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1 Der ,conte'

2 Die moralische Novelle

2.4 Permanenz und Wandel

Die Permanenz bestimmter Themen und Techniken kann - gerade in einer Zeit tiefgreifender Umwälzungen auf allen Sektoren des Lebens -durch die Inkompatibilitäten mit den Veränderungen des Literatur-sYStems ebensoviel Erkenntnis über einen Epochenwandel mit sich brin-gen wie das Aufkommen neuer.IOI Tradierte Formen dürfen in Zeiten des Umbruchs nicht einfach als Relikte einer älteren Epoche ignoriert wer-den; vielmehr manifestieren die Modifikationen, denen auch sie unter-worfen sind, ex negativo jenes Bedürfnis, das eine jüngere Generation zur Schaffung neuer Ausdrucksmittel bewegt.

Was die Gattungsbezeichnung conte moral betrifft, kommt es, nach einem kurzfristigen Aufschwung im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhun-derts, der vor allem den Wiederbclebungsbemühungen von Madame de Genlls und den Übersetzungen der Novelle moralt (1782) von Francesco

<;oa\e zu verdanken ist, spätestens ab 1810 zu einem deutlichen Nieder-gang und zu einem Rückzug in die Kinder- und Jugendliteratur.12 Der conte moral, verbunden mit einem klassizistischen Stilideal, das nicht

Izebm,m h,l( mit Fl celoso ex/rcme,jo gemeinsam, daß es letztlich um dlt.' \Virkungs -1""gkeI! der memchltchen Vurkehrungen gehr.

Vgl. J 1\1tcl ("Idea~ or Eplstemes: lIanrd versus Foucault", Yale French S'/udzes 49 [ 1 'in I, S. 231-245), der gegen die sowohl der klassischen Ideengeschldlte als auch der l>lskursanalvse zugrundeltegende Pramisse, da/\ nur die neuen Ideen b7w. eine rll'UC I~plsteme wichtig seien, Einwande erhebt. - Z. B. Ist es typisch fur die prcromantzsmc -Forschung, dafl Sie nur aut bestImmte thematISche IndiZien achtet, wie etwa RUinen, und nicht berucksichtIgt, In welcher FunktIon diese stehen. Die SchIlderung einer ro manti,chen Alpenlandschaft In Sarranns Le Spleen z.B. kann mcht daniber hinweg tau ,chen, d.t!\ diese Frzählung nach wie vor vun den Er7ahlmustcrn der moralischen No-velle beherr"ht 1St

ach PIS,tpl.1 ("1 e Conte moral .. ") erscheinen zwischen 1800 und 1809308 contes

mo-roJZH, ZWischen 1810 und 181960 und {Wischen 1820 und 1829 nur noch 18.

Ausdruck einer Persönlichkeit,l J sondern Ausdruck seiner Zelt Ist,I04 ge-hört nach der Revolution der Vergangenheit an.

Aber auch das KOnL'ept der sensibzlzte als vorherrschender Ideologie der morahschen Novelle ist gescheitert. Die typischen Themen wie das Gluck Im Schoß der familie, eheliche Treue, Freundschaft, Wohltatigkeit und Hochschatzung des Gefühls sind durch die blutigen Ereignisse der Revolution einer Zerreißprobe unterworfen worden, der sie nicht mehr standhalten konnten. Der Versuch, den Begriff senslbzlite im Sinne des revolutionaren Diskurses semantisch umzuwerten, scheiterte an den eklat.lOten Widerspruchen, die die Umsetzung der aufklarerischen Ethik in politische Aktivitaten aufbrechen ließ.lus

