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4.6.1 Einleitung

Mit der Schaffung von regionalen Schlichtungsstellen wurde eine einzige regionale und bürger-nahe Schlichtungsstelle geschaffen, welche in sämtlichen Streitigkeiten, welche einer tungspflicht unterliegen, angerufen werden muss. Diese Fälle können erst nach einem Schlich-tungsversuch an eine Gerichtsinstanz gelangen.

Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten in:

 Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 1951;

 Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirt-schaftlicher Pacht, sofern die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, der Schutz vor miss-bräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, der Kündigungsschutz oder die Erstreckung des Miet- und Pacht-verhältnisses betroffen ist;

 den übrigen vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 5000 Franken (Art. 210 ZPO).

Evaluiert wurde, ob die Schlichtungsbehörden die Gerichtsbehörden entlasten und ob die Fall-bearbeitung der Schlichtungsbehörden effizient, verhältnis- und zweckmässig erfolgt. Dazu wur-den die Präsidien der regionalen Schlichtungsbehörwur-den und Regionalgerichte, sowie die Ge-schäftsleitung des Obergerichts, der Gerichtsinspektor und die Leitung der Zivilabteilung befragt.

Organisatorische Aspekte und die Spruchkörperregelung werden in Kapitel 4.1.2 behandelt.

4.6.2 Erkenntnisse aus den Gesprächen

Entlastungswirkung

Die Berner Schlichtungsbehörden gelten als Erfolgsmodell. Alle Gesprächspartner haben sich äusserst positiv geäussert. Sie sind nach den Erkenntnissen aus den Interviews gut organisiert, funktionierten gut und sind in der Bevölkerung akzeptiert. Aufgrund der Professionalität und der fachlichen Kompetenz der Behörden ist die Akzeptanz auch bei den Anwälten gross. Den Schlichtungsbehörden wird auch von Seiten Obergericht ein gutes Zeugnis ausgestellt. Diese sind mit der Funktionsweise und der Fallbearbeitung zufrieden.

Die Schlichtungsbehörden im Kanton Bern sind im schweizweiten Vergleich die erfolgreichsten.

Eine im Frühjahr 2014 von der Universität Zürich veröffentlichte Untersuchung hat die verschie-dene Schlichtungsmodelle – gerichtsinterne Schlichtung, Schlichtungsamt-Modell,

Friedensrich-termodell – verglichen. Die Autoren kommen dabei zum Schluss, dass gerichtsnahe Schlich-tungsmodelle eine tiefe Schlichtungsquote, hingegen unabhängige Schlichtungsbehörden eine hohe Erfolgsquote aufweisen:18

 Erledigungsquote19 bei Friedensrichtermodell: 49.3 Prozent

 Erledigungsquote bei gerichtsnaher Schlichtung: 43.6 Prozent

 Schlichtungsbehörden-Modell: 65.4 Prozent

Die Schlichtung im Kanton Bern war innerhalb der Schlichtungsbehörden-Modelle (BE, NW, OW, UR) nochmals signifikant erfolgreicher (10-15% höhere Einigungs- bzw. Erledigungsquote).20 Kettiger kommt in seiner Anmerkung zur Untersuchung der Universität Zürich zum Schluss, dass die Folgerungen von Meier/Scheiwiller plausibel sind und die Organisationsform von Schlich-tungsbehörden einen grossen Einfluss auf die Erfolgsquote zu haben scheint. Das Organisati-onsmodell der Schlichtungsbehörden im Kanton Bern erweist sich dabei als besonders erfolg-reich.21

Die Schlichtungsbehörden im Kanton Bern erreichten 2014 die folgenden Erledigungsquoten.

Abbildung 4-8: Erledigungen Schlichtungsbehörden insgesamt

Erledigung Schlichtungsbehörden insgesamt = 100% 100% 6’607

Vergleichsquote ca. 44% 2’907

Rückzug, Anerkennung etc. ca. 30% 1’982

Angenommene Urteilsvorschläge ca. 5% 330

Entscheide ca. 5% 330

Klagebewilligungen (max. an Regionalgericht) ca. 16% 1058

Quelle: Statistiken des Gerichtsinspektors des Obergerichts vom 09.03.2016

Die Entlastung der Gerichte ist erwartungsgemäss in hohem Mass gegeben. Aktuell kommen nur 4% der Verfahren, welche einer Schlichtung durch die Schlichtungsbehörden zugänglich sind, zu den Regionalgerichten.22 Das Erfolgsmodell geht soweit, dass sich dem Vernehmen nach die Regionalgerichte darüber «beklagen», dass ihnen schwergewichtig die nicht der Schlichtung un-terliegenden Familienstreitigkeiten übrigbleiben, was eintönig sei und die Attraktivität des Rich-terinnen- bzw. Richterberufs reduziere.

