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3.   Stand der Technik bei der Ermittlung von Abrasivität –

3.1.1   LCPC Abrasivitätsversuch

Die Französische Prüfnorm NF P18-579 „Granulats: Essai d´abrasivité et de broyabilité“ behandelt einen Verschleißtopfversuch, welcher in der deutschsprachigen Literatur unter der Bezeichnung LCPC-Versuch bekannt ist, da er am Laboratoire Centrale des Ponts et Chaussées (LCPC) entwickelt wurde [4, 25, 90].

Der zylinderförmige Versuchsbehälter verfügt über einen Innendurchmesser von 93 mm mit genau festgelegten Ausrundungen; ebenso sind die Abmessungen des Prüfkörpers und dessen Abstand zum Behälterboden in der Prüfnorm festgelegt, siehe Abbildung 3-2 links.

Zur Versuchsdurchführung werden 500 g ± 2 g einer ofengetrockneten Probe mit Korndurchmessern von 4,0 – 6,3 mm durch den Einfülltrichter in den Versuchsbehälter gefüllt. Der Prüfkörper ist ein quaderförmiger Drehflügel aus Stahl XC12, mit den Abmessungen 50 x 25 mm (± 0,5 mm) und einer Dicke von 5 mm (± 0,2 mm). Weiters ist für den Drehflügel eine Stahlhärte von Rockwell B 60 – 75 HRB vorgeschrieben und die Stahloberfläche ist laut Prüfnorm „sorgfältig sandzustrahlen“. [4]

Bei dem ursprünglich geforderten Drehflügelstahl XC12 handelt es sich jedoch um eine veralterte französische Stahlsorte, die heute nicht mehr zu beziehen ist. Die LCPC-Versuche am Institut für Geotechnik der TU Wien werden daher standardmäßig mit Stahldrehflügeln aus C15E (Werkstoff-nummer 1.1141), mit einer mittleren Härte von 76,0 HRB (Vickershärte i.M. 146,3 HV30) durchgeführt.

Hinsichtlich der Korngröße der Probe kann die Prüfnorm dahingehend ausgedehnt werden, dass auch Untersuchungen von feinkörnigem Material > 1 mm und grobkörnigem Material ≤ 8 mm Korndurch-messer gerätetechnisch möglich und sinnvoll sind. [35]

Nach der französischen Prüfnorm beträgt die Versuchsdauer 5 Minuten, während dieser Zeit rotiert der Stahldrehflügel mit einer Geschwindigkeit von 4.500 Umdrehungen pro Minute eben um seine Achse [4]. Der LCPC-Versuch kann bei dem Gerät der TU Wien zu jedem beliebigen Zeitpunkt unterbrochen werden, um den aktuellen Drehflügelverschleiß zu bestimmen und die Gesamtversuchs-dauer kann ebenfalls frei gewählt werden.

Abbildung 3-2: Links: Querschnitt durch den Behälter des LCPC-Abrasivitätsversuchs mit Drehflügel in Ver-suchsposition [4]. Rechts: Ansicht des LCPC-Geräts am Institut für Geotechnik der TU Wien und dessen wesentliche Bestandteile [33].

Die Masse des Prüfkörpers wird vor und nach dem Versuch genau gewogen und daraus wird die Verschleißmasse bestimmt. Der LCPC-Abrasivitätskoeffizient ABR [g/t] nach NF P18-579 errechnet sich dann wie folgt:

M

ABR  wm [g/t]

mit: wm [g] … Verschleißmasse des Drehflügels: Differenz von Ausgangsmasse m0 und Masse nach 5 Minuten Versuchsdurchführung m5  wm = m0 – m5

M [t] … Ausgangsmasse der Bodenprobe in Tonnen Setzt man die Ausgangs-Probenmasse

000 . 2

1 000 . 100

M 500  [t] in obige Formel ein, so erhält man mit ausreichender Genauigkeit für den LCPC-Abrasivitätskoeffizient:

m

BR 2000 w

A   [g/t]

Am Institut für Geotechnik der TU Wien werden, abgehend von der Prüfnorm und in Erweiterung des bisherigen Stands der Technik, auch „nasse“ LCPC-Versuche durchgeführt, wobei durch Zugabe von 75 g Leitungswasser ein Wassergehalt von w = 15% eingestellt wird. Niedrigere Wassergehalte lassen keine sinnvolle Versuchsdurchführung zu, da ein „hochviskoses“ Wasser-Bodengemisch am Versuchsbehälter, außerhalb der Reichweite des LCPC-Drehflügels, kleben bleibt und sich damit der Drehflügelverschleiß verringern würde [31, 35].

Einfülltrichter

Versuchsbehälter Antriebsmotor

Drehflügel

Nachfolgende Tabelle 3-1 enthält Anhaltswerte für LCPC-Abrasivitätskoeffizienten verschiedener Gesteine aus der Literatur.

Tabelle 3-1: Mittelwerte des LCPC-Abrasivitätskoeffizienten ABR [g/t] für Natursteine (40 Prüfergebnisse)nach [25].

