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Vorschläge zur Klassifikation von Metaphern

DIE METAPHER

3.5 Vorschläge zur Klassifikation von Metaphern

Wenn wir von warmen, kalten, satten oder schreienden Farben sprechen, oder von hellen oder dunklen Tönen, wie könnte dieses Phänomen eines speziellen Gebrauchs der entsprechenden Adjektive allgemein bezeichnet werden? In den besagten Formulierungen kann man die Adjektive als Bezeichnungen für akustische und visuelle Phänomene verstehen;

aber kann man sie auch als Metapher verstehen? Die Bedeutung der einzelnen Ausdrücke hat zweifellos einen semantischen Hintergrund, der nicht ganz von der "Standardbedeutung" der Lexeme loszulösen ist. Daher wäre es wohl nicht richtig, von einer absoluten Größe Metapher zu sprechen – zumal es im Deutschen für die genannten Fälle keine andere, "nicht-metaphorische" Möglichkeit gibt, dasselbe auszudrücken.

Man muß davon ausgehen, daß für eine Klassifikation der Metapher verschiedene Kriterien relevant sein können. Nicht zuletzt deswegen hat es im Laufe der Zeit eine unüberschaubare Fülle von Forschungsansätzen gegeben, von denen hier bloß einige vorgestellt werden, um einen groben Überblick zu geben.

Bereits bei Aristoteles findet sich ein Klassifizierungsvorschlag, bei dem ein System unter-schiedlicher Kriterien von Bedeutung ist (Poetik, 21). Demnach könne man Metaphern nach folgenden Merkmalen auseinanderhalten:

• nach formalen Kriterien (der Art der ersetzten Wortart bzw. "von der Gattung auf die Art"),

• nach syntaktischen Kriterien (der Anzahl der Wörter des ersetzten Ausdrucks bzw. "von der Art auf die Gattung"),

• nach modalen Kriterien (ästhetischen Kriterien bzw. "von der Art auf die Art"),

• nach der Häufigkeit ihres Auftretens in einem bestimmten Zeitraum oder in Texten einer bestimmten Person bzw. gemäß der Analogie.

Der römische Grammatiker und Rhetoriker Quintilian klassifizierte die Metapher nach dem semantischen Kriterium von Belebtheit und Unbelebtheit und stellte vier Gruppe einander ge-genüber:

• etwas Belebtes wird für etwas Unbelebtes gesetzt,

• etwas Unbelebtes wird für etwas Unbelebtes gesetzt,

• etwas Belebtes wird für etwas Belebtes gesetzt,

• etwas Unbelebtes wird für etwas Belebtes gesetzt.

Erstaunlicherweise sind auch in der Moderne noch Klassifizierungen von Metaphern im Gebrauch, die solchen antiken Ansätzen sehr ähnlich sehen. Dazu zählt etwa der Vorschlag von Kurz (1982: 21-22), der folgende auf der jeweiligen Art der prädikativen Grundstruktur basierende Klassifikation anbietet:

• Syntaktisch: Mein Gedicht ist mein Messer,

• Attributive Metaphern: schwarze Milch der Frühe,

• Kompositionsmetaphern: Wahllokomotive,

• Appositionsmetaphern: Und dein Schweigen, ein Stein, und

• Genitivmetaphern: Mehr noch als der Zahn der Zeit nagt am Kölner Dom der Zahn der Chemie

Eine andere Klassifikation wird von Pisarska (1989: 103-109) vorgeschlagen, welche sie in vier Gruppen ordnet: Begriffsmetaphern, Verzierungsmetaphern, neue Metaphern und gebräuchliche (oder: konventionalisierte) Metaphern.

Begriffsmetaphern sind für sie echte Metaphern und kommen vorrangig in Texten vor, die mit einen besonderen ästhetischen, künstlerischem, symbolischen oder kognitiven Wert verbunden sind.

Verzierungsmetaphern kommen nach Pisarska (1989) in allen Textsorten vor, spielen eine primäre dekorative Rolle und haben somit eine "Hilfsfunktion".

