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Von der moralischen zur modernen NoveLLe

1 Der ,conte'

2 Die moralische Novelle

2.5 Von der moralischen zur modernen NoveLLe

Im Gegensatz zu den im Abschnitt Permanenz und WandeL genannten Autoren, die innerhalb des Argumentationszusammenhangs der morali-schen Novelle bleiben, bewegen sich die folgenden darüber hinaus. Sie halten zwar thematisch an den tradierten Erzählmustern fest, verändern sie aber in unterschiedlicher Art und Weise: Madame de Stad ermöglicht durch eine neue, llldividuelle und nicht zuletzt weibliche Liebeskonzep-tion eine Loslösung des Ehekonflikts von seinen sozialhierarchischen Aspekten; Sade dekonstruiert die Erzählmuster, indem er sie auf subtile Weise gegen sich selbst wendet, um so ihre inneren Paradoxien bloßzule-gen; Nodler verwendet das Ehehindernis nur mehr als Hintergrund für romantische Stimmungsbilder. Am weitesten entfernt sich Balzac von der moralischen Novelle. Wenn auch die untersuchten Erzahlungen La Maz-son du chat-qul-peLote, Le BaL de Sceaux, La Vendetta und AdIeu bereits moderne Novellen sind, sollen sie bereits an dieser Stelle behandelt wer-den, um aufzuzeigen, wie die Verabschiedung vom Konzept der univer-sellen Vernunft und die Erfahrung des Historischen die Themen und Lö-sungsmuster der moralischen Novelle auf radikale Weise verandern.

Entwertung der moraLIschen Novelle

Madame de Stads Jugenderzahlungenl2h sind im Gegensatz zu ihren Ro-manen Corznne und DeLphzne meist wenig beachtet worden. Der Ver-gleich mit den moralischen Novellen ihrer Zeit läßt jedoch insbesondere

in ,'Hirza und ZuLma ein erstaunliches emanzipatorisches Potential

hvortreten. Weit mehr als eine Konzession an eine modische Tendenz, er-laubt die Verlegung der Handlung dieser beiden Novellen in einen exoti-schen Kontext der Autorin eine ungewöhnlich freie Darstellung des EhehindernIsses.

In MIrza erzahlt der freigelassene senegalesische Sklave Ximeo die Geschichte seiner Liebe zu der Titelheidin. Obwohl er Mirza verlassen hatte, bot sie sich im Austausch gegen ihn als Gefangene an und brachte sich nach ihrer frCJIassung um.

Beide Protagonisten sind, den Konventionen der Exotik des 18. J ahr-hunderts gemäß, durch europaischen Einfluß geprägt. Ximeo, der aus

%ulma, j"ragment d'un ouvrage par Mad. Ia Baromle St de H :'H*<-<-, London 1794, der Rccuez! de morceaux decaches par Mad. /a Bne Stael de Ho/stein (Lausanne/Paris 1795) enthalt nehen dem EssaI sur les j"lctlOn5 die drei No\'ellen Histoire de Paulme (ent-standen 1785), .Hlrza und Ade/aIde et Theodore (belde 1786 entstanden).

seinen Stammesgenossen durch Umsicht und Weitblick herausragt,1l7 hatte als einziger mit den franzosischen Kolonialherren zusammenge-arbeitet, deren Sprache er fließend spricht; Mirza war von einem Fran-zosen erzogen worden, einem" vleillard", der sich, enttauscht uber den Verrat der Europaer an ihrer eigenen Philosophie, in den Senegal zu ruck -gezogen hat. Die Ideen der Aufklarung, die ihr durch ihren Zieh vater vermittelt wurden, setzt sie auf poetische Welse in ihren Liedern um, mit denen sie Ximeos Aufmerksamkeit auf sich zieht.12S

Mirza ist eine aufgeklärte Frau, die sich durch Reflexion, Esprit und Klarsichtigkeit auszeichnet. Die Liebe gehort für sie ins Reich der IllusIO-nen, bis zu dem Zeitpunkt, als sie Ximco kennen lernt Um mit ihm zu -sammenleben zu konnen, muß sie als Angehörige des feindhchen Stammes der Wolof ihre Heimat und ihre Famihe verlassen. In dem Augenblick, In

dem sie ihre sozialen Bindungen aufgibt, um Sich In Abhängigkeit von ih -rem Geliebten zu begeben, wird ihr Gefühl ubermächtig. War sie zuvor schon der starkere Charakter von beiden,129 gewinnt die Absolutheit ihrer Liebe nun eine auf Ximeo erdruckend wirkende Dominanz.