Gestein ABR [g/t]

Quarzit 1.491

Granit aplitisch 1.420

Amphibolit 1.374 Sandstein (metamorph, quarzitisch) 1.333

Granit 1.228 Augengneis 1.201 Andesit 1.197 Schiefergneis 1.158 Quarzsandstein 1.060 Porphyrit 894 Sandstein, mittelhart 263

sandiger Kalk 236

Tonschiefer 125

Sandstein, weich 106

Der LCPC-Drehflügel wirkt infolge der Versuchsdurchführung stark zerkleinernd auf das Probenmaterial, siehe Abbildung 3-3. Die NF P18-579 führt daher als Maß für die Zerstörung des Abrasivguts den Brechbarkeitskoeffizient BR ein, welcher sich aus dem Gewichtsanteil des

„Mahlguts“ < 1,6 mm Korndurchmesser nach Versuchsdurchführung errechnet. Dieser wird der Ausgangsmasse des Prüfmaterials (500 g) gegenübergestellt:

M m

BR 100 [%]

mit: m [g] … Masse der Bodenprobe mit Korndurchmesser d < 1,6 mm nach der Versuchsdurchführung

M [g] … Ausgangsmasse der Bodenprobein Gramm

Abbildung 3-3: Bodenprobe und Drehflügel vor (links) und nach (rechts) einem LCPC-Versuch [35].

Für die Untersuchung von Lockergestein ist die Beschränkung des Prüfkorndurchmessers beim LCPC-Versuch auf 4,0 – 6,3 mm in der Regel inakzeptabel, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieser Teil der Feinkiesfraktion für das gesamte Kornverteilungsspektrum repräsentativ ist.

Aus diesem Grund werden in der Praxis häufig alle Anteile der Lockergesteinsprobe mit Korngrößen > 6,3 mm mittels mechanischer Brechung auf den zu prüfenden Korngrößenbereich zerkleinert und das gebrochene Korn entsprechend den Massenverhältnissen der Ausgangskörnung (Sieblinie) rückgemischt [90, 91]. Auf diese Weise wird immerhin der gesamte grobkörnige Boden bei der Abrasivitätsermittlung einbezogen. Die Scharfkantigkeit des gebrochenen Materials soll dabei nach Thuro et al. (2006) im LCPC-Versuch die ehemalige Korngröße repräsentieren [90], wofür jedoch bislang keine wissenschaftlichen Belege existieren. Da die durch Brechung entstehenden Kornformen vom jeweils eingesetzten Laborbrecher (z.B. Prallbrecher, Backenbrecher) maßgebend beeinflusst werden [85] ist die Hypothese, dass die Scharfkantigkeit des Bruchkorns die ursprünglichen Eigenschaften des Ausgangskorns richtig abbilden kann, letztendlich auch zu bezweifeln. Darüber hinaus ergaben eigene Untersuchungen, dass die mineralogische Zusammensetzung der Bruchkörnungen, in Abhängigkeit von der erzielten Korngröße schwankt und dass insbesondere der Quarzanteil in den Feinfraktionen nach dem Brechen signifikant geringer war als in der Ausgangs-körnung [35].

Bei der weiters gängigen Vorgehensweise zur Untersuchung von Lockergesteinen mit dem LCPC-Versuch werden die Feinkornanteile des Bodens ≤ 4 mm vernachlässigt, was damit begründet wird, dass diese die Abrasivität „erfahrungsgemäß dämpfen“ und somit ein oberer Grenzwert für den LCPC-Abrasivitätskoeffizient ermittelt wird [90]. Bei sehr feinteilreichen Böden wird auf diese Weise jedoch abermals nur eine eingeschränkt repräsentative Probe untersucht.

Schließlich muss – aufgrund der hohen Drehgeschwindigkeit (4.500 U/min  Geschwindigkeit der Flügelecke: ca. 13,2 m/s) – auch die grundsätzliche Vergleichbarkeit der tribologischen Verhältnisse von LCPC-Versuch und dem System „Bauwerkzeug – Boden“ infrage gestellt werden. Die kinetische Energie der Abrasivkörner nimmt mit der Geschwindigkeit quadratisch und mit dem Korndurchmesser in dritter Potenz zu. Letzteres wird auch zur Begründung herangezogen, warum sich die Abrasivität von Sanden, Schluffen und Tonen im LCPC-Versuch nicht „richtig“ abbildet [68].

Trotz der angeführten Kritikpunkte am LCPC-Versuch und seiner Anwendung in Lockergestein und obwohl wesentliche Lockergesteinseigenschaften mit Einfluss auf die Abrasivität (z.B. die Lagerungs-dichte und der Wassergehalt) nicht berücksichtigt werden können, stellt der LCPC-Versuch nach Thuro / Käsling (2009) die „momentan einzige etablierte Möglichkeit“ der Abrasivitätsbestimmung beliebiger Korngemische im Labor dar [88].