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Eine konzeptionelle Kritik der traditionellen Lohnlücke

Im Dokument Kapitalbildung und (Seite 110-116)

Zur Beurteilung der Vollbeschäftigungskonformität von Reallöhnen: Die Lohnlückendiskussion

3.6. Eine konzeptionelle Kritik der traditionellen Lohnlücke

There can be extreme problems of wage pressure without any evidente of an actual 'wage gap', and indeed the whole concept of the wage gap tends to confuse rather than to clarify.

(Layard, R. et ai 1991, S. 19)

In diesem Abschnitt soll die Aussagekraft der traditionellen Lohn-lückenmaße kritisch hinterlragt und dabei die bislang in der Literatur vernachlässigte bzw. nicht explizit gemachte Unterscheidung von langer und kurzer Frist aufgezeigt werden. Dabei werden auch die beiden be-sprochenen Meßvorschriften von J. Artus und R. Gordon konzeptionell

verglichen. Insbesondere die zweite Berechnungsprozedur wird sich da-bei als unzulänglich und ungeeignet für die Beurteilung der empirischen Relevanz klassischer Hochlohnarbeitslosigkeit herausstellen. Um dieses weitreichende Ergebnis zu zeigen, ist es lediglich notwendig, den in Ab-schnitt 3.2. vorgestellten Gedanken, daß beide Faktorpreise für die De-termination der Beschäftigung relevant sind, auf das Konzept der Real-lohnlücke anzuwenden.

Die folgende Diskussion zeigt, daß unter Berücksichtigung der Optimal-bedingungen erster Ordung für Arbeit und Kapital

eine von den Gewerkschaften - ausgehend von einer Gleichge-wichtssituation - durchgesetzte Lohnerhöhung nur kurzfristig aufrechterhalten werden kann. Durch die endogene Anpassung des K a -pitalstocks wird ein initial überhöhtes Lohnniveau wieder exakt auf den alten Gleichgewichtswert zurückgeführt, wobei in dieser A n -passungsphase die Beschäftigung nicht wieder steigt, sondern im Gegenteil weiter sinkt.

der im Zentrum der Analyse stehende vollbeschäftigungskonforme Reallohn eine Funktion der exogenen Kapitalnutzungskosten ist.

Durch die Vernachlässigung dieses Zusammenhangs, ist die Gordon'sehe Lohnlücke, die weder den Kapitalstock noch die Kapi-talnutzungskosten berücksichtigt, bei nicht konstanten Kapitalnut-zungskosten falsch gemessen.

Beide Punkte können sowohl analytisch als auch graphisch veranschau-licht werden. Ausgangspunkt ist eine allgemeine, substitutionale Produk-tionsfunktion

(3.22) Y = F(K, L)

Die Bedingungen erster Ordnung für die beiden Produktionsfaktoren ver-langen jeweils die Identität von Grenzprodukt und realer Faktorentloh-nung:

(3.23) F 1= C (3.24) F2 = W

wobei Fi (i = 1, 2) die Ableitung der Funktion F nach dem i-ten Argu-ment bezeichnet.

Totale Differentiation dieser Bedingungen ergibt (3.25) Fnd K + F1 2d L = dC

(3.26) F2 Id K + F2 2d L = dW

Wie bei der Exposition der Lohnlückenmaße von Artus und Gordon deut-lich wurde, geht in die Lohnlückenberechnung nur die Optimalbedingung für Arbeit (3.24) ein, daher wird die Arbeitsnachfragekurve - bei gegebe-nem Kapitalstock - als negativ geneigt angenommen: Aus (3.26) folgt:

5W

gr= F2 2< 0 .

Eine langfristige Arbeitsnachfragekurve bei variablem Kapitalstock -kann nun durch die simultane Berücksichtigung beider Optimalbedin-gungen erreicht werden. Auflösen von (3.25) nach dK und Einsetzen in (3.26) führt zu

Bei Annahme einer Produktionstechnologie mit konstanten Skalenerträ-gen ist der Klammerterm in (3.27) gleich N u l l8 6, d.h. die langfristige Ar-beitsnachfragekurve ist im üblichen Arbeitsmarktquadranten eine Hori-zontale. Ebenfalls wird aus (3.27) deutlich, daß die Kapitalnutzungsko-sten ein shift-Parameter der langfristigen Arbeitsnachfragefunktion sind:

8W F 9 1

—— = —^-<0. Bei einem exogenen Anstieg von C sinkt der Lohn und 5C Fn

vice versa.

In Abbildung 3.7 können die Probleme der Lohnlückenmessung gra-phisch nachvollzogen werden. Da das Gordon 'sehe Maß explizit den ar-beitssparenden Technischen Fortschritt beinhaltet wird auch ein entspre-chender Technologieshift noch einmal diskutiert.

86 V g l . Hesse, H . , Linde, R. 1976a, S. 79.

Abbildung 3.7: Konzeptionelle Probleme der Lohnlückenmessung

In allen drei Quadranten sei der Punkt A ein Vollbeschäftigungsgleich-gewicht. Im Arbeitsmarktquadranten b) schneiden sich hier Arbeitsange-bots- sowie die kurz- und langfristigen Arbeitsnachfragefunktionen bei (WQ, Lv) , im Quadranten a), der Darstellung der intensiven Produktions-funktion, ist die Grenzproduktivität des Kapitals (5Y/8K)1 identisch mit den realen Kapitalnutzungskosten. Hierdurch wird eine gleichgewichtige Kapitalintensität K j impliziert, wodurch auch die Höhe von Kapitalstock und Output im Quadranten c) determiniert ist.

