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5.2.1 Untersuchte Fusionsaktivit¨aten

F¨ur die Analyse werden BKartA - Fusionskontrollverfahren innerhalb der deutschen Strom- und Gaswirtschaft der Jahre 1999-2003 untersucht. Der Datensatz beinhaltet s¨amtliche Zusammenschl¨usse gem¨aß §35ff. GWB zwischen Energieh¨andlern, Lokalver-sorgern, Regionalversorgern und Unternehmen auf der Verbund- bzw. Ferngasebene.

Dar¨uber hinaus erfasst der Datensatz auch geplante Fusionsvorhaben, welche aufgrund kartellbeh¨ordlicher Bedenken zur¨uckgenommen wurden oder dergestalt modifiziert wur-den, dass sie nicht mehr unter den Fusionstatbestand des §37 GWB fallen. Auch Zu-sammenschl¨usse, welche aufgrund der Bagatellmarkt- bzw. de-minimis-Klausel (§35 II s1 Nr. 1 und Nr.2 GWB) von einer kartellbeh¨ordlichen Fusionskontrolle ausgeschlossen sind, werden bei der Darstellung der Integrationsstategien in Abschnitt 6 dargestellt.

Energieversorger, welche in der Rechtsform einer GmbH und Co. KG gef¨uhrt wer-den, haben als pers¨onlich und unbeschr¨ankt haftenden Gesellschafter eine GmbH, die so genannte Komplement¨argesellschaft. In einzelnen F¨allen (z.B. B8-166/00) wurden neben dem Erwerb von Anteilen an dem Energieversorger selbst zus¨atzlich Anteile an dieser Komplement¨argesellschaft erworben. Derartige Erwerbsvorg¨ange sind nicht im Datensatz enthalten. Ausgenommen von der Analyse sind weiterhin konzerninterne Umstrukturierungen gem¨aß §37 II GWB und Fusionsvorhaben, welche aus unterneh-mensinternen oder sonstigen, unbekannten Gr¨unden nicht vollzogen worden sind.

Nicht im Datensatz enthalten sind weiterhin folgende, beim BKartA angemeldete Fu-sionsaktivit¨aten, welche den Strom- und Gassektor im weiteren Sinne betreffen:

ˆ Fusionsaktivit¨aten, welche ausschließlich M¨arkte f¨ur Energiedienstleistungen be-treffen. Hierunter werden Dienstleistungen im Bereich Energieberatung, Mar-keting, IT, Bau und Betrieb von Erdgastankstellen, Dienstleistungen im Zusam-menhang mit dem Betrieb von Kraftwerke und Erdgasanlagen, Energiecontracting usw. subsumiert;

ˆ Fusionsaktivit¨aten, welche ausschließlich M¨arkte f¨ur den Bau von Energieerzeu-gungsanlagen betreffen. Zu diesen z¨ahlen u.a. die M¨arkte f¨ur die Planung, Ent-wicklung und Vertrieb von Solartechniken und -modulen, Windparks;

ˆ Fusionsaktivit¨aten, welche ausschließlichM¨arkte f¨ur die Erschließung und F¨ orde-rung von Erdgas betreffen;

ˆ Fusionsaktivit¨aten, welche ausschließlich den Bereich Stromerzeugung ber¨uhren;

ˆ Fusionsaktivit¨aten, welche ausschließlich LNG (liquefied natural gas) M¨arkte be-r¨uhren sowie

ˆ Fusionsaktivit¨aten zwischen Energieversorgern und Abnehmern. Hierunter wer-den durch Energieversorger und Endkunwer-den gegr¨undete Gemeinschaftsunterneh-men erfasst, welche der ausschließlichen Versorgung einer Betriebsst¨atte des be-treffenden Endkunden dienen.

