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Was ist zu tun für Vollbeschäftigung? Die kurzfristige Lohnlücke

Im Dokument Kapitalbildung und (Seite 173-177)

Beschäftigung: Eine theoretische und empirische Analyse

4.4. Was ist zu tun für Vollbeschäftigung? Die kurzfristige Lohnlücke

Es ist aus der Diskussion der Reallohnlücke hervorgegangen, daß das Konzept langfristig, d.h. bei variablem Kapitalstock, keine Relevanz für die Diagnose klassischer Hochlohnarbeitslosigkeit besitzt, in der kurzen Frist aber eine wohldefinierte Bedeutung haben kann, nämlich die Erfas-sung des für die Rückkehr zur Vollbeschäftigung notwendigen Real-lohnopfers der Arbeitnehmer. Da hier nur die Optimalbedingung für den Faktor Arbeit ins Spiel kommt, kann in diesem Zusammenhang von einer kurzfristigen Lohnlücke gesprochen werden. Das Konzept der langfristi-gen Arbeitsnachfragekurve impliziert, daß das Reallohnopfer nach der Kapitalstockanpassungsphase (d.h. nach der Verschiebung der kurzfristi-gen Arbeitsnachfragefunktion) - bei höherem Beschäftigungsgrad - wie-der rückgängig gemacht wird. McCallum, J. 1985, S. 439, Fußnote 3 spricht in diesem Zusammenhang vom "real wage model" und belegt die Beachtung beider FOC's mit dem Namen "relative factor price model".

Ausgehend von der (logarithmierten) Bedingung erster Ordnung für A r -beit (3.15) ist deren totales Differential zu berechnen:

(4.52) dw = (l+p)dy-(l+p)dl Auflösen nach dw/dl ergibt:

(4.53)

Auf der linken Seite von (4.53) steht die Elastizität des Lohnes bei Ände-rung der Beschäftigungsmenge, mithin die notwendige ÄndeÄnde-rung des Reallohnes für eine Variation der Beschäftigung um einen Prozentpunkt.

Der Term dy/dl kann - wie gezeigt wurde - durch das Niveau der Lohnquote approximiert werden. Hinter dieser Approximation steht die A n -nahme, daß die Unternehmer sich tatsächlich auf ihrer Arbeitsnachfrage-funktion bewegen; die Schätzergebnisse aus Tabelle 3.2 geben jedoch Anlaß, diese Annahme zu akzeptieren. Aus (4.53) kann eine Schätzung der in einem bestimmten Zeitpunkt notwendigen Reallohnkürzung für das Erreichen von Vollbeschäftigung abgeleitet werden.

Abbildung 4.14 zeigt das Konzept der kurzfristigen Lohnlücke graphisch.

Abbildung 4.14: Das Konzept der kurzfristigen Lohnlücke

Ist die langfristige, horizontale Arbeitsnachfragekurve, und durch die (nicht eingezeichnete) Lohnsetzungskurve ein Arbeitsmarkt-(unterbe-schäftigungs)-Gleichgewicht in Punkt A bei der Beschäftigungsmenge L{ gegeben, so kann entlang der negativ geneigten kurzfristigen Arbeits-nachfragefunktion durch Lohnkürzungen eine Beschäftigungsausweitung

erreicht werden (Punkt B). Wie bereits gesehen, wird durch die Verschie-bung der kurzfristigen Arbeitsnachfragefunktion nach außen im Zuge der Anpassung des Kapitalstocks das alte Lohnniveau wieder realisiert. Der vertikale Abstand der Punkte B und C hat damit eine klare und sinnvolle Bedeutung als kurzfristige Lohnlücke.

Z u deren empirischen Erfassung sind zwar einige Annahmen notwendig, die etwas willkürlich sind, es ist dennoch aufschlußreich, diese Übung durchzuführen.

Zunächst muß ein Wert für o festgelegt werden. Das Ergebnis hängt wesentlich von diesem Parameter ab, und die Literatur umfaßt im-merhin eine beträchtliche Schwankungsbreite von geschätzten Wer-ten, deren einziges gemeinsames Ergebnis ist, daß von einem Wert unter eins ausgegangen werden kann. Die eigenen Schätzungen in Tabelle 3.2 legen einen Wert von ca. 0,4 nahe, als Referenz werden die Ergebnisse zusätzlich für ein angenommenes a von 0,5 bzw. 1 berechnet.

