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Angebots- oder Nachfragewettbewerbs bezwecken oder bewirken. Dies ist auch meist der Fall, da die mit einer Kooperation einhergehende Vereinheitlichung von Preisen und Konditionen den Anbietern bzw. Nachfragern Ausweichm¨oglichkeiten nimmt. Da die vorliegende Arbeit ausschließlich Gemeinschaftsunternehmen betrachtet, die unter

§§35ff. GWB fallen, soll im Folgenden nicht weiter auf diese Problematik eingegangen werden.3

Abschreckungswirkung der zunehmend restriktiveren Entscheidungspraxis des Amtes begr¨undet sein. Die restriktivere Haltung des BKartA l¨asst sich an den hier vorliegen-den Falldaten erkennen. So wurvorliegen-den sechs der aufgrund kartellbeh¨ordlicher Bedenken zur¨uckgezogenen Anmeldungen in den Jahren 2002 und 2003 eingereicht.4

Die f¨ur das Jahr 2001 aufgef¨uhrten Untersagungsverf¨ugungen betreffen beide das E.ON-Ruhrgas Untersagungsverfahren. Aus formaljuristischer Sicht stellte der Erwerb der Kontrolle ¨uber die Ruhrgas AG durch E.ON zwei getrennte Vorg¨ange dar: den Er-werb der beiden Holdinggesellschaften Gelsenberg AG (B8-109/01) und Bergemann Gmbh (B8-149/01).5 Die Untersagungsverf¨ugungen der beiden Verfahren gehen da-her als ein Erwerbsvorgang in den Datensatz ein. Das BKartA sah durch das Zu-sammenschlussvorhaben auch einen Zusammenschlusstatbestand im Verh¨altnis E.ON-VNG (§37 I Nr. 4 GWB; Erlangung eines wettbewerblich erheblichen Einflusses) als verwirklicht. Damit war auch die durch das Zusammenschlussvorhaben eintretende Verst¨arkung der marktbeherrschenden Stellung der VNG verfahrensrelevant. Die zwei-te, in Tabelle 7.1 aufgef¨uhrte Untersagungsverf¨ugung im Jahr 2001, hat daher den Energieversorger VNG AG zum (alleinigen) Ziel. Beide Erwerbsvorg¨ange sind im An-hang (Abschnitt 10.1) in Tabelle 10.1 unter dem Gesch¨aftszeichen (149/01) aufgef¨uhrt.

Von den 209 anmeldepflichtigen Fusionsvorhaben wurden nur 16,7% einer vertieften Pr¨ufung in Form des Hauptpr¨ufverfahrens unterzogen. Untersagungsverf¨ugungen oder Auflagen betreffen nur 11,9% der anmeldepflichtigen Zusammenschlussvorhaben. Die-se recht geringe Zahl l¨asst allerdings noch keinen direkten R¨uckschluss auf die kartell-beh¨ordliche Entscheidungspraxis und die wettbewerbliche Einsch¨atzung eines Fusions-vorhabens zu. So ist es g¨angige Praxis des BKartA, nicht strukturelle Zusagen auch f¨ur im Vorpr¨ufverfahren getroffene Nichtuntersagungsentscheidungen entgegenzuneh-men. Faktisch sind knapp 20% der Freigabeentscheidungen zwischen 1999 und 2003 mit Nebenbestimmungen belegt.

Dar¨uber hinaus weist die kartellbeh¨ordliche Fusionskontrolle auch eine nicht zu vernach-l¨assigende Vorfeldwirkung auf: So z¨ahlen zu den Fusionskontrollvorg¨angen ohne formel-le kartellbeh¨ordliche Verf¨ugungen sieben F¨alle, welche aufgrund kartellbeh¨ordlicher Be-denken vollst¨andig aufgegeben wurden. Vierzehn F¨alle erf¨ullen den Fusionstatbestand nicht mehr, nachdem das Vorhaben aufgrund kartellbeh¨ordlicher Bedenken modifiziert wurde. Die ¨ubrigen nicht angemeldeten F¨alle setzen sich aus Fusionsvorhaben zu-sammen, welche nicht den Fusionstatbestand nach§37 I GWB erf¨ullen (konzerninterne Umschichtungen oder Beteiligungserwerbe unterhalb fusionskontrollrechtlich relevanten