Neue und gebräuchliche Metapher sind diejenigen, die entweder noch nicht oder schon länger geschrieben wurden oder eine mündliche Tradition haben oder nicht haben. Das Problem dabei ist, eine klare Grenze zwischen neu und konventionell zu ziehen – vor allem aufgrund der Kurzlebigkeit der gesprochenen Sprache und der Unmöglichkeit, alle schriftlichen Quellen zu überprüfen. Zudem wurden viele gebräuchliche Metaphern auch lexikalisiert und sind damit im Grunde nicht länger als Metaphern zu beschreiben.

Sowohl für die Begriffsmetaphern als auch für die gebräuchlichen Metaphern gilt:

• Sie sind so etwas wie geistige Abkürzungen oder stilistische Abweichungen.

• Sie nützen normalerweise kollektiv vertraute kulturelle Konzepte, können aber auch in privaten imaginären Felder auftreten.

• Konventionalisierte Metaphern gehören als feste Bestandteile mit zum lexikalischen In-ventar der jeweiligen Sprache.

Man kann feststellen, daß die Klassifikation für die Metapher im allgemeinen von den jeweils angewendeten Kriterien abhängt. Die Wahl eines oder mehrerer Kriterien bedingt eine Unter-gliederung des Phänomens Metapher in unterschiedliche Gruppen. Mit anderen Worte: es gibt mindestens so viele Metapherklassifikationen wie Kriterien dafür. Als Zusammenfassung des hier vorgestellten Überblicks über die in der Vergangenheit vorgeschlagenen Klassifikationen füge ich eine Tabelle mit allen Arten von Metaphern und den jeweiligen Klassifizierungskri-terien ein.

FORMAL GEBRAUCHSSPRACHE DIACHRONE DIMENSION NACH DER ART DES VERGLICHENEN

"syntaktisch"

3.6 Übersetzungsprobleme

Wie Ricoeur (1994: 79) schreibt, verhält es sich so, daß "To translate is to invent an identical constellation, in which each word is influenced by all the others and, bit by bit, profits from its relation to the whole language." Deswegen müsse man die Bedeutung eines Wortes im Grunde erraten, wobei zusätzlich damit zu rechnen sei, daß es einen nicht eindeutig bestimm-baren Grad an Instabilität der Bedeutung für jedes Wort gebe. Ein Wort mit einer metaphori-schen Bedeutung ohne Erklärung gebrauchtes Wort habe dabei als Funktion die semantische Identität des Terminus zu erhalten. Allerdings sei es sehr schwer, die Funktion eines Worts exakt einzuschätzen, da sich die Bedeutung in einem konkreten Gebrauchsfall immer im Spannungsfeld zwischen der allgemeinen Semantik einer lexikalischen Größe und der Semantik des Satzes bewege. Da bei metaphorischem Gebrauch der Unterschied zwischen der allgemeinen lexikalischen Bedeutung und der Bedeutung in der konkreten Aussage erheblich sein kann (und kaum systematisch vorhersagbar ist), gilt für manche Semantiker die Metapher als ein (beabsichtigter) Verstoß gegen die semantischen Regeln einer Sprache und als Ausdrucks, der vom "normalen" Sprachgebrauch abweicht. Andere schlagen vor, Metaphern sollten grundsätzlich auch durch semantische Regeln erklärt werden, was eine Zunahme der Komplexität des semantischen Regelsystems zur Folge haben müßte.

Es wurde bereits ausgeführt, daß die Metapher aufgrund der unterschiedlichen Ansätze zu einer Definition und Klassifikation kein unkomplizierter Gegenstand ist. Diese Situation ver-schärft sich noch, wenn man es mit Metaphern in einer fremden Sprache oder in mehreren Sprachen zu tun hat, weil verschiedene Einzelsprachen (aber verschiedene Sprachstufen, Dia-lekte, Soziolekte usw. einer einzigen Sprache) in Hinblick auf ihren Metapherngebrauch mehr oder weniger anisomorph sind.