Für Xlmco bedeutet MIrzas Liebeserklarung nicht die ersehnte Erfül-lung seiner Wunsche, sondern eine Offenbarung des Betrugs, den er ge -genuber Ihr und sich selbst begeht. Trotz Mirzas Nachfragen und wohl wissend, daß sie alles fur ihn aufgeben muß, verschweigt er, daß er bereits mit Ourika, einer Angehongen seines Stammes, verlobt ist. Er laßt gera-de Jene I'ahigkeit gera-des Weitblicks vermissen, die Ihn \ on gera-den angera-deren Schwarzen unterschieden hatte, verschlteßt er doch die Augen vor der Gewißheit, daß Ihrer Liebe keine Zukunft beschieden sem '.vird. "Je croyais etre vrai, la force du present m'avait fait oublier le passe comme l'avenir; J'avals trompe, J'avais persuade; elle me crut.".)c

Die Ursachen für seinen allmählichen Rucbug sind nicht allein in dem vertikalen Fhehmdernls zu suchen, das Ihm durch die Sitten semes Stammes auferlegt wird, sondern In der Natur seiner Benehung zu Mir-za. Diese steht von Anfang an nicht unter dem Zeichen der Liebe, son -dern der Bewunderung ("j'emportais plus d'admlrauon que d'amour"I1J).

111 "Ic~ ncg'cs, Imprevo}ants Jc I'avcnll pour cu, meIllC', SOllt plus lIll'ap.lI:·,Jcs eneorc de

porter kurs PCIl\Cl'S sur Ic, gcneratlons !utu,cs, ct sc rdu,cnt au 111.11 prC'l'nt. ',li" k COlllp.Hcr.lU sort qu'Ii pourr.1Jt Icur rvitcr." (Guv.e, comp!ete, de H,ut,mu'!" R.1I0fl1lt,

Je StM! f{o!,tcm, <; 72)

118 ,,['amoul de I.llrl>l'rte, I'horn'ur elc l'csl'1.l\,lgc, ctall'nt Je SUJct dcs Ih,bll'S h\'lncns qui Illt' ravrrcnt d',ldllllf,llInn." (chJ ,'" 74)

"'/ X,ll1en bekennt ,,[ ',l\l'cnd,lIlt dc snn car,lLtl'lC IllC Sl'ulllett.ut

a

sc, \'l,I,ltlte," (<,bel., .., 75)_

110 "hd_, '>. 7S

111 I bcl, '> 74

Mirzas geistige Überlegenheit löst in ihm einen permanenten Zwiespalt zWIschen Faszination und Ablehnung132 aus, den er vergeblich zugun-sten einer ungetrübten Zuneigung aufzulösen versucht und der sich an-gesichts von Mirzas Glück noch versti:t.rkt:

Ah! pendant dcux mais gui s'ecoulcrent ainsi, tout ce gu'il y a d'amour et de bonheur fut rassemble dans son coeur [ ... J j' etais si frappe du plalsir g u' elle avai ta mc voir, gue je commen<;ais bientat a venir plutat pour elle gue pour moi: j'etais si certal11 de 50n accueil, gue Je ne tremblals plus en I'approchant. Mirza ne s'en apen:evait pas; elle parlait, elle repondait, elle pleurait, elle se consolait, et son ame active agissan sur elle-meme; honteux de moi-meme, J'avais besoin de m'elolgner.'H

Wenn er sie schließlich verläßt, um Ourika zu heiraten, dann nicht nur weil seine Liebe zu ihr abgekühlt ist, sondern auch weil er sich seines Selbstbetrugs zunehmend bewußt wird.