4Der Abschreckungseffekt von Untersagungen wird von Seldeslachs et al. (2007) f¨ur die Fusions-kontrollpolitik der EU Kommission nachgewiesen. Die Autoren zeigen, dass sich die Anzahl der Unter-sagungsverf¨ugungen negativ auf die Anzahl zuk¨unftiger Anmeldungen auswirkt. F¨ur nichtstrukturelle Auflagen findet die Studie keine signifikanten Effekte.

5Eine ausf¨uhrliche Beschreibung der Kapital- und Stimmverh¨altnisse der Ruhrgas AG findet sich im Sondergutachten der Monopolkommission zur E.ON-Ruhrgas Fusion, Monopolkommission, 2002b.

Beteiligungsschwellen) oder welche unter die Bagatellmarkt- oder die Anschlussklau-sel fallen. Die im Folgenden pr¨asentierten Statistiken beziehen sich, soweit nicht aus-dr¨ucklich vermerkt, ausschließlich auf offiziell beim BKartA angemeldete F¨alle (Tabelle 7.1, Zeile 2).

7.2.2 Auflagenpraxis

Nach §40 III s1 GWB k¨onnen Freigabeverf¨ugungen des BKartA mit Nebenbestim-mungen (NB) in Form von Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Sie dienen dazu, Untersagungen bei Zusammenschl¨ussen zu vermeiden, welche lediglich in Teilbe-reichen wettbewerblich problematisch sind. Zusagen, die das BKartA im Laufe seiner Entscheidungspraxis entgegengenommen hat, werden von der Literatur in verschiedene Kategorien eingeteilt. Sie lassen sich zun¨achst grob in strukturelle Nebenbestimmungen (S NB), also Ver¨außerungsauflagen, und nichtstrukturelle Nebenbestimmung (NS NB) unterteilen. Erstere Gruppe umfasst Ver¨außerungsauflagen, d.h. Nebenbestimmungen, welche die Allokation von Eigentumrechten ver¨andern. Letztere Gruppe, nichtstruktu-relle Nebenbestimmung, ist auf die Restriktion von Eigentumsrechten gerichtet. Tabelle 7.2 zeigt die Entwicklung der Auflagenpraxis f¨ur die 207 in offiziellen Genehmigungen entschiedenen Fusionskontrollverfahren. Die ¨uberwiegende Anzahl der Fusionsvorhaben wurde ohne Nebenbestimmungen freigegeben. Es l¨asst sich auch kein eindeutiger Trend im Zeitablauf erkennen. Strukturelle Nebenbestimmungen spielen eine vergleichsweise geringe Rolle.

Tabelle 7.2: Art der Auflagen I

1999 2000 2001 2002 2003 P

ohne NB 0,91 0,76 0,86 0,72 0,85 0,81

ausschließlich NS NB 0,07 0,20 0,14 0,17 0,12 0,15 NS NB und S NB 0,02 0,04 0,00 0,11 0,04 0,04 Gewichtet.

Ein anderes Bild ergibt sich bei einer Ber¨ucksichtigung der Vorfeldf¨alle und Untersa-gungsentscheidungen. Eine Untersagungsentscheidung (bzw. eine