Schwieriger ist die Frage, wie "Rückkehr zur Vollbeschäftigung" zu definieren ist, d.h. um wieviele Prozentpunkte die Arbeitslosen-quote sinken sollte. Konzeptionell ist hier die Differenz von aktuel-ler und natürlicher (im Sinne von Friedman, M . 1968) Arbeitslosenquote gefragt. Letztere ist wiederum nur unter willkürlichen A n -nahmen zu berechnen, als - sicherlich sehr konservative - Annähe-rung wird hier die Schätzung von Coen, R . M . , Hickman, B . G . 1987 benutzt. Sie ermitteln eine absolute Zahl für die natürliche Arbeitslosigkeit. Bezieht man diese Zahl auf die Zahl der tatsächlich A r beitslosen und multipliziert dieses Verhältnis mit der aktuellen A r -beitslosenquote, so ergibt sich ein Wert für die natürliche Arbeitslo-senquote. Nach den Berechnungen von Coen/Hickman ist in der Bundesrepublik Deutschland erstmals 1974 die tatsächliche Arbeits-losenzahl höher als die n a t ü r l i c h e1 3 0, seit dieser Zeit bewegt sich die Schätzung der N R U zwischen 1,2% und 1,4%.1 3 1 Aufgrund der

130 D.h. laut dieser Diagnose bestand bis einschließlich 1973 Überbeschäftigung.

131 Eigene Berechnungen mit den Zahlen von Coen, R . M . , Hickman, B . G . 1987, S. 166, Table 6 und den DIW-Daten für die Arbeitslosenquote.

geringen Variabilität und der Konservativität der Schätzungen wird die N R U für den gesamten Stichprobenzeitraum auf 1,4% festge-legt. Der Handlungsbedarf ergibt sich somit - unter Berücksichti-gung der stabilitätspolitischen Restriktion, die durch die N A I R U gegeben ist -, als N A I R U minus 1,4%, was sicherlich eine sehr ambitiöse Zielsetzung ist und daher die Schätzung der notwendigen Lohnkürzung tendenziell überschätzt.

Mit diesen Annahmen ist die kurzfristige Lohnlücke S R W G gegeben durch:

(4.54) S R W Gt = lo-]-(SL t - l)l-(u* - 1,4%)

Die Werte für u* werden aus der Schätzung in Abschnitt 2.4. (vgl. Ta-belle 2.5) übernommen.

6

5 "

4 "

3 "

2

SRWG04 / ^

/ / SRWG05

/ / / /

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- ' SRWG1

1 /)--''

0 i i i i i i i i i i i i i i i i i r i i l i i i i i i i i r 1960 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 Abbildung 4.15: Schätzungen der kurzfristigen Lohnlücke

Abbildung 4.15 zeigt dieses Maß für drei Werte der Substitutionselastizi-tät (o = 0,4: SRWG04; o = 0,5: SRWG05; a = 1: SRWG1)

Für die Perioden, in denen die aktuelle Arbeitslosigkeit kleiner als 1,4%

war, ist die kurzfristige Lohnlücke gleich Null gesetzt.

Vor 1973 existierte nach dieser Berechnung kein Reallohnproblem, im Gegensatz zu den üblichen Ergebnissen der Berechnungen langfristiger Lohnlücken hat sich danach ein Reallohnproblem sukzessive aufgebaut.

Es wird hier deutlich, daß das für das Erreichen von Vollbeschäftigung notwendige Reallohnopfer sehr stark von dem angenommenen Wert der Substitutionselastizität abhängt. Die Berechnungen lassen den Schluß zu, daß am Datenrand mit einem Reallohnrückgang von ca. 5-6% Vollbe-schäftigung erreichbar wäre. Da der Handlungsbedarf eher als Obergren-ze definiert ist, sollte auch dies eine vorsichtige Schätzung sein. Die Gra-phik macht eindrucksvoll klar, daß die oft geübte Bequemlichkeit der Verwendung einer Cobb-Douglas-Funktion (o = 1) zu völlig falschen (und völlig unplausiblen) Ergebnissen führt.

Kapitel 5:

Zusammenfassung und wirtschaftspolitische

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