In der Erzählliteratur verliert das Motiv des Wohltaters nach 1800 die Sentimentalität, mit der es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts be-handelt wurde. Die Traneneffusionen des "Helden der Dankbarkeit" in Baculard d' Arnauds 5ldney et Volsan (1766) welchen einer weitaus mich-terneren Behandlung, bei der sich die Dankbarkeit nur mehr in finan-zieller Remuneration manifestiert. In zwei Erzahlungen von Adrien de SarraZln z. B. (Le Portrait de familie und Les Deux portraits de famIlle [1813]) wird Dankbarkeit in barer Munze entlohnt. Die Aushändigung des Geldes erfolgt uber ein Portrat des Wohltaters, das nach dessen Tod unerwarteten Reichtum einbringt: Im ersten Fall wird bei emer Verstei -gerung der Preis des Bildes künstlich in die Höhe getneben, Im zweiten Fall ist im Rahmen des Gemaides eine größere Geldsumme versteckt, so dag der Fmpfanger der Wohltat zu Recht sagen kann: "Comme ce por-trait lui ressemble! c'est lui ... "l06 In Le Portrüzt de famzlle wird die Mo-ral, die die Geschichte vermitteln könnte - Dankbarkeit gegem.iber einem Wohltater zahlt sich immer aus zudem durch die Rahmengeschichte relativiert. Mit den abschließenden Worten:

Cette IllSWlre m'mtercssa; Je desIre qu'elle paraisse agrcable ,1 ceux qui b liront, et qu'clle .lpprenne .lUX hcritiers.i regarder derrierc leurs portraits de L1mille J.\.l11t Je les metlrc .i I' enchcrc '

schlägt sich der Frzahler 111 emer ironischen Wendung auf dlc "lCItC der geld gien gen F rben.

Claude-Fran<;Ols Xavler MerClel de Complegne hat dic Anuquierthcit

10\ Vgl M.lr1l1ontcl, (Tel/vre, compll'tn, Bd. XIII, Art (Ihlll

'04 Vgl Sg,ud, "M,\rlllolllell'l I.t for111c du (onll' 1l1nr,\I", S. 211: .. Fincssl' l'l g.\ll'Il' nl' sn nl pas dll'Z IUl [M'"lllontell un ,air' pl',sonel m,\lS un ,I" du Il'111pS, un 1'1lSl'n\bk dc "~Ill'S

P,lI kS'luds il S'.I<:<:ordl':I lTU, qUl l'l'((\Ull'nt "

" ga,\SlH'l, f),., Begrz}/,l('IlHIJllte', '> F'J JH6.

!C. '>,\11.\111\, Contes 1I0I/Vl'1I11\, ('(I/Ollvel/",1 IWI/V"l/Cl, Bel 1, S 112,

IC [,.1., S 121,

des conte moral selbst zum Gegenstand einer kleinen Erzählung gemacht.

l'Amour conjugal108 präsentiert sich als die rührende Geschichte eines Malers, dem seine Frau, mit der er glücklich verheiratet ist, drei Kinder geschenkt hat. Nachdem sie und eines der Kinder an den Folgen einer Impfung gestorben sind, bringt er die anderen beiden zu seinen Eltern und verabschiedet sich zärtlich von ihnen, obwohl er sie bereits am näch-sten Tag wiedersehen wird. An dieser Stelle tritt ein Ich-Erzähler auf, welcher sich darüber beklagt, daß seine Geschichte nicht die erwartete Wirkung habe. Anstatt Tränen hervorzurufen, bringe sie ihm nur zyni-sche Kommentare ein (,,11 y a des gens qui meurent aussi sottement qu'ils ont \ccu!"). Zwar erblickt er unter seinen Zuhörern zwei junge Frauen, die ihre Rührung zu verbergen versuchen; eine von ihnen wendet sich aber schon kurz darauf einem Offizier zu: "on paria de jeu et il ne fut plus question de mon peintre." Der eigentliche Gegenstand dieser Er-zählung sind die Zuhörer, die auf diese Art von Geschichten allenfalls mit bissigen Bemerkungen, Langeweile und Nichtbeachtung reagieren.lO~

Die Erzählmuster auf dem Gebiet der Ehe- und der Erziehungsthe-matik werden nach 1789 prinzipiell weiterverwendet, sie wandeln sich aber - sofern die Handlung nicht einfach in die Zeit des Ancien Regime verlegt wird - unter dem Druck der veränderten Verhältnisse des revolu-tionären bzw. nachrevolurevolu-tionären Frankreich. Auf der einen Seite versu-chen die Autoren, die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen in die alten Erzählmuster und die ihnen zugrundeliegen-de Izugrundeliegen-deologie zu integrieren. Auf der anderen Seite läßt sich die Tendenz beobachten, die Erzählmuster nicht anzupassen, sondern parodistisch zu ü ber7Cichnen.

