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Verschmelzungen von Energieversorgern

Eine ¨ahnliche Fallkonstellation ergibt sich bei der Verschmelzung zweier oder mehre-rer Unternehmen. Eine Verschmelzung kann gedanklich in zwei Teilvorg¨ange unterteilt werden: Im ersten Schritt gr¨unden die beteiligten Unternehmen ein Gemeinschaftsun-ternehmen als Verschmelzungsvehikel. Im zweiten Schritt bringen die zu verschmelzen-den Unternehmen ihre Verm¨ogen in das neugegr¨undete Unternehmen ein. Verschmel-zungsvorg¨ange gehen mit dem Faktor (1/Anzahl der verschmolzenen Unternehmen) in den Datensatz ein. Da die beteiligten Unternehmen bereits vor der Fusion existiert haben und nur die Form wechseln, wird ein Vorschmelzungsvorgang nicht als eine Neu-gr¨undung definiert.

In der empirischen Analyse gehen die Gewichtungsfaktoren immer dann in die Be-rechnung von deskripten oder regressionsanalytischen Untersuchungen ein, wenn dies im Rahmen der jeweilen Fragestellungen sinnvoll ist. Die Verwendung bzw. Nicht-Verwendung der Gewichtungsfaktoren wird dabei zu Beginn des entsprechenden Ab-schnittes diskutiert und ist in Tabellen und Abbildungen kenntlich gemacht.

achtungen auftreten (Greene, 2000, S. 259 ff.). Eine Selektionsproblematik k¨onnte sich demnach aus den Variablen ergeben, welche Unternehmens- und Markstrukturmerk-male quantifizieren.

Die Strukturmerkmale weisen in vielen F¨allen fehlende Angaben auf. Insbesondere Vorpr¨ufverfahren enthalten teilsweise nur sehr rudiment¨are Angaben bez¨uglich Gas-und Stromumsatzvolumina. In der Mehrzahl der F¨alle wurde vom BKartA nur men-genm¨aßige Umsatzwerte ermittelt. Mit Ausnahme der Angaben f¨ur die gesamte, nicht nach Kundengruppen gegliederte Absatzmenge, liegt die Quote der fehlenden Angaben regelm¨aßig ¨uber 60%. Insgesamt gesehen weisen insbesondere die Angaben f¨ur regionale Energieversorger eine große Anzahl fehlender Werte auf (vgl. Tabelle 10.4 im Anhang, Abschnitt 10.2). Auch Markt- und Netzstrukturverh¨altnisse werden h¨aufig nur knapp oder gar nicht diskutiert. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Anmeldeunterlagen der beteiligten Unternehmen sehr wenige Angaben enthaltenund das BKartA diese im Ver-lauf des Verfahrens nicht zus¨atzlich anfordert. F¨ur die Erstellung des Datensatzes wurde mit dem Problem fehlender Angaben folgendermaßen umgegangen: als prim¨are Daten-quelle dienen die im Rahmen des Fusionskontrollverfahren gemachten Unternehmens-angaben. Sind diese unvollst¨andig, werden die Unternehmensdaten, soweit m¨oglich, durch Angaben aus den Markterhebungen des BKartA erg¨anzt. Diese Vorgehensweise ist insofern unproblematisch, da diese, im Rahmen dieser Markterhebungen ermittel-ten, Unternehmensdaten vom BKartA auch bei der Urteilsbegr¨undung dritter Fusi-onskontrollentscheidungen herangezogen werden. Erst als dritte M¨oglichkeit werden Unternehmensinformationen aus ¨offentlich zug¨anglichen Gesch¨aftsberichten oder son-stigen Quellen herangezogen. Auch diese Erg¨anzungen sind unproblematisch, da zum einen das BKartA ¨uber eine separat archivierte

”Unternehmensdatenbank“ verf¨ugt, in welcher die den Anmeldeunterlagen beigef¨ugten Gesch¨aftsberichte h¨aufig abgelegt werden. Diese, nicht in den Verfahrensakten enthaltenen Informationen standen bei der Datenerhebung nicht zur Verf¨ugung. Dar¨uber hinaus ist anhand von Notizen und (Telefon-) Gespr¨achsvermerken z.T. ersichtlich, dass das BKartA ¨uber Informationen verf¨ugt, welche nicht explizit in den Entscheidungsvoten diskutiert werden.

In diesem Zusammenhang ist erg¨anzend zu bemerken, dass fehlende Unternehmens-angaben immer dann weniger problematisch sind, wenn das betreffende Unternehmen mit Unternehmen der oberen Wertsch¨opfungsstufen im Sinne des GWB verbunden ist.

