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5.   Ein neues Abrasimeter für Lockergestein

5.2   Das TU Wien Abrasimeter

5.2.1   Versuchseinrichtung und -durchführung

Die wesentlichen Bestandteile des TU Wien Abrasimeters sind in Abbildung 5-3 dargestellt, sie umfassen:

 den Versuchsbehälter mit 25 cm Innendurchmesser,

 den Drehflügel,

 die Auflast, bestehend aus Auflastring, Verschlusszylinder und externen Gewichten sowie

 den elektrischen Antriebsmotor.

Welle mit variablen Längen L = 94 mm

L = 119 mm L = 134 mm

1 2 3

Auflastring b = 70 mm h = 15 mm Haltekonstruktion für externe Gewichte Einfülltrichter

Verschluss-zylinder

Abbildung 5-3: Links: Gesamtansicht des TU Wien Abrasimeters und Bezeichnung seiner wesentlichen Bestandteile [32]. Rechts: Systemschnitt durch den Abrasimetertopf mit Auflastring und Verschlusszylinder in ihren Positionen während des Befüllens [18, 35].

Zur Versuchsdurchführung wird zunächst ein unbenutzter Drehflügel sorgfältig im Ultraschallbad gereinigt, getrocknet und gewogen und schließlich an der Drehwelle befestigt. Danach wird der saubere Versuchsbehälter in die Versuchsposition hochgefahren und am Verschlussdeckel befestigt, bevor die getrocknete Lockergesteinsprobe durch den Einfülltrichter eingebracht wird. Bei nassen Versuchen wird die geforderte Menge Flüssigkeit (i.d.R. Trinkwasser, aber auch z.B. Bentonit-suspension) vorab direkt in den Topf eingefüllt. Abschließend werden der Auflastring und der Verschlusszylinder auf die Oberfläche der Bodenprobe im Versuchstopf abgesenkt, die externen Gewichte angehängt und fixiert. Dann wird der Versuch gestartet und der Drehflügel rotiert innerhalb der Bodenprobe, was zu Verschleiß führt, wobei eine abrasive Beanspruchung des Drehflügels vorherrscht.

Bei jedem Messzeitpunkt (nach 0,5 h, 1 h, 2 h, …) wird der Versuch unterbrochen, Drehflügel und Bodenprobe werden ausgebaut, der Drehflügel wird sorgfältig gereinigt und sein Gewicht bestimmt.

Anschließend wird der Versuch weitergeführt, indem die oben beschriebenen Schritte wiederholt werden.

Die Durchführung von nassen Abrasimeterversuchen soll mit einem Wassergehalt von w = 10% ± 1%

erfolgen. Der Wassergehalt muss während der Versuchsdurchführung durch das Geschick der Laborantin oder des Laboranten möglichst beibehalten werden, wobei i.d.R. zu den Messzeitpunkten etwas Wasser ergänzt wird, um die (durch die Wärmeentwicklung im Versuch begünstigte) Verdunstung zu kompensieren.

Nach Versuchsende wird der Wassergehalt der Bodenprobe gemäß ÖNORM B 4410 und die Kornverteilungslinie gemäß ÖNORM B 4412 bestimmt.

Die nachfolgende Abbildung 5-4 zeigt spezielle Bestandteile des TU Wien Abrasimeters, welche im Zuge der Geräteentwicklung nachgerüstet wurden (zur Geräteentwicklung siehe im Detail [35]). Das Kunststofflager am Topfboden dient als zweite Auflagerung der Drehwelle, was sich insbesondere bei der Untersuchung von sehr grobkörnigem Material als vorteilhaft erwies, da die Drehwelle weniger belastet wurde. Die Kunststoffdichtung am Rand des Auflastrings soll das Einklemmen kleiner Probenkörner zwischen Auflastring und Topfwand vermeiden, was die Wirkung der Auflast während der Versuchsdurchführung reduzieren würde. Der Verschlusszylinder schließlich verhindert das Ablagern grober Probenbestandteile an der Oberseite des Auflastringes infolge Verdrängung nach oben, durch die Drehflügelrotation. Da sowohl das Auflastgewicht als auch die Probenmenge Einfluss auf die Größe des Drehflügelverschleißes haben, ist es notwendig deren Wirksamkeit über die Versuchsdauer sicherzustellen.

