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Volkskunde/Ethnologie, Alltags- und Kulturgeschichte

Im Dokument ━ Belastung und Bereicherung ━ (Seite 50-53)

Zwar gab es in der Bundesrepublik schon frühzeitig eine Kommission für ostdeutsche (heute:

deutsche und osteuropäische) Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V.

mit einem noch heute erscheinenden Jahrbuch114 und einer Schriftenreihe sowie vor allem das Institut für ostdeutsche Volkskunde (heute: Institut für Volkskunde der Deutschen des östli-chen Europa) in Freiburg im Breisgau, die sich neben der volkskundliöstli-chen Erforschung der

Ver-mal? T. 1–2. In: Luckauer Heimatkalender 50 (2018), S. 48–54; 51 (2019), S. 25–29. – Bauliche Bestands-aufnahme für einen weiteren Beispielort: Klaus-Peter Mentzel: Die Neubauernsiedlungen in Falkensee. In:

Heimatjahrbuch für Falkensee und Umgebung 2018 (2017), S. 28–33. – Siehe auch für das ehemals sachsen-anhaltische, heute zu Brandenburg gehörige Freileben (zwischen Dahme und Herzberg/Elster) den Beitrag einer Denkmalpflegerin: Sybille Gramlich: Freileben. Das Neubauerndorf – Ein hoffnungsvoller Neubeginn.

in: Brandenburgische Denkmalpflege 4 (1995), H. 1, S. 129–137.

112 Z. B. die Arbeiten des Cottbuser Klinkdirektors Obermedizinalrat Dr. Eberhard Hetzke (1931–2016), dessen Nachlass sich zudem im Stadtarchv Cottbus befindet; vgl. Nachruf von Klaus Lange in: Cottbuser Heimatka-lender 2017, S. 122. – Siehe im Übrigen die Literaturangaben bei den jeweiligen Orten.

113 Jürgen Udolph: Schall und Rauch. Orts- und Familiennamen. In: Das Brandenbuch. Ein Land in Stichwor-ten. Hrsg. von der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung. Potsdam 2015, S. 189–192, hier S. 191. Grotesk ist der auf die frühmittelalterliche slawische Zuwanderung bezogene Hinweis, es gebe auch

„slawische Namen, die sehr viel früher in Brandenburg heimisch geworden sind“, während der hierfür viel wichti-gere Zustrom aus den Ostprovinzen im 19. Jh. bzw. im Kaiserreich unerwähnt bleibt. Auf die alte slawische Bevölkerung Brandenburgs führt Udolph zudem Namen zurück, die zum größten Teil typisch pommersch und eben nicht brandenburgisch sind, folglich zum größeren Teil eher erst durch die Vertreibung von 1945 nach Brandenburg gelangt sein dürften. Viel häufiger als die von ihm angeführten (eher auf Arbeitsmigranten des 19. Jh. zurückgehenden) slawisch-oberschlesischen und polnischen Namen sind in Brandenburg z. B. die 1945 dorthin gelangten typisch (nieder)schlesischen Namen.

114 Ab 1955 „Jahrbuch für Volkskunde der Heimatvertriebenen“, ab 1963 fortgesetzt als „Jahrbuch für ostdeut-sche Volkskunde“, seit 1995 „Jahrbuch für deutostdeut-sche und osteuropäiostdeut-sche Volkskunde“.

treibungsgebiete auch intensiv mit Themen der Eingliederung von Flüchtlingen, Vertriebenen und (Spät-)Aussiedlern annahmen und bis heute annehmen. Einer Vielzahl von Untersuchun-gen zur Situation in den westlichen Bundesländern stehen jedoch bislang nur wenige zu der in SBZ/DDR und neuen Bundesländern gegenüber.115