5.2.2 Untersuchte Fallmerkmale

Die in Abschnitt 2.5 zitierten empirischen Untersuchungen kartellbeh¨ordlicher Ent-scheidungen ¨ahneln sich stark hinsichtlich der verwendeten Analysemethoden und der gew¨ahlten erkl¨arenden Variablen. Die vorliegende Arbeit orientiert sich an den hier vor-gestellten empirischen Konzepten und untersucht inwieweit ein messbarer Zusammen-hang zwischen den unternehmerischen Integrationsentscheidungen, Fusionskontrollent-scheidungen des BKartA und fallspezifischen Marktstruktur- und Unternehmensmerk-malen besteht. In der Umsetzung konnten die in der Literatur ¨ublichen Instrumente aufgrund des Branchencharakters und des relativ kurzen Zeitfensters der Studie nicht umgesetzt werden. Merkmale wie Marktanteile oder Marktzutrittsbarrieren variieren im Kontext einer Branchenstudie – und insbesondere in der leitungsgebundenen Ener-giewirtschaft – nicht oder nur kaum. Dar¨uber hinaus ¨ahneln sich viele Fusionsvorhaben auch stark hinsichtlich der grunds¨atzlichen Merkmale der beteiligten Unternehmen oder der Ausgestaltung des Fusionsvorhabens selbst. Auch aus sch¨atztechnischen Gr¨unden war es daher notwendig, die spezifischen Merkmale eines Fusionsvorhabens sehr detal-liert zu erfassen. F¨ur eine ¨Ubersicht der erhobenen Fall- und Marktstrukturmerkmale sowie deren jeweiliger Quelle wird auf die Variablen¨ubersicht in Tabelle 10.2 im Anhang, Abschnitt 10.1 verwiesen. Die Variablen¨ubersicht bildet s¨amtliche, im empirischen Teil dieser Arbeit untersuchten Variablen ab.

5.2.3 Aufbau des Datensatzes

Die beim BKartA angemeldeten Zusammenschl¨usse werden chronologisch nach Ein-gang der Anmeldung archiviert. Dabei k¨onnen aufgrund einer gemeinsamen Anmel-dung unter einem Gesch¨aftszeichen3 mehrere, separate Anteilserwerbe zusammenge-fasst sein. Auch Mehrfachanmeldungen eines Anteilserwerbs, beispielsweise aufgrund nachtr¨aglicher ¨Anderungen oder Verz¨ogerungen in der Verhandlung zwischen Erwerber und Ver¨außerer, kommen im Datensatz vor.

Dar¨uber hinaus sind Integrationsvorg¨ange innerhalb eines einzelnen Fusionskontrollver-fahrens sowohl aus juristischer als auch ¨okonomischer Perspektive sehr vielf¨altig und komplex. Daher ist h¨aufig nicht m¨oglich, anhand der Struktur der Verfahrensakten die Zuordnung

”Gesch¨aftszeichen“ =

”ein Erwerbsvorgang mit klar definiertem Erwerber und Erworbenen“ vorzunehmen. Um die ¨okonomische Bedeutung eines Falles und des-sen kartellbeh¨ordlichen Verfahrensablauf abzubilden, wurden die einzelnen Verfahren in Teilvorg¨ange aufgespalten und mit Gewichtungsfaktoren versehen.

3Das Gesch¨aftszeichen B8-123/03 bezeichnet beispielsweise das 123. angemeldete Verfahren (aus dem Bereich Fusionskontrolle nach§§35 ff. GWB oder sonstiges Kartellrecht) der 8. Beschlussabteilung im Jahre 2003.

Parallele, aber voneinander unabh¨angige Erwerbsvorg¨ange

Mehrere, prinzipiell unabh¨angige Erwerbsvorg¨ange, welche unter einem Gesch¨aftszeichen abgelegt sind, k¨onnen immer dann vorkommen, wenn ein Unternehmen mehrere eige-ne Erwerbsvorg¨ange gleichzeitig anmeldet oder wenn ein Unternehmen anmeldet, von mehreren Unternehmen erworben zu werden. In diesem Fall wurde das Fusionskon-trollverfahren aufgespalten und die einzelnen Teilvorg¨ange separat erfasst. Da es sich aus ¨okonomischer Perspektive um mehrere Einzelerwerbsvorg¨ange handelt, welche vom BKartA auch getrennt analysiert werden, geht jeder Teilvorgang mit dem Gewicht 1 in den Datensatz mit ein.

