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Institutionelle Unabhängigkeit der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft

8.1.1 Einleitung

Die institutionelle Unabhängigkeit umfasst zwei wesentliche Elemente44: das selbständige Budgetantragsrecht und den Grundsatz der Selbstverwaltung.

Selbständiges Budgetantragsrecht

Für die drei Produktegruppen Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft wird gesamthaft eine separate Rechnung geführt. Voranschlag (VA), Aufga-ben- und Finanzplan (AFP) sowie der Geschäftsbericht von Gerichtsbehörden und Staatsanwalt-schaft werden durch die Justizleitung erstellt (Art. 18 Abs. 1 lit. b GSOG). Der Voranschlag sowie der Aufgaben- und Finanzplan sind vor der Weiterleitung an den Regierungsrat der Justizkom-mission des Grossen Rates zur Kenntnis zu bringen. Der Regierungsrat übernimmt den durch die Justizleitung erarbeiteten Voranschlag und den Aufgaben- und Finanzplan unverändert in den Voranschlag und in den Aufgaben- und Finanzplan des Kantons auf und nimmt dazu Stellung (Art. 11 GSOG).

Diese Regelung stellt die Kommissionen und den Grossen Rat vor besondere Herausforderun-gen, da der Regierungsrat gegenüber der Justiz über keine Weisungsbefugnis mehr verfügt und die Justizleitung ihren VA/AFP selbst vor dem Grossen Rat vertritt.

Grundsatz der Selbstverwaltung

Dieser Grundsatz umfasst insbesondere die Befugnis, das erforderliche und geeignete Personal selbst einzustellen sowie Güter und Dienstleistungen, die zur Aufgabenerfüllung der Justiz not-wendig sind, selbständig zu beschaffen. Zum Grundsatz der Selbstverwaltung gehört die eigen-ständige Berichtserstattung der Justiz (Art. 18 Abs. 1 lit. e GSOG). Zudem gehört auch die Kom-petenz, die basierend auf dem genehmigten Budget zugewiesenen finanziellen Mittel im Rahmen des geltenden Rechts selbständig zu verwalten, zu diesem Grundsatz.

Wenn die Gerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaft ihr Gesamtbudget gemeinsam erstellen und vor dem Grossen Rat vertreten, bedarf es hierfür eines geeigneten Führungsorgans. Diese Aufgabe übernimmt die Justizleitung. Dadurch wird die Selbstverwaltung massgeblich gestärkt.

Ergänzend dazu soll die Geschäftsleitung des Obergerichts eine grössere operative Verantwor-tung übernehmen sowie die Aufgaben, welches bisher die Aufsichtskammer des OG erfüllte.

44 Vgl. Vortrag RegR z.H. GrR zur Umsetzung JR II, S. 14 ff.

Beim Verwaltungsgericht wurde die institutionelle Unabhängigkeit durch die Einführung einer Ge-schäftsleitung mit erweiterten Kompetenzen an Stelle der bisher eingesetzten Verwaltungskom-mission gestärkt.

Exkurs zur Interpretation der institutionellen Unabhängigkeit

Aus den rechtlichen Rahmenbedingungen zur institutionellen Unabhängigkeit folgt, dass diese nicht in einem absoluten, umfassenden Sinn zu verstehen ist. Aufgrund der Gewaltentrennung liegt die organisatorische Zuteilung der Justizverwaltung in einem verfassungsrechtlichen Span-nungsfeld (v.a. zur Verwaltung i.S. der Vollzugsfunktion als Kernaufgabe der Exekutive). Insofern erscheint eine weitestgehend selbständige Justizverwaltung wohl wünschenswert, aber nicht zwingend notwendig, um die gerichtliche Unabhängigkeit zu wahren. Die sachlichen und per-sonellen Voraussetzungen zur Wahrnehmung der Rechtsprechung können somit funktionell (organisatorisch) auch einem anderen Staatsorgan übertragen sein, namentlich der kantona-len Verwaltung.

In diesem Sinn stecken auch die kantonal-rechtlichen Vorgaben den Umfang der institutio-nellen Unabhängigkeit von Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft insofern ab, als damit keine umfassende administrative Autonomie verbunden ist. Im Gegenteil ist gesetzgeberisch sogar erwünscht, administrative Aufgaben  mit Blick auf den Grundsatz der Kostenorientierung  soweit sinnvoll zur Ausführung an die kantonale Verwaltung zu delegieren. Wesentlich ist, dass Gerichtsbehörden und Staatsanwaltschaft letztlich in materieller, inhaltlicher Hinsicht gestützt auf die effektiven Zahlen ihres jeweiligen Geschäftsgangs selbständig und direkt Anträge stellen kön-nen für das von ihkön-nen benötigte Budget, und dass alsdann über das bewilligte Budget auch nur entsprechend ihren Weisungen verfügt wird. Damit ist der Kern der institutionellen Unabhän-gigkeit der Gerichtsbarkeit gewahrt.

8.1.2 Erkenntnisse aus den Gesprächen

Während die zusätzlich gewonnene Unabhängigkeit von Seiten der Justiz durchwegs begrüsst wird, sind die befragten Regierungsratsmitglieder und der Staatsschreiber skeptischer.