Für die Übersetzung der Metapher gibt es auch eine bestimmte Terminologie, die hier kurz vorgestellt wird. In Bezug auf die Terminologie sprach Richards (1936) in seiner Studie über

"tenor" und "vehicle", die später Newmark (1981: 75 ff.) kritisierte. Er argumentiert gegen die Meinung Richards mit den Begriffen Metapher/Objekt/Bild/Sinn. Für die Erklärung benutzt er das folgende Beispiel: "a sunny smile", the metaphor is "sunny", the object is "smile", the image (vehicle) is the "sun", the sense (tenor) is "cheerful", "happy", "bright", "warm". Damit entfernt er sich von Richards Terminologie aufgrund eines deutlichen Unterschiedes zwischen dem Ausdruck und seinen Bestandteilen.

Eine interessante Arbeit wurde von Dagut (1976) verfaßt, der sich mit Metaphern im He-bräischen beschäftigte und auf die Möglichkeiten ihrer Übersetzung ins Englische einging.

Seiner Meinung nach könnten die Metaphern jeweils Wort für Wort übersetzt werden "owing to the existence of universally shared fields of imaginary and structures of imagination”

(Dagut 1976: 28). Er unterscheidet zwischen zwei Gruppen:

1. den echten Metaphern, die weiter in drei Untergruppen aufgeteilt werden, nämlich:

1.1 in Metaphern aus literarischen Texten, Zeitungen und mündlicher Tradition, die heutzutage schon vergessen sind,

1.2 in semantische Erschaffung,

1.3 in Ausdrücke, die Teil des stabilisierten (lexikalisch-)semantischen Inventars der Sprache geworden sind, und

2. den Formen von Bedeutungserweiterungen, die teils sehr eng an die ursprüngliche Bedeutung anschließen, aber auch erheblich davon abweichen können.

Newmark setzt sich mit dieser Einteilung von Dagut (1976) auseinander und spricht sich gegen einen Unterschied zwischen "echter" und erzählender Art von Metaphern aus.

Seinerseits schlägt er fünf Gruppen von Metaphern vor (Newmark 1981: 84 ff.):

1. Tote Metaphern (! Die Bezeichnung ist selbst eine Metapher!) als diejenigen, die aus einem Fremdwort stammen;

2. Clichésmetaphern als solche, die zwischen Toten Metaphern und Stamm-Metaphern anzusiedeln seien. Sie könnten zwei Mustern folgen, nämlich erstens einen Komplex aus einem übertragen gebrauchtem Adjektiv (figurative adjective) und einem wörtlich zu verstehenden Nomen darstellen (z.B. sweet dreams) und zweitens aus einem figurativ zu verstehenden Verb und einem ebenfalls nicht "wörtlich" aufzufassenden Nomen bestehen (z.B.: leave no stone unturned);

3. Stammmetaphern, die kulturelle, universale und subjektive Aspekte haben;

4. Moderne Metaphern, die auf der Basis von einem Neologismus gebildet werden;

5. Ursprüngliche Metaphern, die den "echten" Metaphern nach dem Ansatz von Dagut (1976) entsprächen.

Newmark (1981) geht davon aus, daß bei der Übersetzung dieser fünf Gruppen sieben mögli-che Verfahrensweisen angewendet werden könnten:

1. Wenn die Häufigkeit des Vehikels in den zwei Sprachen vergleichbar ist, könne man das gleiche Bild im übersetzungssprachlichen Text wiedergeben;

2. Das Bild des ausgangssprachlichen Texts wird durch ein normales Bild im zielsprachlichen Text ersetzt;

3. Übersetzung durch einen Vergleich;

4. Gebrauch eines Vergleichs mit einer zusätzlichen expliziten Erklärung des Sinns;

5. Die Umwandlung der Metapher zum Sinn;

6. Die Streichung eines überflüssigen oder ungünstigen Ausdruckes;

7. Die Metapher vom ursprünglichen Text wird in Verbindung mit dem Sinn im Überset-zungstext wiedererzeugt.

Es gibt noch eine weitere Klassifikation, die interessante Beobachtungen bietet, die von van den Broeck (1981: 76). Dieser Autor schlägt die folgenden Kriterien vor: die Kategorie, der Gebrauch und die Funktion der Metapher im Zusammenhang mit der Übersetzung. Damit unterscheidet er zwischen "schöpferischen Metaphern" und "dekorativen Metaphern". Die

erste Gruppe könne wörtlich interpretiert werden; außerdem habe sie auch eine tiefe Verbindung zwischen tenor und vehicle. Sie komme vorrangig in Gedichten, kreativer Prosa und allgemeiner kreativer Literatur vor. Hingegen würden die dekorativen Metaphern vor allem in fiktionaler Literatur, in Zeitungstexten und in alltagssprachlicher Rede benutzt. Der Gebrauch von Metaphern hänge sowohl von der Sprache als auch von der Kultur ab. Zum Übersetzen möchte van den Broeck (1981) je nach Situation drei Strategien angewendet wissen:

