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Wahlprozedere: Richterinnen und Richter, Generalstaatsanwältin bzw

8.5.1 Einleitung

Die Justizreform führte zu bedeutenden Änderungen in der Kompetenzordnung für Wahlen.

 Die bisherige Volkswahl der erstinstanzlichen Richterinnen und Richter in den ehemaligen 13 Gerichtskreisen (welche aufgrund vorgängiger Absprachen freilich häufig in eine stille Wahl mündete) erfolgt nun für die vier Gerichtsregionen – unter Einschluss der Laienrichterinnen und -richter – durch den Grossen Rat. Auch die Oberrichterinnen und Oberrichter, die Präsi-dentin oder der Präsident des Obergerichts, die Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungs-richter sowie die Präsidentin oder der Präsident des Verwaltungsgerichts werden durch den Grossen Rat gewählt. Dasselbe gilt auch für die Präsidentinnen und Präsidenten sowie die Mitglieder der Steuerrekurskommission, der Enteignungsschätzungskommission, der Boden-verbesserungskommission und der Kommission für Massnahmen gegenüber Fahrzeugfüh-rern und schliesslich auch für die Vorsitzenden und Mitglieder der Schlichtungsbehörden. Die Wahlvorbereitung erfolgt durch die Justizkommission.

 Die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt sowie die stellvertretenden Gene-ralstaatsanwältinnen oder Generalstaatsanwälte werden durch den Grossen Rat gewählt. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie die Jugendanwältinnen und Jugendanwälte wer-den von der Geschäftsleitung der Generalstaatsanwaltschaft angestellt.

Die Justizkommission des Grossen Rats bereitet die Wahlen und Wiederwahlen der Richterinnen und Richter vor. Sie unterbreitet dem Grossen Rat nach Anhörung des Obergerichts, des Ver-waltungsgerichts, der Generalstaatsanwaltschaft, des bernischen Anwaltsverbands sowie des Vereins bernischer Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten eine Wahlempfehlung für jede zu besetzende Richterstelle und entscheidet, welche Personen zur Wiederwahl vorgeschlagen werden.

Beim Wahlprozedere ist zu evaluieren, ob die Zuständigkeiten für die Wahl und die Wahl an eine bestimmte Gerichtsbehörde sinnvoll sind. Dazu wurden die Leiterinnen und Leiter der Gerichts-behörden und der Anwaltsverband sowie Vorsteherinnen und Vorsteher aus der Verwaltung be-fragt.

8.5.2 Erkenntnisse aus den Gesprächen

Wahlzuständigkeiten

Die Vorsitzenden der Gerichtsbehörden begrüssen den Grossen Rat als Wahlbehörde. Von ein-zelnen Befragten wird bedauert, dass die Wahlen wieder zunehmend politisch werden. In diesem Zusammenhang wünschte man sich ein von politischen Überlegungen unabhängigeres Wahlgre-mium. Eine konkrete Alternative wird jedoch nicht erkannt. Auch wird vereinzelt bemängelt, dass die Justizkommission die fachliche Eignung nur unzureichend beurteilen kann, da aktuell die Mehrheit der Mitglieder über keinen juristischen Hintergrund verfügt.

Institutionelle Unabhängigkeit der Justiz ECOPLAN / WENGERPLATTNER

Wahl an eine bestimmte Gerichtsbehörde

Die Wahl an ein bestimmtes kantonal zuständiges Gericht wird von diesen als positiv beurteilt.

Die jeweiligen Gerichte sind auf besondere Rechtsgebiete spezialisiert und daher auf Richterin-nen und Richter angewiesen, welche über die erforderten Fachkenntnisse verfügen und sich auch für das entsprechende Fachgebiet interessieren.

Bei den Regionalgerichten und Schlichtungsbehörden werden die Richterinnen und Richter durch den Grossen Rat in das Amt gewählt und anschliessend durch die Geschäftsleitung des Obergerichts regional zugeteilt. Diese Zuteilung durch das Obergericht wird von den Regional-gerichten begrüsst, zumal damit ein flexibler Belastungsausgleich erreicht werden kann.

Vereinzelt wird von Vorsitzenden der Regionalgerichte moniert, dass das gegenwärtige Wahlpro-zedere zur Nachwuchsförderung hinderlich ist. Gewünscht wird mehr Durchlässigkeit für die Ge-richtsschreibenden, d.h. dass sie bei ihrem Bestreben, eine richterliche Karriere anzustreben, unterstützt und auch gefördert werden. Demgegenüber sind die Geschäftsleitenden der Schlich-tungsbehörden der Ansicht, dass bei ihren Gerichtsschreibenden kein solches Bedürfnis besteht, da sie bei den Schlichtungsbehörden mit der zusätzlichen Rechtsberatung vielfältige Aufgaben erfüllen können.

Anstellungen in der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft sieht es als grosse Errungenschaft, dass die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nicht mehr gewählt, sondern vom Generalstaatsanwalt angestellt werden.

Dadurch hätte die Qualität der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zugenommen, da fachliche und nicht mehr politische Kriterien (Parteizugehörigkeit) im Vordergrund stehen würden.

Der Grosse Rat wählt den Generalstaatsanwalt oder die Generalstaatsanwältin, nachdem die Justizkommission mehrere Gespräche mit den Kandidaten geführt hat. Zusätzlich werden die Meinungen der Justizbehörden und der Anwaltschaft eingeholt. Eigentliche Assessments werden seitens der Justizkommission nicht durchgeführt. Die Generalstaatsanwaltschaft führt ein Asses-sment bei der Besetzung der Stellen von leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälten durch.

8.5.3 Schlussfolgerungen

 Die Zuständigkeiten für die Wahl sind sinnvoll und zweckmässig. Es gibt keine Hinweise dafür, dass Änderungen beim Wahlgremium vorgenommen werden müssten. Der Justizkommission kommt bei der Wahlvorbereitung eine wichtige Rolle zu. Erwünscht ist, dass nebst dem Par-teienproporz fachliche Kriterien den Ausschlag geben. Die Parteien sollen dazu ermuntert werden, mehrere Kandidierende aufzustellen, um eine qualitative Auswahl auch innerhalb ei-ner Partei zu ermöglichen.

 Die Wahl an eine bestimmte Gerichtsbehörde überzeugt aus fachlicher Perspektive, schränkt jedoch die Möglichkeit zur Durchlässigkeit und für einen Belastungsausgleich zwischen den erstinstanzlichen Gerichten ein. Handlungsbedarf besteht dennoch nicht, da ausreichende gesetzliche Aushilfsregeln bestehen. Allenfalls könnte zur Erhöhung der Durchlässigkeit die

Wahl der erstinstanzlichen Richterinnen und Richter der Regionalgerichte und jene der Schlichtungsbehörden in einen gemeinsamen Pool geprüft werden.

 Kritischer zu beurteilen ist die Frage, wie der Grosse Rat bei der Wahl der Richterinnen und Richter sowie der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt verfährt und ob bzw.

auf welche Instrumente zurückgegriffen wird. Namentlich wird empfohlen, bei der Besetzung von Richterstellen an den obersten Gerichten und bei Wahlen in die Generalstaatsanwalt-schaft den Einsatz von Assessments zu prüfen. Bei der Einsetzung von Amtsleitenden werden derartige Instrumente bereits angewendet. Eine Bewerbung mit Assessments hätte zudem eine Auswirkung auf mögliche Bewerbungen ausserhalb des Kantons Bern.

Fazit – Conclusion ECOPLAN / WENGERPLATTNER

9 Fazit – Conclusion