Transformatzonen

In der Zeit nach der Revolution, da Ehen zwischen Adligen und Bürger-lichen immer mehr an der Tagesordnung sind, wird die standardisierte h)rmel des Pseudokonflikts obsolet. Felicite de Choiseul-Meuse11o ver-lagert daher die Verteidigung der ständischen Gesellschaftsordnung, auf

" Mercin de Complcgne, Nouvelles galantes et traglques, S. 171-174.

J<I !-in conte arIental von Saintine endet damit, daß der Adressat der Geschichte gegen Ende

umchl.ift und erst durch den Schlug wieder geweckt wird; sein Kommentar an den in-trad,,:gettschen Erzähler: "il mc scmble que ron conte etait d'une moraltte suffoquante"

(l.c I'aheur d'Ormus, tn:}onathan lc V/Slonnazre, Bd. II, S. 93).

I: ZU Choiseul-;\1euse siehe K. Norberg: "Making sex publtc. Felicite de Choiseul-Meuse ,Ind the lewd noveI", in: Gozng public. Women and publzshzng zn early modem France, hg. 'on E. C. Goldsmith und D. Goodman, Ithaca/London 1995, S. 161-175.

der dIeses Erzahlmuster beruht, auf die Darstellung der verderblichen Folgen standesungleIcher Eheschließungen. Die Lehre, die der Leser aus Ihren Erzählungen liehen kann, ist eindeutIg: Jegliche AmbitIon, in der StandeshierarchIe aufzusteigen, verstößt gegen die naturliche Ordnung:

"Ies 100s de la societc, loin d'ctre inJustes par les distinctions qu'elles ad-mettent, ont egalement pour but l'ordre general et le bonheur particu-lier."'ll Die Ehe eines Grafen mit eIner Lebkuchenverkaufenn scheitert an der mangelnden BIldung der Frau, an der alle Umerziehungsversuche abprallen,"2 Bereits bel der im engsten Kreise stattfindenden Hochzeits-zeremonie ist der Graf peinlIch beriihrt, als die Mutter seIner Braut an dIe Stelle einer Unterschrift drei Kreuze setzt. Der Ehe fehlt es an jeder gemeInsamen Basis; der Graf, der sich seiner Frau schämt, schreibt ihr dIe Schuld an seiner gesellschaftlichen IsolIerung zu. Aber auch wenn sich eIne Frau einfacher Herkunft durch entsprechende Bildung gute ManIeren aneignet, gereicht ihr dies nach Choiseul-Meuse letztlich zum Verderben. Die Verkäuferin in La Marchande d'oranges (1818) schlägt den IIeiratsantrag eines rechtschaffenen Theaterdirektors aus, weil sie von eInem Marquis umworben wIrd. 11] Als sie dessen unehrenhafte Ab-sichten durchschaut, ist es bereits zu spat. Der TheaterdIrektor kann sie nicht mehr zur Frau nehmen, wcd er sich niemals der Verdächtigung wurde entziehen können, daß seIne KInder In WIrklichkeit die des r-.lar-quis seien. Der Weg Ins Ungluck Ist damit vorgezeichnet: Der Orangen-verkäuferin bleibt nur noch übrig, einen Metzgersburschen zu heiraten, welcher ihr Geld verschleudert, sie mIßhandelt und schlief~lIch verlaßt.1l4 Andere Autoren versuchen, den veranderten sozialen Umständen Rechnung fU tragen, IIldem sie auch Ehen zWIschen Bürgern und AdlI-gen als legitim darstellen, fallen aber bel der KonstruktIon der Intnge unweIgerlich in die alten Ernhlmuster zuruck. Joseph Ficvce P,lßt in Lc I,wx revolHtlOmlLlz'rc (1802) das !·.rlahlmuster des vertikalen Lhehinder-nisses an die Zelt der Franloslschen RevolutIon an, indem er dIe Srandes-oder Vermogensunterschlede durch die Zugehörigkeit fU \'erschledenen