Erst Mirzas Freitod führt ihm das Ausmaß seines Verlustes vor Au-gen. Er verdrängt sein schlechtes Gewissen durch die Erinnerung an die Geliebte. Er erzählt seine Geschichte nicht in der Hoffnung, sein Un-glück dadurch mildern zu können, sondern im Gegenteil um sich durch dessen ständige Vergegenwartigung die Konfrontation mit seinen Gewis-sensbissen zu ersparen: "je mourrais SI on me l' [mon malheur] 6tait, le remords en prendrait la place, il occuperait mon ca:ur tout entier, et ses douleurs sont arides et brulantes." 134

Der exotische Hintergrund der Novelle befreit die Heldin von den gesellschaftlichen Konventionen, denen sie in einem französischen Kon-text unterworfen ware. Nur in der natürlichen, ursprünglichen U mge-bung Afrikas kann sich Mirza die Freiheit nehmen, alle sozialen Bindun-gen über Bord zu werfen und sich ohne Rücksicht auf familiäre oder moralische Erwägungen für ihren Geliebten zu entscheiden. Ihre Liebe kann aber keine Erfüllung finden, weil sie dadurch in eine neue Abhan-gigkeit gerät, die um so fataler ist, als Ximcos männliches Selbstwertge-fühl durch ihren starken Charakter und ihre geistige Dominanz beein-trächtigt wird.

Während sich Mirza über das vertikale Ehehindernis hinwegsetzt, dient es Ximco als nachträgliche Ausrede. Er heiratet Ourika erst, als er

12 Der Uhcrgang vom Intellekt 7um Gduhl vollzieht sich dergestalt, daß auf subtile Art und WCISC crneut /'vlir7~S Überlegenheit unterstrichen wird. Es gelingt Ximco, dank der Ausdrucksmoglichkencn, die er von Mirza gelernt hat, ihre geistige "exaltation" in eine ,,,lche des Geluhls umzuwandeln' "quelles expressIOns n'employai-,e pas pour faire passer dans son cccur I'exaltatlon quc ,'avals trouvcc dans son esprit!" (ebd., S. 74)

I 3 LhJ, ~ ~5

1-'"' I'hd, 'i. 78

nur noch MItleId mit Mirza empfindet. BezeichnenderweIse kommt ihm der Gedanke, daß seIn Vater niemals eIne Wolof als SchwIegertochter dulden wurde, erst, als er sIch bewußt wIrd, wIe sehr ihn MIrza liebt (,,]e fremls alors en songeant a quel exccs son ca:ur savait aimer; mais mon pere n'aurait jamais nommc sa fille une femme du pays des ]aloHes"!").

Was Ihn zur HeIrat mIt Ounka bewegt, Ist seine eigene Schwäche:

Tous les obstacles s'offnrent a ma pensee, quand le voile qUl me les cachalt fut tombe; je revis Ounka; sa beaute, ses larmes, l'emp!re du premier penchant, les instances d'une familie entiere; que sals-Je enfin? tout ce qui parait Insurmontable quand on ne tire plus sa force de son ca:ur, me rendit infidele 1\.

Ximco wendet sich der ,traditionellen' Frau Ourika zu, weil er sIch von der Übermacht der ,intellektuellen' Frau Mirza erdruckt fuhlt. Er hat Angst vor einer außerhalb der gesellschaftlichen Regeln stehenden Liebe, die allein auf der Ab~olutheIt des Gefuhls beruht, und zieht sich statt dessen in dIe Sicherheit der sozialen Normen zurück.

In der 1794 erschienenen, thematisch mit Mirza verwandten Erzäh-lung Zulma entfernt sich Madame de Stael noch weiter von den Erzahl -mustern der moralischen Novelle. Hier kommt die ebenfalls einem afri -kanischen Stamm angehörende Titelheidin selbst zu Wort. Zulma ist des Mordes an ihrem Geliebten Fernand angeklagt. Um ihre Familie vor der Verbannung LU bewahren, die im Falle eines Todesurteils auf sie fallen wllrde, hält sie vor ihrem Volk eine Verteidigungsrede 51e gibt zwar zu, ihren Geliebten aus I ifersucht getötet zu haben, fllhlt sIch v or dem Ge-setz aber dennoch unschuldig, da Fernand die Treue, die er Ihr geschwo-ren hat, gebrochen habe. Trotz ihres Freispruchs tötet sie sich n.lch der Verkllndung des Urteils, denn eine EXistenz ohne den Geliebten ist für sie unvorstellbar. Ihre bedingungslose smccrzte erbubt es ihr nicht, in Zukunft eine andere zu sein, als sie bisher vvar: ,,]'existe si fortement en mOl mcme, que me montrer une ,wtre <?St au dessus de mon pouvoir."!·' Wie in MlrZtl beslti't die Heldin dieser Novelle dank des exotischen Kontexts ein außergewöhnliches Maf~ ,ln Autonomie, d,ls es Ihr erbubt, sich llber gesellschaftliche Zwange 11ll1\\egzusetzen ("mes parents, mes amis, ma patne, tout disparut a mes yeux, et LCt univers qu'on dir l'o:uvrc d'unc seule idee devint pour moi l'image d'un sentiment unique cr dom i nareur""R) und sich eine eigene, Innere \Velt zu sd1.1ffen, In der ,1l1derc Geset/e hClrsc hen:

I J., l' hd., S 75.