In diesen F¨allen k¨onnen dem Energieversorger sowohl aus juristischer Sicht als auch aus ¨okonomischer Sicht die Marktposition und Ressourcenausstattung der jeweiligen Konzernmutter zugerechnet werden.

Auf eine Erg¨anzung der Unternehmensangaben wird verzichtet, wenn das betreffen-de Unternehmen aktuell – aufgrund von internen obetreffen-der externen Wachstums- (bzw.

Schrumpfungs-) Vorg¨angen – im Vergleich zum Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs deut-liche Unterschiede hinsichtlich Umsatz oder Versorgungsgebiet aufweist. Dies trifft

insbesondere auf Energieversorger der regionalen Ebene und der Verbund- bzw. Fern-gasebene zu (vgl. Abschnitt 6 in Verbindung mit der deskriptiven Darstellung der erhobenen Unternehmenskennzifferen in Tabelle 10.4).

F¨ur lokale Versorgungsunternehmen ergeben sich in diesem Zusammenhang insbesonde-re Probleme f¨ur Variablen, welche die nach GasNEV und StromNEV erhobenen Struk-turmerkmale betreffen. Aufgrund der EU-Richtlinien sowie des novellierten EnWG, welche eine rechtliche Entflechtung der Verteilnetzbetreiber von anderen Gesch¨ afts-bereichen ab 2007 vorschreiben, haben die Energieversorger ihre Netze in rechtlich selbst¨andige Gesellschaften ausgegliedert. Soweit dies eindeutig m¨oglich ist, wurden den einzelnen Energieversorgern die Netzangaben ihrer Netzgesellschaften zugeordnet.

Zahlreiche Lokalversorger sind dieser Vorschrift allerdings mit der Gr¨undung von Ge-meinschaftsunternehmen begegnet. In diesen F¨allen ist nicht immer eine eindeutige Zuordnung der Strukturmerkmale zu den jeweiligen Muttergesellschaften m¨oglich.

Auch die mittels externer Datenquellen erhoben Marktstrukturmerkmale weisen große Datenl¨ucken auf. Da die Ver¨offentlichungspolitik der Energieversorger, insbesondere der Verbundunternehmen bzw. ihrer Tochtergesellschaften, sehr intransparent ist, be-stehen trotz dieser Erg¨anzung gr¨oßere L¨ucken f¨ur Regionalversorgungsunternehmen.7 Dar¨uber hinaus publizieren trotz der seit 2005 bestehenden Ver¨offentlichungspflichten der netzbetreibenden Energieversorger nach GasNEV und StromNEV viele, insbesonde-re kleine Energieversorger, diese Angaben unvollst¨andig oder gar nicht. Eine Erg¨anzung der nach GasNEV verpflichtenden Angabe bez¨uglich der Gas-Marktgebiete mittels der vom BGW nach §22 GasNZV ver¨offentlichten Gasnetzkarte ist nicht immer m¨oglich.

Auch die Gasnetzkarte inkludiert z.Z. noch nicht alle bundesdeutschen Gemeinden.8

Exkurs: Eine andere M¨oglichkeit w¨are gewesen, in den kartellbeh¨ordlichen Verfahrens-akten nicht diskutierte wettbewerblich relevante Unternehmens- und Marktstrukturva-riablen als

”nicht angesprochen“ zu kennzeichen. Auf diese Vorgehensweise wurde aus zwei Gr¨unden verzichtet:

Zum einen w¨are auch hier ein Selektionsproblem bez¨uglich der exogenen Variablen entstanden. Von BKartA a priori mit relativ geringen wettbewerblichen Bedenken an-gesehene Zusammenschlussvorhaben werden tendenziell weniger detalliert untersucht und innerhalb kurzer Zeit freigegeben. Bei der empirischen Untersuchung dieser F¨alle besteht daher die Tendenz, dass eine Freigabe nicht durch die exogenen Variablen selbst, sondern durch den Tatbestand

”nicht angesprochen“ erkl¨art wird. Ein solches Ergebnis l¨asst dann nicht mehr darauf schließen, inwiefern die Unbedenklichkeit einer

7Vgl. auch Monopolkommission (2007, S. Anhang) zu den Problemen hinsichtlich Einheitlichkeit und Transparenz ¨offentlich zug¨anglicher Informationen.

8Nach Angaben der BGW-Internetseite www.gasnetzkarte.de sollte bis Anfang April 2007 die Gas-netzkarte fertiggestellt sein. Auch mittels einer (nachtr¨aglichen) Recherche Anfang Juni 2007 konnte der Datensatz nicht weiter komplettiert werden.

