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4.3 Sexueller Kindesmissbrauch

4.3.5 Vorgeschichte bei sexuellem Kindesmissbrauch

In Übereinstimmung mit der aktuellen Literatur (27, 38, 39, 41, 90, 91, 100, 101) war der Beschuldigte in den meisten Fällen (73,6%) dem Opfer näher bekannt bzw. mit dem Kind verwandt. Fremdtäter wurden nur in 4,4% eines Missbrauchs beschuldigt. In anderen Studien (8, 22, 38, 39, 90, 91, 101) lag der Anteil der Fremdtäter bei 2% - 29,5%. Nach heutigen Erkenntnissen sollen bis zu 60% der Täter aus dem Familienkreis stammen (20). Vorliegend wurde in 46,2% der Fälle eine familiäre Beziehung angegeben. Darüber hinaus ist beschrieben, dass Kinder, die mit einem Stiefvater zusammenleben, ein wesentlich größeres Risiko aufweisen Opfer eines sexuellen

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Missbrauchs zu werden, als Kinder, die mit ihrem biologischen Vater aufwachsen (9).

Vorliegend wurde in 6,6% der Fälle ein Stiefvater bzw. der Lebensgefährte der Mutter beschuldigt. In Studien von Saint-Martin et al. (8) sowie Spencer et al. (93) wurde mit jeweils 11% in einem noch höheren Anteil an Fällen ein Stiefvater der Tat verdächtigt.

Bei den untersuchten Beschuldigten hat es sich in keinem einzigen Fall um ein Familienmitglied gehandelt. Dies lässt sich zum einen darauf zurückführen, dass bei Eltern, Stiefeltern oder sonstigen Familienmitgliedern kaum Befunde zu erwarten sind, da diese die Kinder oft einschüchtern oder dem Kind „suggerieren“, dass ein Missbrauch „normal“ ist. Verletzungen durch eine Gegenwehr des Opfers beim Täter sind somit kaum zu erwarten. Darüber hinaus sind auch mögliche DNA-Spuren des Opfers am Körper eines Familienmitgliedes nur wenig aussagekräftig, da diese auch bei normalem Kontakt zu einem Kind, z.B. im Rahmen des Wickelns oder Spielens, zu erwarten sind.

Die Tatsache, dass der Beschuldigte den Kindern meistens bekannt ist, kann als eine Ursache für die häufig verzögerte Vorstellung der Kinder zur Untersuchung angesehen werden, da oft erst spät eine Anzeige bei der Polizei erstattet wird. So sind vorliegend zwar zwei der vier Geschädigten (50,0%), die Opfer eines Missbrauchs durch einen Fremdtäter geworden sind, innerhalb von 24 Stunden untersucht worden, jedoch nur 15,6% der Kinder, bei denen ein Familienmitglied oder der eigene Freund der Tat beschuldigt wurde. Auch Rimsza et al. (91) beschrieben in ihrer Studie, dass sich 85%

der geschädigten Kinder eines Fremdtäter-Deliktes innerhalb von 72 Stunden zur Untersuchung vorstellten, verglichen mit nur 20% der Opfer eines Missbrauchs durch den Vater. Wie bereits beschrieben können auch bei der hier erläuterten Problematik einfach zugänglichere forensische Untersuchungen ohne vorherige Einschaltung der Polizei – z.B. im Rahmen von Gewaltopferambulanzen - zu einer Verkürzung des Vorstellungzeitraumes beitragen. Darüber hinaus sollten Eltern, Lehrer und Kindergärtner den Kindern beibringen, dass Gewalt und Missbrauch von jeglicher Person – insbesondere auch Familienmitgliedern und nahen Bekannten - eine Straftat darstellt und von keinem Kind ertragen werden muss.