116 Fbd.

11. Fhd., S. 106. V~I auch. "l 'illlc,el dll",llIllllel11l' d," ,\tltl'l'" dl' Illl" i,'u,' n\,btll'ndr,1I1 1"\' dl' mo' dl' Il',,'uri, :\ 1., k,nll''' (l'bd.).

'" fhd, S, 10.\

Mais il faut que le monde pcrisse, quand la passion le commande; I'orage qui s'rlcve en secret au fond du ceeur bouleverse Ja nature: tout semble calme amour de moi, moi seule Je sals que la terre est ebranJee, et qu'elle va s'entrouvrir sous mes pas.'l"

Zulmas Fähigkeit, sich selbst zum Zentrum dieses inneren Universums zu machen, ist jedoch an die Existenz ihres Geliebten gebunden, dem sie sich in einem noch starkeren Maße als Mirza ausgeliefert hat. Ihre Hin-gabe an Fernand gleicht einer Metamorphose, die nach und nach ihr ge-samtes Wesen erfaßt:

pcu de tcmps s'est ecoulc depuis que ce sentiment regne dans mon ame; il n'a pas cncore rcnouvele mon etre; tous les sen tiers ne m'offrent pas encore la trace de vos pas; chaque Jour n'est pas encore marque pour devenir a Jamais I'anniversalre d'un de vos accents ou de vos regards: j'al dans la vie, dans J'espace, dans ma pensee des retraites pour vous fuir. HO

Durch ihre Liebe zu Fernand tritt Zulma in eine Welt über, in welcher der Geliebte die Beziehungen zwischen den Dingen neu regelt: "Pour moi, le lien de tüutes les pensees, le rapport des objets entre eu x, c'etait I·crnand."H' Fernands Tod entzieht ihr folgerichtig jede Existenzgrund-lage: ,,11 [Fernand] savait donc gu'il m'eut fallu renaltre pour apprendre

a

vivre sans lui! il savait donc gue Zulma n'avait plus une faculte indepen-dante gui put lui servir

a

se detacher de Fernand!"142 Zulma verliert

"I 'identite, le souvel1lr de I' existence" 14\ sie ist sich selbst entfremdet:

JC me regardc avcc etollncment, JC me crols I'enncmic de moi-meme, jc ne sais plus Oll je vis, et ce n'est qu'en posant 1.1 main sur mon ceeur, en le scntant ellcore (()J1sume da la meme passion, quc JC parviens

a

mc reconnaitre

a

travers I'horreur et Ic cllntrastc de mes scntimcnts ct de mes malhcurs.'«

Fernands Untreue wird nicht durch zufällige außere Einflüsse ausge-löst,'4' sondern ist die direkte Folge von Zulmas absoluter Liebe, durch

'" I' bll., S. 102L O'l' hgengeseu Iichkw von Zulmas U mversum mamfest,ert SIch u.a. auch darin, daf\ der LlUf der Zw aufgehoben ISt: "I 'instant gu'd fallaa vlvre pour apprendre qu'il n'etait plus, m'cffravalt alul scul plus gue l'elernite"; "Ah! gUI a vecu un tel Jour a devorc l'cxIStencc de I"ngucs annces, el pour mOlles temps ne sont plus" (5. 105).

l, I:bd,) 103

14 I:bd

141 LbJ

14J I'.bd,). 106.

Ebd, 'i 104 Wenn sIe sagt "l:t vous avez cru [ ... ] gue je laisserais vlvre I'assassln de Fenl.lnd

'" I) 106), objektiVIert sIe mIt ,,1'assassl!l de Fernand" el!l zweItes Ich, das ih-rem el~entllchen Ich fremd ~eworden Ist.