”freiwillige“ R¨ uck-nahme) kann als die restriktivste Form einer strukturellen Nebenbestimmung betrach-tet werden. Dies kann mit folgenden ¨Uberlegungen begr¨undet werden: Zum einen stellt die Untersagung eines Zusammenschlusses faktisch einen strukturellen Eingriff in die von den Beteiligten geplante Unternehmensverbindung dar. Daneben werden in allen Untersagungsverfahren strukturelle Auflagen von den Unternehmen angeboten und mit dem BKartA diskutiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Zu-sammenschlussvorhaben freigegeben worden w¨are, wenn zwischen Amt und Beteiligten

eine Einigung bez¨uglich der

”Geeignetheit“ der Auflagen stattgefunden h¨atte. Da die bereits angebotenen Ver¨außerungsobjekte nicht ausreichend waren, um die wettbewerb-lichen Bedenken des BKartA zu beseitigen, ist es m.E. sinnvoll anzunehmen, dass der Zusammenschluss nur unter (qualitativ oder quantitativ bedeutsameren) strukturellen Auflagen genehmigungsf¨ahig gewesen w¨are.6

Auch bei Fusionskontrollf¨allen, welche aufgrund von kartellbeh¨ordlichen Bedenken mo-difiziert und damit nicht mehr anmeldepflichtig waren, wurden h¨aufig Zusagen entge-gengenommen. Tabelle 7.3 beinhaltet Vorfeldf¨alle und Untersagungsentscheidungen.

Es zeigt sich, dass strukturelle Auflagen i.S.v. Ver¨außerungsauflagen und Untersa-gungsverf¨ugungen (bzw. deren Androhung) in den Jahren 2002 und 2003 zugenommen haben. Allerdings erlaubt auch hier die univariate Darstellung der Auflagenpraxis kei-nen R¨uckschluss auf die Restriktivit¨at der Entscheidung, da die wettbewerbliche Rele-vanz der hinter den Zahlen stehenden Fusionsvorhaben nicht ber¨ucksichtigt ist.

Tabelle 7.3: Art der Auflagen I inkl. Vorfeldf¨allen und Untersa-gungsentscheidungen

1999 2000 2001 2002 2003 P

ohne NB 0,76 0,72 0,79 0,62 0,73 0,77

ausschließlich NS NB 0,20 0,23 0,13 0,19 0,10 0,14 NS NB und N NB 0,04 0,06 0,08 0,19 0,16 0,09 Gewichtet.

In der Literatur (vgl. Kappes, 2002, S. 78 ff.) findet sich h¨aufig die zus¨atzliche Un-terscheidung nichtstruktureller Nebenbestimmung in ¨Offnungszusagen und Zusagen der Einflussbegrenzung.7 Abbildung 7.1 zeigt den Einsatz der drei Arten von Nebenbestim-mungen im Zeitablauf. Da innerhalb eines Verfahrens h¨aufig mehrere Formen parallel verh¨angt werden, summieren sich die Anteilswerte nicht zu 1 auf. Es zeigt sich, dass in den Jahren 2002 und 2003 Ver¨außerungsauflagen deutlich an Bedeutung gewinnen.

Vorgabe von Nebenbestimmungen ist gem¨aß BGH, dass

”die rechtlichen und tats¨ ach-lichen Wirkungen der Nebenbestimmungen hinreichend wirksam und nachhaltig sind, um als strukturelle Bedingungen wirksamen Wettbewerbs eine infolge des Zusammen-schlusses zu erwartende Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen zu verhindern oder zu kompensieren.“8 Die wirtschaftliche Zielsetzung von Ver¨außerungszusagen ist

6Die qualitative Bedeutung einer Ver¨außerungsauflage bestimmt sich nach deren strategischer Be-deutung. Hierzu z¨ahlen neben der Gr¨oße des zu ver¨außernden Unternehmens (quantitative Bedeutung) auch geographische und netzstrukturelle Aspekte sowie die Attraktivit¨at des zugeh¨origen Versorgungs-gebietes.

7Eine detaillierte Einteilung findet sich z.B. bei Schultz, 1982 oder Traumann, 1977.

8BGH (2006), Beschluss vom 7. Februar 2006 - KVR 5/05 - OLG D¨usseldorf.

die Aufl¨osung oder zumindest teilweise Entflechtung von Unternehmensverbindungen.

