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2 Vorrangige Aufgaben in den verschiedenen Sektoren der Forschung zum Globalen Wandel

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wicklung einer dauerhaft umweltgerechten, die Was-serressourcen langfristig sichernden Landnutzung im Sinne der IGBP-Kernprojekte LUCC und BAHC.

Süßwasser ist essentiell für alle Bereiche des Le-bens und der Gesellschaft. Es ist Nahrungsmittel, Kulturgut und Produktionsfaktor zugleich. Der Bei-rat mißt dem Ausbau der Forschung über Süßwasser große Bedeutung zu. Aufgabenfelder mit hoher GW-Relevanz sind:

• Erforschung der Bedingungen der Ausweitung des Wasserdargebots für eine wachsende Weltbe-völkerung.

• Erforschung der Bedingungen der sparsamen und nachhaltigen Wassernutzung im Sinne des sorgfäl-tigen Umgangs mit Wasser in den verschiedenen Verwendungsbereichen (Landwirtschaft, Indu-strie, Haushalte) und der gerechten Zuteilung des verfügbaren Wassers (intra- und intergenerationel-le Gerechtigkeit).

• Erforschung der Bedingungen einer Prävention von Verschmutzung bei Oberflächengewässern und Grundwasservorräten.

Dabei geht es letztlich um die Entwicklung von Modellen über die Dynamik des regionalen und glo-balen Wasserhaushalts mit seinen Rückkopplungen zum Klimasystem, zur Biosphäre und zur Anthropo-sphäre.

2.3

Bodenforschung

Die Bodenforschung ist zwar primär lokal und re-gional orientiert, sie muß aber die globalen Verände-rungen im Klima, Wasserhaushalt und in der Bean-spruchung der Böden durch den Menschen einbezie-hen. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang sind die folgenden Arbeitsgebiete:

• Quantifizierung der Bodenfunktionen als Spei-chergröße in den biogeochemischen Kreisläufen des Kohlenstoffs, Stickstoffs und des Schwefels so-wie der mit diesen Elementen verbundenen, kli-marelevanten Spurengase. Abschätzung der mög-lichen Beeinflussung der Umsetzungsprozesse durch den Klima- und Nutzungswandel.

• Degradation von Böden infolge nutzungsbeding-ter Entkoppelungen von Stoffkreisläufen. Bedeu-tung für die Produktivität und nachhaltige Nutz-barkeit von Böden sowie die Stabilität der Emp-fängersysteme. Untersuchungen auf lokaler, re-gionaler und globaler Ebene.

• Wirkungen partikulärer und gelöster bodenbündi-ger Stoffe (Abtrag, Auswaschung) auf die bioti-schen Komponenten limnischer und mariner Nachbarökosysteme (Schwerpunkt Flüsse, Riffe und Mangroven).

• Intensivierung des Einsatzes der Fernerkundung für die Erdbeobachtung und der Computersimu-lation zur Beschreibung der Veränderungsdyna-mik terrestrischer Ökosysteme auf regionaler und globaler Ebene.

2.4

Biodiversitätsforschung

Unter dem Gesichtspunkt des Globalen Wandels steht die Bedeutung der Biodiversität für die Funk-tionen, die Stabilität und Entwicklung von Ökosyste-men im Zentrum der Empfehlungen. Bislang ist die deutsche Biodiversitätsforschung noch zu wenig in-terdisziplinär und international orientiert. Auch die weite Begriffsfassung und die damit verbundene übergreifende Zusammenarbeit der Biowissenschaf-ten mit den Wirtschafts- und SozialwissenschafBiowissenschaf-ten hat sich noch nicht genügend durchgesetzt. Im einzel-nen empfiehlt der Beirat eine Schwerpunktsetzung auf folgenden Gebieten:

• Grundlage für die Abschätzung, Erhaltung oder Wiederherstellung der Biodiversität ist eine mo-derne Taxonomie, die auch die molekularbiologi-schen Methoden unter Verwendung fortgeschrit-tener Datenverarbeitungsmethoden intensiver nutzt. Dieser Bereich bedarf eines dringenden Ausbaus in Forschung und Lehre, da nur so eine Einbindung deutscher Forscher in internationale Projekte zur Inventarisierung von Arten und zur biogeographischen Erhebung von Biodiversität möglich wird.

• Ein weiterer Schwerpunkt sollte auf den Fragen nach der Vereinbarkeit von Erhaltung und Nut-zung terrestrischer und aquatischer Ökosysteme liegen. Insbesondere die Zusammenhänge zwi-schen Diversität, Stabilität und Leistung von Öko-systemen müssen verstärkt angegangen werden.

Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Aufbau ei-ner naturschutzorientierten, populationsbiologi-schen Forschung. Dabei muß weit über die bisher verfolgten Ansätze des Biotop- und Artenschut-zes hinausgegangen werden.

• Auf Erkenntnissen aufbauend, die aus den vorge-nannten Themenbereichen gewonnen werden, muß die Forschung zu den Auswirkungen von Umweltveränderungen unterschiedlicher Qualität, Intensität und Dynamik auf Populationen, Ökosy-steme und ökosystemare Leistungen (wie z.B. bio-geochemische Stoffkreisläufe) hohe Priorität ha-ben.

• Ein weiteres wichtiges Forschungsgebiet sind die Fragen, die im Zusammenhang mit den internatio-nalen politischen Bemühungen um den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Biodiversität gestellt

167 Bodenforschung D 2.3

werden. Biodiversitätsökonomie und politikwis-senschaftliche Forschung zur Ausgestaltung von Konventionen sind besonders dringlich.

2.5

Bevölkerungs-, Migrations- und Urbanisierungsforschung

Fragen der Bevölkerungsentwicklung, Migration und Urbanisierung sind für die Analyse und Bewälti-gung globaler Umweltprobleme von zentraler Be-deutung. Bevölkerungswachstum und Armut zählen zu den wichtigsten Triebkräften dieser Entwicklung, die für die Industrieländer in erster Linie durch einen stark zunehmenden Wanderungsdruck spürbar wird.

Forschung zur Analyse, Prognose und Bewältigung dieses Problemkomplexes ist in Deutschland nur un-zureichend entwickelt, sowohl hinsichtlich der theo-retischen Grundlagen als auch empirischer Fallstudi-en und ModellsimulationFallstudi-en:

• Die Stadt-Umland-Beziehungen müssen unter Beachtung der Transferleistungen zwischen städti-scher Außenorientierung und ländlicher Subsi-stenzwirtschaft neu untersucht und bewertet wer-den (Umkehrung des Push-pull-Ansatzes).

• Bei der Forschung zur internationalen Migration wird die Identifikation potentieller Quell- und Zielgebiete und der Austauschbeziehungen im-mer wichtiger. Insbesondere müssen die wande-rungsrelevanten Motivstrukturen systematisch er-faßt werden.

• Die Determinanten individueller Wanderungsent-scheidungen müssen im Rahmen ihrer soziokultu-rellen Einbettung ermittelt werden. Die her-kömmliche Flowanalyse ist durch eine Migra-tionssystemforschung zu ergänzen.

• Fehl- und Unterernährung sowie Hunger zählen zu den wesentlichen Ursachen von Migration.

Forschungen zu Ernährungssicherung und Was-serverfügbarkeit müssen daher weiter ausgebaut werden.

• Der informelle Sektor spielt zur Aufrechterhal-tung eines Minimums an sozialer Sicherheit eine zentrale Rolle für die städtischen Armen. Seine Entwicklungspotentiale müssen daher intensiv er-forscht werden.

• Unsere Kenntnis über neu entstehende Großag-glomerationen und Megastädte und ihre Einbin-dung in das globale System ist noch unvollständig.

Auch die informell gebaute Stadt ist noch wenig erforscht. Um das Funktionieren der „ungeplan-ten“ Megastädte zu verstehen, muß der Systemzu-sammenhang dieser urbanen Strukturen unter-sucht werden.

• Die zweite Weltsiedlungskonferenz (HABITAT II) machte deutlich, daß die Schaffung „angemes-senen“ Wohnraums ein akutes Problem für das Wohlergehen von mehr als einer Milliarde Men-schen darstellt. Problemlösungsorientierte For-schung sollte zusätzlich auch im Kontext interna-tionaler Konferenzen entsprechend durchgeführt werden (Vor- und Nachbereitung).

2.6

Ökonomische Forschung

Der Beirat sieht für den Bereich der global rele-vanten ökonomischen Forschung Bedarf vor allem zu den folgenden drei Themenkomplexen:

• Forschung zu Zielen und Wirkungen globaler Um-weltpolitik. Hier sollte ein Schwerpunkt auf den Fragen der Operationalisierung des Leitbilds der Nachhaltigkeit von ökonomischer Entwicklung liegen. Dies verlangt vor allem die Bestimmung der essentiellen, d.h. nicht substituierbaren Ele-mente des Naturkapitals, die Schätzung der Ko-sten unterlassenen Umweltschutzes, die Bewer-tung der intra- und intergenerationellen Vertei-lungsfragen, hier vor allem die wissenschaftliche Diskussion um eine „richtige“ Diskontierung, so-wie die Konkretisierung von Kriterien der Ökono-mie- bzw. Sozialverträglichkeit nachhaltiger Ent-wicklung.