Fusion von den konkreten Merkmalen eines Falls und dessen Beteiligten abh¨angt. Die Ausf¨uhrlichkeit eines kartellbeh¨ordlichen Votums ist allerdings nicht per se mit der kar-tellbeh¨ordlichen Einsch¨atzung des Fusionsvorhaben

”korreliert“. Sie h¨angen auch vom jeweiligen Verfasser des Votums9 und (nach m.E.) von der aktuellen Arbeitsbelastung der Beschlussabteilung ab. Ein weiterer Punkt sind die im ersten Anmeldeschreiben

”freiwillig“ gemachten Angaben der beteiligten Unternehmen.

Ein weiterer Grund ist, dass sich aus Notizen und Gespr¨achsvermerken der Verfah-rensakten ergibt, dass dem BKartA Unternehmens- und Marktinformationen vorlie-gen, welche nicht in der Verfahrensakte selbst abgelegt werden. So werden beigef¨ugte Gesch¨aftsberichte u.¨a. der beteiligten Unternehmen h¨aufig separat archiviert. Wei-terhin z¨ahlen hierzu Informationen, die dem bearbeitenden Mitglied der Beschlussab-teilung aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen zuzuschreiben sind. So wird in einem Teil der F¨alle explizit auf Fusionskontrollverg¨ange und Markterhebungen fr¨uherer Jah-re hingewiesen. Inwieweit ¨altere Unternehmensangaben auch ohne derartige Hinweise im Abschlussvermerk herangezogen werden, kann nicht beurteilt werden.

Insgesamt betrachtet k¨onnen sowohl eine Erg¨anzung des Datensatzes mittels externer Datenquellen, als auch die ausschließliche Ber¨ucksichtigung von Informationen aus den Verfahrensakten zu Sch¨atzproblemen f¨uhren. Um einen m¨oglichst vollst¨andigen Daten-satz zu erhalten, wurde deshalb der Weg ¨uber externe Informationsquellen gew¨ahlt.

5.3.2 Messfehler

Bei der Recherche anhand unterschiedlicher Datenquellen bleiben zwangsl¨aufig kleine Unsicherheiten bestehen. So stellen neben fehlenden Unternehmensdaten

”unrichtige Unternehmensangaben“ ein weiteres Qualit¨atsproblem im Datensatz dar. Ein poten-zieller Messfehler liegt immer dann vor, wenn zu einem Unternehmen mehrere ver-schiedene Angaben zu Unternehmensmerkmalen, wie z.B. dem Umsatz, vorliegen. Die-ses Ph¨anomen ist teilweise erkennbar, wenn ein an mehreren Fusionskontrollverfahren beteiligtes Unternehmen voneinander abweichende Angaben bez¨uglich Umsatzzahlen, Netzstruktur oder Kapitaleigner oder sonstigen unternehmensspezifischen Merkmalen macht. Auch ein Vergleich der im Rahmen eines Fusionskontrollverfahrens gemach-ten Angaben mit Zahlen aus ¨offentlich zug¨anglichen Gesch¨aftsberichten weist h¨aufig mehr oder weniger deutliche Unterschiede aus. Inwiefern diese unterschiedlichen Anga-ben politisch motiviert sind, auf unterschiedlichen Konsolidierungsmethoden von Be-teiligungsunternehmen oder auf Messproblemen/Unwissenheit der Unternehmen selbst zur¨uckzuf¨uhren sind, l¨asst sich im Einzellfall nicht immer eindeutig ausr¨aumen. Da sich

9So sind Abschlussvermerke und Voten kleinerer Fusionsvorhaben, welche z.T. von Referendaren oder neuen Mitarbeitern erstellt werden, h¨aufig ausf¨uhrlicher als die von erfahrenen Mitgliedern der Beschlussabteilung.

die kartellbeh¨ordliche Entscheidung auf die jeweils vorliegenden Unternehmensangaben st¨utzt, wurde im Zweifelsfall auf die in den jeweiligen Verfahrensakten enthaltenen In-formationen zur¨uckgegriffen.