1. Bei der sensu stricto Übersetzung sollen der Tenor und das Vehikel der ursprünglichen Sprache in den Übersetzungstext übertragen werden.

2. Das Vehikel der ursprünglichen Sprache solle durch ein anderes Vehikel der Überset-zungssprache ersetzt werden, wenn der Tenor in beiden Sprachen ähnlich ist.

3. Unter Umständen komme nur eine Paraphrase, d.h. die Wiedergabe eines ursprüngli-chen Ausdruckes als nicht-metaphorischer Ausdruck im übersetzungssprachliursprüngli-chen Text, infrage.

In den voranstehenden Abschnitten wurden die Meinungen von drei Autoren über die Frage der Übersetzung von Metaphern zusammengefaßt. Schon die Existenz einer ganzen Anzahl von Untersuchungen, die sich mit diesem Gegenstand beschäftigen, zeigt, daß wir es offenbar mit einer komplizierten Angelegenheit zu tun haben und eine eindeutige Entscheidung kaum zu fällen ist. Wie soll man also eine Metapher übersetzen? Vielleicht ist es eine kurze, aber klare Anwort dafür, was Mason (1982: 149) als Zusammenfassung von Dagut (1976) schrieb:

"each occurrence of metaphor for translation must be treated in isolation; each of its components must be dealt with in the light of its cultural connotations before a translation of the whole can take place, and account must also be taken of the textual context in which the metaphor is used".

Einerseits braucht man, um eine Metapher zu übersetzen, wegen der genannten Schwierigkei-ten ein gewisses Maß an Kreativität; andererseits ist ein genaues Verständnis dessen, was ausgesagt ist, erforderlich, weil Metaphern häufig nicht direkt übersetzbar sind.

Man muß realistisch denken und akzeptieren, daß gewisse Informations- oder Konnota-tionsverluste bei einer Übersetzung von Metaphern unvermeidlich sind – umso mehr, wenn wir es mit dem Spezialfall einer nur schriftlich überlieferten Sprache, für die es keine muttersprachlichen Informanten gibt, zu tun haben. Dies resultiert nach der in Kapitel 3.4 erwähnten Interaktionstheorie vor allem aus dem Umstand, daß eine Metapher in dem konkreten Kontext eines Texts semantisch unmotiviert erscheinen kann, denn wir können nicht davon ausgehen, daß die Motive für die Schöpfung einer bestimmten Metapher für uns in allen Fällen nachvollziehbar bzw. rekonstruierbar sind. Auch wenn bilinguale Wörterbücher Informationen über den möglichen metaphorischen Gebrauch bestimmter Lexeme enthalten (was nicht immer der Fall ist), kann es schwierig sein, in einem bestimmten Einzelfall den Sinn einer Metapher zu erkennen. Dann stellt sich die Frage, wie es machbar

ist, eine Metapher so in eine andere Sprache zu übersetzen, daß beim Leser der Übersetzung die gleichen Konnotationen wie beim Rezipienten des ursprünglichen Texts hervorgerufen werden. Daß man dazu gründliche Kenntnisse der Kultur, aus der der Text entstammt, braucht, versteht sich von selbst und dürfte jedem bewußt sein. Weniger im Blick scheinen jedoch viele Übersetzer von Texten aus alten Sprachen zu haben, daß umfassende lexikographische Kenntnisse im Bereich der Zielsprache, in die übersetzt worden soll, genauso wichtig sind, um adäquate Metaphern bilden und Formulierungsfehler vermeiden zu können. Daß man trotz eines Bewußtseins für diese Problematik und eines intensiven Bemühens, dem Rechnung zu tragen, nicht selten an seine Grenzen stoßen wird, läßt sich aber nicht vermeiden.