Gemeinschaftsunternehmen

Bei der Neugr¨undung eines Gemeinschaftsunternehmens sind per Definition minde-stens zwei Unternehmen4 als Erwerber am Verfahren beteiligt. F¨ur die Analyse der Integrationsaktivit¨aten der Energieversorger wurde der Erwerbsvorgang – analog zur Darstellung im so genannten Statikblatt des BKartA – im Datensatz

”gedanklich“ in getrennte Erwerbsvorg¨ange aufgespalten: Wenn zwei oder mehrere Energieversorger ein neues Unternehmen gr¨unden, entspricht die (ungewichtete) Anzahl der Beobachtungen der Anzahl der Erwerber in diesem Verfahren. Das neugegr¨undete Gemeinschaftsun-ternehmen geht als erworbenes UnGemeinschaftsun-ternehmen in den Datensatz ein.5 Branchenfremde Unternehmen, welche als Erwerber bei der Gr¨undung eines Gemeinschaftsunternehmen auftreten, werden nur in Variablen, welche die Eigent¨umerstruktur des erworbenen Ge-meinschaftsunternehmens beschreiben, erfasst nicht aber als Erwerber selbst. Um bei der deskriptiven Analyse eine ¨Ubergewichtung des Zusammenschlusstypes

”Gr¨undung eines Gemeinschaftsunternehmens“ und den zugeh¨origen Fusionskontrollentscheidun-gen zu vermeiden, gehen die BeobachtunFusionskontrollentscheidun-gen mit dem Faktor (1/Anzahl der Erwerber) gewichtet in den Datensatz ein.

Aus juristischer Betrachtung ergibt sich der Tatbestand der Gr¨undung eines Gemein-schaftsunternehmens stets, wenn mehrere Unternehmen gleichzeitig oder nacheinander Anteile ¨uberhalb der Schwellen 25 bzw. 50% an einem anderen Unternehmen erwer-ben (§37 Nr.2 s3 GWB, vgl. Abschnitt 2.2). Dies impliziert besipielsweise, dass auch ein Anteilserwerb ≥25% an einem bereits existierenden Unternehmen die Gr¨undung eines Gemeinschaftsunternehmens darstellt. Diese hier beschriebene Vorgehensweise wird daher nur bei der tats¨achlichen Neugr¨undung eines Unternehmen, i.d.R. bei der Gr¨undung von Vertriebs- oder Einkaufsgesellschaften verwendet.

4Im Sinnes des GWB, vgl. Abschnitt 2.2.3.1.

5Diese Vorgehensweise bei der Erfassung von Zusammenschl¨ussen mit mehreren Erwerbern ent-spricht der Vorgehensweise der Fusionsdatenbank ZEPHYR, welche vom Datenanbieter Bureau van Dijk erstellt und vertrieben wird.

Verschmelzungen von Energieversorgern

Eine ¨ahnliche Fallkonstellation ergibt sich bei der Verschmelzung zweier oder mehre-rer Unternehmen. Eine Verschmelzung kann gedanklich in zwei Teilvorg¨ange unterteilt werden: Im ersten Schritt gr¨unden die beteiligten Unternehmen ein Gemeinschaftsun-ternehmen als Verschmelzungsvehikel. Im zweiten Schritt bringen die zu verschmelzen-den Unternehmen ihre Verm¨ogen in das neugegr¨undete Unternehmen ein. Verschmel-zungsvorg¨ange gehen mit dem Faktor (1/Anzahl der verschmolzenen Unternehmen) in den Datensatz ein. Da die beteiligten Unternehmen bereits vor der Fusion existiert haben und nur die Form wechseln, wird ein Vorschmelzungsvorgang nicht als eine Neu-gr¨undung definiert.

In der empirischen Analyse gehen die Gewichtungsfaktoren immer dann in die Be-rechnung von deskripten oder regressionsanalytischen Untersuchungen ein, wenn dies im Rahmen der jeweilen Fragestellungen sinnvoll ist. Die Verwendung bzw. Nicht-Verwendung der Gewichtungsfaktoren wird dabei zu Beginn des entsprechenden Ab-schnittes diskutiert und ist in Tabellen und Abbildungen kenntlich gemacht.