Die seit 1995 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin lehrende habilitierte Volkskundlerin bzw. Ethnographin Leonore Scholze-Irrlitz (geb. 1963 Berlin), zugleich Leiterin der dort seit 1995 angebundenen Landesstelle für Berlin-Brandenburgische Volkskunde, hat sich, ausgehend von ihrer ehemaligen Museumsleitertätigkeit in Beeskow116, in den neunziger Jahren nebenbei auch mit der Le-benssituation von Flüchtlingen und Vertriebenen im brandenburgischen Landkreis Beeskow-Storkow befasst und ist dabei insbesondere der Rolle der Frauen nachgegangen. Diese ver-dienstvollen Arbeiten sind jedoch für eine breitere Rezeption in der berlin-brandenburgischen Zeitgeschichtsforschung an relativ entlegener Stelle, teils weitab von Brandenburg117, teils mehr fachdisziplinintern erschienen118, das Thema gehört auch nicht mehr zu den aktuellen For-schungsgebieten der Verfasserin. Insofern ist es zu begrüßen, dass etwas später immerhin noch eine knappe Zusammenfassung in einem populären regionalen Periodikum am Ort bekannt gemacht wurde.119 Am Berliner Institut ist ferner 1995 eine von dem (selbst nicht mit dem The-ma befassten) Kulturwissenschaftler und Volkskundler/Ethnologen Wolfgang Kaschuba (geb.

1950 Göppingen) betreute Diplomarbeit zu den Vertriebenen allgemein entstanden.120

115 Gerald Christopeit: Verschwiegene vier Millionen. Heimatvertriebene in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. In: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 38 (1995), S. 222–251. – Ders.:

Kerb und Klöppelspitzen im Kattenwinkel – Vertriebenensiedlungen in der SBZ/DDR? In: ebd. 40 (1997), S. 76–99. – Ders.: Die Glasmanufaktur Derenburg – von der sudetendeutschen Umsiedlergenossenschaft zur staatlichen Glasmanufaktur Harzkristall. In: ebd. 42 (1999), S. 118–145.

116 Vor Beginn ihrer Tätigkeit an der Humboldt-Universität war sie 1991 Leiterin des Museums für Natur- und Heimatgeschichte des Landkreises Beeskow und 1992–1995 Leiterin des Regionalmuseums „Burg Beeskow“.

117 Leonore Scholze-Irrlitz: Auf den Schultern der Frauen. Flucht und Vertreibung, Umsiedlung und Neuanfang im Landkreis Beeskow/Storkow (1945–1950). In: Flucht und Vertreibung 1945–1995. Hrsg. vom Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg. Filderstadt 1996, S. 35–47.

118 Leonore Scholze-Irrlitz: „Umsiedler“ im Landkreis Beeskow/Storkow. In: Alltagskultur im Umbruch. Fest-schrift für Wolfgang Jacobeit zu seinem 75. Geburtstag. Wolfgang Kaschuba / Thomas Scholze / Leonore Scholze-Irrlitz (Hg.). Weimar u. a. 1996, S. 135–149.

119 Leonore Scholze-Irrlitz: Die Bürde der Frauen. Erinnerungen an Vertreibung und Neuanfang (1945–1950).

In: Kreiskalender Oder-Spree 2002, S. 16–18.

120 Reinhard Weigelt: Evakuierte – Umsiedler – Vertriebene. Umgesiedelte im Osten Deutschlands. [Eine Publi-kation ist offenbar nicht erfolgt.]. – 1999 wurde ferner eine von W. Kaschuba betreute Dissertation von Signe Roß über „Flucht und Vertreibung: Lebenswege und Formen in Mecklenburg-Vorpommern“ vergeben, die noch 2008 als „vergeben“ erwähnt wird, aber seither nicht abgeschlossen worden zu sein scheint (Deutsche Gesellschaft für Volkskunde, Datenbank Abschlussarbeiten, www.d-g-v.org [19.6.2017]).

Die insbesondere in der Sorben-Forschung tätige Ethnographin Ines Keller121 (geb. 1964 Crostau) hat sich seit 2004, ausgehend von ihrem Interesse am sorbischen Siedlungsgebiet, auch mit Fragen der Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen in der Lausitz (Nieder- und Oberlausitz) befasst. Grundlage des Interesses ist hier wohl letztlich die Frage der (positiven und negativen) Auswirkungen der Nachkriegszuwanderung auf die Assimilation der ansässi-gen sorbischen Minderheit.122 Ihre Quelle bilden Befragungen Betroffener, im Fokus stehen dabei neben allgemeinen Anpassungsmustern der Untersuchungsgruppe vor allem „Anpas-sungsstrategien der Kinder- und Jugendgeneration“.123 Wie es scheint, werden diese für die Migra-tionsforschung und für die zeitgeschichtliche Vertriebenenforschung wichtigen Studien bislang jedoch eher in der sorabistischen und slawistischen Forschung rezipiert.124 Die Autorin hat aber immerhin ebenfalls dafür gesorgt, dass Kurzfassungen der Ergebnisse in der Niederlausitzer landes- und regionalgeschichtlichen Forschung125 und durchaus auch in der dortigen interessi-erten Öffentlichkeit126 bekannt wurden.