Die meist enge Täter-Opfer-Beziehung ist oftmals mit Wiederholungsdelikten verknüpft. 33,0% der geschädigten Kinder gaben an, wiederholt Opfer eines Missbrauchs geworden zu sein, wobei der Beschuldigte in 93,1% dieser Fälle ein

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Familienmitglied oder eine andere nähere Bekanntschaft war. In der Literatur (34, 39, 91, 93) wird der Anteil von Wiederholungsdelikten bei sexuellem Kindesmissbrauch mit 30% - 68% angegeben. Auch Saint-Martin et al. (8) konnten zeigen, dass Kinder, die Opfer eines Missbrauchs durch Familienmitglieder waren, häufiger Opfer einer Wiederholungstat wurden (65,1%) als Geschädigte eines außerfamiliären Missbrauchs (30%). Diese meist enge Täter-Opfer-Beziehung bei Wiederholungsdelikten kann die oft verlängerte Zeitspanne bis zur Untersuchung bei wiederholt geschädigten Kindern erklären, die in nur 10,0% innerhalb von 24 Stunden nach dem letzten Vorfall untersucht wurden, verglichen mit 41,0% der geschädigten Kinder eines Erstdeliktes.

Auch bei Roelfs (34) wurden nur 7,1% der wiederholt missbrauchten Kinder innerhalb von 36 Stunden untersucht, im Gegensatz zu 68,2% der Opfer eines einmaligen sexuellen Übergriffes. Daneben berichtete Roelfs (34) bei Wiederholungsdelikten von einer Dauer des sexuellen Missbrauchs von zwei Wochen bis sechs Jahren. Im eigenen Untersuchungsgut fanden sich Zeitspannen zwischen dem ersten Vorfall und der Untersuchung von 1,5 Monaten bis zu zwölf Jahren. Bei Lauritsen et al. (27) wurden 40% der Kinder mehr als 1,5 Jahre missbraucht. Andere Autoren (33) gehen davon aus, dass der Missbrauch in ca. 70% mehr als zwei Jahre dauert, in ca. 40% zwei bis vier Jahre und in ca. 20% mehr als fünf Jahre.

Hinsichtlich des Tatortes wurde in den meisten Fällen (39,6%) eine Wohnung oder ein Wohnhaus angegeben. Auch andere Autoren (8, 99, 102) beschrieben dies als den häufigsten Tatort eines sexuellen Kindesmissbrauchs. Es muss jedoch angemerkt werden, dass in 38 Fällen (41,8%) der Tatort unbekannt war. Dies weist auf die oft unklare Vorgeschichte bei sexuellem Missbrauch von Kindern hin, die häufig nur aufgrund eines auffälligen Verhaltens oder unklarer Befunde untersucht werden und oftmals auch alters- und entwicklungsbedingt nicht in der Lage sind genaue Angaben zur Vorgeschichte zu machen. Dies zeigte sich auch bei der Analyse der Tatzeit, wo in 36 Fällen (39,6%) die Jahreszeit und in 61 Fällen (67,0%) die Tageszeit des Missbrauchs unklar waren. Eine Häufung sexueller Übergriffe zu einer bestimmten Jahreszeit konnte bei den Kindern nicht festgestellt werden. Es fand sich jedoch eine leichte tageszeitliche Häufung von Fällen vom späten Nachmittag bis in die frühe Nacht.

93 4 Diskussion 4.3.6 Untersuchungsergebnisse der Geschädigten

4.3.6.1 Extragenitale Befunde

Extragenitale Verletzungen konnten nur bei 12,1% der Geschädigten eines sexuellen Missbrauchs dokumentiert werden. Andere Studien (27, 91, 99) haben eine etwas höhere Häufigkeit extragenitaler Befunde von 16% - 44% beschrieben. Ein Grund für die geringe Anzahl von Kindern mit extragenitalen Befunden lässt sich in der oft langen Zeitspanne bis zur Untersuchung vermuten. Insgesamt sollten die betroffenen Mädchen und Jungen - wie in der Literatur (5, 20, 27, 32, 90) empfohlen - so zeitnah wie möglich untersucht werden, da sonst viele Verletzungen nicht mehr nachweisbar sein können. 54,5% der Geschädigten, bei denen körperliche Befunde erhoben werden konnten, sind innerhalb von 24 Stunden nach dem Missbrauch untersucht worden.

Nach mehr als vier Tagen konnten bei keinem Kind Verletzungen festgestellt werden.