,4\ Kmtin Anders stellt d,e These auf, daß M me de 5taell!l Zulma eIne Ideale Liehe darstel-len wollte, d,e nur durch die Untreue des Mannes scheIterte. S,e analYSIert Zulma als hktHln,lles C;e~cnsttJck zu De l'lnfluencc des passlOrlS sur le bonheur des mdividus Cl des

die er sich, ahnlieh wie Ximeo In Mirza, in ~einer Freiheit eingeschninkt fühlt, Be7ieht Zulma aus dem Bewußtsein, daß Ihr der Geliebte ein neues Leben geschenkt hat, ihre Kraft, so löst bei Fernand dlC Dankbarkeit für das, was er Zulma schuldet, ein Gefllhl der Einengung aus, Er verdankt Zulma glelch 10 zweifacher Hinsicht sem Leben: im wörtlichen Smn, da sie ihm das Gift eines Pfeils aus der Wunde gesogen hat, und im ubertra-genen Sinn, da sie wahrend der Zeit, in der er von semem Volk in die Verbannung geschickt worden war, seine emzlge Stutze war:

ReJete par sa patne, abandonne par !a nature mc me qUl semb!ait !ui rduser

!'alIment de sa vie, une femme environnait Fernand de tendresse et d'amour Sou verain cncorc dans des dcserts, i! voyait !'cxistence ct !e bonheur dcpendrL d'un de ses regards. ".

Zwar beteuert Zulma, daß sie ihre Macht über Fernand nicht aus den Wohltaten, die sie fernand erwiesen habe, ableite, sondern allein aus ih-rem eigenen Gefühl, sie weiß aber auch, daß sie Fernand durch die Macht ihrer liebe erdrllckt: "il me semblait que j'avais au fond de mon ame une puissance d'amour qui devait le dominer, et qu'un homme si passionne-ment aimc ne pomait pas se crolre hbre,"147

Madame de Stael geht in lfirza und Zulma, wie auch in der Histolre de Paulinel4H, von den thematischen Vorgaben der moralischen Nm elle aus, um sich schnttwelse davon zu eman7ipieren, Ausschlaggebend da-fur ist die Konzeption einer individuellen, \'on moralischen Zwängen freien I iebe, die für die Autorin nur in einem exotischen Kontext denk-bar ist. Auf der anderen Seite erscheint die Exotik, dem Geschmack des Zeitalters gemag, gebändigt, weshalb den Heldinnen ihrer Nm ellen eine gewisse Abstraktheit eignet

Gegenuber Adelaide et Theodorc und Histoire de P,lUlme, die noch durch die Domin.ll1z der Intrige gekenn/eichnet Sind, sind Mirz,l und 7ulma auf die Darstellung der Seelemustände ihrer HeIdinnen lentriert, Diese Tendenl ist bereits ein Jahrzehnt zuvor in den 1·.r7:ihlungen Jo-seph Malle Loaisel de Treogates IU beobachten, in denen die l-Llndlung

natlOm, wo d,c !\uwlln die Mrinung vertntt, ,bl\ es tUl icldcmdllftll' h I,<'l'l'nd,' l\kn schell grunds,llzlldl uIIllIoghch Sl'l, dur,'h dlt.' [ I<'lW best,lIldl gcs Glulk lU crl.1I1gt.'1I (,,/U/"1.1 odrl ,he 1 Iclw ,11, IlluSIlllI Ver,ulh eilll" grt'1l1uber"hreitrndell l;cnrc\c1 glclch, zwischcncllll'llI likuon,llell und 11IChtliklllll1,lkl1 ]'c'\t", 111: Gn'llzubt'Tldnt'ltulI gm, hg, VOll 'I '>t.ludt.'r und l' T""hcr, Bllnn 1 99'i, \. SS 97), lu/m" ,'ndult abL'r \IL"

mehl Am,HIt.' IU ('!lICI l\.lluk .1Il der leidcllsclultl,dll'n I i <'lw , die w<bt ,lU 1 ,adlere' I:influssl' (dcl1 "CH,lt l'l'llldnds) IlltuckLltluhlcn i,t, ""Illern in ,beser 1 ieh",k'Hl2l'('

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148 S.lI., S. 2471f.