• Forschung zu den Trägern globaler Umweltpolitik.

Ein Forschungsschwerpunkt sollte sich hierbei auf die ökonomische Analyse des Verhaltens der glo-bal relevanten Akteure – politische wie private (etwa multinationale Konzerne) – konzentrieren.

Unter anderem geht es darum, strategische Ver-haltensoptionen zu entwickeln, die für eine über-wiegende Mehrheit der Beteiligten vorteilhaft sind.

• Forschung zu den Instrumenten globaler Umwelt-politik. Angesichts der Tatsache, daß auf der glo-balen Ebene planungs-, ordnungs- und steuer-rechtliche Lösungen nur begrenzt zur Verfügung stehen, erfolgt die Umsetzung von Umweltbelan-gen in der Regel über Verträge bzw. Konventionen und ökonomische Anreize. Insofern sollte sich die instrumentelle Forschung auf die Weiterentwick-lung der Zertifikatslösung (einschließlich joint im-plementation), des Haftungsrechts und auf Fonds-lösungen konzentrieren. Parallel dazu interessiert die Frage möglicher Sanktionsmechanismen im Falle mangelnder Vertragstreue.

168 D 2 Vorrangige Aufgaben

169 Forschung zur gesellschaftlichen Organisation D 2.7

2.7

Forschung zur gesellschaftlichen Organisation Die umweltbezogene politikwissenschaftliche For-schung war bislang hauptsächlich national orientiert, ihre globale Perspektive muß deutlich verstärkt wer-den. Dabei sind die Probleme der Schwellenländer mit ihrer wachsenden Bedeutung für den Globalen Wandel von besonderem Interesse. Für global orien-tierte umweltpolitische Konzepte müssen dabei die soziokulturellen, ökonomischen und völkerrechtli-chen Rahmenbedingungen beachtet werden.

In der umweltpolitischen Forschung muß der Fo-kus auf klimarelevante Forschung durch Betrach-tung anderer Problemfelder wie Bodendegradation, Verlust biologischer Vielfalt, Wasserverknappung und -verschmutzung ergänzt werden. Angesichts der Diskrepanz zwischen Umweltbewußtsein und tat-sächlich umgesetzter Sachpolitik sollten Fragen der politischen Willensbildung sowie der Implemen-tierung völkerrechtlicher Übereinkommen vordring-lich untersucht werden. Darüber hinaus muß sich die politikwissenschaftliche Forschung intensiv mit Fra-gen der Prävention ökologischer Konflikte befassen.

Besonders folgende Aufgaben sind zu lösen:

• Untersuchung der sozioökonomischen und politi-schen sowie kulturell bedingten Handlungsre-striktionen und damit verbundener Implemen-tierungsprobleme bei umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen.

• Entwicklung von Konzepten, auf deren Basis Lö-sungsstrategien für den Umgang mit charakteristi-schen Erschwernissen globaler Problemlösungs-prozesse (global commons, Frage der compliance etc.) ansetzen können.

• Analyse der Funktionsweise internationaler Ver-handlungssysteme, vor allem unter dem Aspekt der Unsicherheit des Wissens über globale Um-weltveränderungen, und darauf aufbauend, wicklung von Konzepten zum Umgang mit Ent-scheidungen unter Unsicherheit.

In bezug auf den Globalen Wandel stehen die Rechtswissenschaften vor der Frage nach den rechtli-chen Möglichkeiten zur Verabschiedung und Durch-setzung wirksamer Maßnahmen. Es geht dabei z.B.

um Probleme der rechtlichen Würdigung der Ein-schränkung nationaler Souveränität, des Völkerge-wohnheitsrechts und der ökologischen Solidarität.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Beirat, vor al-lem folgende Rechtsfragen aufzugreifen:

• Klärung des Bestands an außervertraglichen Nor-men und des Völkergewohnheitsrechts im Hin-blick auf globale Umweltprobleme mit dem Ziel, flexibler reagieren zu können.

• Begründung einer allgemeinen ökologischen

Soli-daritätspflicht für Industriestaaten gegenüber Entwicklungsländern.

• Klärung des Status von Nichtregierungsorganisa-tionen im zwischenstaatlichen Recht.

• Klärung der Rechtsfragen bei Schäden aufgrund globaler Umweltveränderungen.

• Fortentwicklung von Durchsetzungsmechanis-men, Entscheidungsverfahren und Streitschlich-tungsmechanismen bei zwischenstaatlichen Ver-trägen.