In dieser Situation kann nun ein exogener, positiver Schock des arbeits-sparenden Technischen Fortschritts die Pro-Kopf-Produktionsfunktion von PKPFj auf P K P F2 nach außen verschieben. Das neue Vollgungsgleichgewicht befindet sich in Punkt B , so daß eine beschäfti-gungsneutrale Erhöhung des Reallohnes von W0 auf W , erfogen kann;

dieses neue Gleichgewicht wird auf dem Arbeitsmarkt durch die Funk-tionen L | und Ld S R 2, Ld L R 2 repräsentiert. Da die Grenzproduktivität des Kapitals gleich bleibt, ist auch hier die Optimalbedingung (3.23) erfüllt.

Wj ist damit der vollbeschäftigungskonforme Lohn nach dem Technolo-gieshift, K2 die nunmehr gleichgewichtige Kapitalintensität und \|/v die Durchschnittsproduktivität bei Vollbeschäftigung.

Ein Arbeitsmarktproblem kann nun eingeführt werden, indem die A r -beitsangebotskurve sich ausgehend von L | noch weiter nach links, z.B.

auf L | verschiebt; es ergibt sich dadurch ein neues temporäres -Gleichgewicht in Punkt C , wobei der Reallohngewinn entlang der kurz-fristigen Arbeitsnachfragefunktion Ld S R 2 zu Lasten der Beschäftigung geht. Daß es sich hierbei um einen instabilen Zustand handelt, wird in Quadrant a) klar: Die Grenzproduktivität des Kapitals ist auf (8Y/SK)9 gesunken; dies ist jedoch nur mit (3.23) in Einklang zu bringen, wenn C in gleichem Umfang sinkt. Da hierzu kein Anlaß besteht, ist die adäquate Reaktion der Unternehmer eine Rücknahme des Kapitalstocks bis (8Y/8K)j wieder erreicht ist. Bleibt die Arbeitsangebotsfunktion bei L | , so wird während der Kapitalstockanpassungsphase die kurzfristige A r -beitsnachfragefunktion sich nach links verschieben (aus (3.26) folgt:

SW

= F2| > 0). Das neue - stabile - Gleichgewicht, in dem wieder beide OK

Optimalbedingungen erfüllt sind, ist in Punkt D erreicht.8 7

Anhand der Abbildung 3.7 kann auch gezeigt werden, welche Meßvor-schrift Artus und Gordon für die Lohnlücke angeben.

Gordon's Maß zeigt eine Lohnlücke an, wenn der Reallohn schneller wächst als der arbeitssparende Technische Fortschritt. Somit wird beim

87 In D ist notwendigerweise wieder das Reallohnniveau von B erreicht, nicht aber unbe-dingt die gleiche kurzfristige Arbeitsnachfragefunktion wie in A . Die gewählte Steigung der Arbeitsnachfragefunktion ist ein die Zeichnung entlastender Spezialfall.

beschriebenen Übergang von A nach B korrekterweise keine Lohnlücke ausgewiesen, während zwischen B und C ebenso richtig das Verhältnis zwischen W2 und Wv als Maß für klassische Hochlohnarbeitslosigkeit anspricht. Den Übergang von B nach C erfaßt Artus als Verhältnis von

Wv

vollbeschäftigungskonformer Lohnquote und normalisierter Lohn-Wo

quote ——, d.h. konzeptionell äquivalent. Zwischen C und D geht nun der Reallohn zurück, Gordon's Maß fällt damit - trotz weiter sinkender Beschäftigung - wieder auf den in B mit Vollbeschäftigungs kompatiblen Wert zurück, und ist damit eine diagnostische Fehlkonstruktion, wenn die Kapitalstockanpassung mit berücksichtigt wird. Die Artus'sehe Lohn-lücke erfaßt hingegen die Linksverschiebung der kurzfristigen Arbeits-nachfragefunktion, weil der (zwischen C und D sinkende) Kapitalstock explizit bei der Berechnung durch Gleichung (3.11) bzw. (3.12) berück-sichtigt wird. Der nach Abschluß des Anpassungsprozesses vollbeschäf-tigungskonforme Lohn in Abbildung 3.7 ist W0; dieser ist eindeutig ge-ringer als W1 ? entspricht aber nicht notwendigerweise dem in Punkt A gleichgewichtigen Lohn (vgl. die letzte Fußnote). Somit weist Artus das Verhältnis von Wj zu W0 als Lohnlücke in Punkt D aus.

Der Kapitalstock wird dabei als exogene Variable behandelt, durch des-sen Berücksichtigung mißt Artus jedoch eine valide kurzfristige Lohn-lücke für einen jeweils zu einem Zeitpunkt gegebenen Kapitalstock. In Abschnitt 4.4. wird eine analoge, jedoch weitaus einfacher zu berech-nende empirische Schätzung dieser Lohnlücke vorgenommen.

Somit bleibt festzuhalten, daß die Lohnlücke bei der Analyse eines Lohnschocks eine wohl definierte Bedeutung hat, langfristig jedoch die induzierte Anpassung des Kapitalstocks in Rechnung gestellt werden muß. Der einfache Vergleich von Reallöhnen und arbeitssparendem Technischen Fortschritt führt zu Fehldiagnosen.

Im nächsten Kapitel werden nun - als logische Erweiterung der obigen Analyse - allgemein die Zusammenhänge von Faktorentlohnungen, Kapi-talbildung und Beschäftigung im empirisch umsetzbaren Rahmen einer CES-Produktionsfunktion herausgearbeitet. Im Anschluß daran wird das

Modell in einem explizit dynamischen Kontext vorgestellt, und die Im-plikationen weiterer Schocks analysiert.

Kapitel 4:

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