Abbildung 5-4: Links: Darstellung des Gegenlagers der Drehwelle am Topfboden.

Rechts: Verschlusszylinder des Auflastrings und Kunststoffdichtung zwischen Auflastring und Topfwandung [18, 35].

Fa. WILLE APS (2011)

Der Abstand des Abrasimeter-Drehflügels zum Topfboden ist in Abhängigkeit von der Korngröße der Bodenprobe einzustellen. Dabei ist die gewogene mittlere Korngröße der Bodenprobe heran-zuziehen, welche die Korngrößenverteilung von weitgestuften Böden besser berücksichtigt als z.B.

das arithmetische Mittel. [18, 35, 67]

Die gewogene mittlere Korngröße dgm [mm] berechnet sich zufolge:

i

dm,i [mm] … arithmetischer Mittelwert der oberen und unteren Korngrößengrenze der jeweiligen Korngruppe i

Durch Anbringen des auf die Korngrößen der Probe abgestimmten Passstücks der Drehwelle wird die Höhenlage des Drehflügels im Topf variiert, siehe Tabelle 5-3. Für sehr grobkörniges Material (dgm > 16 mm) wird mittels des kürzesten Passstücks der größte Abstand zum Topfboden eingestellt.

Somit wird einerseits das Drehmoment das der Elektromotor für die Flügelrotation aufbringen muss reduziert, was die Durchführungssicherheit des Versuches erhöht. Andererseits ermöglicht der große Spalt, dass auch Probenmaterial an der Unterseite des Drehflügels kann, was die Vergleichbarkeit mit Abrasimeterversuchen kleinerer Korngrößen verbessert. Für eher feinkörniges Probenmaterial (dgm < 8 mm) wird mit dem längsten Drehwellen-Passstück der kürzeste Abstand zum Topfboden eingestellt. Dies erscheint erforderlich, da andernfalls zu geringe Drehflügelverschleißmassen ermittelt werden. Dies wird auf das geringere Probenvolumen einer Bodenprobe mit kleinen Korndurchmessern im Vergleich zu einer grobkörnigen Probe derselben Masse zurückgeführt, woraus sich eine (zu) geringe Überdeckung des Drehflügels mit Probenmaterial ergibt.

Tabelle 5-3: Wahl des Passstücks der Drehwelle des TU Wien Abrasimeters, in Abhängigkeit von der gewogenen mittleren Korngröße des Abrasivguts [18, 35].

Länge des mittleren Passstücks der Drehwelle deckte bislang alle mit dem TU Wien Abrasimeter geprüften natürlichen Lockergesteine (Größtkorn 31,5 mm) ab, was für die Vergleichbarkeit der Versuchs-ergebnisse vorteilhaft ist. Sollte jedoch mehr als die Hälfte der Probemasse Korndurchmesser größer 16 mm haben, wird die Verwendung des kurzen Passstücks empfohlen, auch wenn der gewogene mittlere Korndurchmesser kleiner 16 mm sein sollte.

Um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, die in weiterer Folge untereinander vergleichbar sind, ist es erforderlich, die wesentlichen Versuchsrandbedingungen konstant zu halten, sodass die Abrasivität der Bodenprobe die einzige variable Größe im Versuch darstellt. Tabelle 5-4 gibt einen Überblick über die Randbedingungen die mit dem gegenwärtigen Ausbaustand des TU Wien Abrasimeters variiert werden können.

Tabelle 5-4: Zusammenfassung der variablen und der unveränderbaren Randbedingungen des TU Wien Abrasimeterversuchs [32, 35].

Standard-Drehflügel

Abmessungen 67 x 134 x 13 mm

Stahl C15E (1.1141), sandgestrahlt 30 m Härte i.M. 67 HRB, bzw.126 HV30 Umdrehungsgeschwindigkeit 1 – 100 U/min

Versuchsbehälter Stahlzylinder S235JR (entspr. St37-2), Innendurchmesser 250 mm

Bodenprobe 5.000 – 10.000 g

Zusätze gemäß Versuchsprogramm Passstücke der Drehwelle 45 mm, 70 mm, 85 mm

Auflastring 5.500 g

Verschlusszylinder 2.000 g

Externe Gewichte 0 – 12.000 g

Die Randbedingungen für die Durchführung eines TU Wien Abrasimeter-Standardversuchs sind in dem derzeit in Ausarbeitung befindlichen ÖBV-Merkblatt zur „Abrasivitätsbestimmung von grob-körnigem Lockergestein“ wie folgt festgeschrieben [18]:

