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1.   Einleitung und Problemstellung

1.2   Werkzeugverschleiß im Spezialtiefbau

Werkzeugverschleiß wird bei einer Vielzahl von Spezialtiefbauarbeiten zunehmend als signifikanter Kostenfaktor wahrgenommen, was unter anderem auch auf die steigenden Leistungsansprüche der Bauindustrie zurückzuführen ist. Bei jeder Werkzeugbenutzung ist eine gewisse Abnutzung unvermeidlich, daher sind in der Regel immer Instandsetzungsarbeiten zur Erhaltung der Funktions-fähigkeit des Werkzeugs, in regelmäßigen Abständen oder auch anlassbezogen, erforderlich. In Abbildung 1-1 sind einige Beispiele für durchaus übliche Abnutzungserscheinungen an Werkzeugen

des Spezialtiefbaus ersichtlich. Unter dem Aspekt des zunehmenden Kosten- und Zeitdrucks auf Tiefbaumaßnahmen können die erforderlichen Instandhaltungs- und Reparaturzeiten (insbesondere bei „laufenden Baustellen“) jedoch problematisch werden, vor allem wenn mehr als der „natürliche (normale) Verschleiß“ [15] auftritt.

Abbildung 1-1: Typische Verschleißerscheinungen an Werkzeugen des Spezialtiefbaus. Links: Schälmesser eines TVM-Schneidrads [33]. Mitte: Fräszähne einer Schlitzwandfräse. Rechts: Schneidschuh einer Bohrpfahlverrohrung.

Alle Verfahren, bei denen das Werkzeug langen und intensiven Kontakt zum Boden hat, sind besonders verschleißanfällig. Hochspezialisierte Bohrausrüstungen (z.B. Mixed in Place-Schnecken oder Schneidräder an Tunnbelvortriebsmaschinen) lassen sich darüber hinaus nur mit sehr hohem Aufwand instand setzen, entsprechend lange Maschinenstillstände sind die Folge, was unmittelbaren Eingang in die Produktionszeiten findet. Der Aufwand zur Instandhaltung des Werkzeugs kann maßgebenden Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit einer geplanten Baumaßnahme haben, sodass Überlegungen zum erwarteten Werkzeugverschleiß idealerweise bereits in der Projektplanungsphase angestellt und in die Verfahrensauswahl einbezogen werden sollten.

Der Wunsch, Lockergesteinsabrasivität bereits in der Planungsphase zu quantifizieren, um dann in weiterer Folge Verschleißkosten kalkulieren (reduzieren) zu können, ist somit von hoher bauwirt-schaftlicher Bedeutung.

Wird die Abrasivität des Baugrunds im Vorfeld unterschätzt und kommt es zu übermäßigem Werkzeugverschleiß, so können, insbesondere beim maschinellen Tunnelbau, kostenintensive (und oft auch aufsehenerregende) Schadensfälle eintreten. Wilms (1995) berichtet beispielsweise über einen Erddruckschildvortrieb für die U-Stadtbahn Essen aus dem Jahr 1988, welcher nach 450 m Vortrieb für die Dauer von 16 Monaten unterbrochen werden musste, um das Schneidrad vollständig zu bergen, neu zu konstruieren und neuerlich einzubauen. Die aufgetretenen Schäden an den Dichtungen wurden im Beweissicherungsgutachten ursächlich „auf die abrasiven Eigenschaften des Mergels“ zurückgeführt [100]. Maidl / Wingmann (2009) führen hohen Verschleiß und daraus resul-tierende Werkzeugwechsel und Reparaturarbeiten am Schneidrad unter Druckluft als Hauptkosten- und -zeittreiber bei EPB-Schildvortrieben im Lockergestein an. Folglich läge das größte

Optimierungs-ÖBA WSKE (2004) D. Kohlböcl (2009)

potential zur Verbesserung der Gesamtvortriebsleistung in der Verschleißreduktion [60]. Bei jedem kontinuierlichen Vortrieb mit geschlossener Schildmaschine ist eine außerplanmäßige Druck-luftintervention in der Abbaukammer, zur Inspektion und Wartung der Werkzeuge, nicht nur mit Stillstandszeiten verbunden, sondern eine derartige Maßnahme stellt auch eine nicht unerhebliche Risikosituation dar. Beides bedeutet, sowohl für die ausführenden Unternehmen, als auch für ihre Auftraggeber, eine unangenehme Zwangslage, die von keinem der Vertragspartner erwünscht wird.