Rimsza et al. (91) stellten extragenitale Befunde bei 42% der Kinder fest, die innerhalb von 24 Stunden untersucht worden sind, verglichen mit Befunden bei nur 11% der Kinder, die mehr als 24 Stunden nach der Tat begutachtet worden sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer frühzeitigen Untersuchung bei Verdacht auf einen sexuellen Missbrauch, wenn möglich innerhalb von 24 Stunden. Ein weiterer Grund für die geringe Häufigkeit extragenitaler Befunde lässt sich in der Art der Gewaltanwendung vermuten. So soll es in nur 3,3% der Fälle zur Anwendung stumpfer Gewalt gekommen sein. Es ist bekannt, dass sexueller Missbrauch von Kindern häufig ohne gewaltsamen körperlichen Kontakt stattfindet, so dass keine diagnostizierbaren Verletzungen entstehen (5). Die Täter haben meistens eine enge Beziehung zum Opfer und möchten einen fortdauernden Zugang zu dem Kind haben. Jeder gewalttätige Missbrauch würde in einem signifikanten Trauma und einer Aufdeckung des Missbrauchs resultieren, was die Täter verhindern möchten (88). Delikte durch Fremdtäter, die laut der Literatur (91) mit einer vermehrten Gewaltanwendung und einer vermehrten Gegenwehr des Opfers einhergehen, sind bei Kindern selten.

Als häufige und auf einen Missbrauch hinweisende extragenitale Befunde werden in der aktuellen Literatur (5, 33) Hämatome, sowie Biss- und Saugmarken insbesondere an den Oberschenkelinnenseiten, den Brüsten, am Hals und am Gesäß beschrieben. Im

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eigenen Untersuchungsgut handelte es sich bei den Befunden überwiegend um Hämatome, Hautläsionen und Hautrötungen, die vorranging an den Oberschenkeln lokalisiert waren. Weitere häufige Verletzungslokalisationen waren der Rücken, das Gesicht, die Unterarme und das Gesäß.

4.3.6.2 Anogenitale Befunde

In der aktuellen Literatur (5, 20, 33, 88, 103, 104) wird immer wieder auf die Häufigkeit von anogenitalen Normalbefunden bei Opfern eines sexuellen Kindesmissbrauchs - selbst nach vaginaler Penetration und sogar bei bestehender Schwangerschaft - hingewiesen. Adams et al. (92) kamen bei ihrer Studie zu Untersuchungsbefunden bei juristisch bestätigten Fällen eines sexuellen Kindesmissbrauchs zu dem Schluss: „It´s normal to be normal“. Im eigenen Untersuchungsgut konnte in 27,0% der Fälle ein anogenitaler Befund erhoben werden, wobei sich für einen sexuellen Missbrauch diagnostische Verletzungen bei acht Kindern (9,0%) zeigten. Als diagnostische Befunde wurden dabei in Anlehnung an das modifizierte Adams Klassifikationsschema (5, 33) gewertet: eine akute Lazeration oder Einblutung der Labien, des Penis und des Scrotum, ein akuter Einriss der „Posterior fourchette“, eine akute Lazeration, Einblutungen oder Petechien des Hymens, Hymenaldurchtrennungen im Sinne von vollständigen Kerben oder Konkavitäten in der posterioren Hälfte (ohne dort verbleibendes Hymenalgewebe), ein in der Knie-Ellenbogen-Lage bestätigtes Fehlen des posterioren Hymens sowie perianale Einrisse bis zum externen Analsphinkter, penianale Narben und Narben der „Posterior fourchette“ oder der Fossa navicularis.

Nur zweimal fand sich vorliegend eine Deflorationsverletzung des Hymens und jeweils einmal ein fehlender Hymenalsaum in der posterioren Hälfte, eine geheilte Durchtrennung des Hymens in der posterioren Hälfte und ein hymenales Hämatom.

Auch andere Autoren (34, 103, 105, 106) konnten nur selten Verletzungen des Hymens bei Opfern eines sexuellen Kindesmissbrauchs feststellen. Dabei ist bei Kindern die mit Einsetzen der Pubertät beginnende Hormonbeeinflussung des Hymens zu berücksichtigen, welche für eine vermehrte Dehnungsfähigkeit und geringere Verletzungsanfälligkeit verantwortlich ist (100, 107, 108). Vorliegend konnten bei zwei von drei Mädchen mit vaginalem Spermanachweis keine beweisenden anogenitalen Verletzungen gefunden werden, wobei sich beide Mädchen zum Zeitpunkt der

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Untersuchung in der Pubertät befunden haben und somit ein entsprechend dehnungsfähiger bzw. wenig verletzungsanfälliger Hymenalsaum postuliert werden kann. Ebenso konnten Kellogg et al. (103) bei 36 schwangeren adoleszenten Mädchen nur in zwei Fällen Befunde für ein penetrierendes Trauma erheben.

