu fördern."—
So wenigwiedie Börseimmer
eine Veranstaltung des Staates ist, so wenig ist sie
immer
eine durch den Staat genehmigte und unter Staatsaufsicht stehende Veranstaltung vonGemeinden
oder Handelskorporationen'. So haben wir z. B. einer-seits die von staatlicherGenehmigung und
Aufsicht gänzlich unabhängige Londoner Börse kennen gelernt und andererseits auch Beispiele für Börsen als reine Staatsgründungen, so dieWiener
Börse, die mit kaiser-lichem Patentvom
1. August 1771 errichtet wordenist." Eine scharfe Abgrenzung fehlt ebenso wie bei der vorbesprochenen
Gamp
sehen Begriffsbestimmung, so daß eine Gemeindestraße oder etwas ähnliches auch unter dieSchmoll
ersehen Börsenmerkmale fallen würde.Eine in der Hauptsache ähnliche ältere Definition befindet sich in
dem
preußischen Staatsrecht vonvon Rönne:
„Börsen sind mitGenehmigung
der Staatsverwaltung regelmäßig stattfindende Versamm-lungen von Kaufleuten, Rhedern, Schiffern, Ver-sicherern, Wechslern, Mäklern, überhauptim
Handel beschäftigten Personen,um
über alles, was ihren Berufskreis betrifft, miteinander zu verhandelnund
dadurch den Betrieb kaufmännischer Geschäfte aller Artzuerleichtern." Beider Kritikistdavonauszugehen, daß der Verfasser lediglichdiepreußische Börse charak-terisieren will. Mitdieser und der weiteren Einschrän-kung, daßnämlichvon Rönne
speziell diepreußische Börse der damaligen Zeit (1867) imAuge
hat, trifft seinMerkmal
„mitGenehmigung
der Staatsverwaltung"zu. Die verschiedenen aufgezählten Gruppen von
Koch, luaiig.-Diss. 3
Besuchern bilden, wie bereits hervorgehoben, kein Charakteristikum. Überdies ist die ganze Aufzählung mit
dem
verallgemeinernden „überhaupt im Handel beschäftigte Personen" ziemlich nichtssagend.Auch
die Zweckbezeichnung ist nicht einwandfrei:
„um
überalles, w^as ihren Berufskreis betrifft, miteinander zu verhandeln
und
dadurch den Betrieb kaufmännischer Geschäfte aller Art zu erleichtern".— Wodurch
er-leichtern? Durch das Miteinanderverhandeln? Das ge-schieht auch anßerhalb der Börse.In der Berliner Börsenordnung
vom
Jahre 1805 heißt es: „Die Börse ist die unterGenehmigung
des Staates stattfindendeVersammlung
von Kaufleuten, Maklern, Schaffnern und anderen Personen zur Er-leichterung des Betriebes kaufmännischer Geschäfte aller Art."Im
wesentlichen stimmt dies mit dervon Rönne
sehen Definition überein.§ 12. Definition
von Liebmann
(inder Wochenschrift für Aktienrechtund Bankwesen,
Jahrg. 1894).„Börsen sind diejenigen Vereinigungen von Kauf-leuten, welche auf
Grund
der von den Teilnehmern geschlossenen Geschäfte einen imWege
derSelbst-verwaltung der Vereinigung festgesetzten Kurs oder Preis verlautbaren."
Demgegenüber
ist zu sagen, daß dasMoment
der Kursfestsetzung kein Charakteristikumist.
Angenommen,
es wäre ein solches, so würde die Vereinigung der Produktenhändler im Berliner Feen-palast keine Börse gewesen sein, weil es dort keine Kurs- oder Preisfestsetzung gab.Dem
widerspricht die in der einschlägigen Literatur allgemein vertretene Ansicht, nach der di(i l^örsonnatur dieser Versamm-lungen fast durchweg trotz der Poh^nik gegen die—
35-Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts zAigegeben wird. Erst vollends gleichgültig ist es natürlich, auf welchem
Wege
die Kursfestsetzung zustandekommt.
Schließlich giebt
Lieb mann
auch keine genügenden UnterscheidungsmerkmalezurAbgrenzunggegenMessen und Märkte.§ 13. Definitionen von Pfleger, Ehrenberg
und
Grünhut.Pfleger
sagt: „Börse ist eine regelmäßig an einem bestimmten Orte zu einer bestimmtenTages-zeit stattfindende
Zusammenkunft
von Großkaufleuten eines Handelsplatzes und Hilfspersonen des Groß-handelszum Zwecke
des Abschlusses von Handels-geschäften in generell bestimmten Wertpapieren oder typenmäßig gehandelten Waren."Pfleger
legt, wie mir scheint, allzusehrWert
auf bestimmten Ort und bestimmte Zeit, während es eigentlich nur daraufankommt,
daß der Versammlungsort und die Ver-sammlungszeit je für die nächsteZusammenkunft
den Börsenbesuchernim
voraus bekannt ist.Wenn man
schlechthin einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit für ein Charakteristikum erklärt, müßte
man
konsequenterweisefolgern, daßdiehistorischen Winkel-börsen, die bald in diesem bald in jenem Kaffeehaus, bald zu dieser bald zu jener Stunde,
um
den Ver-folgern zu entgehen, ihre Zusammenkünfte pflegten, keine Börsen waren.Es ist auch schon erwähnt worden, daß es höch-stens eine sekundäre Erscheinung ist,
wenn
überwie-gend Großkaufleute und deren Hilfspersonen sich inden Reihen der Börsianer finden, und daß das
Pri-märe der Großhandel selbst ist.
An
sich ist es ganz 3*—
36—
gleichgültig, ob die sich