, <.IHlI,~ul Mcu,~: I Cl .vol/v('''('> mn/empor,lIne>, Bd III,I'.HlS ISIS, '>. <;7 Zum Sl'll.1

!en !\:onl"rJ11Ismus deI in ihren R<lnl.lncn lum Ted lecht fleI.U~:'h,·n r\ut<lrin "eh,' V. van Crugten Andrl" .,l'clicite dL' ( h""cul Ml'uw: du lihenill.lgl' d.lns I'<Hdr,' he'ur g~I"''', in: I'ortr"ll, Je !(,nlm('\, h g. v<'n R. M"rtil'1 und I I I I."Lju,n, Brm.dll's 2000, S 10') 115.

11) I.tl Johe rnanhandl' eLf.' /hlU} d'e/,u{"j (I.n '\'oUVl..'lIc) (Ofl{C1l1rO'·tlll1t'~. Hd. 111. '" " 57).

'" /." MLlnhLlnJe ,j'O',tngn (~bd., Bd. I, '> 7 <;2).

'" Zdl'nko Skrtb ,nd IZI~' t .1111 Ik"I",·1 ,"<ln August I kinne h .IUltlls 1 .11,lnt.lln,· ,Ils 1,·sth.tI ten ,ln d~r Undurchdtlnglllhk"it dl'! C'l'nzcn zw\Srh"n d~1l ,d, l·ln.1r1dl'r \\TSL'nstrl'nlll d.llg"'telltl·11 Sl.lI1d~n .11, U,lt, ugltrlll" Kl'nllleld'l'n der TrI\ t.lIIS"'\lIl1g (. \1I,:U't I I, '11

rleh Jul,u, L.,{OIlt.lIl1e", In: I /'zoIhlg,ltlllllg('1I dCl Iin'lallt/er,III1", hg. \\'n.' ,>kleb und U. B.llIl'1, tnmhrulk I'JH4, S. 'i4 6<;).

politischen Lagern ersetzt. Der bürgerliche Ich-Erzähler liebt Adele de Surville, deren Familie als einzige in der Stadt dem alten Adel angehört.

Obwohl Ihr Vater den revolutionären Ideen anhängt und mit seiner Mei-nung den Ich-Erzähler beeinflußt ( "il raisonnait contre les abus, et les abus me rcvoltaient; ce qui n'etait pour lui qu'un sujet de discussion, etait pour moi le motif d'un sentiment violent"II'), schließt er sich nach Aus-bruch der Revolution den "petits nobles" an und läßt sich trotz seiner Verachtung fur den neuen Adel zu ihrem Anführer machen. Der lch-Erzähler hingegen wird - weniger aus echter politischer Überzeugung als aus Notwendigkeit - zum Anführer der Bürgerlichen. Dadurch gerat er in politische Rivalitat zu seinem zukünftigen Schwiegervater, obwohl er insgeheim mit ihm und seinen Anhängern sympathisiert ("Nos opi-nions nous Cloignaient, nos sentiments nous rapprochaient sans ces-se" Ilh). Als Surville verhaftet wird, verhilft er ihm zur Flucht, wird mit ihm lusammen auf die Emigrantenliste gesetzt und kann nach einem kur-zen Aufenthalt in der Schweiz nach Frankreich zurückkehren.

Die Ereignisse der Französischen Revolution dienen hier nicht nur als Kulisse, sondern leisen den der Novelle zugrundeliegenden Konflikt erst aus. Daß dies von Fievee als Neuerung empfunden wurde, zeigt sein Un-behagen bei der Verwendung von Ausdrücken wie "parti des nobles"

oder "dcmocrates", für die er glaubt, sich entschuldigen zu mllssen. Er erklärt, sie nur deshalb zu verwenden, da sie für das Verständnis der Ge-schichte notwendig seien:

Je \OUS demande pardon pour des termes aussi barbares et aussi peu dcfinis; mais je ne peux rappel er les evenemenrs de cette cpoque sans en emprunrer les expres-sions. Le ridiculc qui les entoure aujourd'hui, repond de l'avenir, mais ne com-mandl' point au passe."