Kapitel 6

Analyse der

Integrationsstrategien

Der Wettbewerb hat die Marktstruktur der deutschen Energiewirtschaft radikal ver¨ an-dert. Infolge vermehrter Fusionsaktivit¨aten seit Beginn der Liberalisierung unterlag die gesamte Branche – wie in anderen europ¨aischen L¨andern auch (Drillisch et al., 2001, Co-dognet et al., 2003) – einem enormen Umstrukturierungsprozess. Das BKartA konsta-tiert in seinen beiden T¨atigkeitsberichten von 1999/2000 und 2001/2002 eine regelrech-te Fusionswelle im Bereich der leitungsgebundenen Energiewirtschaft. Markt¨offnung, Privatisierung und ordnungspolitisch geforderte Entflechtungsmaßnahmen f¨uhren zu ei-nem v¨olligen Umbruch der bestehenden Markt- und Unternehmensstrukturen. Erst seit 2003 scheinen die Fusionsaktivit¨aten der Unternehmen nachzulassen, sei es aufgrund der zunehmend restriktiveren Fusionskontrollpraxis des BKartA oder weil der durch die Liberalisierung ausgel¨oste Umstruktierungsprozess allm¨ahlich abgeschlossen ist.

Bevor die Zusammenh¨ange zwischen Markt- und Unternehmensstruktur und kartell-beh¨ordlicher Entscheidung empirisch untersucht werden, beschreibt und motiviert das folgende Kapitel zun¨achst jene Indikatoren, die vom BKartA im Rahmen eines Fu-sionskontrollverfahrens erhoben werden. Diese Indikatoren sind maßgeblich f¨ur die Pr¨ufung der formellen und materiellen Untersagungsvoraussetzungen und die im An-schluss an die Pr¨ufung getroffene Entscheidung bez¨uglich der Genehmigungsf¨ahigkeit des jeweiligen Fusionsvorhabens. Neben der Betrachtung charakteristischer Merkmale der am Fusionsvorhaben beteiligten Unternehmen und der konkreten Ausgestaltung des Kontrollerwerbs, werden insbesondere Angaben zu den Eigentumsverh¨altnissen auf den verschiedenen Netzebenen im betroffenen Markt sowie zu eventuell existierenden Vorlieferantenbeziehungen beleuchtet.

Zun¨achst skizziert Abschnitt 6.1 die wichtigsten Fusionen und Unternehmensbeteili-gungen auf den deutschen Energiem¨arkten, die seit der Liberalisierung stattgefunden haben. Im Anschluss werden mittels einer deskriptiven Darstellung der Fallmerkmale der einzelnen Erwerbsvorg¨ange die typischen Integrationsstrategien der Energieversor-ger identifiziert. Hieraus k¨onnen wichtige R¨uckschl¨usse auf zentrale Determinanten der Integrationsentscheidungen gewonnen werden. Das Kapitel schließt in Abschnitt 6.2 mit einer regressionsanalytischen Untersuchung der Integrationsstrategien der Energie-versorger auf der Verbund- und Ferngasebene.

Ziel der Analyse sind R¨uckschl¨usse auf Markt- und Unternehmensmerkmale, welche (aus Sicht der beteiligten Unternehmen) die in Kapitel 3 diskutierten Gewinne aus Marktmacht- oder Effizienzgewinnen erm¨oglichen. Um eine umfassende Analyse der Fusionsstrategien von Energieversorgungsunternehmen zu gew¨ahrleisten, gehen in die nachfolgende Untersuchung auch Erwerbsvorg¨ange ein, welche von den beteiligten Un-ternehmen zwar vorsorglich angemeldet wurden, aber nicht der Fusionskontrolle nach GWB unterliegen. Hierunter fallen zum einen alle Zusammenschl¨usse, welche unter die Bagatellmarktklausel (§35 II s1 Nr. 2 GWB) oder die de-minimis Klausel (§35 II s1 Nr.

1 GWB) fallen. Zum anderen werden auch Erwerbsvorg¨ange, welche keinen Fusionstat-bestand nach GWB darstellen, ber¨ucksichtigt. Ausgeschlossen von der Untersuchung bleiben vom BKartA als konzerninterne Umstruktierungsmaßnahmen charakterisierte Zusammenschlussaktivit¨aten.

In die Analyse der Integrationsstrategien der Energieversorger gehen die im Datensatz enthalten Erwerbsvorg¨ange ungewichtet ein. Eine gewichtete Darstellung oder regres-sionsanalytische Untersuchung ist vor diesem Hintergrund m.E. nicht sinnvoll. So stellt beispielsweise die Gr¨undung eines Gemeinschaftsunternehmens durch Unternehmen A und B f¨ur beide Erwerber eine Integrationsentscheidung dar. Die Ber¨ucksichtigung als

”halber“ Beteiligungserwerb f¨uhrt hier zu falschen Schl¨ussen.