18 Vgl. Meier/ Scheiwiller

19 Quote der einvernehmlichen Streitbeilegung

20 Vgl. Meier/Scheiwiller, S. 169 f.

21 Kettiger (2014), Die Schlichtungsbehörde im Kanton Bern als Erfolgsmodell? In Justice – Justiz – Giustizia, 2014/3

22 Trotz dieser hohen Erfolgsquote der Schlichtungsbehörden gelangt eine erhebliche Anzahl Fälle an die Regionalge-richte, dazu gehören namentlich Summarverfahren, Scheidungsrecht, Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege, etc., da bei diesen ein Schlichtungsverfahren nicht möglich ist.

Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit ECOPLAN / WENGERPLATTNER

In Interviews mit Vorsitzenden von regionalen Schlichtungsbehörden wurde kritisiert, dass die Zielvorgaben des Obergerichts bezüglich Klagebewilligungen einmal nach unten korrigiert wur-den, was zu Stress bei den Mitarbeitenden geführt hat.

Effizienz der Fallerledigung

Mit der Reform konnte durch die Bündelung sämtlicher schlichtungspflichtigen Streitigkeiten («normale» Streitigkeiten, Mietrecht, Arbeitsrecht usw.) bei einer zentralen Schlichtungsstelle eine Effizienzsteigerung erreicht werden.

Aus Effizienzgesichtspunkten noch nicht ideal ist die unterschiedliche Belastung der Standorte.

Die Schlichtungsbehörde Bern Mittelland ist am stärksten belastet. Ebenfalls stark belastet ist die Schlichtungsbehörde Berner Jura-Seeland. Eine Zusammenlegung der kleineren, weniger stark belasteten Schlichtungsbehörden Emmental-Oberaargau und Thun ist aus geografischen wie auch politischen Gründen unrealistisch. Die Aushilferegeln von Art. 87 GSOG erlauben eine Res-sourcenverschiebung zu andern Schlichtungsbehörden, was erfolgreich gehandhabt wurde (tem-poräre Verschiebung von Burgdorf nach Bern) oder von einer Schlichtungsbehörde an das Re-gionalgericht. Wünschbar wäre freilich eine grössere Durchlässigkeit dahingehend, dass Ge-richtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten auch an den regionalen Schlichtungsbehörden aushelfen können, was nach Art. 87 Abs. GSOG im Moment ausgeschlossen ist.

4.6.3 Schlussfolgerungen

 Die Schlichtungsbehörden arbeiten sehr gut, sind von sämtlichen Akteuren – nicht zuletzt aufgrund der professionellen Besetzung durch Richterinnen und Richter – breit akzeptiert und erreichen eine hohe Erledigungsquote. Die neuen Behörden bewähren sich vollumfänglich.

 Die Fallbearbeitung erfolgt effizient. Es besteht zwischen den vier regionalen Schlichtungsbe-hörden jedoch noch eine unterschiedliche Arbeitsbelastung. Diese fällt, solange der Belas-tungsausgleich über Aushilferegeln (vgl. Beschreibung und Abbildung in Kapitel 4.4.2) funkti-oniert, aus Effizienzgesichtspunkte nicht ins Gewicht. Hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit sollte längerfristig dennoch eine ausgewogenere Belastung angestrebt und allenfalls eine nachhaltige Ressourcenverschiebung geprüft werden.

 Zur Erhöhung der Flexibilität und Durchlässigkeit könnte zudem eine Poollösung analysiert werden, bei welcher Richterinnen und Richter in einen Pool gewählt und dann auf die Regio-nalgerichte und Schlichtungsbehörden zugeteilt würden (vgl. Kapitel 8.5 zum Thema Wahl-prozedere).

5 Staatsanwaltschaft