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Kapitel 7

Analyse der Entscheidungspraxis des BKartA

Kapitel 7 befasst sich mit den kartellbeh¨ordlichen Fusionskontrollentscheidungen. Nach einer kurzen Einleitung zur Fusionskontrollpolitik des BKartA in der leitungsgebunden Energiewirtschaft gibt Abschnitt 7.2 einen ¨Uberblick ¨uber die Entscheidungspraxis der 8. Beschlussabteilung in den M¨arkten f¨ur Strom und Erdgas. In den nachfolgenden Abschnitten werden die Zusammenh¨ange zwischen Markt- und Unternehmensstruktur, Integrationsstrategie und verschiedenen Dimensionen kartellbeh¨ordlicher Entscheidun-gen mittels multivariater Analyseverfahren eingehender untersucht.

wird, ausschließlich durch die Entscheidung der Eigner des Lokalversorgers ¨uber die Wahl des Strom- und Gasvorlieferanten bestimmt. Dar¨uber hinaus haben die beteilig-ten Energieversorger im Preiswettbewerb mit anderen Anbietern ohnehin einen Vorteil.

Denn sie k¨onnen aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafter damit rechnen, dass ihnen ein Teil eines gew¨ahrten Preisnachlasses als Gewinn wieder zufließt. Und schließlich kann in Anbetracht der Kapitalbeteiligung die M¨oglichkeit bestehen, dass (potenzielle) Wettbewerber entmutigt und von einem aggressiven Wettbewerbsverhalten in Bezug auf die Belieferung des Lokalversorgers abgeschreckt werden.

Die Fusionskontrollpraxis im Bereich der leitungsgebundenen Energiewirtschaft wur-de wur-deshalb zunehmend restriktiver ausgestaltet. Im Energiebereich sind nun alle Zu-sammenschl¨usse unabh¨angig von der H¨ohe der Beteiligung anmeldungspflichtig:

”Im Hinblick darauf, dass Beteiligungen an Weiterverteilerkunden auch bei relativ nied-riger Beteiligungsh¨ohe kaum als Finanzbeteiligungen, sondern i.d.R. als strategische,

”wettbewerblich erheblichen Einfluss“ vermittelnde Beteiligungen anzusehen sind, setzt das Bundeskartellamt seine Praxis (TB BKartA 1997/1998, S. 122), Beteiligungserwer-be von nicht mehr als 20% nur dann als Zusammenschluss zu pr¨ufen, wenn damit Sperrrechte oder Organbesetzungsrechte verbunden werden, nicht fort. Vielmehr ist im Einzelfall aufgrund einer Gesamtschau zu pr¨ufen, ob ein konkreter Beteiligungser-werb den Zusammenschlusstatbestand des §37 I Nr. 4 erf¨ullt.“ (TB BKartA 2001/

2002, S. 163). Dar¨uber hinaus revidierte das BKartA im Strombereich seine geo-graphische Abgrenzung f¨ur den Kleinkundenmarkt. Aufgrund der Erfahrungen aus der Missbrauchsaufsicht kehrt es 2002 wieder zur regionalen bzw. lokalen r¨aumlichen Marktabgrenzung zur¨uck (TB BKartA 2001/ 2002, S. 162). Die Monopolkommission begr¨ußt die ¨Anderung der Fusionskontrollpraxis (Monopolkommission, 2004, Tz. 678).

Trotz der zunehmend restriktiveren Fusionskontrollpraxis wird die ¨uberwiegende An-zahl der eingereichten Beteiligungserwerbe von Verbundunternehmen vom BKartA frei-gegeben oder als nicht anmeldepflichtig beurteilt. Dies liegt zum einen daran, dass die Bagatellmarktgrenze (§35 II Nr. 2 GWB) in diesen F¨allen aufgrund der r¨aumlichen Marktabgrenzung im Gas- und Strombereich unterschritten wird. Zum anderen kann in vielen F¨allen nur eine minimale Verst¨arkungswirkung bejaht werden. Dementspre-chend hat die Beschlussabteilung in der Vergangenheit mehrfach Zusammenschl¨usse freigegeben, in denen der erworbene Lokalversorger eine relativ geringe Gr¨oße in Ter-mini von Strom- und Gasvolumina aufweist.

