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Vorstellungen und Wünsche (N-4.)

5. UNTERSUCHUNG VON DIGITALISATEN IN KULTURERBEEINRICHTUNGEN

5.4. Welche Anforderungen haben Nutzer an Digitalisate als Forschungsdaten?

5.4.2. Auswertung der Interviews - Nutzer

5.4.2.4. Vorstellungen und Wünsche (N-4.)

Eine Einbeziehung in Entscheidungsprozesse der Digitalisierung in Gedächtniseinrichtungen wird von keinem der interviewten Nutzer gewünscht. Nutzer 1 sieht es vielleicht als sinnvoll an, wenn die entsprechenden Nutzer interessiert und umfassend informiert sind, also auch begründete Argumente liefern können, ansonsten ist

eine Quasi-Demokratisierung, welche Entscheidungen an Nutzer ohne genügende Informationssättigung weiterleitet, sehr schwierig. Persönlich lehnen die Befragten eine Mitentscheidung ab, da diese Aufwand und Zeit kostet. „Ich möchte nicht mit einbezogen werden. Ich will, dass die Gedächtnisinstitution diese Entscheidungen trifft und im Sinne einer staatlichen Institution löst“ (Nutzer 1, N-4.1.).

Auch bei der Frage nach den Forschungsdaten der Geschichtswissenschaft antworten alle Befragten einheitlich und entsprechen dabei dem klassischen Bild der Historiker: Alles kann untersucht werden, daher kann auch alles ein Forschungsdatum darstellen.

„Alles, was dazu gehört, dass am Ende ein begründeter, nachvollziehbar argumentierter wissenschaftlicher Text steht [und] alles was dazu gehört, diesen Text zu schreiben und ihn in der, von der wissenschaftlichen Gemeinschaft akzeptierten, nachweisbaren Form zu veröffentlichen“ (Nutzer 1, N-4.2.) sind Forschungsdaten, was auch die Form, die Art und Weise, wie der Text geschrieben ist sowie den Entstehungsprozess und Entscheidungen mit einschließt.

Dr. Kohring bemerkt hierbei, dass all diese Daten auch idealerweise nach Projektende noch nachnutzbar sein sollten, weist aber auch auf Persönlichkeitsschutzrechte, z.B. bei der Auswertung von Unternehmensarchiven, hin.

Nutzer 2 schränkt die Forschungsdaten insofern ein, als dass diese für ihn wirklich historisch sein müssen, also eine gewisse Zeit seit der Entstehung vergangen sein muss.

Grundsätzlich kann jedoch alles, wenn es nur ein gewisses Alter erreicht hat, ein Forschungsdatum darstellen. Als Beispiel nennt er hierbei Exzerpte zu einigen Briefen Schinkels aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Diese stellen nicht nur an sich bereits eine Quelle dar, wie die Briefe zu dieser Zeit ausgewertet wurden, da die Originalbriefe im Weltkrieg vernichtet wurden, bilden die Exzerpte die einzigen noch existierenden Hinweise auf deren Inhalte und können somit in doppelter Hinsicht interessant für die Forschung sein. Auch Entscheidungen sind, gerade wenn sie sich als falsch herausgestellt haben, interessant, da sich so z.B. neue Erkenntnisse ergeben können, die durch frühere Entscheidungen nicht möglich waren.

Zum Thema der Verwaltung von Forschungsdaten durch die Einrichtung, aus welcher die Digitalisate als Grundlagen stammen, finden sich ganz unterschiedliche Einstellungen.

Für Nutzer 1 ist es selbstverständlich, dass die Gedächtniseinrichtungen solche Daten aufbewahren und auch aktiv sammeln. Dieser würde eigene Daten daher auch an eine Gedächtniseinrichtung abgeben und dort online stellen lassen, jedoch mit der Einschränkung, dass die Ergebnisse aus diesen Daten zuerst publiziert worden sind.

Zuständig für diesen Kontakt zu den Forschern sind die Fachreferenten oder Sammlungsleiter, da diese die Schnittstelle zwischen Nutzern und Objekten bilden.

Personaleinsparungen an dieser Stelle sind daher hochproblematisch. „Man benötigt immer auch das persönliche Gespräch, um Daten, die man selber erarbeitet hat, zu verschenken und nichts anderes tun Forscher, wenn sie ihre Daten verfügbar machen.