Bodenprobe 7.000 ± 50 g Externe Gewichte 2 x 3.000 ± 50 g

Drehzahl 100 U/min, elektronisch eingestellt Nasse Versuche 700 ± 70 g Trinkwasser

Jede Abweichung von den Standard-Versuchsbedingungen muss im Prüfbericht ausgewiesen werden [18]. Die Ergebnisse von Standardversuchen können nicht vorbehaltlos mit Abrasimeterversuchen unter veränderten Randbedingungen verglichen werden, letztere können jedoch für die Untersuchung spezieller Fragestellungen vorteilhaft und erforderlich werden. Allfällige besondere Beobachtungen während der Versuchsdurchführung (z.B. Freischlagen des Drehflügels, Lockerung der Fixierungen der externen Gewichte, Versuchsunterbrechungen) müssen ebenfalls sorgfältig dokumentiert werden, da sie i.d.R. von Einfluss auf die gemessene Drehflügelverschleißmasse sind.

Die Auflast im TU Wien Standard-Abrasimeterversuch von 13,5 kg solle einer mittleren Lagerung-dichte des Lockergesteins entsprechen. Sollen locker gelagerte Böden untersucht werden, können die externen Gewichte weggelassen werden, die Auflast reduziert sich dann auf 7,5 kg (Auflastring und Verschlusszylinder). Eine hohe Lagerungsdichte des Bodens kann durch Aufbringen der maximalen Auflast von 19,5 kg simuliert werden, jedoch liegen bislang noch keine Versuchs-erfahrungen mit diesem Auflastgewicht vor.

Dem Drehflügel kommt als Grundkörper im Abrasimeterversuch besondere Bedeutung zu, weshalb der Standard-Drehflügel gemäß Tabelle 5-4 genau festgelegt ist [18, 35]. Die Herstellungstoleranzen der Drehflügelabmessungen sind der Abbildung 5-5 zu entnehmen, die Toleranz der Blechdicke beträgt ± 0,2 mm. Zur Untersuchung spezieller Fragestellungen mit dem TU Wien Abrasimeter wären allerdings auch Sonderanfertigungen von Grundkörpern, mit variablen Formen und aus verschiedenen Materialien, denkbar.

In Abbildung 5-5 ist ein ungebrauchter Standard-Drehflügel einem Drehflügel nach mehrstündiger Versuchsdurchführung gegenüber gestellt. Die Verschleißspuren sind deutlich, anhand der Kratzer, Rillen und Furchen erkennbar, die bereichsweisen, gelblichen Verfärbungen an der Oberfläche sind auf die nasse Versuchsdurchführung zurückzuführen (erhöhter Sauerstoff- und Siliziumgehalt [35]).

Abbildung 5-5: Drehflügel des TU Wien Abrasimeters. Links: vor Versuchsdurchführung mit Abmessungen und Toleranzen, rechts: nach Versuchsdurchführung [32].

Die hochauflösenden Aufnahmen eines Elektronenrastermikroskops in Abbildung 5-6 zeigen die Veränderungen der Drehflügeloberfläche infolge Versuchsdurchführung und ihre unterschiedlichen Ausformungen deutlich: Die Rauheitsspitzen des ungebrauchten Drehflügels sind nach trockener Versuchsdurchführung bereits merklich reduziert, nach einer nassen Versuchsdurchführung (w ~ 10%) wird eine noch größere Glattheit erzielt und es sind bereichsweise feine, wellenförmige Lamellen erkennbar, was auf eine hydroabrasive Beanspruchung hinweist. Jedoch ergeben sich beim TU Wien Abrasimeter-Drehflügel keine unterschiedlichen Ausformungen der Eckenabnutzung bei trockener oder bei nasser Versuchsdurchführung (vergleichbar etwa mit der Zuspitzung bei LCPC-Drehflügeln in nassen Versuchen).

ungebrauchter Drehflügel (sandgestrahlte Oberfläche)

Drehflügel nach trockener

Versuchsdurchführung (3h) Drehflügel nach nasser

Versuchsdurchführung (2h)

Abbildung 5-6: Details der Oberflächenstruktur von TU Wien Standarddrehflügel im Transmissionselektronen-mikroskop vor und nach TU Wien Abrasimeterversuchen [35].