Zusammenschl¨usse zwischen Lokalversorgern werden hingegen noch immer als unbe-denklich angesehen. Da der Wettbewerb um Strom- bzw. Gaskleinkunden aus wirt-schaftlichen Gr¨unden nicht mittels Stichleitungsbau gef¨uhrt werden kann, hat auch die Nachbarschaft von Versorgungsgebieten keine Bedeutung. Wettbewerb um Stromklein-kunden findet nur mittels Durchleitung durch das Netz des ¨ortlichen Versorgers (im

Untersuchungszeitraum h¨aufig nur in Form der

”Strom-Beistellung“) statt.2 Die N¨ahe eines Wettbewerbers zu dem entsprechenden Versorgungsgebiet eines Stadtwerks ist dabei von untergeordneter Bedeutung, da grunds¨atzlich alle im Inland t¨atigen Strom-versorgungsunternehmen hier potenzielle Wettbewerber sind. Der Wegfall nur eines, wenn auch benachbarten, Lokalversorgers aus diesem Kreis potenzieller Wettbewerber f¨allt dabei weniger ins Gewicht. Potenzielle Wettbewerber um Stromkleinkunden sind vielmehr die vorgelagerten Regionalversorger. Dieses Konkurrenzverh¨altnis bleibt bei einem Zusammenschluss unabh¨angiger Lokalversorger weiter bestehen. F¨ur Gasklein-kunden existierten zwischen 1999 und 2003 keine wettbewerblichen Angebote.

Die bundesweit abgegrenzten Stromgroßkundenm¨arkte weisen aufgrund der margina-len Marktanteile von Lokalversorgern keine wettbewerblichen Bedenken auf. Auch auf den Gasgroßkundenm¨arkten bestehen keine Wettbewerbsprobleme. Die potenziellen Wettbewerber in den Versorgungsgebieten von Stadtwerken sind vorrangig die Fern-gasunternehmen und die regionalen Gasweiterverteiler. Diese sind am ehesten in der Lage, von ihren vorgelagerten Leitungen Stichleitungen zu Großkunden abzuzweigen oder ¨uber k¨urzere Durchleitungswege als Stadtwerke mittels Durchleitung Großkunden zu erreichen. Denn Stadtwerke sind i.d.R. darauf angewiesen ¨uber Fernleitungen der Vorversorger in das Verteilnetz eines anderen Stadtwerks zu gelangen. Durchleitun-gen bei Gas sind zudem bisher aufgrund der ung¨unstigen bzw. ungekl¨arten Netzzu-gangsbedingungen nur von Seiten der Verbundunternehmen oder eigens spezialisierter Unternehmen zu erwarten, da sie Verhandlungsst¨arke und das Know-how haben, um Durchleitungen auch durchzusetzen.

Dar¨uber hinaus sind sie aus kartellbeh¨ordlicher Sicht geeignet, die Wettbewerbsf¨ahigkeit der beteiligten Versorger zu verbessern. So k¨onnen Lokalversorger durch die B¨undelung von Nachfragemengen g¨unstigere Preise und Konditionen erzielen, mit welchen sie ih-ren Abnehmern - den Endkunden - auch g¨unstigere Angebote unterbreiten k¨onnen.

Sofern davon ausgegangen werden kann, dass die Gr¨undung eines solchen kooperati-ven Gemeinschaftsunternehmens keinen faktischen oder gesellschaftsrechtlich implizier-ten Bezugszwang begr¨undet, werden diese stets freigegeben. Eine marktbeherrschende Stellung auf der Nachfrageseite entsteht auf den Weiterverteiler nicht, da sich der Ge-samtbezug meist unterhalb der gesetzlich relevanten Marktanteilsschwellen bewegt.

Auch Kooperationen von Lokalversorgern in Form von Gemeinschaftsunternehmen wer-den i.d.R. als positiv betrachtet. Angesichts der geringen Ums¨atze der Beteiligten wer-den h¨aufig die Umsatzschwellen des§35 I nicht erreicht. In diesem Fall wird das geplan-te Gemeinschaftsungeplan-ternehmen nach §1 GWB gepr¨uft, wenn sie eine Beschr¨ankung des

2Damit ein Stromanbieter Strom in ein fremdes Netz leiten kann, muss er mit dem Netzbetreiber eine Durchleitungsvereinbarung getroffen haben. Ist keine Einigung ¨uber eine Durchleitung getroffen, muss der neue Stromanbieter den Strom vom Netzbetreiber vor Ort

beistellen“ lassen, d.h. er kauft den Strom vom Nezbetreiber um ihn seinen Kunden in diesem Ort liefern zu k¨onnen.

Angebots- oder Nachfragewettbewerbs bezwecken oder bewirken. Dies ist auch meist der Fall, da die mit einer Kooperation einhergehende Vereinheitlichung von Preisen und Konditionen den Anbietern bzw. Nachfragern Ausweichm¨oglichkeiten nimmt. Da die vorliegende Arbeit ausschließlich Gemeinschaftsunternehmen betrachtet, die unter

§§35ff. GWB fallen, soll im Folgenden nicht weiter auf diese Problematik eingegangen werden.3