Durch den einmaligen Vorgang der Ver¨außerung wird der Einfluss des marktbeherr-schenden Unternehmens auf den Markt oder die Ressourcen anderer Unternehmen dau-erhaft gesenkt. Wirtschaftspolitische Zielsetzung von ¨Offnungszusagen ist die ¨Offnung eines Unternehmens bzw. dessen Ressourcen f¨ur (bestimmte) andere Unternehmen. Sie sind in erster Linie nichtstruktureller Natur.9 Das BKartA setzte, auch aufgrund seiner anf¨anglich positiven Wettbewerbsprognose, in den ersten Jahren nach der Liberalisie-rung stark auf Markt¨offnungsstrategien. Im Bereich der leitungsgebundenen Energie-wirtschaft sind hier insbesondere die vollst¨andige oder teilweise Einr¨aumung von Son-derk¨undigungsrechten sowie Zusicherung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs f¨ur Dritte ( ¨Offnung der Netze) zu nennen. In einem Fall machte das BKartA die Reduktion von Netznutzungsentgelten (Strom) zur Auflage. Zu der Gruppe der nichtstrukturellen Nebenbestimmungen geh¨ort auch die Einflussbegrenzung in Gesellschafts-, Konsortial-und sonstigen Vertr¨agen, welche zwischen den Beteiligten oder zwischen Beteiligten und Dritten bestehen oder mit dem Fusionsvorhaben verbunden sind. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Beschr¨ankungen der Einflussm¨oglichkeiten des Erwerbers zu-gunsten anderer Anteilseigner des Erworbenen (z.B. Wegfall von Sperrrechten oder der Verzicht des Erwerbers auf Stimmabgabe in Gesellschaftsorganen des Erworbenen bei wettbewerblich relevanten Entscheidungen). Unter der Kategorie

”Sonstige Nebenbe-stimmungen“ werden

ˆ die Vorgabe von Regelungen f¨ur die Organisation des Regelenergiemarktes, d.h.

Ausschreibungsmodalit¨aten, Ausschreibungsverfahren, Abrechnungssystem sowie die Zusammenfassung von Regelzonen,

ˆ die Freigabe von Gasbezugsmengen des Erworbenen f¨ur Dritte,

ˆ die Freigabe von Stromimportkapazit¨aten,

ˆ der Verzicht auf Wechselgeb¨uhren beim Stromlieferantenwechsel,

ˆ das Angebot zus¨atzlicher Dienstleistungen f¨ur Gastransportkunden,

ˆ der energie- und struktur¨aquivalente Abtausch von Erdgas unterschiedlicher Be-schaffenheit f¨ur Gastransportkunden

ˆ sowie Nebenbestimmungen, welche die Wettbewerbsf¨ahigkeit und Unabh¨angigkeit der Beteiligten oder Dritter unterst¨utzen,

subsumiert. Tabelle 7.4 stellt die absoluten H¨aufigkeiten der einzelnen Nebenbestim-mungen – getrennt nach betroffener Energiesparte – auf:

9Allerdings kann vor diesem Hintergrund auch die Ver¨außerung von Anteilen zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden.

Tabelle 7.4: Art der Auflagen III

Strom Gas

Sonstige Nebenbestimmungen 6 6

Offnung der Netze¨ 1 12

Reduktion von Netznutzungsentgelten 1

Einr¨aumung von Sonderk¨undigungsrechten 3 16

Einflussbegrenzung 13 13

Ver¨außerungszusagen 8 6

Gewichtet. Tabelle beinhaltet Doppelz¨ahlungen.