Die ÖNORM B 2203-2 bedingt daher, nicht zuletzt aus diesem Grund, für die Ausschreibung von Tunnelvortrieben mit kontinuierlichem Vortrieb unter anderem auch eine Bestimmung der Abrasivität1). Den auftretenden Werkzeugverschleiß jedoch ausschließlich auf die Abrasivität des Baugrunds zurückzuführen wäre entschieden zu kurz gegriffen. Sämtliche zu beobachtenden Verschleiß-erscheinungen sind vielmehr Resultat eines komplexen Wechselspiels aller Bestandteile des Systems Boden – Werkzeug – Baumaschine [3].

1.2.1 Verschleißkosten im Bauwesen

Die Erhebung von Verschleißkosten ist grundsätzlich nicht einfach, da es häufig nicht eindeutig erkennbar ist, ob für aufgetretene Schäden tribologische Vorgänge als ausschließliche, oder zumindest hauptsächliche Ursache infrage kommen. Für die Bauwirtschaft ist eine Kostenanalyse, aufgrund der Vielzahl der Unternehmen, der weit gefächerten Palette von Maschinen und Verfahren sowie der in starkem Maße standortgebundenen Verschleißprobleme besonders problematisch. [78]

Verschleißkosten lassen sich nach Richter / Wiedemeyer (1989) in drei Arten untergliedern [78], siehe auch Abbildung 1-2:

Primäre (direkte) Kosten umfassen Aufwendungen im Zuge verschleißbedingter Instandhaltung bzw. Instandsetzung.

Sekundäre (indirekte) Kosten resultieren aus der Lagerhaltung von Ersatzteilen, unplan-mäßigem Produktionsausfall oder verschleißbedingt erhöhtem Energieaufwand.

Tertiäre (ebenfalls indirekte) Kosten sind nicht im Zuge der Produktion aufzuwenden, sondern fallen erst beim Verwender des Endprodukts an (z.B. Dimensionsunterschiede am Produkt).

Die Erfassung der indirekten Kosten ist, unabhängig von der Verschleißart und Fragestellung, besonders schwierig [78]; im Hinblick auf das Bauwesen erscheint es praktisch unmöglich, allfällige tertiäre Kosten überhaupt zu erkennen.

1) ÖNORM B 2203-2, Pkt. 4.3.4: „Bei extrem abrasivem Gestein (z.B. ab Cerchar Abrasivität Index 4,0) bzw.

Überschreiten der vertraglichen Bandbreiten der verschleißrelevanten Parameter können Erschwernispositionen vorgesehen werden, die den erhöhten Verschleiß der Bohrwerkzeuge und die daraus folgende Leistungs-minderung erfassen. Die Bestimmung der Abrasivität erfolgt durch geeignete Versuche, welche die

Abbildung 1-2: Entstehung und Zusammenhang der drei Kostenarten zufolge Abrasivverschleiß, nach [78].

Für Bauverfahren des Spezialtiefbaus und des Tunnelbaus können beispielhaft mögliche Kosten-ursachen im Zusammenhang mit Verschleißproblemen wie folgt angegeben und zugeordnet werden:

Primäre Kosten:  Personal- und Sachkosten für Wartung, Reparatur und Ersatz von Verschleißteilen

 Stillstandszeiten für die Durchführung von Reparatur- und Wartungs-arbeiten (Werkzeugwechsel)

Sekundäre Kosten:  Reduktion der Nettobohrleistung (Vortriebsleistung) infolge Abnutzung der Werkzeuge

 Erhöhung des Energieverbrauchs von Baumaschinen mit einge-schränkter Leistungsfähigkeit

 Zusätzliche Aufwendungen die erforderlich werden können, um die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten zu ermöglichen (Beispiel: Errichtung eines Revisionsschachtes für Arbeiten am Schneidrad einer Schildmaschine)

 Kosten für Ersatzgeräte

Tertiäre Kosten:  Bauteilschäden an den erdseitigen Oberflächen gerammter oder eingepresster Fertigteile