Eine stärkere interdisziplinäre Bündelung der Kompetenzen in der Erforschung der Ein-gliederung von Flüchtlingen und Vertriebenen steht – nicht nur in Berlin-Brandenburg – noch aus. Dass dies produktiv wirken kann, zeigen die Arbeiten mehrerer Wissenschaftlerinnen der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Frankfurt (Oder) bzw. des wesent-lich von der Posener Universität geführten Collegium Polonicum in Słubice, die sich seit Jahren mit der deutsch-polnischen Grenzregion an Oder und Neiße befassen und dabei auch der Le-benswelt der Bewohner nachgehen. Zwar stehen dabei die Situation der neuen (Nachkriegs-) Bevölkerung in den polnischen Westgebieten sowie weiträumige Vergleiche meist im Vorder-grund des Interesses127, doch werden über vergleichende Studien immer wieder auch Fragen

121 1988–1991 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abt. Volkskunde am Institut für sorbische Volksforschung Bautzen, seit 1992 desgleichen in der Abt. Empirische Kulturforschung/Volkskunde am Sorbischen Institut e. V. in Bautzen.

122 1945 gab es unter den Sorben in der SBZ auf eine Verbindung mit der Tschechoslowakei zielende und von dort genährte Separationsbestrebungen. Siehe Blöß, Grenzen und Reformen (wie Anm. 89), S. 72 f.

123 Ines Keller: „Jetzt bin ich hier und das ist gut so“. Lebenswelten von Flüchtlingen und Vertriebenen in der Lausitz. Bautzen 2005. 196 S. (Lětopis 52, Sonderheft). – Dies.: Flüchtlinge und Vertriebene in der zweispra-chigen (sorbischen) Lausitz. In: Volkskunde in Sachsen 23 (2011), S. 197–210.

124 Siehe die Zusammenstellung der Rezensionen zu Kellers Band von 2005: www.serbski-institut.de/de/Keller-Ich-bin-jetzt-hier/ [19.6.2017].

125 Ines Keller: Flüchtlinge und Vertriebene in der Lausitz. In: Niederlausitzer Studien 31 (2004), S. 88–91. [Kur-zer Überblick über Befragungsergebnisse, Schwerpunkt jedoch Oberlausitz]. – Dies.: „Wenn man die Sprache braucht, dann lernt man sie auch. Bloß, wenn man sie nicht braucht, wird man sie auch nicht richtig lernen.“ – Anpassungsstrategien von Flüchtlingen und Vertriebenen in der Niederlausitz. In: Niederlausitzer Studien 33 (2007), S. 138–144. [Befragung von Flüchtlingen und Vertriebenen, die einheimsche Partner sorbischer Her-kunft geheiratet haben].

126 2014 hielt sie z. B. im Lübbener Rathaus einen Vortrag „Heimat Niederlausitz. Flüchtlinge und Vertriebene im zweisprachigen Gebiet“: www.luebben.de/de/Kultur/News/2-Heimat-Niederlausitz.html [19.6.2017].

127 Beata Halicka: Polens Wilder Westen. Erzwungene Migration und die kulturelle Aneignung des Oderraumes 1945–48. Padeborn 2013.

von Flucht und Vertreibung der Deutschen einbezogen.128 Einzelstudien zur Eingliederung von Flüchtlingen und Vertriebenen in Brandenburg sind dort bisher aber wiederum nicht oberhalb der Ebene von Magister- und Masterarbeiten angesiedelt.129 Ein ähnlicher Befund ergibt sich aus der in Küstrin vom Museumsverband des Landes Brandenburg e. V. veranstalteten deutsch-polnischen Tagung „Alte Heimat – neue Heimat. Deutsche und polnische Museen westlich und öst-lich der Oder nach dem Zweiten Weltkrieg“ (6. bis 8. Oktober 2016). Auch hier standen die pol-nische Hälfte der Oder-Grenzregion und der heutige Umgang mit deren deutscher Geschichte im Vordergrund.130

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