Auflagen, mit denen die Freigabe einer Fusion verbunden werden, d¨urfen sich gem¨aߧ40 III s2 nicht darauf richten, die beteiligten Unternehmen einer laufenden Verhaltenskon-trolle zu unterziehen. Genau darauf l¨auft ein Teil der hier erw¨ahnten Markt¨ offnungs-und Einflussbegrenzungsauflagen hinaus. So erfordert beispielsweise die Zusicherung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs f¨ur Dritte eine kontinuierliche ¨Uberwachung des Netzinhabers. S¨acker und Boesche (2001) kritisieren dar¨uber hinaus, dass die-se Form der Markt¨offnungszusage nur deklatorischen Charakter hat da mit §19 IV GWB der Netzzugang bereits gesetzlich abgesichert ist. Die Autoren sprechen auch den Sonderk¨undigungsrechten keinen wettbewerblichen Nutzen zu, da die Ausgestal-tung von Energieliefervertr¨agen bereits durch Art. 81 EG und die Gruppenfreistel-lungsverordnung ¨uber vertikale Vereinbarungen begrenzt wird. Auflagen, welche ei-ne Einflussbegrenzung beinhalten, unterliegen demselben Problem. Zwar m¨ogen die Einflussm¨oglichkeiten nach einem derartigen Verzicht nicht mehr gesellschaftsrecht-lich verankert sein, eine Einflussm¨oglichkeit kann aber auch aufgrund wirtschaftlicher Abh¨angigkeit gegeben sein, so dass auch die Erf¨ullung der Auflage an den tats¨achlichen Verh¨altnissen nichts ¨andert. (Monopolkommission, 1998, Tz. 383ff.).10

Tabelle 7.5: Umfang der Auflagen in GWh

Mittelwert Median Min Max Sonderk¨undigungsrechte Strom 273,2 (→151%) 273,2 230,7 315,6 Sonderk¨undigungsrechte Gas 1070,8 (→55%) 335 36 8770 Ver¨außerungszusage Strom 9120,8 (→196%) 2484 465 55600 Ver¨außerungszusage Gas 3555,2 (→120%) 1922,5 1219 12422 Gewichtet.

Im Sinne der Abw¨agungsklausel §36 I 2. Halbsatz GWB m¨ussen Nebenbestimmun-gen geeignet sein, die zu erwartende Verschlechterung der WettbewerbsbedingunNebenbestimmun-gen

10Diese Bedenken sind abgemindert, wenn wie z.B. im Fall RWE/VEW (B8-99/309) die Stimm-rechtsaus¨ubung per Vertrag auf einen Treuh¨ander ¨ubertragen werden (Kappes, 2002, S. 105).

zu kompensieren. Tabelle 7.5 erfasst f¨ur Ver¨außerungs- und Markt¨offnungszusagen den quantitativen Umfang der Nebenbestimmungen in GWh. Der Umfang dieser Ne-benbestimmungen ¨ubertrifft dabei, mit Ausnahme von Sonderk¨undigungsrechten im Gasbereich, das Absatzvolumen des Zielunternehmens um 20 bis 96%.

Das hier verwendete Maß zur Bestimmung des qualitativen Umfangs einer Ver¨ außerungs-oder Sonderk¨undigungsauflage entspricht dem vom Kouliatsev (2005) berechneten An-teil am

”competitive overlap“, welche die Auflage darstellt. Die ¨Uberlappung (overlap) wird als Schnittmenge der Ums¨atze der Fusionsparteien am betroffenen Markt defi-niert, d.h. er stellt den Umsatz derjenigen Partei dar, welche den kleineren Umsatz auf diesem Markt hat.11 Der Anteil am

”competitive overlap“ ist dementsprechend das Verh¨altnis zwischen dem Umsatz des zu ver¨außernden Unternehmensanteils am betroffenen Markt und der ¨Uberlappung. Da im vorliegenden Datensatz das Erwerber-unternehmen stets gr¨oßer ist als das Zielunternehmen, ist der hier berechnete relative Umfang von Ver¨außerungsauflagen und Sonderk¨undigungsrechten ¨aquivalent zu dem von Kouliatsev ermittelten Maß.12 Der Autor interpretiert dieses Maß als (relative) Verhandlungsmacht, welche Wettbewerbsbeh¨orde und beteiligte Unternehmen in einem bestimmten Fusionskontrollverfahren innehaben. Diese Einsch¨atzung kann auf Basis der Verfahrensakten auch f¨ur die Auflagenpolitik des BKartA nicht widerlegt werden.