Um eine Vorstellung für das Einsparungspotential im Zusammenhang mit Verschleißfragen im Tiefbau zu erlangen, werden nachfolgend die für den Zeitraum 1980 bis 1983 erhobenen „Kosten zufolge Abrasion und Erosion von betroffenen Industriezweigen“ in der damaligen Bundesrepublik Deutschland angegeben [78], siehe auch Abbildung 1-3: Für den gesamten Bergbau (Steinkohle, Braunkohle, Erze, Salze etc.) betrugen die erhobenen Verschleißkosten mit 1,8 Milliarden D-Mark, was 5,5% des mittleren Bruttoproduktionswertes im betrachteten Zeitraum entspricht. Bei der Zementerzeugung wurden Verschleißkosten von 9 D-Mark / t, bzw. 8,6% des damaligen, mittleren Bruttoproduktionswertes ermittelt. Der jährliche Gesamtverlust in der bundesdeutschen Bauwirtschaft (Straßenbau, Abbruch und Wiederaufbereitung sowie Bauhauptgewerbe) zufolge Verschleiß-problemen wurde für den Zeitraum 1980 – 1983 mit mindestens 1,4 Milliarden D-Mark angegeben. Die Unsicherheit bei diesen Kosten ist jedoch, von allen betroffenen Industriezweigen, in der Bauwirtschaft mit Abstand am größten. [78]

Abbildung 1-3: Verteilung der Verluste infolge Abrasion und Erosion auf die betroffenen Industriezweige in Deutschland, Bezugsjahre 1980 – 1983, nach [78].

1.2.2 Nutzen der Quantifizierung von Abrasivität

Bislang stehen der Bauindustrie nur unzureichende Abrasivitätskennwerte für grobkörniges Lockergestein zur Verfügung. Werkzeugverschleiß und daraus resultierende Kosten für geplante Bauvorhaben lassen sich daher nicht einwandfrei kalkulieren. Dies bedeutet einerseits ein unakzeptables Baugrundrisiko, andererseits für die ausführenden Unternehmen ein dementsprechend hohes Planungs- und Kalkulationsrisiko. Präzise Ausschreibungsformulierungen der zu erwartenden Abrasivität wären zwar erwünscht (bzw. sind sogar gefordert), lassen sich jedoch mit dem gegenwärtigen Stand der Technik für grobkörniges Lockergestein streng genommen nicht geben.

Wenn die österreichischen Bau-Auftraggeber in Zukunft in der Lage sind, die Abrasivität von Locker-gestein bereits vor Bauausführung (idealerweise im Zuge der Baugrunduntersuchungen im Vorfeld

von Bauausschreibungen bzw. der erforderlichen Behördenverfahren) eindeutig zu quantifizieren, so würden sich aus heutiger Sicht folgende Vorteile für die gesamte Bauindustrie und für die Allgemeinheit ergeben:

Nutzen für Auftraggeber von Tiefbauprojekten im Lockergestein

 Reduzierung des Baugrundrisikos infolge der Möglichkeit zur genauen Beschreibung einer gegebenenfalls wesentlichen Baugrundeigenschaft;

 Erhöhung der Kostensicherheit bei Ausschreibung und Abrechnung;

 Verbesserung der Termintreue bei Ausführung der Arbeiten;

 Vermeidung von technisch riskanten Situationen während der Bauausführung (z.B.

Werkzeugwechsel am Schneidrad einer Schildmaschine unter Druckluftbeaufschlagung);

 Argumentationsgrundlagen bei Nachtragsbehandlungen.

Nutzen für Spezialtiefbau- und Tunnelbauunternehmen

 Kalkulationsgrundlage für den zu erwartenden Werkzeugverschleiß, daraus resultierende genauere Leistungsprognosen;

 Vermeidung von sog. sekundärem Verschleiß (das ist über das eigentliche Abbauwerkzeug hinausgehender Verschleiß, also z.B. an Werkzeughalterungen, in Förderleitungen, Pumpen);

 Grundlage für die Entwicklung von Maßnahmen zur Abminderung der Verschleißwirkung von abrasivem Boden;

 Potential zur Kostenoptimierung von Bauleistungen;

 Argumentationsgrundlagen bei Nachtragsforderungen;

 Wettbewerbsvorteile, resultierend aus den vorgenannten Punkten.

Nutzen für die Allgemeinheit

 Verbesserung der Qualität von behördlichen Einreichoperaten;

 Reduzierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs für die Bauausführung infolge Optimierung des Werkzeugverschleißes und durch weniger Verbrauch von Betriebsmitteln (Treibstoff etc.) und daraus folgend Schonung der Umwelt;

 Reduzierung von unvorhergesehenen Änderungen bei der Bauausführung und daraus folgend Vermeidung von zusätzlichen Belastungen für betroffene Dritte (z.B. Anrainer, Verkehrs-benutzer, politische Vertreter etc.).