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Anforderungen an Digitalisate (N-2.)

5. UNTERSUCHUNG VON DIGITALISATEN IN KULTURERBEEINRICHTUNGEN

5.4. Welche Anforderungen haben Nutzer an Digitalisate als Forschungsdaten?

5.4.2. Auswertung der Interviews - Nutzer

5.4.2.2. Anforderungen an Digitalisate (N-2.)

Zentrale Metadaten für alle interviewten Nutzer sind die klassischen bibliographischen Daten wie Titel, Autor, Ort und Zeit. Weitere Informationen sind aber immer hilfreich, da sie die Glaubwürdigkeit eines Digitalisates erhöhen und die Grundlage für weitere Arbeiten bilden. „Je detaillierter die Angaben sind, desto eher bin ich geneigt, diese Quelle zu benutzen“ (Nutzer 1, Nf-2.1.). Für die Archivarbeit bemerkt Nutzer 2, dass die Position im Hierarchiebaum des Archivs hilfreich ist, da man dann mit Hilfe der Tektonik weitere Kontextinformationen und vielleicht Querverweise erhält. Auch eine Verlinkung von Namen oder Hinweise auf weitere zeitgenössische Quellen wären ideal. Für die Alte Geschichte beschreibt Dr. Kohring, dass die benötigten Metadaten, wie sie im Thesaurus Linguae Graecae an der University of California Irvine seit den 1970er Jahren erfasst werden, vollkommen ausreichend sind. In den Textdatenbanken benötigt man Autor und

Titel, welche seit Jahrhunderten normiert sind, sowie die Kapiteleinteilungen, die durch den Teubner-Standard, die Bibliotheca Teubneriana, seit dem 19. Jahrhundert normiert sind. Diese Metadaten sind bekannt und bilden die Grundlage der Datenbanken, deren Vorteil daher in einer besseren Recherche liegt, die die zeitraubende Suche am Regal erspart.

Bei den Grundanforderung an Bilddigitalisate unterscheiden sich die Nutzermeinungen etwas. Dr. Kohring beschreibt, dass für die Antikenforschung immer die Texte im Vordergrund stehen. Wenn er daher Digitalisate betrachtet, z.B. zur Rezeption antiker Texte in späteren Handschriften, so ist vor allem der Volltext, also eine OCR-Erfassung wichtig. Eine gute grafische Darstellung mag dann interessant, für die Forschung jedoch unwichtig sein. Auch Nutzer 2 beschreibt, dass für ihn der Text am wichtigsten ist, auf einer Abbildung daher alle Informationen wie z.B. Randnotizen oder kleine Autorensignaturen klar erkennbar sein müssen. Die Farbigkeit spielt dabei nur eine nebengeordnete Rolle, wenn sich daraus nicht zusätzliche Informationen ergeben, wie z.B. bei farblichen Korrekturen in Bauplänen. Gut ist es daher, wenn sich die Einrichtungen an die DFG-Richtlinien halten. Wenn dagegen zu einem abgebildeten Objekt und nicht dem Text geforscht wird, so ist für Nutzer 1 die Farbechtheit zentral.

Dieser beschreibt jedoch auch, dass man nie über ein Digitalisat schreiben, sondern die Eindrücke immer vom Original beziehen sollte. Das Digitalisat dient danach nur noch als Gedächtnisstütze.

Als Historiker arbeiten die befragten Nutzer überwiegend mit Textdaten, welche geschrieben, verwaltet und durchsucht werden. Teilweise kommen auch Bilder von den Forschungsobjekten hinzu. Das Dateiformat spielt dabei keine Rolle, solange es textuell gut verarbeitet werden kann.

Auch das Metadatenformat ist den Befragten egal, solange die Metadaten komplett und möglichst umfangreich sind. Nutzer 2 beschreibt, dass er bei der Eingabe von Informationen in Datenbanken zwar einen guten Mix aus vordefinierten Auswahlmöglichkeiten und Freitextfeldern bevorzugt, welche an die jeweiligen Informationen angepasst sein muss, die dahinter liegende Technik für ihn jedoch unwichtig ist.

Dr. Kohring bemerkt hierbei, dass er die Formate bei Bedarf zwar nachschauen könnte, aber „die Provider der Informationen haben einen Trust Value, sind in der Wissenschaft so etabliert, dass ich ihre Arbeitsweise nicht nachgucken muss, ich spare Zeit“ (Kohring, N-2.2.).

Bei der Dokumentation des Digitalisierungsprojektes gibt es unterschiedliche Meinungen.

So sei grundsätzlich die Dokumentation weniger wichtig, da der Inhalt für die Forschung relevant ist. Bei einigen Forschungsbereichen, oder aus Interesse an der Wissenschaftslandschaft, können jedoch auch die historischen Hintergründe des Bestandes oder das Zustandekommen der Daten und des Projektes relevant sein. Zudem könnte so auf mögliche, in vorherigen Digitalisierungsprojekten fehlende Bestände

hingewiesen werden, die nun auch digital verfügbar sind. Es würde so also ein Überblick über den Bestand des Projektes gegeben werden.

Auch bei der bevorzugten Verarbeitungsstufe finden sich unterschiedliche Aussagen.