Diesbez¨ugliche Akteninformationen lassen, insbesondere bei Ver¨außerungsauflagen, auf konkrete Verhandlungen zwischen Beh¨orde und Verfahrenbeteiligten schließen.

7.2.3 Weitere fusionskontrollrechtliche Fallmerkmale

Die wettbewerbliche und kartellbeh¨ordliche Einsch¨atzung eines Verfahren l¨asst sich neben den entgegengenommenen Auflagen und der Art der Verf¨ugung durch weitere Fallmerkmale quantifizieren.

Die Anmeldung sowie die Anzeige eines kontrollpflichtigen Zusammenschlussvorhabens nach§39 I GWB ist geb¨uhrenpflichtig (§80 I s2 Nr. 1 GWB). Die BKartA kann hierf¨ur Geb¨uhren bis zu 50.000¿(§80 II s2 Nr. 1 GWB), bei besonders großer wirtschaftlicher Bedeutung und außergew¨ohnlich hohem Verwaltungsaufwand bis zu 100.000 ¿ erhe-ben (§80 II s3 GWB). Die Geb¨uhrenh¨ohe bemisst sich gem¨aß §80 II s1 GWB nach dem personellen und sachlichen Aufwand des BKartA sowie nach der wirtschaftlichen Be-deutung des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens. Daneben werden das Interesse der Beteiligten am Zusammenschluss und die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf

11Coate (1992) schl¨agt als ¨Uberlappungsmaß den Umsatz des erworbenen Unternehmens vor. Kou-liatsev (2005) kritisiert dieses Maß vor dem Hintergrund, dass es die ¨Uberlappung der beteiligten Un-ternehmen immer dann ¨ubersch¨atzt, wenn das Zielunternehmen einen gr¨oßeren Umsatz am betroffenen Markt macht als das Erwerberunternehmen.

12Dies gilt auch vor dem Hintergrund einer sachlichen Marktabgrenzung nach Kundengruppen.

die Marktverh¨altnisse ber¨ucksichtigt. Der Untersagungsn¨ahe oder -ferne des Zusam-menschlusses kommt geb¨uhrenrechtlich kein ausschlaggebendes Gewicht zu (WuW/E OLG 5259/5261 - Kleinhammer). Entspricht die nach diesen Bestimmungsmerkma-len festgestellte wirtschaftliche Bedeutung dem Durchschnitt, ist grunds¨atzlich eine mittlere Geb¨uhr angemessen.13 Damit kann die Geb¨uhrenh¨ohe als Indikator f¨ur die wirtschaftliche Bedeutung verwendet werden.

Die im Zusammenhang mit der Geb¨uhrenfestsetzung ermittelte kartellbeh¨ordliche Ein-sch¨atzung der wirtschaftlichen Bedeutung des Zusammenschlussvorhabens wird als se-parate Variable erfasst. Die Kategorisierung erfolgt in f¨unf Gruppen. Nur jeweils 2,5%

der F¨alle wird im vorliegenden Datensatz eine

”uberdurchschnittliche“ bzw.¨

”deutlich

¨uberdurchschnittliche“ Bedeutung zugemessen. Eine

”durchschnittliche“ Bedeutung haben 5,5% der Zusammenschl¨usse. Die ¨uberwiegende Mehrheit wird vom BKartA in die Kategorien

”unterdurchschnittlich“ (52,5%) und

”deutlich unterdurchschnittlich“

(37,1%) eingeordnet.