Dennoch bleibt der politische Konflikt dem Ehehindernis letztlich äußerlich. Der Gegensatz zwischen Surville und dem Erzähler ist nur ein scheinbarer, denn dieser sympathisiert von Anfang an mit dem Adel. Sein Antagonismus zu Surville ist lediglich durch den äußeren Umstand be-dingt, daß seine soziale Stellung ihm keine andere Wahl laßt, als der bllr-gerlichen Partei vorzustehen.

Die politisch-sozialen Gegensätze sind damit nichts anderes als eine Variation des in den älteren Erzählungen gängigen vertikalen, durch Standesunterschiede bedingten Ehehindernisses. Der tatsächliche Stan-desunterschied zwischen Burgertum und alter Aristokratie spielt

hinge-'" Q.u "e, d, j. Fzevee, h~, vonJ.Janin, Pans 1843,S 481.

Ilf. I bd., ~. 4X4.

, I' bJ" ,>, 4R2

gen keule Rolle. Die Zugehörigkeit 7U einer Partei hat aleatorischen Cha-rakter, sie ist eine Angelegenheit des Schicksals und nicht der aktiven Par-teinahme von Individuen:

si le partl des nobles se fut fait dcmocrate, je SUIS persuade gue cclui de'> bourgcols se fut declarc aristocrate; les bourgeois prirent l'initiative, il ne resta

a

la noblesse gue la ressource de l·aristocratie."·

Eine größere Rolle als die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht und die daraus resultierenden politischen Interessen spielt die von Jeder oko-nomischen Basis unabhangige Zugehörigkeit zum Seelenadel, der sich ausschließlich an den Werten der (Hoch- )Aristokratie orientiert.119

I;icvce versucht, die traditionellen Werte \lber die Zeit der gesellschaft-lichen U mwalzungen hinüber7uretten. Wie in semem damals bekannten Roman La Dar de Suzette 2' wird die Revolution zu einem Instrument der Vergeltung umgedeutet. Sie spielt, wie bei vielen anderen konservati-ven Autoren, die Rolle emes Kompensationsmechanismus, der dadurch, daß er in der Lage ist, die alte Ordnung vollsrandig umzukrempeln, letzt-lich die Rolle Gottes uberl11mmt, indem er die Guten belohnt und die Schlechten bestraft. I

Auch dlC heimliche Lenkung erfährt bei Ficvce eine Modifikation. Sei-ne Novelle La JalouSle (1803) handelt von der platonischen BeZiehung ZWischen Rulsberg und der verheiratetenl22 Hclmina. Deren Rivalin, die

." I·bd.

I'> [),lrauf spielt bccws der Name Surville an. Die Nlcdcrtracht des Rivalen des I· rz.ihlers

auf dcm Gebiet der liebe findet in dem Namen Laguillollcre Ausdruck. Der UberlrIll des ~ewissenillsen Opportunisten La~uillollere zum Lager der Revolution.tre ist die