Nutzer 1 findet eine Beantwortung der Frage im Generellen schwierig, da sich die Anforderungen von Thema zu Thema unterscheiden und mal Rohdaten, mal erschlossene Volltexte besser sind.

Nutzer 2 bevorzugt dagegen klar Volltexte, nur in Ausnahmen sind Rohdaten besser geeignet und Dr. Kohring beschreibt als Ideal eine noch höhere Verarbeitungsstufe, in der nicht nur strukturierter Volltext, sondern auch eine Positionsangabe im Text (z.B. Zeile 1, Kapitel 1 aus Buch X) für die Zitation gegeben ist, was sich bei antiken Texten gut realisieren lässt. Für Bilddaten ist es zudem gut, diese in Systeme zum Vergleichen einzubinden, so dass man sich z.B. Münzen und deren Entwicklung über eine bestimmte Zeit sowie zugehörigen Informationen anzeigen lassen kann.

Die Digitalisierung von Bild- und Textdaten sollte dabei in der höchsten Qualität geschehen, Nutzer 2 stellt jedoch die Frage, ob die Nutzer immer gleich Zugang zu allen Daten haben müssen oder ob diese nicht eher ablenken könnten.

Unterschiedliche Meinungen finden sich ebenso zur Verlinkung. Nutzer 2 sieht in Verlinkungen schöne, interessante Extras, die jedoch keine Bedingung für ein gutes System sind. Für Nutzer 1 können Verlinkungen an wichtigen Knotenpunkten sinnvoll sein, müssen dazu aber mit Fachwissen vergeben werden. Zu viele oder durch starke farbliche Markierungen aufdringliche Verlinkungen lenken dagegen ab und schaden dem Angebot nur, da man hier auf zwei Ebenen lesen müsste. In solch einem Fall würde Nutzer 1 die Arbeit in diesem System abbrechen.

Anders gestaltet es sich in der Antikenforschung, da hier die Texte wie beschrieben bereits einheitlich und international normiert sind. Dr. Kohring beschreibt hier daher das Ideal einer vollverlinkten Datenbank, welche alle Texte der Antike, unabhängig ihrer Sprache, sowie die Realenzyklopädien des 19. Jahrhunderts beinhaltet und durch automatische Querverweise Verbindungen zwischen diesen herstellt. In der Praxis scheitert eine solche Idee an den Rechteinhabern der Realenzyklopädien, die Grundidee wurde jedoch bereits im Perseus Project an der Tufts University umgesetzt, indem man die antiken Texte zusammengebracht und mit einem Überblickstext zur Geschichte der Antike verlinkt sowie über Hyperlinks mit weiteren Repositorien verbunden hat.

Eine klare Meinung der Befragten, die so auch in der Literatur vertreten wird (vgl. Stauffer 2016), findet sich beim Thema Dubletten: Für Historiker gibt es keine Dubletten. Von allen Interviewten wird daher erwartet, dass grundsätzlich alle Exemplare eines Objektes digitalisiert werden sollten. Zwar werden auch Ausnahmen genannt, vor allem bei industriell gefertigten Büchern in Bibliotheken, bei denen es keine Unterschiede gibt und die Materialität keine Rolle spielt, doch bereits bei Drucken des 18. oder 19. Jahrhunderts wird darauf hingewiesen, dass diese sich trotz gleichem Drucker oftmals in Vorsatzblatt, Reihenfolge der Bindung oder durch aktualisierte Subskriptionslisten unterscheiden können. Auch bei Kunstdrucken wie Kupferstichen sollten alle Objekte digitalisiert werden,

da diese Aussagen zum künstlerischen Prozess oder dem Marktvertrieb enthalten können. Dies gilt auch für die Alte Geschichte, wo bspw. in einer epigraphischen Datenbank an Hand von Dachziegeln mit dem Stempel der zehnten Legion, welche über 280 Jahre im gesamten römischen Imperium eingesetzt war, durch eine geographische Zuordnung die Dislokation der Truppen verortet werden kann, während ein einzelner Dachziegel allein kaum Aussagekraft hätte.

Auch zu der Frage, ob Metadaten einen gewissen Ausgleich zu Informationen bieten können, die durch die Digitalisierung verloren gehen, findet sich eine klare Antwort:

Metadaten und Digitalisate können für die historische Forschung nie die Arbeit an einem Original ersetzen. Zwar helfen umfangreiche Metadaten dabei, Informationen über ein Objekt zu erlangen, für spezielle Forschungsfragen können sie auch das zentrale Element bilden, aber „Metadaten sind nur eine Hilfskonstruktion. Bis zu einer gewissen Grenze lässt sich damit arbeiten, aber wie soll man einige objekttypische Informationen ersetzen?“ (Nutzer 2, N-2.7.). Nutzer 1 beschreibt hierzu, dass gerade durch die sensomotorische Wahrnehmung Vergleiche von Objekten möglich sind, welche zu neuen Assoziationen und neuen Forschungsfragen führen, man also einen besseren Eindruck erhält, als jedes Digitalisat vermitteln könnte. Dr. Kohring beschreibt, dass die Technik irgendwann vielleicht die Mittel entwickelt, um eben solche Wahrnehmungen auch abbilden zu können, doch bis dahin bleibt die Autopsie ein Kernbestand der historischen Forschung.