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Vorpr¨ufverfahrens (VPV) ist deutlich h¨oher als die im GWB vorgesehene Monatsfrist (vgl. Abschnitt 2.4). Nur gut die H¨alfte kann in diesem Zeitraum abgeschlossen werden. F¨ur Hauptpr¨ufverfahren (HPV) gilt ¨Ahnliches, auch wird nur ca. die H¨alfte der Verfahren im vorgeschriebenen Zeit-rahmen erledigt. Entscheidungen, bei welchen eine Verhandlung ¨uber offizielle und inoffizielle Nebenbestimmungen zwischen BKartA und den beteiligten Unternehmen stattfinden, nehmen deutlich mehr Zeit in Anspruch als Freigaben ohne Nebenbestim-mungen oder Untersagungsverfahren. Zu dieser Kategorie lassen sich sowohl Freigabe-entscheidungen unter Nebenbestimmungen als auch Fusionsvorhaben, welche aufgrund kartellbeh¨ordlicher Bedenken modifiziert wurden (KB Modifikation), z¨ahlen. Letztend-lich zeigt auch die lange Verfahrensdauer von Fusionskontrollf¨allen, welche aufgrund kartellbeh¨ordlicher Bedenken vollst¨andig zur¨uckgenommen wurden (KB R¨ucknahme), dass die beteiligten Unternehmen viel in die Durchsetzung ihrer Interessen investieren.

Tabelle 7.6: Weitere fusionskontrollrechtliche Fallmerkmale

Mittelwert Median Min Max Geb¨uhren (in¿) 10.092,1 7000 1789,5 102.258,4

davon VPV 7666,9 6135,5 1789,5 40.000

davon HPV 22.146,8 12.782,3 6135,5 102.258,4 - davon ohne NB 16.985,7 12.391,2 5500 39.880,8 - davon mit NB 18.756,7 11.891,2 6135,5 102.258,4 - davon Untersagung 52.000 52.500 28.000 75.000

13Vgl. KG WuW/E OLG 4366 - SPAR.

Dauer (in Tagen) 52,1 28,5 2 419

davon VPV 33,4 27 2 367

davon HPV 147,5 120,5 26 419

- davon ohne NB 114,5 116,5 83 162

- davon mit NB 165,7 138 26 419

- davon Untersagung 139,5 111 109 227

KB Modifikation 154,6 119 5 372

KB R¨ucknahme 401,1 303 47 834

Gewichtet.

Neben Dauer und Geb¨uhrenh¨ohe enth¨alt der Datensatz auch Informationen zu den im jeweiligen Fall verwendeten

”Untersuchungstechniken“. Hierzu z¨ahlen Auskunfts-verf¨ugungen an Wettbewerber (5 F¨alle), Kunden (2 F¨alle) oder Dritte (1 Fall), zu wel-chen das BKartA nach§59 I Nr. 1 GWB erm¨achtigt ist. Der Datensatz erfasst dar¨uber hinaus die Anzahl der pers¨onlichen Treffen mit den am Fusionsvorhaben beteiligten Unternehmen (gem¨aß §56 GWB) bzw. beigeladenen Wettbewerbern.

Auch das Interesse auf Unternehmensseite, d.h. das Interesse der am Fusionsvorha-ben beteiligten Unternehmen sowie deren Konkurrenten, kann mittels den vorliegenden Informationen approximiert werden. Jeweils drei Fusionskontrollverf¨ugungen wurden durch beteiligte Unternehmen bzw. Konkurrenzunternehmen gerichtlich angefochten.

Hier kann davon ausgegangen werden, dass die anfechtende Partei ein großes wirt-schaftliches Interesse an einer Aufhebung der kartellbeh¨ordlichen Entscheidung hat.

Ein weiteres Indiz f¨ur das wirtschaftliche Interesse stellt die Zahl der Beiladungsgesu-che von Wettbewerbern oder sonstigen

”Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich ber¨uhrt werden“ (§54 II Nr. 3 GWB) an einem Verfahren dar.

Zehn der F¨alle entspringen einer kartellbeh¨ordlichen Auflage. Hierzu z¨ahlen auch Auf-lagen der EU Kommission.14 In diesen F¨allen hat die Kartellbeh¨orde h¨aufig bereits im Vorfeld Kriterien f¨ur einen geeigneten Bewerber festgelegt.

7.3 Okonometrische Analyse der Entscheidungspraxis des ¨