Das ist ein Aushandlungsprozess“ (Nutzer 1, N-4.3.).

Auch für Dr. Kohring ist klar, dass es eine Einrichtung geben muss, die solche Forschungsdaten in Beziehung zu den Digitalisaten betreut, er stellt jedoch die Frage, ob

es eine Gedächtniseinrichtung sein muss. Statt dessen sollte es eine nationale oder besser supranationale Einrichtung geben, welche solche Daten sammelt und einheitlich zur Verfügung stellt, um unterschiedliche Standards und Rechtslagen zu vermeiden. Die Etablierung einer solchen Einrichtung ist aber Aufgabe der Politik, nicht von Gedächtniseinrichtungen. Er selber würde seine Daten wenn möglich verfügbar machen und hat dies auch schon getan, bei Archivakten etc. fehlen den einzelnen Historikern hierzu aber die Rechte.

Nutzer 2 sieht das Sammeln von solchen Forschungsdaten dagegen nicht als Aufgabe der Gedächtniseinrichtungen, in denen die Digitalisate liegen, sondern der Zeitschriften, in denen die Ergebnisse publiziert werden, da man als Forscher eher hier nachschauen würde. Zentral ist für ihn zudem, dass die wissenschaftliche Leistung bspw. einer Texttranskription anerkannt, der Urheber der Daten also genannt wird. Ohne Transkription kann nicht jeder Nutzer ohne weiteres mit allen Quellen arbeiten, diese stellt also eine Zugänglichmachung dar, die auch gewürdigt werden muss. Wichtig ist es daher sicherzustellen, dass diese Leistungen, genau wie bei einer analogen Edition, bibliographisch korrekt zitiert werden können. Wenn dies gegeben und der Aufwand entsprechend vergütet ist, so würde auch Nutzer 2 entsprechende Daten an Gedächtnisinstitutionen abgeben.

Das ideale digitale Angebot wird von jedem Interviewten unterschiedlich beschrieben.

Für Nutzer 1 ist die Verfügbarkeit von klaren Ansprechpartnern wichtig. „Ich möchte gerne mit kompetentem Personal über das digitale Angebot sprechen können“ (Nutzer 1, N-4.4.). Chats oder gar automatische Antwortsysteme werden abgelehnt, da die Einarbeitung hier zu viel Zeit kostet. Wichtig ist daher, dass digitale Systeme nicht zu Personalkürzungen in den entsprechenden Einrichtungen führen.

Für Nutzer 2 ist dagegen der unkomplizierte Zugang zu Daten wichtig, wobei die Systeme die Waage zwischen einer Datenflut und fehlenden Informationen halten müssen. Als Ideal beschreibt er hierzu den Architektenkatalog des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin, welcher herunterladbare Basisinformationen beinhaltet und zu einer Erstinformation ausreicht. Interne Evaluationen sind daher wichtig. Als weiteren Aspekt nennt er einen Abbau von Sprachbarrieren. Mindestens Navigation und Funktionen sollten bei den Angeboten großer Gedächtniseinrichtungen zwei- oder mehrsprachig, also in der Landessprache und Englisch, vorhanden sein, idealerweise auch in den für das jeweilige Thema wichtigen Forschungssprachen. Dies würde eine leichtere Zugänglichkeit gewähren und den Wissensvorsprung der Forscher mit den jeweiligen Sprachkenntnissen abbauen.

Dr. Kohring beschrieb das für ihn ideale digitale System für Gedächtniseinrichtungen bereits bei verschiedenen anderen Interviewfragen: Ein System, welches alle verfügbaren Datenbestände, ohne rechtliche Einschränkungen und bei voller Zugänglichkeit, zur Verfügung stellt und untereinander vernetzt.

Insgesamt sollte ein System also, wie auch in der Literatur beschrieben (vgl. Münster et al. 2018, S. 372f.) möglichst einfach zugänglich und intuitiv sein, keine zu hohen technischen Anforderungen haben und durch entsprechendes Personal der Gedächtniseinrichtung betreut werden. Das System sollte dabei in der Präsentation nicht

überfüllt werden, für Nutzer, die vertieft mit dem System arbeiten wollen, müssen aber alle Informationen verfügbar und leicht zugänglich sein.