Während der Versuchsdurchführung kommt es infolge der Drehflügelrotation zu einer Veränderung der Bodenprobe (~ Kornverfeinerung): Es entsteht Mahlgut, die Korndurchmesser verringern sich und die Kornrundung nimmt tendenziell zu, einzelne Körner großen Durchmessers werden auch gebrochen (was sich während des Versuchs oft akustisch wahrnehmen lässt). Die Veränderung der Bodenprobe wird nach Abschluss des TU Wien Abrasimeterversuchs durch die Kornverteilungslinie dokumentiert (Vergleich vorher – nachher).

Darüber hinaus besteht während der Versuchsdurchführung die Tendenz der Bodenprobe zur Entmischung im Versuchsbehälter, und zwar sowohl bei trockenen als auch bei nassen Versuchen, siehe Abbildung 5-7: Grobkörniges Material sammelt sich überwiegend im Rotationszentrum und wird nach oben gedrückt (weshalb ein Verschluss der Öffnung des Auflastringes erforderlich wurde, siehe

„Verschlusszylinder“ in Abbildung 5-4, rechts), das feinkörnige Probenmaterial und das entstehende Mahlgut werden hingegen an den Topfrand und -boden gedrängt und dort unter Umständen sogar zu einer kompakten Matrix gepresst.

USTEM TU Wien (2012)USTEM TU Wien (2012) USTEM TU Wien (2012)

Abbildung 5-7: Links: Entmischung einer trockenen Bodenprobe infolge Rotation des Drehflügels. Rechts:

Kompakte Matrix am Topfrand und -boden, welche – nach Abkippen der losen Proben-bestandteile – nicht durch ihr Eigengewicht aus dem Behälter fällt.

Das wiederholte Aus- und Wiedereinbauen des Probematerials bei jeder Versuchsunterbrechung zur Messung des Drehflügelgewichts führt gleichzeitig zu einer erzwungenen Durchmischung der Boden-probe. Auf diese Weise wird der Drehflügel zumindest temporär wieder in Kontakt mit der gesamten Kornverteilung der Probe gebracht. Die Dauer zwischen den Versuchsunterbrechungen (bis zur händischen Durchmischung der Probe) beeinflusst somit den Verschleiß des Drehflügels, weshalb die Messzeitpunkte bei jeder Versuchsreihe möglichst gleich belassen werden sollen. Im ÖBV-Merkblatt sind die Messzeitpunkte mit 30, 60 und 120 Minuten festgelegt.

Zur Absicherung des Verschleißverlaufes wird empfohlen, bei jedem Abrasimeterversuch mindestens drei Messwerte des Drehflügelverschleißes zu ermitteln. Eine zu lange Versuchsdauer bedeutet jedoch meist schon sehr starke Veränderungen der Bodenprobe und daraus ergeben sich nachteilige Auswirkungen auf die Versuchsdurchführung und auf den Drehflügelverschleiß (z.B. gedämpfte Verschleißentwicklung, Freischlagen des Flügels). Die Gesamtversuchslaufzeit wurde daher beim Standard-Abrasimeterversuch auf 2 Stunden begrenzt, was aufgrund der bisherigen Erfahrungen ein sinnvolles Maß darstellt, bei dem mit vertretbarem Arbeitsaufwand eine optimale Aussagekraft erzielt werden kann.

Als alternative Versuchsdurchführung wäre es denkbar, zu jedem Messzeitpunkt die gesamte Bodenprobe durch frisches Material zu tauschen, womit die Einflüsse aus der Kornverfeinerung weitestgehend reduziert werden könnten und der Abrasimeterversuch einem offenen tribologischen System angenähert wird. Jedoch wären für einen derartigen Versuch zumindest 3 x 7 = 21 kg möglichst homogenes Probenmaterial erforderlich.

Anzumerken wäre noch, dass es, insbesondere bei trockener Versuchsdurchführung und großen Korndurchmessern des Probenmaterials, infolge der entstehenden Reibungswärme zu einem deutlichen Temperaturanstieg im Versuchstopf kommt (bislang wurden innerhalb der Bodenprobe bei Versuchsunterbrechung maximal 48°C gemessen).