2.8

Forschung zur psychosozialen Sphäre

Von den für die psychosoziale Sphäre relevanten Wissenschaftsdisziplinen werden zunehmend Frage-stellungen aufgegriffen, die für die Analyse der Ursa-chen und Wirkungen des Globalen Wandels sowie für problemorientierte Interventionsmaßnahmen bedeutsam sind. In Deutschland ist diese Forschung insgesamt noch wenig entwickelt, und die meisten Projekte werden einzeldisziplinär und dezentral durchgeführt. Vorzugsweise im Rahmen von Ge-meinschaftsprojekten sollten folgende Themen auf-gegriffen werden:

• Entwicklung von Konzepten des Globalen Wan-dels aus sozialwissenschaftlicher Perspektive.

• Leitbildforschung zu Komponenten und Prozes-sen nachhaltiger Entwicklung, von den ethischen Grundsätzen bis hin zu Operationalisierungen und empirischen Analysen.

• Untersuchungen zu den Bedingungen GW-rele-vanter Verhaltensweisen (Wahrnehmung und Be-wertung von GW-Phänomenen, Motivation des Handelns etc.) und zu Strategien von Verhaltens-änderungen.

• Untersuchung und Evaluation von Interventions-maßnahmen (in konkreten Kontexten mit spezifi-schen Akteursgruppen), in Hinblick auf die Wech-selwirkungen von technischen, ökonomischen, rechtlichen und psychosozialen Maßnahmen.

• Entwicklung, systematischer Einsatz und Evalua-tion GW-relevanter Bildungsmaßnahmen für alle Bildungsebenen.

• Entwicklung und Etablierung eines weltweiten, umfassenden social monitoring (analog zum envi-ronmental monitoring).

Im Rahmen dieser Aufgaben bedarf es verstärkt kulturspezifischer und kulturvergleichender Erfor-schung der gesellschaftlichen Akteure durch umfas-sende, disziplinübergreifende Fallstudien sowie der Ausdehnung räumlicher Kontexte und Zeitskalen der Untersuchungen.

2.9

Technologische Forschung

Technologische Forschung bietet einen Schlüssel zur Bewältigung des Globalen Wandels. Dies gilt be-sonders für Arbeiten zur Weiterentwicklung von Energietechnologien mit dem Ziel einer umwelt-, wirtschafts- und sozialverträglichen Energieinfra-struktur. Der Schwerpunkt sollte auf Forschung und Entwicklung verschiedener Energieoptionen liegen, dazu gehören u.a.:

• Forschung zur Photovoltaik.

• Forschung zur Nutzung von Windkraft, vor allem in Entwicklungsländern.

Der Beirat empfiehlt ferner die Förderung von Forschungsprogrammen zur Klimarelevanz des Flug-verkehrs und zu seiner umweltverträglicheren Wei-terentwicklung. Im Schnittstellenbereich zwischen Technik und Ökonomie schlägt der Beirat u.a. fol-gende Forschungsthemen vor:

• Überprüfung der Eignung und Wirkung des joint-implementation-Ansatzes (Kompensationsprin-zip) zur Treibhausgasreduktion.

• Entwicklung von kosteneffizienten Minderungs-strategien für Treibhausgasemissionen bei simul-taner Berücksichtigung aller klimawirksamen Spurengase.

• Erforschung von CO2-Rückhalte- und Speicher-techniken unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten.

• Analyse und Quantifizierung der Auswirkungen von Treibhausgasminderungsstrategien auf die Emissionen anderer atmosphärischer Massen-schadstoffe und anderer Umweltproblematiken.

• Entwicklung von kosteneffizienten Minderungs-strategien für Ozon in der Troposphäre.

• Entwicklung logistikorientierter Produktionspro-zesse (z.B. Reduzierung der Transportwege im Produktionsprozeß).

• Identifikation umweltverträglicher Industrialisie-rungspfade in Entwicklungs- und Schwellenlän-dern, unter Beachtung der vor Ort vorhandenen technischen und personellen Potentiale.

Um komplexe technische Umweltprobleme pra-xisrelevant lösen zu können, müssen in Abhängigkeit vom jeweiligen Projekt und seiner Problemstellung verschiedene Fachrichtungen zusammenarbeiten, im Regelfall aus folgenden Bereichen:

• Techniken: Ingenieurwissenschaften.

• Stofflichkeit: Chemie, Biologie, Geologie.

• Planung und Gestaltung: Ökonomie und Sozial-wissenschaften.

• Anwendung und Auswirkung: Sozial- und Verhal-tenswissenschaften, Umweltmedizin.

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