Die mit 9,0% geringe Häufigkeit diagnostischer Befunde bei Kindern konnte auch in Studien anderer Autoren gezeigt werden. So finden sich in der Literatur (38, 90-92, 104, 105, 109) bei 26% bis über 90% der missbrauchten Kinder unauffällige Genitalbefunde. Es zeigt sich dabei in der aktuellen Literatur eine rückläufige Tendenz der sicher missbrauchsdiagnostischen Läsionen mit nur 4% diagnostischen Befunden bei Heger et al. (88) und nur einem diagnostischen Befund in 34 Untersuchungen bei Lauritsen et al. (27). Diese rückläufige Tendenz lässt sich dadurch erklären, dass viele der anogenitalen Befunde, die früher als diagnostisch gewertet worden sind, heute in Folge verschiedener Studien zum anogenitalen Befund nicht-missbrauchter Kinder (88, 104, 107, 110, 111) als anatomische Variationen angesehen werden. Diese Variabilität des kindlichen Genitals – insbesondere des weiblichen Hymens - stellt jedoch auch insofern ein Problem dar, als dass dem Untersucher der Ausgangsbefund des zu untersuchenden Kindes meistens nicht bekannt ist. Eine Dokumentation von Vorbefunden, z.B. im Rahmen von Routine- bzw. U-Untersuchungen, wäre in diesem Zusammenhang wünschenswert (112).

Als ein Grund für die Häufigkeit von Normalbefunden bei sexuellem Kindesmissbrauch kann die oft lange Zeitspanne bis zur Untersuchung angesehen werden. So sind 58,3%

der Geschädigten, bei denen anogenitale Befunde erhoben werden konnten, innerhalb von 24 Stunden begutachtet worden. Frische, bei einem sexuellen Missbrauch diagnostische Einrisse und Deflorationsverletzungen konnten nur bei Kindern festgestellt werden, die innerhalb von 24 Stunden klinisch-forensisch untersucht worden sind. Ebenso konnten Christian et al. (90) über 90% der Kinder, bei denen diagnostische Befunde erhoben werden konnten, innerhalb von 24 Stunden begutachten. Dies unterstreicht die Ergebnisse weiterer neuer Studien (5, 85), wonach die sofortige klinisch-forensische Untersuchung bei präpubertären Kindern im Regelfall nur bis zu ca. 24 Stunden nach der Tat sinnvoll ist. Danach sollte eine Untersuchung an die Umstände der Kinder angepasst werden, d.h. die Begutachtung sollte kein einschneidendes Erlebnis in dem Tagesablauf der Kinder darstellen und dadurch so

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wenig traumatisierend wie möglich sein. Die Zeitabhängigkeit der Befunde – wie sie auch von weiteren Autoren (91, 92, 94, 97, 104) beschrieben wurde - lässt sich durch eine rasante und oft vollständige Heilungstendenz des anogenitalen Gewebes der Kinder erklären. So ist bekannt, dass oberflächliche Schleimhautverletzungen und sogar tiefreichende Hymenaleinrisse komplett und folgenlos verheilen können (5, 33, 68, 101, 113-115).

Einen weiteren Grund für das häufige Fehlen auffälliger anogenitaler Untersuchungsbefunde stellt die Art und Invasivität des Missbrauchs selbst dar. So finden viele Formen von sexuellem Missbrauch wie Berührungen, orogenitaler Kontakt, Masturbation oder das Erstellen pornographischer Aufnahmen ohne gewaltsamen körperlichen Kontakt statt und hinterlassen daher keine körperlichen Spuren (5, 33). In der Vorgeschichte wurde von 35,1% der Mädchen ein penil-vaginaler Kontakt angegeben und in 23,0% ein digital-vaginaler. 20,9% der Kinder beschrieben einen penil-analen und 8,8% der Kinder einen digital-analen Kontakt. Dreimal (3,3%) wurde eine Fellatio und siebenmal (7,7%) eine Berührung bzw. ein Küssen beschrieben. In 29,7% der Fälle war die Art des sexuellen Missbrauchs zum Untersuchungszeitpunkt völlig unklar. Dies weist erneut auf die oft unklare Vorgeschichte bei sexuellem Kindesmissbrauch hin, wie auch die Feststellung, dass viele Kinder keine eindeutige Aussage bezüglich einer Penetration machen konnten.