Kont,lstfohe zu dem aus edlen Motiven erfolgten Partciwcchsd des FrLdhlcrs,

'1 Die W,llSln SU7tllC, Tochter elOes Illrlcn, wird von dcr Ich-I' ruhlcrtn :\lllle dc Scnnl' tene erlo~en, S,C verhcbt ,ICh In dcrcn Sohn Adolphc. Wcil :\Ime de Scnnetcrrc diese Mcs,llh,lnce nicht /.ubsscn bnn, ~eht Ad'llphe lOS Ausbnd '>U/CllC schl,d)t .lUf \\ unsch Ihrer pne~elllutter eine Konventionsehe mit dem aufstrdwnden B,lucrn und \,chh:lIld ler Chenu. Durch den Ausbruch der Revolution verltcrt Mme de Senneterre Ihr ge,.lm tes Verlllö~en und Sieht Sich ~e/\vun~cn, In den Dienst der ncurelchen :\llllc [)~rrC\,ll ell1/utreten, die sich .lls '>u/elle her,lusstdlt. Ihre Aussteuer und ihre Bildung h.lbl'Jl duu hCIt;eu a~cn, dafl es Ihr M.lnn 7U Vcrlllii~en ~cbracht h.lt N,lchdcm cr durL"ll ClI1l'n llL'r ,lhLtliendcn I cuchtcr IU Todc ~ekommcn 1St, stellt ,ich her,lu" d,lll er Itd \erschuldct ist SU/ette und Adolphe, dll' sich imll1l'1 noch lIeben, k"nnen nl\n endhch heir.llcn, In L, Dot d,' .)uzclfl' kOll1ll1t cs 11\ eincr Ver,ohnun~: Die Rcvolutlon h.1l letlten 1 nd,', dalul ge,or~t, da(~ d,c I linJerl1lsse l_wi"'hl'n 'iu/ettl' und Adolphe ,lI1S d,'m \\' g gl"

r,lUl1It wurden. Die n.llutliehe 1.,l'l1L' dn I !cL'cn k.lllll Ilun rl"lli,il'lt \\Cnlcll,

111 Zur Rolle ocr RevolullOIl .11, Pl'ripl'tll'.lllSIO\Cf sichl l.lit.' Bl'()b.h·htungt'Tl \'(.)1\ 1) Rl('~('r.

",I',s[ [ t! dOlle vr,ll lju'on ne lit plus de Rom,ws?' - Die 11.1I110"s-l1<' N.IIT.lllSlk der Revolulton (17H9 1799)", in: llf"",t/tl der h.1I1Z1hl_I,hclI R<"1.'O/l/tlO'l. I:·.', I"rjllhnlllg, h~. VOll 11. KI,lul\, '>[ut[~.lll 19H8, bes, 'i, 131 116.

1.'1 1>,,1< ihr dil'\ nicht .11, 1I111110r.ll,srh .1Ilgl'kll'Idet wild, licg( In den Lrlls(.lndl'Tl ihrer \cr

ältere Madame de Mulhausen, will sich an ihr rächen, indem sie zwei Manner beauftragt, ihr bei einem Maskenball nachzustellen. Von diesen heiden finsteren Gestalten verfolgt, sucht Helmina Zuflucht bei Rulsberg und rei/h sich mit den Worten "defendez-moi!" die Maske vom Gesicht.

Nach diesem Vorfall malt Rulsberg ein Porträt Helminas, das sie in dem Moment zeigt, in dem sie die Maske abnimmt.

Mit Helminas Tod ist Madame de Mulhausens Rachsucht immer noch nicht gestillt. Sie intrigiert weiter gegen Rulsberg, indem sie ihn in einer Reihe von anonymen Briefen vor der Rache von Helminas Mann warnt und ihn schließlich auffordert, auf jenem Maskenball zu erscheinen, bei dem sich die Episode mit der Maske zugetragen hat. Dort sieht Rulsberg eme frau, an deren Kostüm und Ring er seine verstorbene Geliebte zu erkennen glaubt. Als sie auf seine Bitte die Maske abnimmt, erblickt er einen Totenschädel. Im Schock will er sich erschießen, trifft aber verse-hentlich die maskierte Gestalt. Hinter ihr verbirgt sich Madame de Mul-hausen, die zwei Masken übereinander getragen hatte.

Rulsberg verliert den Verstand. Nachdem er Helminas Porträt ver-schleiert hat, malt er ein neu es, das die Frau mit dem Totenscha.del zeigt.

Helminas Schwägerin MlIe de Petersen versucht, ihn mit Hilfe eines Be-kannten zu heilen, der folgende Überlegung anstellt:

il [Rulsberg] etait parvenu

a

achever un tableau dont le desordre n'excluait pas la verite, et ajoutait peut-etre

a

I'expression. Rulsberg n'attachait plus de sens fixe aux paroles; mais etait-il impossible qu'il fut frappe par des signes?'"