Insbesondere wird bemängelt, dass die Unabhängigkeit sehr rasch umgesetzt wurde und dies dazu geführt hat, dass die Balance der Staatsgewalten ins Wanken geraten ist und Unsicherhei-ten vor allem in der Rollenverteilung von Regierung und Justiz entstanden sind. Die damalige Regierung hatte im Prozess zur Umsetzung dieses neuen Modells keine Einwände gegen das selbständige Budgetantragsrecht der Justiz erhoben und dieses nicht in Frage gestellt. Demge-genüber herrscht heute eine gewisse Unzufriedenheit in der Regierung, wenn z.B. der Grosse Rat basierend auf dem justizeigenen Budgetantrag der Justiz mehr Stellen zuspricht, während für die Verwaltung ein Anstellungsmoratorium gilt, zumal dieses Moratorium auch Bereiche be-trifft, die einen nahen Bezug zur Justiz aufweisen (z.B. Strafvollzug).

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Insbesondere im HR-Bereich bemängeln die befragten Regierungsratsmitglieder die Distanz der Justiz vom Personalamt. Ungeachtet dessen, dass die Regierung die zusätzlich gewonnene Un-abhängigkeit der Justiz akzeptiert hat, wird Optimierungsbedarf bei der aktuellen Verteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zur Justizadministration erkannt. Konkret wird gewünscht, dass die im Zug der Umsetzung der Verselbständigung der Justiz entstandenen Doppelspurigkeiten beseitigt werden. Dazu wird vorgeschlagen, vor allem die staatlichen Dienstleistungsbereiche, Infrastruktur (IT/Gebäude), Rechnungs- und Personalwesen nach wie vor zentral zu organisie-ren. Damit liessen sich Synergien nutzen und könnte die Effizienz gesteigert werden. Dabei ist zu betonen, dass die gesetzlich neu geregelte Form von Unabhängigkeit der Justiz nicht tangiert wird, sieht es das Gesetz gerade vor, justizadministrative Aufgaben an die – dazu kompetente und erfahrene – kantonale Verwaltung zur Ausführung zu delegieren (Art. 4-6 und 9 f. GSOG;

v.a. Art. 5 Abs. 2 und 3 sowie Art. 6 GSOG und Art. 3 FLG).

Die Zusammenarbeit in den Bereichen Gebäude und IT erscheint aus Sicht der Regierung als richtig aufgegleist. Die Zusammenarbeit wird demgegenüber von Seiten der Justiz und der waltung als verbesserungswürdig erachtet. Problematisch erscheint dabei in erster Linie das Ver-ständnis der Verselbständigung der Justiz, welche nicht von beiden Seiten gleich verstanden wird (vgl. Kapitel 8.2). Ein gewisses Unverständnis besteht in der Regierung ferner im Bereich des Personalwesens (HR). Aus ihrer Sicht ist dafür nach wie vor das Personalamt zuständig, welches für alle Angestellten im Kanton – d.h. auch für das Justizpersonal – die Spitze innerhalb der Behördenhierarchie bildet, und deshalb namentlich auch für die strategische Personalführung zuständig ist. Die verschiedenen Stellen innerhalb der Justiz, welche mit der Personaladminist-ration betraut sind, wurden anlässlich der Umsetzung zur Verselbständigung der Justiz geschaf-fen. Die Schnittstellen sind dabei nicht klar definiert, sodass Doppelspurigkeiten bestehen. Be-troffen sind konkret die Stabsstelle Ressourcen der Justizleitung, die Generalsekretariate beim Obergericht, Verwaltungsgericht und der Staatsanwaltschaft, sowie die Ressourcenverantwortli-chen bei den Regionalgerichten.

8.1.3 Schlussfolgerungen

 Handlungsbedarf besteht vorrangig darin, die aufgezeigten Schnittstellen bei den Dienstleis-tungsfunktionen zu bereinigen.

 In erster Linie ist die Schnittstelle Justiz – Personalamt zu bereinigen. Unklar scheint insbe-sondere die Rollenteilung der strategischen Personalführung, welche nach Auffassung von Regierung und Verwaltung auch in Bezug auf das Justizpersonal dem Personalamt obliegt, wogegen die Justizleitung diesbezüglich eine andere Auffassung hat. Weiter ist namentlich zu prüfen, für welche administrativen Aufgaben resp. Abläufe – wie etwa bei einer Neuanstel-lung – eine einzige gesamtkantonal zuständige Stelle ausreichend ist. Namentlich bei der Personalverwaltung besteht der Anschein, dass eher emotional motivierte statt rational be-gründete Schnittstellen geschaffen wurden, welche zu Ineffizienzen führen.

 Zudem ist das Verständnis der Verselbständigung der Justiz innerhalb der drei Staatsgewal-ten zu klären.

 Gesamthaft besteht aus Sicht der Evaluatorinnen und Evaluatoren basierend auf den geführ-ten Gesprächen der Eindruck, dass die konkregeführ-ten praktischen Auswirkungen des eingeführgeführ-ten

selbständigen Budgetantragsrechts der Justiz im Rahmen der Vernehmlassung zur Reform nicht genügend bedacht resp. abgeschätzt werden konnten. Eine Abkehr vom eingeführten Budgetantragsrecht steht jedoch nicht zur Diskussion, zumal dies seitens der Justiz zu Recht als Beschneidung ihrer durch die Reform erweiterte Unabhängigkeit empfunden würde.

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8.2 Verhältnis Verwaltung-Justiz / Zusammenarbeit zwischen den