nur noch als Hintergrund für die Darstellung melancholischer Stim-mungsbilder dient. Loaisels beinahe pathologische Sensibilität,149 seine VorlIebe für düstere Sujets und seine Besessenheit von der Thematik des Todes sind kaum noch mit der optimistischen Ideologie der moralischen Novelle vereinbar. Er bezeichnet die Texte seiner Soirees de me/ancolle (1777) zwar als contes moraux, es kommt ihm aber mitnichten auf den moralische Nutzen an, den der Leser daraus ziehen kann. Seine Angaben zu ihrer Entstehungsgeschichte zeigen, daß sie vor allem das Einfangen einer Stimmung beabsichtigen:

j'CWIS

a

la campagne quand j'ccrivis ces petlts Contes Moraux: ils sont le fruit des diverses impressions qUi m'agitoient chaque soir, au retour de la chasse, qui, pen-d,lnt quelques Jours, fit

a

peu prrs ma seule occupation. '"

Seine neuartige form der lyrisch geronten Prosa macht ihn zu einem ty-pischen Vertreter des preromantlsme,111 dem auch Charles Nodier in sei-ner frühesten Phase zugerechnet wird. Bevor dieser im Phantastischen seine eigentliche Berufung findet, knüpft er in einigen seiner ersten Er-zählungen an die Themen des 18. Jahrhunderts an. In a.hnlicher Weise wie Loaisel, aber ohne die idyllisch-bukolische Einkleidung verkürzt er die traditionellen Erza.hlmuster auf ihre stimmungsauslösende Funktion und richtet seine Aufmerksamkeit auf die Ausgestaltung von Gemütszu-standen. Das vertikale Ehehindernis bildet den Hintergrund von La Fzl-leule du Seigneur ou La Nouvelle Wertherze (1806). Während seiner bo-tanischen forschungen begegnet der Ich-Erzähler einer Frau, die ihn bittet, ihre einzige Tochter Suzanne zu heilen. Er erkennt sofort die Ur-sache ihres Leidens, obwohl ihre Mutter beteuert, Suzanne habe noch nie geliebt und auger von ihrem zwölf Jahre älteren Paten Frederic, dem Sohn eines ehemaligen seigneur du vIllage, noch nie einen Ku{~ bekom-men. '- Am nächsten Tag, ihrem Geburtstag und gleichzeitig der Hoch-zeit Fredencs, betrachtet sie, ganz in Weiß gekleidet, von der Tür aus das

\orüberZlehende Brautpaar und stirbt unmittelbar darauf mit einem lan-gen SchreI.

Die Ursachen des Ehehindernisses sind durch die wenigen Angaben

., R. Clnleno: l.'fspaU' Je L, Jouleur (ha 1.1MlSCI Je Treogatc, 1752-1812, Pans 1992, S. 13.

J ~\ L(l.ll~cl Je Treo~ate: SOlrees Je rm;lanco!zc, Am,tndam 1777, "AvertlSsement", S. I , \'~I. D. lI.\ornet: "Un .Prciromantique"', Revue J'!Jlstozre !zttcrazre de la hance 16

(1909), S. 491 ·SOO.

I ' N"Jlef\ ""nrat Jer iIebeskrankcn Suzanne verZIchtet auf Jle klIscheehafte Vorstellung, d,,/\ eIne ('r,lU noch schoner Ist, wenn sie welIl!: "Ses paupleres s'abaisserent avec un c.,IIlll' mcbncolique; e1les etaient enflces et tenJues. Les eils reunlS par falseeaux bnl IJlent encore Je I'hunllJltc Jes pleurs." (Contes, hg. von P. G. Castex, Pans 1961, S 12

deutlich genug, stellen aber nicht das eigentliche Thema der Novelle dar.

Nodier kommt es einzig und allein auf die Darstellung des einsamen Leidens der Heldin an. Suzannes Geliebter bleibt eine Nebenfigur. Die Personen, die sie umgeben, sind hIlflos, die naive Mutter ebenso wie der wissende Erzahler. Statt mit einer moralIsierenden Warnung vor standes-ubergreifenden LIebesempfindungen endet die Erzahlung mit einem

Nodier kommt es einzig und allein auf die Darstellung des einsamen Leidens der Heldin an. Suzannes Geliebter bleibt eine Nebenfigur. Die Personen, die sie umgeben, sind hIlflos, die naive Mutter ebenso wie der wissende Erzahler. Statt mit einer moralIsierenden Warnung vor standes-ubergreifenden LIebesempfindungen endet die Erzahlung mit einem