Der ,Therapeut' gibt ein Bild in Auftrag, das den Augenblick darstellt, in dem hinter der Totenschädelmaske das Gesicht von Madame de Mulhau-sen erscheint. Daß es bei Rulsberg lediglich Erstaunen hervorruft, aber keinen Denkprozeß in Gang bringt, führt er darauf zur1lck, daß ihm in-folge der Zerrüttung seines Verstands die elementare Fähigkeit abhanden gekommen ist, den dargestellten Vorgang zu verstehen und ihn gleichzei-tig mit seinen Erinnerungen in Verbindung zu bringen. Rulsberg muß daher Schritt fur Schritt an diese Fähigkeit herangeführt werden: "la sce-ne reprcsentee offrant usce-ne idee trop compliquee, il fallait la decomposer de toutes les manieres imaginables." 12'

T:iglich wird er mit neuen Bildern - z. B. der Briefe schreibenden Ma-dame de Mulhausen - konfrontiert, die ihm die verschüttete Vergangen-heit ins GedächtOis zurückbringen sollen: "Les dessins se multiplierent,

~h~hLhun~ b~~ründct: Es handelt Sich um elnc Konvenrionsehe, die geschlossen wurde, wcd Helllllll.1\ Vater Schulden bel Monslcur de Petersen hatte.

(Fuv.n Je j. Fr~"CC , 5 377.

" I:bd. S 37H.

et formerent pour ainsi dire un alphabet, dont on abandonnait a ce mal-heureux les differentes combinaisons." J2) Spater werden die Zeichnungen mit kurzen Satzen versehen, welche die Worte "rivale" und "Jalousie"

enthalten. GleichzeitIg soll Rulsberg durch den Umgang mit einer To-tenschadclmaske dalu angeregt werden, diese auf der einen Seite positiv zu besetlen (indem sie ihm mit einem fröhlichen Lied prasentlert wird), auf der anderen Seite aber auch die doppelte Maskierung zu durchschau-en (indem beide Maskdurchschau-en immer wIeder spielerisch uberelnandergelegt werden). Die Konfrontation schliegjich mit dem von ihm selbst gemal-ten Portrat Hclminas bringt seine Erinnerung wieder. Das Interesse die-ser Erlahlung liegt nicht in der unglücklichen Liebesbeziehung - diese kommt in der Mitte der Erzahlung ziemlich schnell und unerwartet zu einem Abschlug -, sondern in der durch dIe Machenschaften der eifer-suchtigen Rivalin ausgelosten geistigen Zerrüttung Rulsbergs und ihrer Heilung. Ähnlich wIe in Bricalres L'Amour tel qu 'il est bewirkt die Macht der Bilder eine Wandlung, mit dem Unterschied, dag hier mcht

enthalten. GleichzeitIg soll Rulsberg durch den Umgang mit einer To-tenschadclmaske dalu angeregt werden, diese auf der einen Seite positiv zu besetlen (indem sie ihm mit einem fröhlichen Lied prasentlert wird), auf der anderen Seite aber auch die doppelte Maskierung zu durchschau-en (indem beide Maskdurchschau-en immer wIeder spielerisch uberelnandergelegt werden). Die Konfrontation schliegjich mit dem von ihm selbst gemal-ten Portrat Hclminas bringt seine Erinnerung wieder. Das Interesse die-ser Erlahlung liegt nicht in der unglücklichen Liebesbeziehung - diese kommt in der Mitte der Erzahlung ziemlich schnell und unerwartet zu einem Abschlug -, sondern in der durch dIe Machenschaften der eifer-suchtigen Rivalin ausgelosten geistigen Zerrüttung Rulsbergs und ihrer Heilung. Ähnlich wIe in Bricalres L'Amour tel qu 'il est bewirkt die Macht der Bilder eine Wandlung, mit dem Unterschied, dag hier mcht