Hinsichtlich der Art des sexuellen Missbrauchs werden auch in der Literatur (27, 91, 92, 102) gehäuft digitale genitale Kontakte in 10% - 44% beschrieben. Da bei diesen Formen des Missbrauchs mit vorsichtigen Manipulationen mit den Fingern Verletzungen nicht zwingend zu erwarten sind, kann dies ein Grund für die geringe Häufigkeit diagnostischer Befunde bei Kindern sein.

Schließlich muss berücksichtigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit auffällige Befunde zu erheben auch durch die Bereitschaft des Untersuchers, einen sexuellen Missbrauch als mögliche Differentialdiagnose in Betracht zu ziehen, beeinflusst wird, sowie durch dessen Fähigkeit Befunde wahrzunehmen. Diese Fähigkeit Befunde richtig zu erheben und einzuordnen ist – wie bereits unter 4.3.1, S. 85 f. beschrieben - zwingend an eine fachliche Qualifikation des Untersuchers, aber auch an gute Untersuchungsbedingungen, gebunden (5, 33).

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Letztlich ist bei Verdacht auf einen sexuellen Kindesmissbrauch auch von besonderer Bedeutung, dass Überinterpretationen von Befunden vermieden und stets zahlreiche Differentialdiagnosen wie akzidentelle Traumata oder krankheitsbedingte Befunde ausgeschlossen werden müssen (110, 112, 116, 117).

4.3.6.3 Spermiennachweis

Neben den beschriebenen diagnostischen Genitalbefunden sind auch der Nachweis von Spermien, eine Schwangerschaft sowie eine HIV-Infektion und positiv bestätigte Kulturen für Neisseria gonorrhoe oder Syphilis bei Ausschluss einer perinatalen Übertragung diagnostisch für einen sexuellen Missbrauch (5, 20, 33). Vorliegend konnten bei drei Mädchen (17,6%) vaginal Spermien nachgewiesen werden. Im Gegensatz zu Christian et al. (90), die Spermien am Körper der Kinder nach mehr als neun Stunden nicht mehr nachweisen konnten, waren im eigenen Untersuchungsgut Spermien bis zu 21 Stunden feststellbar, so dass eine Abstrichentnahme mit anschließender Untersuchung auf Spermien bis zu 24 Stunden und gegebenenfalls noch darüber hinaus zu postulieren ist. Längere Nachweiszeiten von Spermien konnten jedoch von Christian et al. (90) sowie Young et al. (118) auf der Kleidung missbrauchter Kinder und auf der Bettwäsche festgestellt werden, wobei beide Autoren dies bei Kindern als die häufigsten Lokalisationen eines Spermiennachweises beschrieben. Eine Asservierung der Kleidung bzw. Bettwäsche, deren Untersuchung in Hannover in der Regel durch das Landeskriminalamt Niedersachsen durchgeführt wird, ist somit auch über 24 Stunden hinaus immer anzuraten.

Die Häufigkeit eines positiven vaginalen Spermiennachweises zeigte sich bei den Kindern mit 17,6% als gering. Andere Autoren (91, 99, 118) beschrieben einen positiven Spermiennachweis bei 6% - 30% missbrauchter Kinder. Ein Grund für das häufige Fehlen eines Spermiennachweises kann in der Art der sexuellen Gewaltanwendung vermutet werden. So gaben nur 24,3% der geschädigten Mädchen eine vaginale penile Penetration an und nur 13,5% berichteten zusätzlich einen teils fraglichen Samenerguss. Die Wahrscheinlichkeit eines Spermiennachweises bei Kindern ist folglich gering. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass oftmals nur eine geringe Übereinstimmung zwischen der kindlichen Beschreibung des Missbrauchs und

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den forensischen Befunden vorliegt. So konnten Christian et al. (90) zeigen, dass die meisten Kinder, bei denen Spermien nachgewiesen werden konnten, keine Ejakulation des Täters angegeben hatten. Aus diesem Grund sollte die Entscheidung einer forensischen Spurensicherung nicht von der Beschreibung des Missbrauchs durch das Kind abhängig gemacht werden.